Notizen aus dem Kunstleben und Kunsthandel DIE WELT EINES ZAUBERERS Max Ernst ist Rheinländer. auch wenn er vor 40 Jahren Köln verlassen hat. So feiert ihn das WaIlraf-Richartz- Museum Köln in seiner großen und doch knapp gefaßten, 223 Werke zei- genden Ausstellung mit besonderer Beziehung und Berechtigung. Von Köln ging um 1920 der „dadamax ernst" aus. mit seinen Collagen die Welt zu verwandeln und zu verzaubern. Was eben noch technische Zeichnung, Hut- prospekt. Tapete war, wird durch Montage, durch Farben und einige Linien neu gesehen und damit in einen neuen Zusammenhang gebracht, in Kunst verwandelt. Das gleiche gilt auch van den Frottagen. Durchreibungen von erhabenen Struk- turen. die 1925 entstanden. Sie be- zeichnen einen Neubeginn. durch dessen ALFRED KUBIN UND WIENER SCHULE IN ROM Die Ausstellung ..Alfred Kubin und die phantastischen Realisten Wiens". welche unter den Auspizien des Österreichi- schen Kulturinstitutes in der Galleria ,.ll Bilico" in Rom gezeigt wird. darf für sich das Recht in Anspruch nehmen, zu den meistbeachteten künstlerischen Ereignissen dieser Saison in der italie- nischen Hauptstadt gezählt zu werden. Diese Manifestation zog das lebhafte Interesse eines sachkundigen Publikums auf sich, wie der Besuch maßgeblicher Kreise des römischen Kunstlebens: Museumsdirektoren, Galeriebesitzerund bedeutende Maler. u.a. Giorgio De Chirico, Fabrizia Clerici und Antonio Mararco. sowie umfangreiche Artikel in der Presse (vor allem jene von Claudia Refice in der angesehenen kulturellen Wochenschrift .,La Fiera Letteraria" und Valerio Mariani im ,.Gi0rnale d'Italia") ebenso beweisen wie der Ankauf von Werken aus dieser Ausstellung durch römische Kunstsamm- ler. Gustav Rene Hocke bezeichnet diese erste Ausstellung der „Wiener Schule der phantastischen Realisten" in Rom in seinem Essay ..Zwischen Traum und Hoffnung", der im Katalog in italienisch und deutsch an Stelle einer Einführung publiziert wurde, als ein auch in histori- EIN INTERESSANTES GRAZER PROJEKT Ende November ging eine interessante Meldung durch die österreichische Tagespresse: In Anwesenheit von Unter- richtsminister Dr. Drimmel, Landes- hauptmann Krainer, Landesrat Univ.- Prof. Dr. Koren und des Grazer Bürger- meisters lng. Scherbaum erfolgte im Weißen Saal der Grazer Burg die Konstituierung des Kuratoriums für die Errichtung eines österreichischen Frei- lichtmuseums. ln fünf bis sechs Jahren soll es so weit sein, und der Besucher wird dann Gelegenheit erhalten. sich mit allen Besiedlungsformen Öster- reichs vertraut zu machen. Univ.-Praf. Dr. Koren konnte nachweisen, daß Freilichtmuseen in aller Welt als wert- volle Bildungseinrichtungen anerkannt sind, Minister Dr. Drimmel wies auf die durch Regierungsbeschluß gewahr- leistete Unterstützung des Projektes 50 Früchte Max Ernst zum bedeutendsten Maler der Bewegung wurde, die sich in seinem Werk und in der Sicht von heute immer mehr als eine romantische erweist: des Surrealismus. Nicht als Schöpfer, sondern als Gestalter des inneren Gesichts malte Ernst um 1927 seine großen Bildzyklen: Horden, Wäl- der, Vageldenkmöler - die bleibenden Leistungen des Surrealismus. Das Furchtbare, Absurde, das Wuchern der Natur („Flugzeugfressender Gar- ten", 1935) bestimmen sein Schaffen bis in die amerikanische Zeit. bis zu „Surrealismus und Malerei" (1943). Heiterer und gelassener sieht der alte Künstler die Welt. die Bilder scheinen oft gegenstandsfrei; doch mit un- gebrochener Kraft verwandelt er die abstrakten Strukturen in Gebilde vall Leben, die sich scheinbar zu Gestalten. zaubrischen Lebewesen wandeln und schem Sinne legitimes Auftreten und weist vor allem auch auf die Distanz zum programmatischen Surrealismus wie zur dekorativen Ornamentik der ebenso kommerziellen nicht-figürlichen Epigonen der „Abstrakten" hin. Auch die Zusammensetzung der Aus- stellung (zwanzig Zeichnungen Alfred Kubins aus der Zeit von 1900 bis 1948, durchwegs Leihgaben der graphischen Sammlung „Albertina". und zwanzig Tempera- und Ölgemälde von Erich Brauer. Ernst Fuchs, Rudolf Hausner, Anton Krejcar, Anton Lehmden, Kurt Regschek und Elsa Olivia Urbach) gewinnt durch Hockes Deutung des gentigen Phänomens der .,Wiener Schule". deren Entstehen und Ent- wicklung er als „eine der größten Überraschungen im heutigen geistigen Europa" bezeichnet. an Gewicht. Der Name Kubin rückte in die Titel- zeilen der Kulturseiten der großen Tageszeitungen. so daß diese dem Um- fang nach zwar bescheidene. aber der Auswahl nach hervorragende Schau seiner Zeichnungen zum Präludium einer umfassenden Kubin-Ausstellung für die großen Städte Italiens oder bei der XXXII. Biennale von Venedig werden könnte. Gleichermaßen haben auch die zwanzig Gemälde der „Wiener Schule" Gel- tung als Vorhut für eine umfassendere Unternehmung. durch höchste österreichische Stellen und gleichzeitig auf die Besinnung auf eine Idee hin, die in Gegensatz zum .,Mammonismus" unserer Zeit stünde, Als Standort des Freilichtmuseums ist der Enzenbachgraben bei Graz vor- gesehen. Im Rahmen des Museums soll auch die rapide dahinschwindende Kunst alter Töpferei und Weberei sowie des Schmiedens und Vermahlens gepflegt werden. Die Idee als solche geht in Österreich auf Univ.-Prof. Dr. Geramb. einen der Nestoren unserer Volkskunde, zurück. Als Vor- bilder können ähnliche, vor allem in Skandinavien beheimatete Institutionen dienen. NOCHMALS: HENTARTETE KUNST" Einer Sendung des NWDR entnehmen wir folgende interessante Fakten: In der DDR soll sich ein sechsbändiges Verzeichnis der beschlagnahmten ver- doch angreifbar bleiben, Mit sentenz- hafter Prägnanz nennt er ein 1959 entstandenes Bild .,Mundus est fabula": Titel wie Bild wirken wie eine Zu- sammenfassung der künstlerischenWelt- sicht des Surrealisten Max Ernst. Zu den Gemälden, Collagen und Frottagen kommen die illustrierten Bücher und die Plastiken. Holzstich- montagen werden zu absurden Bild- folgen zusammengestellt, Pseudoramane ohne Worte. wie das Buch mit dem akustisch zweideutigen Titel ,.l_a femme 100 tätes -- Die hundert-kopflose Frau". in denen der Schrecken einer gemütvollen Bürgerwelt ins Bild ge- bannt wird. Die Plastik beschäftigt Ernst zwar von früh an. nimmt aber erst seit 1941i breiteren Raum in seinem Schaffen ein. Durch die Übernahme vorgeformter Elemente haben sie einen oft geräthaften Charakter, ohne daß das magische Element verlorengehl (Abb. 1. 2), Helmut R. Leppien Hausners groß angelegtes Werk „Zwei Kontinente" beherrscht in seiner un- nachahmlichen Technik und klaren Konzeption den Raum. Während er sich ll'l seiner kritischen Stellungnahme eine Art heiteren Sarkasmus bewahrt. wird diese bei Fuchs (Psalm 69) zur dröhnenden Anklage. Hinter Lehmdens bukolischer Heiterkeit in seinen Land- schaften verbirgt sich eine akute Bedro- hung. Brauer, dessen Werke gleicher- maßen bei Bruegel als bei persischen Miniaturen ihren Ursprung haben, bleibt isoliert. Krejcar ist auch durch die Anwendung der sonst nur in der abstrakten Kunst üblichen Material- malerei ein Außenseiter. Regschek besteht in seinem kleinen organischen Bild „Der andere Phönix", übernimmt sich aber sichtlich in Format und Konzept beim .,Letzten König". Eisa Olivia Urbachs „Nymphe" ist in ihrer michelangelesken Interpretation ein überzeugendes Bild. Die Landschafts- formationen im Hintergrund weisen auf Leonardo. Vor allem die beiden Namen Regschek und Urbach stehen in Rom für jene zweite Welle der ..Wiener Schule" ein, d. h. für Couden- hove, Doxat. Ferra, Kies. Korab, Matauschek, Mikula und Pilcz. deren Werke hoffentlich bei nächster Ge- legenheit in Rom gezeigt werden können (Abb, 3, 4). Walter Zeitl femten Kunstwerke befinden, dessen derzeitiger Standort jedoch nicht ge- nannt werden konnte. Ein nach dem Krieg verstorbener Museumsbeamter der Bremer Kunst- halle gab gegen eine dem C. D, Fried- 3 rich nahestehende Landschaft folgende Werke .,Entarteter" ab: 7 Feininger, 2 Schmidt-Rottluff, 2 Marcks, 1 Moder- sohn-Becker, 199 (I) Aquarelle van Paul Klee. Kandinsky u. a. m. Der gleiche Musealbeamte hatte kurz vorher eine Monographie über die Modersohn veröffentlicht . . . Von den insgesamt 16550 Gemälden etc., die aus öffent- lichem Kunstbesitz beschlagnahmt wor- den waren, wurden nur 125 auf der Auktion in Luzern ausgeboten. Viele Werke, von denen angenommen wurde, sie seien dem Aulodafe zum Opfer gefallen, dürften nicht vernichtet worden sein, da immer wieder Arbeiten auftauchen, die als verbrannt galten. Mayer-Grasse 4 1 Max Ernst. Der große Wald. ' 1927. Kunstmuseum Basel 2 Max Ernst, Nlundus est fabula,1 1959, The Museum of modern A 3 Ernst Fuchs. Psalm 69, ÖlwTc 75 x 53 cm, 1948 bis 1960 _ 4 Elsa Olivia Urbach. Nymphe, C 64 x 90 cm. 1962 in?" '