Figur des Vordergrundes mit der phrygischen Kappe und der gefühl- vollen Geste in das Ganze hineinkommt. Auf die Problematik der Datierung des Blattes, die mit der des Stiches Jacopo Caraglios „Die Vermählung Mariae" nach einem Entwurf Parmigianinoslö) eng zusammenhängt, kann hier nicht eingegangen werden, doch könnte sich herausstellen, daß beide Werke schon nach 1527 in Bologna entstanden sind. Wiederum kannten Mariette, Bartsch und Copertini nur eine täuschend ähnliche KopieW), während Pittaluga ein schönes Exemplar des Originals in den Uffizien abbildet. Die Albertina. besitzt davon sogar einen bisher unbeschriebenen frühen Probedruck, der hier reproduziert ist (Abb. S), bei dem der Rücken des anbetenden Hirten noch fast weiß gelassen und nur mit wenigen Strichen modelliert ist. Erst im zweiten Zustand werden die feinen, zum Teil lang durchgezogenen Schrai-fen und einige Striche in der Kappe des Hirten im Vordergrund zugefügt. Auch die beiden Grablegungsradierungenlö) (Abb. 6 und 7), die unzählige Male kopiert wurden, aber nie in täuschender Absicht, wie die erwähnten anderen Blätter, erfuhren in der Kritik dennoch ein wechselvolles Schicksal. Wieder irrte sich Bartsch, der auch hier auf Mariette fußte, und schrieb das eine Exemplar (Abb. 7) dem Guido Reni zu, der das Blatt kopiert hatte. Zani19) entdeckte dann das Blatt Renis und gab Parmigianino die Radierung zurück, schied aber die andere von Bartsch anerkannte (Abb. 6) aus dem Werk des Meisters aus. Copertini folgte Zanilß), während Fröhlich-Rum und Wilde bei dem von Bartsch anerkannten Blatt blieben 21). Wir dagegen möchten annehmen, daß beide Blätter echt sind und Parmigianino in der späteren rein radierten und kompositionell wie inhaltlich vollendeten Fassung (Abb. 6) seine frühere, in vielen Stellen unklarere, noch viel mit Kalt- nadel retuschierte, wesentlich weniger geschlossene Version verbessern wollte. Man beachte nur, wie erst in der zweiten Fassung die große stehende Männergestalt durch die Geste, mit der sie die Dornenkrone über den jugendlich strahlenden Leib Christi erhebt, einen Sinn be- kommt, die die Gestalt der ersten Version nicht besitzt, die ursprüng- lich eine der Trägerhguren in einer früheren gezeichneten Grabtragung warll), aus der die Komposition herauswuchs. Erst in der zweiten Fassung erhält die Radierung die formale Kraft und Vollkommenheit von Parmigianinos Bildern und vielen seiner Radierungen. Erst hier kommt zu der tiefen gefühlvollen Stimmung die vornehme Eleganz und Strenge dazu, die die Darstellung in eine dem Meister durchaus eigene Welt entrückt. Der Stil der beiden Blätter mit den oft geometrisch umschriebenen Körpern, bei denen die Konturierung vielfach vermieden wird und nur aus den Hell-Dunkel-Gegensätzen heraus entsteht, mit den relativ lockeren, freien Schrai-fenlagen, die nur selten ins Runde schwingen, steht Parmigianinos späterem Zeichenstil so nahe, daß diese Werke mit wenigen anderen wohl zu den letzten Radierungen zu zählen sein werden, wenn auch der zeitliche Abstand von den anderen nicht groß sein kann. Schon Wilde hatte mit wenigen Ausnahmen die meisten Radierungen Parmigianinos zeitmäßig zusammengerückt, wenn auch in weitgehend anderer Gruppierung. Selbst biographisch scheint eine Entstehung einer relativ kleinen Anzahl von Werken einer Gattung in einer ge- schlossenen Periode, wie etwa Parmigianinos vier Jahre in Bologna (von 1527 bis etwa 1531) eher wahrscheinlich als eine Datierung der einzelnen Werke in weit voneinander entfernte Zeiträume, wie Copertini das annahm. Nicht alle Blätter konnten behandelt werden. Auch von der frühen kleinen Madonnaß) besteht eine täuschend ähnliche Kopie, keine ist mir bisher vom Jakobus 14), von der Judith Z5) und der sogenannten hl. Thais 1b), besser der hl. Magdalena, wie auch von dem besonders schönen Blatt mit den beiden Liebenden in der Landschaft 17) bekannt geworden. Die Kopie Renis nach dem hl. Phi- lippus ist in der Albertina nur ein späterer Abzug des Originalslß). Problematisch bleiben die Heilung des Lahmen durch Petrus und Paulus 29) und die sogenannte Astrologie 30), die Wilde mit recht ein- leuchtenden Gründen aus dem Oeuvre Parmigianinos ausschied. So müssen unsere Ausführungen Andeutungen bleiben zu den Proble- men, die das radierte Werk des großen Parmenser Meisters noch bietet. Erst wenn also wirklich überall Original und Kopie in seinem Werk eindeutig geschieden sein werden, kann man versuchen, sich ein klares Bild von seinen Leistungen zu bilden. 36 1. m- Grablrgilng (Ihnm. WICH, Allmtmn 7 Die Crnbltgiulg t 1mm. Wien, Allwcruna