Die Auferstehung (Ch
Girolamo Francesco Maria Mazzola, genannt il Parmigianino, gilt mit
Recht als der „Vater der italienischen Radierung". Wenn auch die
Radierung schon vorher in Deutschland verwendet wurde und in
Italien bei Marcanton bei kleinen Blättern in Nachahmung der Stich-
technik oder zur Erleichterung bei großen Werken Anwendung fand,
so hat doch er für die italienischen Künstler das eigentliche Wiesen
und die Vorteile dieser neuen Technik erschlossen. Damit eröffnete
er den Malern, denen die Schulung zur Handhabung des Gtabstichels
fehlte, die Möglichkeit, sich unmittelbar graphisch zu äußern, ohne
die Vermittlung eines ausgebildeten Kupferstechers oder Holzschneiders
in Anspruch zu nehmen. Er hat der großen Ausbreitung der Technik,
die zunächst in seinem Bannkreis erfolgte, dann aber allgemein um sich
griff, die Wege gebahnt. Trotzdem hat man sich nur relativ wenig
mit Parmigianinos radiertem Werk beschäftigt, das noch voll von
Problemen ist und zu dem hier auch nur einige Bemerkungen gemacht
werden können.
Die fünfzehn Blätter, die Bartsch Parmigianino zuschrieb 1) und denen
Le Blancl) und neuerdings Wieder Servolinil) wohl zu Unrecht die
FP signierten, grob radierten Werke eines Anonymus zufügten, den
Bartsch getrennt behandelt hatte, haben in der Kritik ein wechselvolles
Schicksal erfahren. Nur zwölf hielten dem kritischen Blick Johannes
Wildes stand4), auf sechs reduzierte sie Lili FröhIich-BumS), neun
scheinen im Oeuvreverzeichnis Quintavalles auf 6), während Copettini 7)
wie Wilde ebenfalls zwölf Radierungen anerkannte, aber andere als
dieser ausschied.
Versucht man heute, nachdem unsere Kenntnisse von Parmigianino
durch neuere Publikationen gewachsen sind ß), sich wieder dem Problem
zu nähern, und zwar auf Grund der hervorragenden Sammlung der
Albertina, so ergibt sich, daß wahrscheinlich Wilde der Wahrheit
am nächsten gekommen ist, wenn sich auch noch einiges ergänzen
läßr.
Die Schwierigkeit der Beurteilung liegt nicht nur im Wechsel der
verwendeten Techniken und Formate, die zu weit auseinanderliegenden
Datierungen der einzelnen Blätter geführt haben, sondern auch darin,
daß eine außerordentlich große Anzahl von Kopien nach Parmigianinos
Blättern existiert, die seine Hochschätzung beweisen und sicherlich
schon auf das sechzehnte oder siebzehnte Jahrhundert zurückgehen.
Sie ahmen die Originale in wohl bewußt täuschender Manier so genau
nach, daß selbst so große Kenner wie Jean Pierre Mariette, der die
Sammlung des Prinzen Eugen, die über die ehemalige Hofbibliothek
in die Albertina gelangte, bearbeitete, und aufihm fußend Adam Bartsch,
der in Wien nur wenige der originalen Blätter vorfand, der Täuschung
erlegen sind. Kein Wunder, daß in dem einzigen Werk, in dem alle
Radierungen Parmigianinos abgebildet und besprochen sind, dem
Werk Giovanni Copertinis, ebenfalls die Kopien reichlich vertreten
sind.
Mit zu den reizvollsten Werken Parmigianinos auf dem Gebiet der
Radierung gehört das Blatt mit der Darstellung der Auferstehung
Christi9) (Abb. l). Der lockeren Komposition und den weich und
rhythmisch bewegten Körpern und Umrissen nach zu schließen läßt
es sich wahrscheinlich noch in die späte römische oder in den Anfang
der bolognesischen Periode datieren, also kurz vor oder nach 1527,
und gehört damit zu den frühesten Werken des Meisters in der neuen
Technik I0). Wohl als erster in Italien, wie Wilde feststellte, verwendet
hier Parmigianino nach Abschluß der Ätzung in den Hauptpartien
die kalte Nadel vor allem in den zart anschwellenden Linien des Hinter-
grundes, aber auch in Einzelheiten der Modellierung der Körper,
um den Duft der in Licht und Schatten weich um die Figuren spielenden
Atmosphäre zu erzeugen, die den l-lauptreiz des Blattes ausmacht.
Der Strich ist in hohem Maße stichmäßig in lange durchgezogenen,
geschwungenen Linien und Schralfenlagen geführt, was ebenfalls die
frühe Datierung unterstützt, denn Ausgangspunkt und Anregung
mußten für den Meister die Stiche sein, wie auch seine exakte Kopie
nach einem toten Kind im Kindermordstich Marcantons beweist,
das er zu einem kleinen schlafenden Amor umbildete und das vielleicht
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