RUDOLF CHADRABA Wer irt der Starke Jiugel in Diirrrx Apakalypye? Von dem ganzen Zyklus von Illustrationen, ganzseitigen Hulzschnitten, die der siebenundzwanzigjährige Albrecht Dürer zur neutestament- lichen Offenbarung johannis in den Jahren 1495-1498 schuf, wirkt das Blatt VIII (nach der Numerierung Franz Jurascheks) 1) am eigen- tümlichsten. Es stellt zwei am Strand stehende brennende Säulen und den vor ihnen knienden, das Buch verschlingenden Propheten dar, und es gibt da des Geheimnisvollen mehr. Die Kunstgeschichte stand bis jetzt völlig ratlos vor diesem Bild. Sie konnte deshalb nur die befangenen Worte des alten Thausing wiederholen: „Die Darstellung ringt ver- geblich mit dem widerspenstigen StoiT. Von dem Starken Engel, welcher johannes ein Buch, kein Büchlein reicht, damit er es verschlinge, sehen wir nur einen melancholischen Kopf und Hände. Alles andere verschmilzt in einer Wolke, welche ihn bekleiden soll. Die Beine, die feurigen Säulen, hat Dürer wirklich als zwei feurige Stümmel, welche oben in zwei Flammen münden, dargestellt. Die Engelchen am Himmel, sowie der Delphin, die Schwäne und die Schiffe sind unwesentliche Zutaten"1). Nur ein klein wenig weiter hat es Wactzold gebracht, indem er vom „apollinischen" Kopf-i), von iiberirdischer Erscheinung spricht, weiter nichts. Wir (liirfen uns aber mit diesen spärlichen An- deutungen nicht zufrieden geben. Denn es ist durchaus möglich, Thausings Aussprüche über das „vergebliche Ringen mit dem wider- spenstigen Stoff" und die „unwesentlichen Zutaten" im Vorhinein zu widerlegen. Nach seinen Attributen, dem Schwan, dem Delphin und den Sonnenstrahlen um den Kopf können wir Apollo verläßlich er- kennen. Der Schwan ist in der antiken Mythologie ein wahrsagender Vogel, der dem Apollo als Gott der Weissagung geweiht war. Der Tradition zufolge spricht der Schwan nur einmal im Leben, und zwar prophetisch vor seinem Tod. Auch in dem deutschen Sprichwort prophezeit der Schwan, wie es die auf die Nachwelt überkommenen Redewendungen mir Jfbllülllf, mir lwzrbren Srlnranenjliigel beweisen. Der Delphin ist sodann die übliche Bezeichnung für Apollo. Seinen Namen umschrieben die Griechen mit dem Wort Delphiniox. Der Sage nach erschien Apollo den kretischen Schiffern in der Gestalt eines Delphins, um sie bis zu der auserwählten Stelle in Delphi zu führen, wo er ihnen einen Tempel zu bauen befahl. Dort befand sich seitdem das bekannte Apollinische Orakel. Albrcchz D: 2 Alb: 1. 101mm: verschlingt das Buch. um Vlll de: Apokzl h! Durer, Kuhluzuichnung zum Bildnis Maximilians L, I, I8 3