ist schon in der geläufigen hethitischen Hieroglyphe für „König" voll entwickelt, wo stets auch der Name des Herrschers enthalten war. Von dieser ältesten mesopotamischen Darstellung zweier Wfeltsäulen, die eine geflügelte Sonne tragen, mag wohl die Tradition von König Salomo übernommen worden sein, der im Portikus seines Tempels zwei Weltsäulen als Symbole der Weltherrschaft aufgestellt hatte. Für die Humanisten in Dürers Umkreis war diese Symbolik in den säulenförmigen Beinen des Starken Engels enthalten, die schon im maßgeblichen Kommentar des Alexander von Bremen als salomonische Weltsäulen gedeutet wurden (siehe oben). Nehmen wir nun das ehemals Dürer zugeschriebene und für uns anonyme Holzschnittblatt mit dem Bildnis Karls V., Maximilians Enkel und Thronfolger, aus dem Jahr seines Regierungsantrittes 1519 zur Hand. Über seinem Kopf sind wieder die beiden Säulen angebracht, und ich zweiHe nicht, daß das gleichzeitig entstandene Holzschnittporträt Maximilians von Dürers Hand, das zwei Säulen einrahmen, ebenfalls symbolisch gemeint ist. Von Karl V. ist allgemein bekannt, daß er die beiden welttragenden Säulen, auch auf die Herkulessäulen anspielend, zum Symbol seines Weltreiches erklärte, „über dem die Sonne nicht unterging". Einer seiner Nach- folger, Ferdinand ll., ließ diese zwei Säulen auf die Decke eines Saales der Prager Burg malen, als Symbol der angestrebten und teilweise schon vorhandenen habsburgischen Weltherrschaft. lm Hause Habsburg sind sie zur Tradition geworden - nur ahnte bisher niemand, daß Dürer in seiner Apokalypse der Begründer dieser Tradition war. Hans Sedlmayr weiß über die Säulensymbolik der Zeit nach der Befreiung Wiens von der Tüirkenbelagerung, die um 1690 beginnt und in der bildenden Kunst im Zeichen eines kurzlebigen neuen „Reichsstils" steht, Interessantes zu berichten. Die beiden Säulen wurden immer mit der Vorstellung des „Sonnenherrschers" verbunden, und in der Sonnenglorie, die Fischer von Erlach für Kaiser Josef I. in Wien errichtete, wo zwei Säulen (Äonrlanlia e! Iiarliluda, Beständigkeit und Stärke (Jachin und Boaz), eine strahlende Sonnenscheibe trugen, lebte die Überlieferung wieder auf, ohne daß sie sich seit der Zeit der hethi- tischen Königshieroglyphe allzusehr verändert hätte. Jedenfalls kehrt hier Dürers „Starker Engel" wieder, der tatsächlich eine von den zwei Wieltsäulen getragene Sonnenglorie darstellt. Sedlmayr läßt diese Beziehung völlig außer acht i und ist es dabei nicht um so interessanter, daß er gleichzeitig in einem ganz anderen, allgemein stilkritischen Sinn feststellt, der „Reichsstil" Josefs l. knüpfe in mancherlei Hinsicht an Dürer anK)? Sedlmayr zufolge erreicht die monarchistische Symbolik der Sonne in der europäischen Kunst zweimal ihren Höhepunkt; und zwar 1. von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts; 2. in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Dies schließt allerdings weder die Sonnenglorie Josefs l. im Jahre 1690 noch die Sonnengloritikation Maximilians l. in Dürers Apokalypse vom Jahre 1498 aus. Als Dürer an der Apokalypse arbeitete, brachte er auch ein anderes Werk hervor, das die Richtigkeit der oben erwähnten Auslegung des Blattes VIII bestätigt. Gleichzeitig mit Dürers „Apocalipsis cum tiguris" erschien nämlich in Kobergers Druckerei das „Repertorium morale" von Peter Berchorius, ein humanistischer Druck mit apo- kalyptischen Anspielungen. Eine frühere Ausgabe dieses Werkes war dort bereits im Jahre 1489 erschienen. Wir lesen darin: „Die Sonne der Gerechtigkeit wird in Flammen erscheinen, wenn Er am Tage der Vergeltung die Menschheit richtet und Er brennend und des Zornes voll ist. Denn so, wie die Sonne, wenn sie zur Sommerszeit im Zeichen des Löwen steht, Pflanzen und Blumen versengt, wird auch Christus im Brande des Gerichts furchtbar und dem Löwen gleich (homo ferus et leoninus) erscheinen, um die Sünder von den Gerechten zu teilen . . .9)" Erwin Panofsky bringt dies in Zusammenhang mit jenem kleinformatigen Kupferstich Dürers, der einen auf einem Löwen sitzenden Mann darstellt, mit frei umgehängten Mantel, lodernden Augenbrauen und doppelter Strahlenkrone um das Haupt. Der Mann hält in seiner Rechten ein Schwert, in seiner Linken eine Waage. Die feurigen Augenbrauen, Schwert und Waage weisen als Attribute auf Christus, den gerecht strafenden Richter hin, wie er Johannes im Kreise der sieben Leuchter auf Blatt 1 der Apokalypse Dürers erscheint. Besonders die brennenden Brauen sind ein untrüglicher Hinweis auf den „Menschensxxhn . . . dessen Antlitz wie die Sonnen strahlte in ihrer vollen Kraft", wie es im Text über ihn heißt. Außer Schwert und Waage findet Panofsky noch ein drittes Attribut der Gerechtigkeit vor, 6 6 die gekreuzten Beine: „diese für einen ruhigen, erhabenen Sinneszustand bezeichnende Stellung war in den altdeutschen Rechtsbüchern wirklich für die Richter Vorschriftw). Zugleich steht der upollinixzbe Typ dieser Darstellung außer Zweifel, denn neben Sonnenattributen (Strahlenkranz und lodernde Brauen) ist hier auch noch der Löwe, das astrologische Sonnenzeichen des Monats Juli, vorhanden. Panofsky weist darauf hin, daß Dürer zur Darstellung dieses Löwen nicht nur seine venezianische Studie ven wendet hat, sondern daß er auch auf einem der Kapitäle des Dogen- palastes in Venedig denselben Typ des Sonnenmannes sehen konnte, der ähnlich frontal auf dem Löwen sitzt und über seinem Kopf der aus dem Islam überlieferten Tradition gemäß den Sonnenball hält. Hier muß allerdings eingewendet werden, daß diese Tradition noch einen anderen Ursprung hat. Unter den Allegorien der zwölf Tugenden auf den Reliefs der französischen Kathedralen des 13. Jahrhunderts finden wir den unmittelbaren Vorläufer des Löwenmannes von Venedig: die Gestalt eines Ritters, der in seiner Rechten das Schwert (der vene- zianische Löwenmann hielt ursprünglich in seiner rechten Hand ebenfalls ein Schwert, das später abgeschlagen wurde) und in seiner Linken einen kreisrunden Schild hält, auf dem in hochplastischem Relief ein Löwe dargestellt ist. Der Ritter sitzt nicht auf einem Löwen, sondern auf einer Bank; es ist iedoch klar, daß der Mann venezianischen Typs gleicherweise auf dem Löxyen sitzt wie der französische Ritter auf seiner Bank. Der Löwe ist hier aus dem runden Schild verschwunden, den der Löwenmann in seiner ausgestreckten Linken über dem Kopf des Tieres hält, auf dem er sitzt. Der französische Ritter mit Löwenschild ist eine geläufige Allegorie der Tapferkeit, er wird als „Le Courage"