zähtige Situationen, in denen sein zu- rückgedrängter angeborener Gestal- tungswille durchbrach und in rein naturalistischen Schnitzwerken von sei- ner starken Begabung und großem handwerklichem Können sprach. Davon zeugt besonders ein Gekreuzigter. der kurz nach dem Krieg im väterlichen Hause entstanden ist und mit schön durchmodelliertem Körper, mit aus- gewogenen.richtigenonatomischenVer- hältnissen mehr als die gewöhnlichen Herrgottsschnitzerarbeiten präsentiert. Unterdessen hatte Schogerl eingesehen. daß es keinen Sinn hat. sich länger gegen ein auferlegtes Schicksal zu sträuben, daß ihm allein der Beruf eines Bildhauers die große Spannung geben kann, die für sein Leben nötig ist, um bestehen zu können. Somit blieb also auch ihm, trotz des Hinein- geborenseins in die väterliche Werkstatt, der individuelle Entschluß nicht er- spart. Als Kind seiner Zeit mußte er per- sönlich „ja" sagen. ,.ich will! ich will diesen Stein auf mich nehmen und immer wieder den Berg hinanwälzen". 1946 kam Schagerl auf die Akademie der Bildenden Künste in Wien zu Pro- fessor Müllner. Von Natur eher kon- servativ. läßt er sich in jenen Jahren wenig. vielleicht noch am meisten von Henry Moore. beeinflussen, überwindet jedoch bald diese Strömung, stellt. durch moderne Malerei angeregt. Ver- suche mit kristallinen Formen an und geht zu mohnkapselähnlichen Ver- schachtelungen über. Man merkt bei diesen Arbeiten noch immer ein tasten- cles Versuchen. Eine Entscheidung in seinem Reifen brachte erst eine auf- rechtstehende Frauenfigur. Hier will er die Eroberung des Raumes durch die plastische Forrn demonstrieren. nicht durch die Bewegung eines Körpers. sei es durch ein Ausgreifen oder Schreiten. sondern durch die Form an sich. Diese in den Raum ragenden Brüste bzw. Ge- säßbacken kommen einer Besitznahme gleich. Versuchte Schagerl in den kri- stallinen und verkapselten Formen. noch unklar und ungenügend, das Beharrend- Erdhafte auszudrücken. so entwickelt er in letzter Zeit aus der menschlichen Gestalt, gleichsam wie Raketen. in den Raum schießende Gebilde voll dynami- scher Kraft. Diesen Dualismus finden wir in dem ganzen Werk des Künstlers: Die Erde e deren Symbol ihm häufig der Stein. im besonderen der Granit und hier wieder der Pflasterstein ist - ist das Schwere. Gebundene. Lastende: der Mensch und das vorn Menschen Geschaffene - meist in Metall ausge- drückt - ist hochstrebend. in den Raum greifend. bewegt. aber manchesmal auch die Materie verfremderid oder zersetzend. Die in Schalungsbeton kubenhaft um- gewandelte. freistehende Figur von 240 cm, 1958l59 entstanden. ist vorerst allerdings noch eine formale Weiter- entwicklung des großen Frauenaktes. Noch scheint sich der Künstler nicht für dieses oder jenes Prinzip zu ent- schließen, noch glaubt er beide in einer Form bewältigen zu können. Aber schon die nächsten Hervorbrin- gungen zeigen eine klare Entscheidung. Es sind dies einige große Granilpflaster- steine, die der Künstler einschlitzt und in die er Metallteile einläßt. So ent- steht eine vom Menschen zersägte Na- turform. Wird bei dem ersten Stein die Erde. hier der Pflasterstein. nur durch ausgewogen in Vertiefungen ein- 42 gelassene Platten geteilt, so zeigen die zwei nächsten Steine etliche in ver- schiedene Höhen ragende Metallstege beziehungsweise Metallstäbe. die in ihren Gruppierungen an Wolkenkratzer erinnern. Hier ist sehr deutlich der Eingriff des Menschen in das ursprüng- liche Gefüge des scheinbar unteilbaren Kernes ersichtlich. Wir können diese. wie viele moderne Werke. mehr- schichtig deuten. Wir haben im Granit den Atomkern, der erstmals gespalten wird. Wir haben in dem Pflasterstein aber auch unsere Erde. auf der wir gehen und leben (der Künstler selbst ist von dem Gedanken. daß auf diesen Stein schon tausende Menschen getre- ten. daß Pferdehufe daraufgeschlagcn und die eisenbereiften Räder der Wagen darübergepoltert haben. fasziniertl), und die wir. die Menschen, verändern, nicht nur zu ihrem Besten. sondern auch unter Umständen ihr im Raubbau tiefe Schrunden und Furchen zufiigend. die nicht mehr heilen werden. Ein aus derselben Zeit (1959) stammen- der Steinaufbau. "Familie" benannt. stellt ein Menschenpaar mit einem Kind dar und ist reliefartig aus verschieden großen bzw. gespaltenen Pflastersteinen gebildet. Dies scheint im ersten Augen- blick ein Widerspruch zu dem vorhin Gesagten oder eine Konzession des Künstlers an den Betrachter oder Auf- traggeber zu sein. Denn hier wird der Mensch aus dem Erdrnaterial. aus dem Urstoff geformt und ist mit dieser Ebene auf das engste verbunden. Was wird aber dargestellt? Diese mensch- liche Einheit ist wirklich die erdver- bundenste. Familie ist Urstoff! Also doch kein Widerspruch! Im gleichen lohr entsteht noch die Totenmauer. Hier ist der Mensch vereinzelt. eine spröde Linie Messing, in die Übermacht des schweren Steins gebettet. und dieser Linie hilft kein sich Dagegenstemmen. Fast nichts. wird sie in eine große Ein- heit zurückgenommen. Schon wenn wir uns einer der nächsten Arbeiten Schagerls zuwenden. merken wir jenen oben erwähnten dualisti- schen Zug. 1959160 entstand eine „Vierergruppe" aus Holz. Wieder ist die menschliche Struktur durch knappe Einschnitte angedeutet. Trotz der block- haften Monumentalität spüren wir in dem angeschmauchten Holz einen star- ken Zug in die Höhe, der durch die zum Teil rissige Maserung des ver- brauchten, alten Materials e das schon aus diesem Grunde ein natürliches Gruppierungsbedürfnis besitzt - unter- strichen wird. Die die senkrechten Zwischenräume von Figur zu Figur sowie die Schlitze in diesen selbst horizontal gliedernden Kerben und Ril- len geben der aufstrebenden Bewegung einen inneren Rhythmus. Dieses 190 cm hohe Werk. das etwa wunderbar als Denk-Mol. also als Mol. bei dem man denkt (eigentlich eine Seltenheit beim Anblick der üblichen Denkmäler). in den Hof eines Gebäudes der Eisenbahn- verwaltung oder, noch besser. der Eisenbahnergewerkschoft passen würde, eröffnet eine ganze Reihe von Arbeiten, die, alle in verschiedenen Metallen ausgeführt, monumentalen Charakter haben. Arbeiten, die selbst dann. wenn sie nur 54 cm hoch sind. unglaublich faszinieren und den Wunsch beim Be- trachter wach werden lassen, ein solches Gebilde in einem Ausmaß von 5 oder 6 Metern auf einem Flugplatz. oder wo immer sonst der Pulsschlag unserer Zeit zu spüren ist. zu sehen. im Grunde ist es ein Variieren desselben Themas. der jeweiligen materiellen Substanz des Geschaffenen entsprechend. Einmal werden verhältnismäßig dünne längliche Aluminiumplotten so zusam- mengebündell. daß gleichmäßige Ab- stände zwischen den einzelnen Senk- rechten entstehen. Die Platten werden, ähnlich wie das bei der „Vierergruppe" der Fall war. horizontal durch Unter- brechungen oder auch nur leichte Ein- kerbungen akzentuiert. Bei einem Werk in Chromnickelstahl geschieht ähnliches. nur in kräftigerer Dosierung und gewiß auch stärkerer Spannung. Bei anderen. in Messing durchgeführten Figuren ver- wendet der Künstler meist viereckige Rohre und Röhrchen. die er sehr sauber und fest mit Silber zusammenlätet. Auch diese Lötstellen werden noch in die Komposition des Oberflächenrhythmus einbezogen. wie wir ja überhaupt bei allen Arbeiten Schagerls sehen können. daß auch das scheinbar allein Funktio- nelle mit wesentlichen Tönen zur Ge- samtsinfonie beiträgt. Diese Obelisken. nicht mehr wie jene des alten Ägyptens aus schwerem Granit und fest in der Erde verankert. haben sich fast vom Boden gelöst. Noch bleibt der aus der menschlichen Figur kommende Rhythmus. bleibt not- wendig. denn er ist es mit. der diese Gebilde in Bewegung setzt. Nur noch an vier Punkten haftet das eine, an zwei schmalen Stegen ein anderes. Ikarus erhebt sich vorn Boden! Schon bei Schagerls erster Belontigur aus dem Jahre l958l59 sehen wir eine starke architektonische Gestaltung. Wir werden dieses Element seiner Aus- drucksweise fast in allen seinen Werken wiederfinden. Am augenscheinlichsten wird es bei einem großen Brunnen (1961). der, aus verschiedenen Kuben zusammengefügt. ein ausgewogen har- monisches Bauwerk ergibt. wo das Wasser von Stufe zu Stufe. von Kubus zu Kubus plätschert. Noch ist diese Arbeit eine rein künst- lerische und doch begeben wir uns mit ihr auf ein Arbeitsgebiet des Bildhauers. das sehr viele seiner Kräfte bindet: die Arbeit an Gebrouchsobjekten. Das sind: Kinderrutschen. Krabbelgruppen und -liere. aber auch Grabmale und Gedenksteine. Schagerl hat eine ganze Menge solcherArbeiten durchgeführt. Er ist. und hier scheint noch am stärksten das väterlich handwerkliche Erbedurch- spürbar, der Meinung. daß man an diesen Werkstücken viel. besonders in der praktischen Fertigkeit und der Ma- teriolvertrautheit. lernen kann. So sehen wir bei Schagerls ..Gebrauchsplastiken" eine besonders sorgfältige Bearbeitung und Konstruktion. aber auch oftmals ein Formproblem, wie es nur dort zu finden ist, wo der Schöpfer solcher Dinge sich auch zuinnerst mit ihnen beschäftigt und den Auftrag nicht ein- fach als Routineangelegenheit. um mög- lichst schnell zu Geld zu kommen. ab- tut. Wir erkennen, betrachten wir also Schagerls breites Schaffen - viele seiner Arbeiten stehen in Wiener Parkanlagen und verschiedene Kleinplastiken sind im Besitz des Bundesministeriums für Unterricht w. jene sich langsam heraus- kristallisierende, vom Künstler sich selbst gestellte Aufgabe: das immer Gleiche, Bleibende. die Urmassc. den Ur-Kern. und das immer Bewegte, Trei- bende, mit dem Menschen aufs engste verbundene Besitznehmen (von Raum. von der Materie) zu dokumentieren.