Die Einstellung der adeligen Auftraggeber zu jenen historischen Stilen, die sie für die Aus- stattung ihrer Bauten als geeignet erachteten, im wesentlichen romantisch und un- duktrinär. Ganz anderer Art waren dagegen die Voraussetzungen, aus denen sich der große Aufschwung aller dekorativen Künste in den folgenden Jahrzehnten ergab. Die Forderung, mit wissenschaftlichen Metho- den den zeitgemäßen Stil zu linden, führte im Jahre 1851 zur Gründung des South Ken- sington Museum, des heutigen Victoria ancl Albert Museum in London, nach dessen Vur- bild im Jahre 1864 das Österreichische Museum für Kunst und lndustrie in Wien eröffnet wurde. Der Bildungsarbeit, die von diesem lnstitut und von der ihm (1867jl68) ange- schlossenen Kunstgewerbeschtile geleistet XYQY u. Gegensatz zur vorangehenden Epoche, deren Werke vielfach auch auf dem Lande anzue treflen sind, ausschließlich in der Stadt. G0 tragen wird die Kultur dieser Epoche in erster Linie vom Großbürgertum, jener breiten Schicht der durch den industriellen Fortschritt zu Vermögen und Reichtum gelangten Unter- nehmer, Fabrikanten und Bankiers. Diesem neu erworbenen Reichtum folgten „Luxus, Wunsch und Bedürfnis nach einer besseren Ausstattung. nach einer schöneren Umge- bungf". Um dem zu entsprechen, entstanden nun die großstädtischen Wohnhäuser und Paläste der I-"inanzaristokratie. Dabei vertrat man die Ansicht, daß für die künstlerische Gestaltung dieser Bauwerke „nur die aus dem röntischen Weltstil erwachsene italienische Renaissance mit ihrem wohlgeglierlerten. (ieschichteml. Aus diesen Worten spricht der ganze Optimismus jener fortschrittsfreudigen und auf ihre Leistungen so stolzen Zeit. Richtungweisend für die weitere Entwicklung des Wohnungswesens und der lnnendekoration wurden zwei Bauwerke, die damals auf der Ringstraße entstanden: der Heinrichshof von Theophil Hansen und die Oper von Siccards- hurg und Van der Nüll. Mit dem lleinrichshof war erstmals für Wien der Typus des groß- städtischen Zinshauses oder „Zinspalastes", wie man damals sagte, mit seinen herrschaftv lichen Wohnungen geschaHen worden. Bei der Ausstattung der Oper, die die höchsten Ans rüche kaiserlicher Repräsentation zu erfüllen hatte, fand Van der Nülls dekora- tive Begabung ein reiches Betätigungsfeld. Die praktische Durchführung dieses großen Auftrages wurde zur Hohen Schule aller daran beteiligten Künstler und Handwerker. Sehr mit Recht konnte Van der Nüll als der „Re- generatorml des Wiener Kunstgewerlies be- zeichnet werden. Sein Schiller Josef Storck wurde darin sein würdiger Nachfolger, als er die beim Bau der Oper gemachten Erfahrungen anschließend während einer langen und äußerst fruchtbaren Lehrtätigkeit als Leiter der Kunst- gewerheschule verwertete. Eine Vielzahl kunstrewerhlicher Erzeu nisse von hoher 3- g Qualität, die sich in den Sammlungen des Österreichischen Museums erhalten hat, geht auf einen Entwurf zurück. Wie sich die leitenden Männer an Museum und Schule die zeitgemäße Gestaltung des Mobiliars dachten, zeigt wohl am besten der mit kaiserlicher Subvention für die Eröffnungs- ausstellung (1871) des neuen Hauses am Stubenring ausgeführte Schmuckschrank. Von Storek im Renaissancestil entworfen, die Aus- führung der Tischlerarbeit von F. Michel, die Gemälde von F. Laufberger, wurden hier Anregungen der deutschen und italienischen Kunst des 16. Jahrhunderts miteinander ver- bunden und so eine völlig neuartige Gesamt- wirkung erreicht. Damit erweist sich dieses Werk als ein vorbildliches Beispiel der als „Wiener Stil im Kunstgewerbe" bezeichneten Richtung, denn „es ist speziell die italieni- sche Renaissance mit ihrem feineren Schön- hcitsgefühl ., welche in Wien gepflegt w'tirtle"1(l. Auf dem Gebiet der Mobelktinst bildet ohne Zweifel der Aquarellenschrank, der dem öster- reichischen Kronprinzenpaar von den Wiener Industriellen und der Kaufmannschaft zum Geschenk gemacht wurde (anläßlich der llnchzeit, 1881), eine kaum mehr zu über- bietende Leistung. Mit seinen Gemälden von H. Canon, den Schnitzereien von H. Klotz, den in Silber gegossenen Figuren und den aus dem QlelChCn Material verfertivten Reliefs und