Pavel Preis: DREI UNBEKANNTE SKIZZEN VON JOHANN MICHAEL ROTTMAYR Das Problem der Barockskizze hat die For- schung in letzter Zeit veranlaßt, sich mehr als bisher mit dem Verlauf des Arbeits- prozesses eines Barockmalers und mit der Klärung derBegriffe „Modellett0" und „Skizze" zu beschäftigenl. Diese Frage ist aber im österreichischen sowie im böhmisch-schlesi- schen Kulturraum noch lange nicht ge- löstl. Unter den bisher bekannten Werken des Begründers der monumentalen österreichischen Barockmalerei,Johann Michael Rottmayr (1654 bis 1730), wurde noch im Katalog der großen Rottmayr-Ausstellung im Jahre 1954 keine eigentliche malerische Skizze angeführt. Das einzige Gemälde, das sich einigermaßen dem Begriff „Skizze" nähert f die Versammlung olympischer Götter bei Thetis' Hochzeit i, stellt viel eher eine Kopie nach dem Decken- bild im Gesellschaftszimmer der Salzburger Residenz (1689) als einen Entwurf dazu dar 3. Diese Tatsache könnte fast den Eindruck er- wecken, daß Rottmayr - ähnlich wie andere Mitschüler aus der Loth-Werkstatt, beispiels- weise Michael Wenzel Halbax4 - sich als geschickter Zeichner5 ausschließlich auf zeich- nerische Vorarbeiten seiner Gemälde be- schränkte, obwohl uns alte Berichte mit einigen Skizzen Rottmayrs bekanntmachen 6. Einen gewissen Umsturz in diese ziemlich wahrhaft klingende Vermutung brachte Erich Hubalas Fund zweier hervorragender Skizzen in der Kunsthalle zu Karlsruhe, die von Rottmayr offenbar als Entwürfe zu Fresko- bildern mit Herkules und Antäus und Aeneas und Anchises gemalt wurden7. Hubala vertrat die Meinung, daß es sich um Entwürfe zu den Deckengemälden im Palais Thun auf der Prager Kleinseite handle, die nach Jaroslaus Schallers Angabeß Szenen aus dem Trojani- schen Krieg dargestellt haben. In diesem Falle würden es ä wie Hubala betont V- nicht nur die ersten Freskoskizzen Rottmayrs, sondern sogar die frühesten Beispiele male- rischer Bozzetti zu Deckengemälden in Mittel- europa sein, da Rottmayrs Prager Fresken, die leider im Jahre 1794 einem Feuer zum Opfer fielen, wahrscheinlich im selben Jahre 1696 entstanden wie die berühmten Kuppel- malereien im Schloß Vranov nad Dyjl (Frain) in Mähren. jedenfalls entsprechen diese zwei Skizzen vollkommen Rottmayrs malerischer Vortragsweise während seiner künstlerisch vielleicht glücklichsten Schaffensperiode im 42 letzten Dezennium des 17. Jahrhunderts. Fast zur selben Zeit wie die Skizzen aus Karlsruhe wurde auch der prächtige Entwurf zu dem großzügigen Gewölbefresko in der Namen- Jesu-Kirche, später Matthiaskirche, an der Jesuitenuniversität zu Breslau (1706) aus der Sammlung Wilhelm Rcuschl in München veröffentlicht? Damit trat die Frage nach dem Vorhandensein ausgeprägter Skizzen- formen bei Rottmayr in ein neues Stadium. 1m BrukenthaPschen Museum in Sibiu (ller- mannstadt) ist Johann Michael Rottmayr mit sechs großen Bildern vertreten, wie es bereits der älteste Katalog aus dem Jahre 1844 an- gibtlü. Fünf von diesen Gemälden sind aber offenbar italienischen Ursprungs. Als Rott- mayrs authentisches Werk erweist sich nur das ovale Soffitobiltl, ein mit voller Unter- schrift des Malers und dem Datum 1710 bezeichneter Triumph der Wissenschaften und Künste, zweifellos eine der glänzendsten Leistungen des Meisters. Auch von Johann Heinrich Schönfeld besitzt das Brukenthallsche Museum vier hervor- ragende Gemälde, von denen eines, die eigenhändige Replik der llochzeit zu Kana aus der Leningrader Eremitage, erst unlängst identifiziert wurdell, und außerdem ein Werk- stattbild, die sogenannte Allegorie der Ver- gänglichkeit. Wahrscheinlich auf Grund einer Zuschreibung Frimmels 11 läuft in den seit 1893 erschienenen Katalogenß noch ein weiteres Bild, ein Raub der Helena 14, unter Schönfelds Namen, das von den authentischen Werken des Künstlers durch die dramatisch gedrängte Komposition, die abweichende Typik und Farbgebung stark absticht. Der skizzenhafte Charakter der lockeren Pinselführung, die einige Gesichter, zum Beispiel den rötlichen Kopf des geharnischten, Hächenhaft gehaltenen Paris, nur verschwommen andeutet und wei- tere Partien, vor allem die Gestalt des Knaben rechts unten. nur umrißlos mit breiten Farb- flecken ausklingen läßt, und schließlich die monochromc Auffassung der Seeleute auf dem Schiffe im Hintergrund erklären zwar, warum man sogar bei direktem Vergleich mit eigen- hiindigen Werken Schönfelds an den schvaäbi- schen Meister denken konnte, dem auch das überwiegend kühle Kolorit dieses Gemäldes