Pfnug Wjindixrb- Graetg
INNENDEKORAT
ION UND MOBI
[AR DES HISTORISMU
Als bedeutendste Wiener Leistung auf dem
Gebiete der lnnendeltoration und der Möbeb
kunst während der vierziger Jahre des 19. Jahr"
hunderts, also in der ersten oder spätromanti-
schon Phase des Historismus, gilt die im Stile
des Neurokoko durchgeführte Adaptierung
der Rcpräsentationsräume des Palais Liechten-
stein in der Bankgassel. Leitender Architekt
war der Engländer P. H. Desvignes. Wir
mii sen, ehe wir uns der zweiten oder wissen-
schaftlichen Phase des Historismus zuwenden,
die mit den Bestrebungen Rudolf von Eitel-
hergers und mit der Gründung des Öster-
reichischen Museums für Kunst und Industrie
einsetzte, kurz auf jenes künstlerische Unter
nehmen eingehen, das für seine Zeit exempla-
rischen Wett besitzt und an dem Männer
beteiligt waren, die wegen ihrer Kenntnisse
und Fähigkeiten für die weitere Entwicklung
von großem Einlluli wurden: der Wiener
(farl Leistler und der im Jahre 1842 aus dem
läheinlzlnrl zugewanderte Michael Thonet. lis
ist wohl sywnptoiriatisch für die kulturhistori-
sche Situation im beginnenden lndustriezeit-
alter, daß hier erstmals bei der Durchführung
ein und desselben Auftrages, ja sogar auf
dentselben Gebiet, bei der Anfertigung des
ßlobiliars, zwei grunclverschietlene Herstel-
lungsmetbixtlen zur Anwendung gelangten.
Die eine, die auf dem Boden der handwerk-
lichen Tradition steht, und die andere, die den
neuen Weg der industriellen Produktion ein-
schlägt. Beide Richtungen bestehen seit da?
mals nebeneinander. Leistler fertigte seine
Möbel nach den herkömmlichen Methoden an
und versah sie mit reichen Schnitzereien in
einem phantasievoll interpretierten Rokxwkor
stil. Ganz anders verhält es sich um die Stühle
von Thonet. Neuartig wie die maschinelle
Erzeugung ist auch die Form, die aus den
technischen ltlääglichkeiten entwickelt ist. Die
teils massiv, teils aus zusammengeleinmten
Furnieren gebogenen und gepreßten Stücke,
woraus diese Stühle bestehen, sind in eine
Form gebracht, deren ästhetische Wirkung
allein auf der Kalligraphie des Umrisses be-
ruht. Doch würde sie kaum so eindrucksvoll
sein, wäre sie nicht mit einer Leichtigkeit
verbunden, wie sie bisher niemals erreicht
worden war. Hit diesen ersten in Wien ange-
fertigten Stühlen aus gebogenem llolz stehen
wir am Anfang der modernen Möbelindustrie,
deren Ziel damals wie heute die Serienproduk-
tion leichter und zweckcnlsprechender Sitz-
möbel ist.
Aus Leistlcrs Werkstatt ging Franz Schon-
thaler 1, der auch akademischer Bildhauer war,
als sein begabtester Schüler hervor. lir grün-
dete selbst ein Unternehmen, das in der Folge-
zeit mehrere herrschaftliche lnnenausstattungen
l Tisch, Mahagoni, nusgcf"hrl von Carl Lcisller, W
bis 1847. Palais Liechtenstein. Wien
2 Stuhl aus gebogencm Holz. vergoldet, blauer Sci
ausgeführt von Michael Thonet, Wien, 1343-184
Liechtenstein, Wien
3 Knhineuschnuk (Aquarellcnschrank), Eben- und 1'
(ricbcne und gegossene Silherdeknrnlinn. Enlw
. Storck. Ausführung von F. Michel. H. Klon. S.
u. ar. Gemälde von H. Canon. Wien, 1881. Kunsthi:
Museum. Wien
4 Detail von Ahb.4. Wappemrägcr mit dem H
Lmhriligischen Faniilicliwnppen
ANMERKUNGEN
l Marianne Zweig. Zwtitts Rukoko. Innenrlunxe und
in Wien um 1x30 bis 1860. Wien 1924, s. 15m, T;
Ijncoh von Falke. Das Kunstgawerbe, in: Wien 184i
Denkschrift zum 2. Dccember 1888, Wien 1888. ll. Bd
1 Auf die Baugeschichtc d Schlösser Eisgrub und Fr;
wird hie: nicht näher emgegzngen. d: sie im Rahm
Aufsatzes von Dr. Vikror Koxrba (Prag). Die Anü
Ncugutik in den böhmischen Ländern. der in eix
kommenden Hefte von "Alu: und moderne Kunst" er
wird. eine zusfuhrliche Darstellung cxfihrl.
4 Franz J. lirnrs. Schlul) Hmdek, Prag um.
S Einen höchst br riißcnswcrten Anfang lrnr ncucrd
Denkmakunr in Ing mit der Herausgabe kleiner
schzfklirher Spezial ublikalionzn (Schlollfixhrcr) um
staatliche Schlöswr er CSSR gemacht, z. u. Hlubokä
bcrlz). 19m; Lednicv: (Eisgrub), 1962.
5jacoh von Falke, a. n. o. s. 255.
1 cnrl von Lulzow, Die bildenden Künste, in: wir-n 1341
ll. im" s. 212.
I (Iarl von Lülzow. n. n. o. s. 200.
l cnrl von Lürzow, n. n. o. s. 206.
I" Jacob von Falke, n. n. 0. s. 274, 217.