schule mit, doch er macht sie nicht aus. Wohl
haben wir den romantisch-märchenhaften Ton,
nicht jedoch die Formensprache; jener kommt
aus einem anderen Temperament. Er ist weiter
verfolgbar bis in das Ende der altdeutschen
Kunst, ja er fristet sein Leben selbst noch in
den wenigen Bildern der protestantischen Ära
meist zwischen großen Begleittexten, die ihn
freilich fast überlagern. Selbst in der Neogotik
um 1600 blüht er noch einmal auf, nun weniger
in seiner Märchennähe als in seiner Land-
schaftsfreudigkeit (Frankenburg) oder wieder
sehr donauschulnahe (Klein Murham) 5. Ein
Hinweis auf die Wallfahre in St. Wolfgang
macht den ganzen Umfang der romantischen
Möglichkeiten deutlich. Heiligenlegende, Land-
schaftszauber, Wundererhoifen und Mirakel-
berichte verbinden sich im viertgrößten Wall-
fahrtsort des damaligen Europa zu einer deut-
lichen Demonstration dieser Strömung. Erst-
malig ersteigt Kaiser Maximilian l. nicht allein
der Jagd wegen Schafberg und Traunstein,
sondern wegen der Schönheit der Landschaft.
Während die Wirtschaftlichkeit der kaiser-
lichen Salzkammer durch neue Verordnungen
sichergestellt wird, bringen durchziehende
Künstler in ihren Skizzenbiichern Landschafts-
ausschnitte von dort wie aus dem Donautal
nach Hause. In den großen VUallfahrtsstätten
werden die Wunder und Mirakel in bunten
Folgen gemalt, um sie künftigen Geschlech-
tern vor Augen zu stellen; in den Pfarrkirchen
wetteifern Zünfte, Bruderschaften und Gläu-
bige in ausstattenden Stiftungen für Altäre wie
für Messen, dem Seelenheil zulieb. Daneben
blüht der Humanismus auf, das Bauerntum
besinnt sich auf sich selbst, und die Türken an
des Reiches Grenze rücken so sehr ins Bewußt-
sein, daß die Kriegsknechte, die am Grabe die
Auferstehung des Herrn verschlafen, türkische
Turbane tragen. In unvergleichlicher Weise
bringt der Altar von Mauer bei Melk die
Seelenlage der Gläubigen unmittelbar vor der
Glaubensspaltung. Wie sich das Mittelalter
ausgelaufen hat, läuft sich nun auch diese späte
Endgotik aus. Eine der tiefsten Zäsuren, die
das Abendland erfuhr, vollzieht sich. In der
Kunst des alternden Lucas Cranach wird Bruch
und Absturz offenbar. Die neue Aufstellung
in der Alten Pinakothek in München macht
diese Situation am Thema der „Alexander-
ichlacht" in der Verschiedenheit der Lösungen
deutlich.
Was läßt sich zu unserer damaligen Eisenkunst
sagen? Wir wollen über die „Eisenkunst der
Donauschule" berichten und sind über
den Sammelbegriff „Spätgotik" noch kaum
iinausgekommen. Wir wollen der Donau-
schule verwandte Elemente aufspüren und
1aben einen einzigen - stilistisch erschlosse-
1en - Meisternamen, kaum eine Kirche mit
genauen Entstehungsdaten, die uns weiter-
"ielfen könnten, und im ganzen Gebiet nur
zwei zeitliche Anhaltspunkte: die Sakristei-
türe von Mondsee von 1487 und eine Türe
von 1497 im Steyrer „Bumerlhaus". Die Mond-
seer Türe wird überdies nach unüberprüfbarer
Angabe, weder vom Technischen noch vom
Künstlerischen her vertretbar, als Augsburger
Import angesehen. Auch sonst sind die Quellen
über die Landkirchen des Innviertels dürftig.
Schließlich stehen wir nicht nur vor der Frage,
wann das Eisen an die Türen kam - gotische
Gitter haben sich nicht erhalten -, sondern
auch vor der Frage, welche Werkstatt sie ge-
liefert hat, denn viele Dörfer hatten keinen
eigenen Schmied. Diese Tatsachen zwingen,
fast alle Schlüsse aus dem Material allein zu
ziehen. Gewiß haben wir das Dehio-Hand-
buchß mit reichen Angaben von gotischen
Beschlägen. Im Braunauer Bezirk ist fast an
jeder Kirchentüre gotisches Eisenwerk, in
Braunau sind es nicht weniger als 8 Beschläge,
in Hochburg 4, wiederholt zwei oder in Eggels-
berg drei. Wir kommen so in den drei Inn-
viertler Bezirken, die wir bearbeitet haben, auf
fast lOO Tiirbeschläge. Trotz der verschieden-
sten Varianten setzt sich der Stil dieses Raumes
völlig von den Eisenbeschlägen im übrigen
Oberösterreich ab. Bei dieser „lnnviertler Ver-
wandtschaft" läge es nahe, an einige wenige
Erzeugungsorte zu denken, etwa an Schärding,
Braunau, Burghausen und vielleicht auch Ried.
Waren jedoch diese Werkstätten so leistungs-
fähig, daß sie in wenigen Jahrzehnten all diese
Beschläge erstellen konnten? Zudem kommt
in Braunau ein ausgesprochen urbaner Stil zu
Worte, zu dem das Gros der Beschläge der
umgebenden Landkirchen nicht in Verbin-
dung gesetzt werden kann. Es liegt wohl näher,
daß die Meister ihre Formen einander abge-
schaut haben. Daß sich gotischer Beschlag in
solcher Dichte durchsetzen und erhalten
konnte, erlaubt noch den Schluß, daß er weit-
hin dem Geschmacke entsprochen haben muß.
Bei dieser Sachlage wird es also nicht leicht
werden, Entwicklungsreihen aufzustellen. So
gerne man in der Eisenkunst von der Renais-
sance bis in den Klassizismus herauf datiert,
eben in der spätgotischen Zeit geschieht dies
nur ganz vereinzelt.
Im Braunauer Bezirk haben wir nicht nur das
dichteste Vorkommen, sondern auch eine Reihe
der qualitätvollsten Werke: so in Ranshofen,
Eggelsberg und Braunau. Es erhebt sich ver-
ständlicherweise die Frage, warum wird nur
der Westen von Oberösterreich herausgestellt
und die drei anderen Viertel übergangen? Da-
mit ist das komplizierteste Thema sowohl der
Eisenkunst wie der Frage nach der Donau-
schule angeschnitten. Die Eisenkunst im
übrigen Oberösterreich setzt sich völlig von
der der Wesrbezirke ab. Das oberösterreichi-
sche gotische Beschlagswierk zerfällt in zwei
ganz verschiedene Hälften. Da ist nicht nur
die schon so oft erwiesene Kulturgrenze der
Traun, da ist auch jener nicht iibersehbare
Temperamentsunterschied, der zum Angel-
punkt wird. Das Temperamentsgefälle vom
bayrischen Innviertel zum oberösterreichischen
Landl und zum still-bescheidenen Mühlviertel
wird in der spätgotischen Plastik etwa in der
Polarität zwischen Hans Leinberger und dem
gesamten Astl-Kunstkreis ersichtlich. Doch
auch die Tafelbilder aus dem mühlviertleri-
sehen Diembach sind ein guter Beleg für diese
Lage. Und schließlich gehört der im Linzer
Schloßmuseum so hervorragend vertretene
Legendenstil zum allergrößten Teil hieher.
Dieser Unterschied in der Seelenlage erlaubt,
von einer Landler Klassizität der Astl-Auf-
fassung wie von dem expressionistischen Fu-
rioso der bayrisch-innviertletischen Art als
von nicht übersehbaren Gegensätzen zu spre-
chen. Wenn das Furioso zur Donauschule als
unerläßlicher Stilfaktor gehört, dann muß sich
dies selbstverständlich auch im Handwerk der
Schmiede auswirken; tatsächlich bleiben neben
der Dynamik der Innviertler Türbeschläge
auch die besten Beispiele wie in Hirschbach
bei Freistadt, Gampern oder Pettenbach im
Traunviertel und Dörnbach im Hausruck-
viertel vor den Toren von Linz, trotz ihres
lokalen hohen Ranges, zurück. Jüngere Bei-
spiele wie in Nußbach, Bachmanning 7,Wolfern,
Mitterkirchen setzen sich schon allein vom
Stilistischen her deutlich von unserer Gruppe
ab, wenn uns auch bei ihnen keinerlei urkund-
liche Unterlagen weiterhelfen. Außer Zweifel
beginnt jetzt in hohem Maße die arreigene
Äußerung aus dem Volkstum mitzusprechen.
Sie wird für unsere Untersuchung bedeutungs-
voll, da sie eine der wenigen Hilfen darstellt.
Trotz der starken Barockisierung der Inn-
viertler Kirchen erlaubt der reiche Bestand an
spätgotischen Beschlägen, diese Landschaft als
jene herauszustellen, der der Stil der „Donau-
schule" besonders entsprochen haben muß 3.
Eine zweite Hilfe ist aus dem Technischen zu
gewinnen: es ist die Vorliebe, sich der Spalt-
technik in reichem Maße zu bedienen.
Der Ausgang für jeden Torbeschlag sind die
Bänder, die die Türe in den Angeln halten.
An diesem meist dreifachen Beschlag setzt
sich die Auszier an. Hier kann sich die alte
gotische Spalttechnik geradezu stilbestimmend
entfalten. Den breiten Bändern wird durch
Abspaltung der Zweige - vielfach vogelkopf-
ähnlich 4 ein Gerüst für die Feldkomposition
abgewonnen, so daß sich ein organisches, nach
jeder Abspaltung verjüngendes Band ent-
wickelt, von dem weiter die Lilien abzweigen9.
Natürlich rnuß sich mit dieser Technik noch
das Ausschmieden und Anschweißen verbin-
den, da ja nicht alles aus dem Spalten allein
gewonnen werden kann. Die Ansatzstellen
werden durch runde glatte Nägel verdeckt,
die auch sonst reichlich verwendet werden,
s
1
Dchio, Die Kunstdcnkmälcr Öslcncichs, Obcröstcrrcich,
3. Auflage, Wien 195a; Schalchen und Munderfing fehlen.
0. Kzstncr. Eisrnkunst. Abb. s. 40 u. 41. 7- Dem, Die Linzcr
Schloßerlneislcr Rollin und ihre Werke in Kremsmünsmr
und Linz. in: Kunstjahrbuch der Stadt Linz 1'261, 33-36.
Schon 1954 sprich ich von der "Donzukunst" in du Eisen-
kunst: Eisenkunst im Lande ab dcr Enns,l.inz 1954, s. 47und 4a,
0. Kasmer. Eiscnkunsl, Abb. 22 u, u.
0. Kasmer, Eiscnkunsl. Abb. im Anhang 10.
o. Kasmcr. Eisenkunst. Abb. iin Anhang 7 u. 9.
I1 0. Kastner. Eisenkuml im Lande ob der Enns, Linz 1954,
S. 47749. (Im Volksmund werden die Lilien selßamerweise
als „Flndcxmäusä bezeichnet.)
H R. Guby, Die Kunstllcrnkmältl im oö. lnnvicrlcl, Wim
1921. - o. Kastncr, Zwei gotische Innviertlcr Torbcschligc,
in: chiim. KUDSKÜIÄIICX 196411. Das lmlvißßßl.
M m sind a1: Sondemdorfer. die zuch in de! Eggclbcrger
KiIChE begraben liegen.
ß A. smngv. Deutsch: Maltrci der COKÜC, Bd. 11. München-
Berlin 1961, S. 107.
16 Sclhsl die Namen der barockzcillichen Schmicdcmeister aus
Braunau gingen durch Brand in bayrisches: Archiven ver-
lorcn,
17 Weiter: Beispiele in Freistadt und Steyr mit romanisicrzndcu
Würfclkapitäicn usw.
1! Kunsldcnkmälcr dcs Königreichcs Bayern, Kunxldenkmäl:
der Regierungßbczirkc Ober- und Niederbayern, München
1902. m12 u. 1921
19 Auch F. W. Schl gvl widl in seinem Buch "Kulrurgcschicblc
der Türwhlöswl" , Duisburg 1963, dem Thema aus.
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