CANALETTO-AUSSTELLUNG IN IDEALEM ARCHITEKTONISCHEM RAHMEN Großformatige Städtebilder von künstlerischer und lokalhistorischer Bedeutung Den Reigen der diesjährigen. in die Fremdenverkehrshauptsaison fallenden großen Kunstausstellungen eröffnete das Wiener Belvedere. dessen prachtvolle Räumlichkeiten im ersten Stock den idealen architektonischen Rahmen für eine in dieser Vollständigkeit noch nie dagewesene Präsentation des Gesamt- werkes des 1721 geborenen veneziani- schen Malers Berncirdo Bellotto bil- deten. Bernardo Bellotto. ein Neffe des be- kannten Vedutenmalers Giovanni An- tonio Canale (1696 1768) und gleich ihm in unteren Breiten Canaletto ge- nannt (in Westeuropa und Amerika hingegen wird exakt Zwischen den Namen der beiden unterschieden und nur Antonio Canale als Canaletto bezeichnet), zählt zu den bedeutendsten Ansichtenmalerndes18.Jahrhunderts. Seine Hauptwerke schuf Bellotto in Dresden (1746 erhielt er von Kurfürst Friedrich August I. eine Einladung, nach Drezden zu übersiedeln. der er ein Jahr später nachkam). in Wien (hier arbeitete er vor allem im Auftrag von Maria Theresia und des Fürsten Liechtenstein) und in Warschau. wo allein 24 Arbeiten zustandekamen. Der Zusammenarbeit der bedeutendsten Kunstinstitute dieser drei Städte - den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. dem Nationalmuseum Warschau und dem Wiener Kunsthistorischen Museum - war auch das Gelingen der von der Österreichischen Kulturvereinigung ver- anstalteten Wiener Ausstellung im Obe- ren Belvedere zu danken. die Ende Juli ihre Pforten schloß. 1963 wurde in Dresden eine erste große Canaletto-Ausstellung eröffnet, die im Herbst des Vorjahres in ergänz- ter Form in Warschau und bald darauf auch in Krakau zu sehen war. Die sich günstig anbietende Gelegenheit, gleich- sam als Gegenleistung für die an War- schau verborgten Canalelto-Bilder des Kunsthistorischen Museums komplette Bestände an Gemälden des Meisters aus Dresden und Warschau als Leihgaben nach Wien zu bekommen, griff man unsererseits bereitwillig auf. um damit diese einmalige Vergleichsmöglichkeit und Überschau schaffen zu können. Die vom Direktor des Kunsthistorischen Museums. Universitätsprofessor Doktor Vinzenz Oberhammer. sowie von Ku- stos Dr. Günther Heinz wissenschaftlich betreute Ausstellung umfaßte nicht ZAO WOU-Kl IN DER ALBERTINA Zur ersten Einzelausstellung des Graphikers Die unorthodoxe Agilität. mit der der Direktor der Graphischen Sammlung Albertina. Dr. Walter Koschatzky. Ausstellungspolitik betreibt. hat sich in den vergangenen Jahren in vieler Hin- sicht als sehr vorteilhaft erwiesen. Im erfreulichen Ansteigen der Besucher- zahlen findet das geschickt und viel- seitig zusammengestellte Ausstellungs- programm des Instituts sichtbarste An- erkennung. Wie sehr Dr. Koschatzky bemüht ist. auch der Moderne zu ihrem Recht zu verhelfen und nicht bloß 7 was ja für einen Historiker ungleich risikoloser wäre 7 Ausstellungen von Künstlern zu zeigen, die in der Kunstgeschichte bereits Platz und Wertung gefunden haben. bewies die im April stattge- fundene Exposition der Albertina. die dem 1920 in Peking geborenen. seit 1948 in Paris lebenden Maler und Graphiker Zao Wou-Ki gewidmet war. In ähnlicher Weise, in der Kontakte mit Laibach und Linz zu bemerkens- werten Veranstaltungen geführt haben. war es diesmal die Zusammenarbeit mit dem Forum Stadtpark in Graz, der die prächtige Ausstellung, die mit einem der maßgebendsten Vertreter der lyrischen Abstraktion bekannt machte, zu danken war. Die Aquarelle. Radierungen und Litho- graphien des zur Ecole de Paris zählen- den Künstlers (insgesamt waren 77 Ar- beiten zu sehen) verbinden in der Mehr- zahl der Beispiele Gegenständliches und Abstraktes in höchst subtiler und per- sönlicher Art und Weise. Wenn auch in den letzten Iahren insbesondere in den Farblithos eine entschiedenere Abkehr vom konkreten Naturvorbild. dem Zao Wou-Ki wesensgemäß ver- bunden ist, festgestellt werden kann, so zeigen seine Arbeiten doch immer wieder fließende Grenzen. in weniger als 93. durchweg großforma- tige Gemälde und überdies 90 Zeich- nungen und Radierungen. Daß die Ausstellung trotz der nicht gänzlich zu leugnenden Gleichförmigkeit der in so großer Anzahl gezeigten Bilder nicht allzu ermüdend wirkte. war der sehr großzügigen und weiträumigen Hän- gung zuzuschreiben, die auch ein intensives Studieren einzelner Ansichten sowie der dazugehörigen Skizzen und Vorarbeiten ermöglichte. Ein bsonders reizvoller und glücklicher Einfall war es. Bellottos große Vedute ..Wien. vom Belvedere aus gesehen" an genau jenem Ort aufzustellen. an dem sie vom Maler geschaffen worden war. Wer einen Blick aus den Fenstern auf die Parkanlagen des Belvedere und das Panorama der Stadt riskierte. konnte diesbezügliche aufschlußreiche Ver- gleiche anstellen. Daß Bellotto aus kompositionellen Gründen vom Vorbild in der Natur oftmals abwich und perspektivische Veränderungen. Um- proportionierungen und ähnliche Kniffe anwendete. läßt sich z. B. auch an diesem Bild, stärker jedoch noch an weiteren anderen feststellen. Der Malerei Bellottos, die im Licht Österreich In der Kunst des Chinesen stoßen zeit- gemäße europäische Gestaltung (die Anfangsarbeiten Zao Wou-Kis zeigen starke Einflüsse durch Paul Klee) sowie asiatisches Denken und künstlerische Auffassung nicht bloß aufeinander. sondern gehen eine vitale. von einer starken Persönlichkeit getragene Syn- these ein. Diese Lebendigkeit zeigt sich allerdings nicht äußerlich. nicht in raumgreifenden Gesten und erregenden. doch geistig leeren Tachismen. sondern in sehr intimer. abwechslungsreicher und zar- ter graphischer Art. Zao Wou-Kis Blätter sind zurückhaltend, meditativ. Sie sind auch dann. wenn sie sehr viel Spontaneität besitzen. immer Ergebnisse eines disziplinierten. naturverbundenen Vorwärtstastens. eines ständigen Suchens nach adäquater zeichenhafter Fixierung und entsprechendem Kolorit. Zu den schönsten dieser, dem Kleinen, dem DER SURREALIST VICTOR BRAUNER Zur Retrospektive des Künstlers Im Museum des 20. Jahrhunderts Eine der wichtigsten Aufgaben eines profilierten und regen Museums für zeitgenössische Kunst besteht gerade auch darin, sich jener Künstler anzu- nehmen. die 7 aus welchen Gründen immer 7 noch nicht im Kunstbewußt- sein der Öffentlichkeit entsprechend verankert sind, obwohl sie es auf Grund ihrer Leistungen schon längst verdienten. Der Rumäne Victor Brauner (geboren 1903 in Piatra Neamt). der Kindheit und erste Jugendjahre in Wien ver- bracht hatte. bevor er. 1925. für ständig nach Paris übersiedelte. zählt 7 ohne ihn deshalb überschätzen zu wollen 7 zweifellos zu jenen einzelgängerischen Außenseitern, deren Oeuvre so viele interessante Aspekte enthält. daß es eine derart umfangreiche Einzelaus- stellung. wie sie im April und Mai dieses Jahres vom Museum des 20. Jahr- hunderts gezeigt wurde. nicht nur voll und ganz rechtfertigt. sondern gleichsam erfordert. Die mehr als 200 Werke Brauners umfassendeSonderausstellung. erfüllte 7 indem sie mit einem wichtigen Vertreter 50 des jeder Art von Simplitizierung abhol- den Surrealismus konfrontierte - somit eine weitreichende, unterrichtende Funktion. Die fast zur Gänze aus dem Atelier Brauners stammenden Exponate er- streckten sich über einen Zeitraum von rund 40 Jahren, wobei in knapper Aufeinanderfolge entstandene. zu losen Gruppen vereinte Werke besonders hervortraten. Victor Brauner. der 7 wie aus einem sehr anregend geführten Gespräch anläßlich der Eröffnung hervorging 7 den Begriff ..surrealistische Malerei" nicht gelten läßt und anstatt dessen sehr präzise zwischen Surrealismus (als geistiger Grundhaltung) und der Malerei als solcher unterscheidet. be- kennt sich zur schöpferischen Vielfalt und Vielgestalt. Er nimmt von überall Anregungen auf, vermeidet es jedoch. konkret zu illustrieren. Brauner arbeitet instinktiv. Er läßt sich weder von logischen Spekulationen leiten noch auch zu artistischer Virtuosität und einer Überwertung des Materiellen verleiten. Brauner spricht von der Malerei als einer inneren Notwendig- keit. der er bedingungslos zu gehorchen hat. Der Surrealist sieht in der wertneu- tralen Aktivierung der im Unterbewußt- sein wirkenden Kräfte die wichtigste Aufgabe seiner Kunstschöpfungen. Die geheimnisvolle Vielschichtigkeit des Un- terbewußten wird vom Surrealisten er- forscht und im Bild, dem künstlerischen Produkt aus Bewußtsein und Unter- bewußtsein. realisiert. Ohne die 7 hier nur fragmentarisch angedeutete 7 Zielsetzung der Surrealisten zu kennen und ohne ein Höchstmaß an Liberalität gegenüber den Werken dieser bereits historischen Richtung läßt sich allerdings auch das Oeuvre Brauners nur schwer verstehen. Die ausführliche erklärende Abhandlung im Katalog war daher dem Besucher wertvolle Hilfe. Alle Quellen aufzeigen und analysieren zu wollen. aus denen Brauners Werk gespeist wird. ist nicht allein aus Platzgründen unmöglich. sondern läßt sich auch 7 da man zumeist doch nur auf Vermutungen angewiesen ist 7 rein verstandesmüßig niemals bewerk- moderner kunstgeschichtlicher Foi schung heute manche aufschlußreicl" Deutung erfährt, würde man zweifelli nicht gerecht. wollte man nur ihre präzisen, abbildhaften Charakter, d Exaktheit der Ausführung und d bewundernswerte handwerkliche Rai tine hervorheben. Eine stark au geprägte Tendenz zu flöchenhaflen wenn man will ,.abstraktem" Kon panieren. wie sie verschiedentlich fes zustellen ist, spielt gerade im Hinbli( auf unseren. durch die malerische Errungenschaften und Tendenzen d: Moderne erweiterten und korrigierte Kunstbegriff eine hervorhebenswer Rolle. Bellottos Werke können also. w daraus ersehen werden kann. unte verschiedensten Gesichtspunkten bi trachtet und diskutiert werden: daß d künstlerischen Absichten des Meiste in den diversen Abschnitten seini Schaffens einem Wechsel unterlagei läßt sich dabei keineswegs übersehei Von einzigartiger Bedeutung sind Be lottos Städtebilder auch in lokalhisti rischer Hinsicht. gleichen sie doch i ihrer Liebe zu detaillierter Schilderuri der Baulichkeiten einer unersetzliche Bestandsaufnahme. Peter Baui scheinbar Unbedeutenden zugetan: Arbeiten. die vom Betrachter Konzei tration und Unvoreingenommenhc verlangen. zählen zahlreiche Radi rungen, deren poetischer Gleichklar in der zeitgenössischen Kunst kau seinesgleichen findet. Wenn man au: unter den Anfangsarbeiten der in Wie vorgestellten. 15 Jahre umfassend: Schaffensperiode das eine oder andei nicht gänzlich überzeugende Blatt er decken konnte. so tat dies der qual tativ erstrangigen Auswahl. die größtei teils aus dem Besitz von Nestor Jaci metti (Zürich) stammte. dennoch kein: Abbruch. Erlesene. das Handschrii liche, Rhythmische starker hervo kehrende Arbeiten herrschten unti den landschaftsähnlichen Vierfarbei lithos vor, die zum Teil schon in GFUj penausstellungen der Galerie im Grii chenbeisl zu sehen waren. Peter Bau stelligen. Demgegenüber sind äuße liche Parallelen zu folkloristischc Kunstformen und zum Schaffen bi kannter Maler der Moderne (wesen verwandte Ähnlichkeiten lassen si( insbesondere zu Bildern Klees findei diverse Entlehnungen haben in Arbeite Chiricos. Dalis. Giacomettis und PJCUSSl ihren Ursprung) wesentlich leichti feststellbar. Sie veranschaulichen aur die Vielseitigkeit des charakteristischei magisch-dämonischen Bildkosmos Vi tor Brauners. Qualitätsunterschiede waren in d: ungemein oufschlußreichen Ausslellur mehr noch als in vorhergegangenc an der Tagesordnung. Die echte Mag und Überzeugungskraft. die von viele der so vielschichtigen. auch vom Hani werklichen und Formaten her durchai beachtenswerten Bilder Brauners au geht. dürfte allerdings ihre Wirkur auch bei denjenigen Besuchern nicl verfehlt haben. die manche Wert des Künstlers auf Grund von Voru teilen und außerkünstlerischen Übe legungen ablehnen. Peter Baui