schetten mit den weiß aufgesetzten Falten- stegen, die unauffällig eingefügte und sehr hoch hinaufgeschobene Inschrift, selbst noch die Verschattung der Schulter, sind unmittelbar verwandt. Unter der abgerie- benen Oberfläche weist der Kopf eine entsprechende unruhige und kurz abset- zende Vorzeichnung auf, die auch in Am- bergers Entwürfen zum Maximiliansgrab- mal wiederkehrt 15. Die lnnsbrucker Mädchenbildnisse sind farbenfroher als das Böhlerßche Frauenbild und in ihrer Flächigkeit dekorativer. Das mag nicht zuletzt mit dem Auftrage des Kinderbildes zusammenhängen, das von sich aus eine frischere und freundlichere Behandlung des Kolorits erforderte als das Patrizierporträt. Amberger hat sich der Aufgabe mit einem sicheren Gefühl für die Tradition und einem der Augsburger Kunst eigenen Sinn für das Modische unterzogen. Nicht von derselben Hand sind die Or- namentfüllungen auf den Rückseiten der Tafeln (Abb. 8, 9). Sie zeigen in sym- metrischer Anordnung - jeweils um eine Vase gruppiert - Akanthusblätter und Hgürliche Motive: speiende Einhörner und halbmenschliche Wesen, die in Esch- schwanzähnlichen Voluten enden. Die in Grün und Ockergelb gehaltenen Schmuck- motive stehen vor einem pompejanisch roten Grunde und werden von schwarzen Schatten begleitet. Nächstverwandt nach Auswahl und Anordnung sind ornamentale Vorlageblätter der Jahre um 1530, hinter denen die Hau gezeichneten und lustlos gemalten Ornamentfüllungen der Inns- brucker Tafeln allerdings weit zurück- bleiben. Ob man mit ihrer Entstehung über das Jahr 1530 wesentlich hinausgehen muß, ist schwer zu entscheiden. Im Verhältnis zu den Bildnissen auf den Vorderseiten stehen die Ornamentfelder auf dem Kopf, nicht so das in beide eingetragene Mono- gramm AS. Wer dieser Monograrnmist ist, bleibt ungewiß. Wie geistreich und zeich- nerisch sicher Amberger auch dieseratt Aufgaben zu lösen wußte, wird an der Wappenseite der Merz-Bildnisse von 1533 (Stadt. Kunstsammlungen, Augsburg) deut- lich. Die Innsbrucker Bildnisse sind schon darum eine willkommene Bereicherung des Ambergefschen Gluvre, weil sie mehr als das Böhlefsche Frauenporträt oder das Bildnis des Jörg Hermann von 1530 (Gräflich Harrach'sche Gemäldegalerie, Wien) über die noch ungeklärte Frühzeit des Künstlers Auskunft geben 17. Christoph Amberger wurde im Jahre 1530 in Augs- burg Meister. ln den Bildnissen dieses Jahres sind alle experimentierenden Züge überwunden. Sie stehen am Ende einer Entwicklung, die gekennzeichnet ist durch die Aneignung und Einschmelzung italie- nischen Formgutes. Wer mit solchen Wer- ken auf den Plan tritt, ist auch vorher schon „Meister", das heißt fertig ausgebildeter Künstler. Frühwerke Ambergers sind folg- lich nicht unter ängstlichen und mittel- mäßigen Schülerarbeiten zu suchen, nicht einmal im kleinen Format, beherrscht er doch das große in den genannten Porträts vollkommen. Wo sich Werke anbieten, die den Bedingungen genügen, die wir an ein Frühwerk stellen dürfen, sollte nicht allein das Datum der Aufnahme in die Zunft den Ausschlag fiir eine mögliche Zuweisung geben. Hans Holbein d. porträtierte, drei Jahre bevor er zünftig wurde, den Basler Bürgermeister Meyer und dessen Frau und signierte die Bildnisse; Hans Burgkmair malte, unzünftig, den Geiler von Kaysers- berg und den Augsburger Bischof Fried- rich von Zollern, Jörg Breu auf der Wan- derschaft den Altar der Stiftskirche von Zwettl. Die Beispiele ließen sich beliebig ver- mehren. Sie zeigen nur, daß die Zunft- bestimmungen zu umgehen waren, wenn es galt, sich eines frühreifen Talentes zu versichern. In unserem Falle heißt das, daß wir Ambergers bis in die zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts geltendes „Frühwerk" wieder in seine Rechte ein- setzen möchten. Dazu gehören, von Ludwig Scheibler dem Meister zugewiesen, die ganzf-igurigen Bildnisse eines Ehepaares von 1525 in Wien und das Porträt des Anton Weiser von 1527 im Freiherrlich von Welsefschen Familienbesitz. Ernst Buchner schien die „stilistisch nicht schlecht begründete Zuweisung" der Wiener Tafeln an Amberger „durch den Umstand frag- lich gemacht, daß dieser erst 1530 die Augsburger Malergerechtigkeit erworben hat und die Übertragung eines so statt- lichen Auftrags an einen unziinftigen jungen Maler nicht Wahrscheinlich ist"13.„ Stilkritische Argumente für die Abschrei- bung werden weder von ihm noch von Ludwig Baldass geltend gemacht"). Wo eine nähere Einordnung in das (Euvre Becks versucht wird, sperren sich die Tafeln, oder es werden Becks Kunst Eigen- schaften untergeschoben, die sie nicht besitzt, so die „bunte, kräftige Farbgebung" (Baldass). Das gewichtigste Argument für die Zuschreibung an Amberger ist wohl die ungewöhnliche Qualität der Tafeln, deren Modernität in einer eigenständigen Auseinandersetzung mit der Kunst des Südens begründet ist. Sie sind nicht das Werk einer „wenig ursprünglichen, an- lehnungsbedürfrigen Persönlichkeit", eines „oft unter dem Mittelmaß bleibenden, mitun- ter schwächlichen und banausischen Künst- lers" (Buchner). Es genügt, Becks Stifter auf den Weiß'schen Votivtafeln mit dem Wie- ner Paar zu vergleichen 4 ängstlich den Heiligen beigesellte, körperlose Figürchen mit leicht schematisierten holbeinischen Charakterköpfen -, um den anderen Geist und die andere Hand zu erkennen Z9. Mehr noch ist man heute geneigt, Amberger für den Schöpfer des Porträts des Anton Welser zu halten. Es entstand 1527, drei Jahre, bevor der Künstler Meister wurde. Von Scheibler als ein Werk Ambergers genannt, später der Öffentlichkeit und damit der Forschung entzogen, trat das Bild in jüngster Zeit wieder in das Blick- feld kunsthistorischen Interesses. Seitdem hat es einige Benennungen erfahren, so durch Wilhelm Suida auf Palma vecchio Z1. Gerade der von Suida durchgeführte Ver- gleich mit dem originalitalienischen Män- nerbildnis in Bordeaux zeigt die Anders- artigkeit des deutschen Bildes. Es fehlt ihm die innere und äußere Bewegtheit der kontrapostisch aufgefaßten italienischen Figur. Die Nische ist addiert, nicht um- gebender Raum. Die Hände verselbstän- digen sich gegenüber der ruhigen Büste. Erstaunlich bleibt, wie weit sich der Künst- ler in das südliche Vorbild eingefühlt und eingesehen hat. Die wenigen Jahre zwischen 1525 und 1530, in denen Christoph Amberger seinen klassischen Bildnisstil auspragt, sind die fesselndste Phase seines Schaffens. Ange- sichts der großgeplanten und phantasie- vollen Wiener Tafeln ist man versucht, zu bedauern, daß er sich durch die Bildnis- aufträge der Folgezeit so einseitig auf einen kaum mehr zu variierenden Bildnis- typus festlegen ließ und daß er über dem Problem der malerischen Erscheinung des Gegenstandes nur zu leicht die Forderungen nach der geistigen Durchdringung des Modelles außer acht ließ. Die besondere Wirkung der Wiener Porträts liegt nicht zuletzt darin, daß sie noch alle Möglich- keiten enthalten. ImWelserbildnis brichtAm- berger mit der altdeutschen Malerei, schafft er ein zum Verwechseln ähnliches „italie- nisches" Porträt. Der breit angelegte und ruhige Jörg Hermann ist dann schon auf deutsches Maß zugeschnitten, unverkenn- bar augsburgisch, bürgerlich im Habitus. Amberger löste sich ebenso folgerichtig von der Tradition, wie er auf einer neuen Basis zu ihr zurückfindet _ eine erstaun- liche Leistung, wenn man bedenkt, daß sie zum Teil noch zu Lebzeiten Albrecht Diirers sich vollzieht. Noch in den vier- ziger Jahren kommen die Lokalfarben wieder stärker zur Geltung. liin Porträt wie das des Kosmographen Sebastian Münster von 1551 (Gemäldegalerie Berlin- Dahlem) schlägt die Brücke zu den farben- frohen Bildern der Frühzeitll. Darüber hinaus Weist es auch im Aufbau auf die dürerzeitliche Malerei zurück. Die deutsche Kunst, müde geworden und kaum noch aus Eigenem lebend, besinnt sich auf ihre Quellen. ANMERKUNGEN 16-22 15 Vinccnz Oberhmnmcr. Die Bmnlcstaudbildvr des Maxi- miliangrabmalcs in der Hofkirchc zu Innsbruck, Innsbruck- Wien-München 1935, Abb, 96H". 17 Karl Fcuchtmayr, Christoph Amberger und Jörg Her- mann, in: Münchncr Jahrbuch der bildznden Kunst, 20 NF, XIII. l938I39, S. 7B, Abb. 1. I! Ernst Uuchncr. Lcunlmnl Bcck als Maler und Zeichncr, in: 13uClmcr-Fcuchlxnayr. Beiträge. a. a. (1, S. 413. I9 Ludwig lhIdass, Studien zur Augsburger Portriunalcrci des 16. Jahrhunderts, ll. Bildnisse von Leonhard Beck, in: Panlhcon, VI, 1930, S. 402, Abb. S. 400, 401. i" Bnchnur, Lconhard Back. a. a. 0.. Abb. 299, 300. 1' Wilhelm Snida, Un rilrallo di Anton Wr: in: Arte Vencla, xv, 19m, 5.23011. mit Abb. 219. xm Feucht- mayr sprach sich mündlich m: Ambvrgßr m1,. v1 Baldnss, Christoph Ambcrgcx als Bildnismalcr, a.a. 0„ Farbtafel grgcnüber 5.177.