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Die Wirkung der geschwärzten Gravierung
in den Tierfriesen auf einer niederländischen
Trochusmuschel (Abb. 32) beruht in erster
Linie auf dem Gegensatz zu der matt und
glänzend schimmernden natürlichen Ober-
fläche; in der Komposition paßt sich die
bildliche Darstellung der Naturform an in
einer Weise, die ihren Höhepunkt in dem
unheimlich erscheinenden Fisch-Drachen-
Kopf im Muschelinneren erreicht.
Vor der weiblichen Gewandfigur antiki-
schen Charakters erscheint auf Franckcns
Wiener Bild (Abb. 31) die Ton- oder
Marmorstatuette Christus an der Säule in
dem von Frangois Duquesnoy geprägten
Typ, der für das ganze 17. und frühe
18. Jahrhundert vorbildlich wurde 24. Und
Duquesnoys Figuren sind es auch, die
neben den Werken der Antike in Sandrarts
eigener Kunstkammer in Reduktionen
ersten, beispielhaften Rang einnehmen:
„Der Hercules, wie er zu Rom in Pal. de
Farnese steht, in Gips. Die Griechische
Venus, wie sie zu Rom in Pal. de Medices
steht, von Gips . . . Die Susann von Fran-
cesco (Duquesnoy), wie sie zu Rom steht . . .
Der heilige Andreas zu Rom bey S. Pe-
ter.. ." (Sandrart). - Ein kleines, 1662
datiertes Specksteinköpfchen eines nieder-
ländischen (F) Meisters (Abb. 33) zeigt
die unmittelbare Einwirkung des Duques-
noy'schen Susannentyps. Die Vorbilder-
sammlung in der Werkstatt des deutschen
oder flämischen Barockbildhauers, die wir
aus zahlreichen Nachlaßinventaren, etwa
des Frankfurters Justus Glesker, kennen,
und die Kunstkammern der Fürsten und
reichen Patrizier waren der Ort für die
Aufstellung zahlloser Antikenreduktionen
in Bronze, Gips, Ton oder Elfenbein.
Bekannt ist der Briefwechsel des Fürsten
von Liechtenstein mit dem Florentiner
Bildhauer Massimiliano Soldani, die Über-
sendung von Antikennachgüssen betreffend.
Und selbst oder gerade für das 18. Jahr-
hundert, die Zeit der Akademien mit
ihrem Reglement, verdeutlicht eine 1732
datierte Elfenbeinstatuette des sogenannten
„Apollino" (Abb. 34) des auch in England
tätigen Pieter II. Schecmackers noch die
verpflichtende Vorbildlichkeit des antiken
Formenkanons. Stichvorlagen mögen als
Zwischenglied gedient haben, wenn der
Bildhauer nicht selber auf der „Wander-
schaft in die Fremde", „nach Rom, zu
mutter und schul der Künste" die Originale
nachbossierte. So fertigte Balthasar Stock-
amer für den Florentincr Kardinal Leopoldn
von Medici in Rom Antikenkopien in
Elfenbein.
Die noch im 16. Jahrhundert in Italien
gegossene Bronze nach dem Kaiser-Marc-
Aurel-Standbild (Abb. 35) steht für
eine Reihe VOR Nachbildungen und Re-
duktionen ßuCh aus dem 17. Jahrhundert,
während Perels 25 machtvolle Elfenbein-
gruppe Herkules mit dem nemäischcn
Löwen (Abb. 36) in der Erfindung eine
nur ein halbes Jahrhundert ältere ebenfalls
italienische Bronze vorauszusetzen scheint.
Auf einem Ebenholz- oder mit Elfenbein
eingelegten dunklen Holzsockel, in der
rahmenden Umgebung eines dunklen Kunst-
kammerschrankes, erzielt die zum Teil
spiegelglatt polierte Elfenbeingruppe erst
ihre eigentliche, dem barocken Betrachter
in all dieser Gegensätzlichkeit willkom-
mene Wirkung. Zusammen mit einer großen
Halbedelsteinkanne, Perlenschnüren, Mu-
scheln, Korallen, emaillierten Anhängern
und 2 Silberschalen mit Trägerflguren
erscheint auf dem heute noch in Berlin!
Köpenick erhaltenen Gemälde des Georg
Hintz (Abb. 37) eine der PetePschen
Herkulesgruppe mit dem Löwen verwandte,
die die Beliebtheit des Themas und des
Materials erweist. Überhaupt scheint die
Vorliebe des Malers den Elfenbeinwerken
zu gelten; der Pokal in der Mitte ist -
von Details abgesehen - der gleiche wie
der auf dem Hamburger Bild dargestellte,
der Humpen links zeigt auf seiner Wandung
das wohl für dieses Gefäß beliebteste Motiv
des Barock - ein Kinderbacchanal in der
Art der Schnitzer Jean Mansel, Jan Cosyns,
Scheemackers u. a. aus der Nachfolge
Duquesnoys und Faydherbes.
Im Typ - mit dem kurzen Lauf - etwas
von den dargestellten Reiterpistolen ab-
weichend, zeigt die italienische Steinschloß-
pistole des frühen 18. Jahrhunderts auf den
Beschlägen ornamentale und Figürliche
Treib- und Gravierarbeit (Abb. 38). Diese
Waffen wirken merkwürdig fremd in dem
Ensemble der „Curiosa und Rariteyten".
Nicht zu den „antiquei-i", sondern zu den
„modernen" Vorbildern zählt das Werk
Berninis, als des für die Bildhauerei des
17. Jahrhunderts nördlich der Alpen we-
sentlichsten italienischen Bildhauers. Die im
Sinne manieristischer Ideale wieder stark
gedrehte Gruppe des Raubes der Proserpina
(Abb. 39) nach Gianlorenzo Berninis auf
eine Ansicht komponierter Marmorgruppe
in der Galleria Borghese in Rom ist das
Werk eines niederländischen Schnitzers.
Sie übersteigt in der Größe schon die Art
der typischen Kunstkammerstücke und
fand möglicherweise Aufstellung auf einem
„postamentW vor oder zwischen den
Schränken eines Kabinetts oder in einem
ausgesprochenen „bildersaal". In der glän-
zend dunklen Tönung des Holzes wird
oEensichtlich der Charakter einer Bronze
nachgeahmt. Der kraftvollen, aber etwas
derben Form der Umwandlung des Schnit-
zers fehlt 7 nicht nur wegen des anderen
Materials ä das, was Sandrart an Bernini
im hohen Maße lobt, „Daß niemal einige
solche Arbeit weder von denen Antichcn
noch modernen gesehen worden, sintemal
der Marmelstein so zart und sauber, ia
besser als das Wachs gemeistert worden."
Werk zweier Künstler am Prager Hofe
Kaiser Rudolfs II., des Edelsteinschneiders
und Kristallschleifers Ottavio Miseroni
und des Goldschmieds Paulus van Vianen,
ist die monumentale Jaspiskanne mit einer
Nereide und hieerdrachen (Abb. 40). Denn
„Mayenkrüge. Mancherlay schöne silberne
trinckhgeschürr. treffliche schöne Christal-
line geschürr, auf mancherlay art. Schöne
Agatine: und Jaspine geschürt, in gold
gefasset", wie es in Hainhofers Innsbrucker