Notizen aus dem Kunstleben und Kunsthandel HRE ÖSTERREICHISCHER ESVERLAG Der Werdegang des Verlages hängt eng mit der Einführung der allge- meinen Volksschule in Österreich im letzten Jahrzehnt der Regierung Maria Theresias zusammen. Die Kaiserin setzte mit l-lcfdekret vom 26. Mai 1770 eine Schulkommission (für Nieder- österreich) ein. die die Aufgabe hatte. eine für alle Erblande durchführbare Schulordnung auszuarbeiten. Als Mo- dell- oder Musterschule im Sinne der Reformen wurde die in Wien im Chur- hause zu St. Stephan bereits bestehende Bürgerschule eingerichtet. Am 13. Juni 1772 erteilte die Kaiserin der Schul- kommission ein Privileg zur Herausgabe und zum Vertrieb von Schulbüchern. Damit war die ldee zur Gründung eines Schulbücherverlages gegeben. der auch damals der Schule zu St.Stephan angeschlossen wurde. Der Leiter dieser Schule. Joseph Meßmer. wurde der erste Verlagsdirektor. Damit begann der erste Aufbau des Verlages. Die Firma hieß: ..Verlag der deutschen Schulanstall." Als erstes Werk erschien der sogenannte Saganische Katechis- mus; ihm folgte eine stets wachsende Anzahl von ABO. Rechen-. Pädagogik- und Methadikbüchern. von denen manche auch heute noch Fundgruben pädagogischer Klugheit sind. Bald wurden die ursprünglichen Räum- lichkeiten zu eng. und 1775 über- siedelten Schule und Verlag in das SL-Anno-Gebäude in der Johannesgasse. Seit 1807 hieß der Verlag ..k. k. Schul- bücherverschleißadministration". seit 1855 ..k.k. Schulbücherverlag". Aus Gründen einer notwendigen Dezen- tralisierung wurden in den Jahren nach 1775 gesonderte Schulbuchverlage in Laibach. Prag. Brünn. Innsbruck. Frei- burg i. Breisgau eingerichtet, später auch in Lemberg, Ofen. Triest. Mailand. ln allen Sprachen der Monarchie wurden Schulbücher gedruckt; auch die für den Schulbetrieb benötigten Drucksorten sowie Lehrmittel wurden hergestellt. 1885 übersiedelte der Verlag in das Gebäude Schwarzenbergstraße 5. 1887 wurde eine Zentraldirektion der Schulbücherverlage errichtet. die bis zum Zusammenbruch der Monarchie bestand. Wer vermag die Wirkung abzuschätzen. die von rund hundert Millionen von Schulbüchern ausging. die im Laufe der Jahre selbst die kleinste Dorfschule der großen Mon- archie erreichten? Generationen von Schülern verdanken ihr wissensmäßiges Rüstzeug den Schulbüchern des Oster- reichischen Bundesverlages. Genera- tionen von Lehrern haben daraus ihr Lehrgut und ihre Geisteshaltung ge- schöpft und sie weitergegeben an neue Generationen von Schülern. Das Jahr 1918 setzte hier zunächst eine Zäsur. Aber bald nach dem Ende des ersten Weltkrieges und im Zu- sammenhang mit der Neuregelung der staatlichen Verhältnisse Osterreichs kam es nach 1918 zum zweiten Aufbau des Verlages. Er führte damals die Be- zeichnung ..Österreichischer Schul- bücherverlag". Im Zuge der Schul- reform mußten neue Schulbücher ge- schaffen werden, es wurden aber auch Jugendschriften. Lesestoffe für die breiten Massen. heimatkundliche Werke u. a. verlegt. Von 1925 an hieß der Verlag "Österreichischer Bundesverlag für Unterricht. Wissenschaft und Kunst". In diesem Firmentitel kommt die Weite des Verlagsprogrammes zum Ausdruck. die auch heute wieder dem Verlag Programm und Gesicht gibt. Nomen est omen in den Namen. die der Verlag in darauffolgenden Jahrzehnten zu tragen hatte. spiegelt sich ein Stück Zeitgeschichte: Von 1941 bis 1942 hieß der Verlag ..Ostmärkischer Landes- Verlag". mit 12. Juni 1942 wurde dieser in den ..Deutschen Schulverlag. Ber- lin". übergeführt und hieß nunmehr bis Kriegsende ..Deutscher Schulverlag Wien".1945 kam es zum dritten Aufbau des Verlages (lt. Dekret vom 7. Mai 1945 des Staatsamtes für Volksaufklärung. für Unterricht. Erziehung und_ für Kultusangelegenheiten). Nach Uber- windung der teilweise recht schwierigen Vorarbeiten nahm der Verlag mit Ende 1945 seine Tätigkeit unter dem alten Namen auf. Es wurden Schulbücher. Klassenlesestoffe. Schülerzeitschriften geschaffen. die Produktion zahlreicher weiterer Lehrbücher in Arbeitsgemein- schaft mit anderen bewährten äster- reichischen Schulbuchverlagen aufge- nommen. die Zeitschrift ..Erziehung und Unterricht" gemeinsam mit dem ,.Ver- lag für Jugend und Volk" heraus- gegeben. pädagogische Fachbücher vor- bereitet. die Erzeugung von Lehr- mitteln durch die ..Österreichische Lehrmittelunstolt" in Gang gesetzt. neue Zeitschriften auf dem Gebiete der Musik geschaffen. Musikalien zur Pflege der Hausmusik veröffentlicht und zur Rationalisierung der Buchproduk- tion die Buchbinderei Wernerangekauft, Zwar werden heute nicht mehr Bücher in fünfzehn Sprachen verlegt. dafür aber wurde die Produktion. ent- sprechend dem neuen Namen ..Öster- reichischer Bundesverlag für Unter- richt.Wissenschaft und Kunst". in einem ganzheitlichen Sinn rund um die Schule gruppiert: Eine Lehrmittel- anstalt sorgt heute für moderne Unter- richtsmittel. eine Bücherstube mit einem Spezialsortiment pädagogischer Litera- tur ist um die ständige Vermittlung der neuesten Erkenntnisse bemüht. die Jugendbuchproduktion des Verlages bringt wertvollen und modernen Lese- stoff. und die Herausgeber von wissen- schaftlichen Werken. von Musikwerken. Bildbänden und Kunstbüchern haben sich die Pflege österreichischer Kultur und österreichischer Wissenschaft zum Ziel gesetzt. Zwölf Zeitschriften 7 dar- unter seit 1962 auch die ..Alte und moderne Kunst" -- aus den Haupt- sparten des Verlages sorgen für leben- digen Kontakt mit dem kulturellen Geschehen. Heute beschäftigt der Österreichische Bundesverlag mehr als hundert Angestellte und Arbeiter. Er ist was oft übersehen wird 7 kein staatlicher Betrieb. sondern wird nach privatwirtschaftlichen Grund- sätzen geführt. das heißt. er zehrt nicht von staatlichen Geldern. sondern zahlt wie iede Privatfirma seine Steuern und erhält sich selbst. Für Freunde symbolischer Bezüge sei noch erwähnt. daß die Lage des Verlags- hauses in der Schwarzenbergstraße in Wien durch eine Visierlinie bestimmt wird. die von der Stephanskirche über das Schwarzenbergdenkmal. das Denk- mal der Sowietunion. den Sommersitz des Prinzen Eugen. das Museum für moderne Kunst bis zum Süd- und Ostbahnhof reicht. ln diesem Zusammen- hangmuß nochfestgehaltenwerdemdoß eine wesentliche Neuerscheinung des Bundesverlages im Jubiläumsiahr 1962 den Titel trägt: "Österreich - ein Leben lang." KOKOSCHKA IN ENGLISCHER SICHT Anfang September wurde in der Tate Gallery. London. eine seit Jahren vor- bereitete Kokoschka-Aussteliung er- öffnet. die nicht weniger als 300 Katalog- nummern (Gemülde. Aquarelle. Hand- zeichnungen. Druckgraphik) umfaßt. Sie ist, übereinstimmenden Berichten der Londoner Presse zufolge, ein rauschender Erfolg für Kokoschka geworden, die Dämme einer jahr- zehntelangen Zurückhaltung dem Wie- ner Meister gegenüber erscheinen nun- mehr als endgültig weggerissen von Wogen ehrlicher Begeisterung, Was ist es nun. daß England an Kokoschka erspürt und schützt? Der Kunstkritiker des "Observer". eines der zwei hochwertigen Londoner Sonn- tagshlötter. Nigel Gosling. nahm zu Kokoschko ausführlich Stellung. und wir geben seine Meinung auszugsweise wieder: .,Der Name Kokoschka tönt seit dem Krieg lauter und lauter in unseren Ohren. er schwoll von einem fernen Echo zu beinahe bedrohlicher Heftigkeit an. Nun wurde endlich aus einem Gerücht eine Tatsache. . .,Wir sind heutzutage gewöhnt. einen Hieb auf unsere geistige Nase zu be- kommen, wenn wir eine Galerie be- treten . . . doch Kakoschka ist 76 Jahre und ein geschworener Feind moder- nistischen Experimentierens. Thomas Mann nannte seine Gemälde eine .Augenweide' 7 sind seine Bilder nun ein Labsal oder nicht? im Gegenteil. sie sind ein Schock. aber einer aus einer neuen Richtung... Kokoschka mag aus dem Baum der Tradition sprießen. aber er entspringt einem unverlrauten Zweig... Der eigene Vater mit einer falschen Nase wirkt tausendmal alarmierender als ein Fremder in voller Entsetzens-Wichs. Das ist das Geheimnis der Macht Kakoschkas und sein Vorteil über alle Maler. die in neues Land vor- dringen ... seine Gemälde sind Träger der erschreckenden Sensation. die durch Normalität ausgelöst wird. wenn sie um ein Geringes vom Kurs kommt... in seinen unmittelbarsten Werken ist die Wirkung die einer beinahe über-. menschlichen Einsicht in die Persön- lichkeit des Dargestellten . . . angesichts seinerspüten Werke hat man das Gefühl einer Vision. bei der die Dinge zwar so gesehen werden, wie wir alle das tun. doch durch eine Lupe. die schärft oder verzerrt - in einer Art. die an die Erfahrungen von Meskalin-Einnenmern erinnert." Gosling unterteilt Kokoschkas Werk in vier Kategorien: "Zeichnungen (mei- sterhaft), Porträts (keine Vergleichs- möglichkeit unter Lebenden). Land- schaften und Stadtansichten (ungleich in der Qualität, aber stets geeignet. mit "großen" Ansichten verglichen zu werden) und symbolische Komposi- tionen. die in zwei gewaltigen. unlängst entstandenen Dekorationen gipfeln". Zur Entwicklung Kokoschkas bemerkt 51