Gosling: ..Er beginnt als extremer Expressionist. der wie so viele junge Künstler von innen nach außen arbeitet. lernt später langsam wie ein Impres- sionist zu sehen und absorbieren und verbindet schließlich beide Arten; dunkle. nordische Klaustrophobie macht einem Raum Platz. der aus Licht und Farbe geschaffen wird. Ein wilder Liebender und Hassender reift zu einem Pantheisten mit einem Äder- chen für anteilnehmende Mackerei." ..Was die Gemälde anbelangt. ist die Überraschung der Ausstellung, dal} - entgegengesetzt zur allgemeinen Mei- nung - die späteren die besten sind . .. (in der Spätzeit) ist Kokoschka bemüht. seine machtvollen persönlichen Emo- tionen mit dem ebenso machtvallen Andringen der Naturwirklichkeit zu verbinden. Er ficht diesen Kampf auf jedem Bild aus. sei es nun ein Porträt, eine Landschaft oder eine iigurale Komposition. Der Mensch . . . steht im Mittelpunkt seines lnteresses; während der Mensch bei zeitgenössischen Künst- lern zu einem Stecknadelkopf zusam- menschrumpft. werden die Köpfe der von Kokoschka Porträtierten größer und größer. geladen mit Energie. Hoffnung und Leid. Besonders seine letzten Porträts sind Uberreiche Er- folge sie haben die psychologische Einsicht der Frühwerke mit einer zu- sätzlichen Dimension für Farbe. Licht und Farm. Die unheimliche Goyeske Welt. . .durch die Kokoschka zu treiben schien. kam schließlich im Zeichen eines kostbaren Gleichgewichtes zur Ruhe. die ihn mit der sensualistischen Poesie der Renaissance und durch sie mit der von ihm so geliebten griechischen Antike verbindet." (Nach: The Observer Weekend Review. Sunday, September 16. 1962.) BOLOGNA: 5. BIENNALE ALTER KUNST Das klassische ideal des 17. Jahrhunderts in Italien und die Landschaftsmalerei. 8. September-H. September 1962. Pa- lazzo dell'Archiginnasio. Katalog mit kritischen Texten van Francesco Archan- geli, G. C. Cavalli. Andrea Emiliani. Michael Kitsan. Denis Mahon, Amalia Mezzetti und Carlo Valpe, Vorwort von Germain Bcizin, wissenschaftliche Einlei- tung von Cesare Gnudi. Alle ausgestell- ten Werke abgebildet. Diese hochbedeutsame Ausstellung hat zum Thema die ,.antibarocke" Strö- mung der italienischen Malerei des 17. Jahrhunderts, die sich zwar in Rom vollendete, aber unzweifelhaft in Bologna ihren Ausgang nahm, Sie bereitete den Boden für Poussin, Lorrain und Dughet. die drei großen Franzosen, denen Rom zum künstle- rischen Schicksal wurde, Nicht berück- sichtigt blieb in der Ausstellung das Wirken der niederländischen Roma- nisten. die gerade hinsichtlich der Landschaftsmalerei aus diesem Umkreis nicht wegzudenken sind. Ohne Zweifel ist die bis an die Grenzen des Möglichen komplette Vorstellung des Oeuvres von Poussin. Lorrain und Dughet das große, spektakuläre Ereig- nis der vorbildlich gestalteten Schau. Der Louvre und die Londoner National Gallery haben nebst zahlreichen an- deren Museen in aller Welt ihre Be- stände fast ohne Rückhalt zur Verfügung gestellt. Besonders beglückten die zahl- reichen erlesenen Handzeichnungen, deren größte Zahl aus der Sammlung in Schlot} Windsor stammt, Keinesfalls sollten über den Franzosen die italienischen Wegbereiter übersehen werden. Die Ausstellung ist daher richtigerweise so aufgebaut. daß der Rundgang bei Annibale Carracci be- ginnt (wobei den Lunettenbildern der Galleria Doria-Pamphilij das Haupt- interesse gebühren dürfte) und dann über Reni zu Domenichino führt. der als Landschaftsmaler allererster Klasse zur Geltung kommt; auch bei seinen figuralen Arbeiten ist begreiflicher- weise der intimere und damit persön- lichere Anteil des Gesamtwerkes stärker berücksichtigt (Bildnis Monsignor G. B. Agucchi, York, City Art Gallery). Der Weg führt weiter zu Albani. der sich hier als Feinmaler von Rang (etwa einem Poeleriburgh vergleichbar) offenbart, dessen Landschaften jedoch von uner- hörter. seelentiefer Intensität sind (Danzci di Amorini, Florenz, Ufüzien). Damit sind wir auch schon bei Nicolas Poussin. bei dem weitgehend das gleiche Phä- nomen beobachtet werden kann wie bei den Vorgenannlen i nämlich die fast kornpromißlose Trennung von Landschafts- und Figuralmalerei, eine Tatsache, die in der Titelgebung der Ausstellung bereits entsprechend berück- sichtigt wurde. Poussin zeigt sich wieder einmal als eines. Ja vielleicht das er- drückend große Vorbild für gewisse Strömungen der Malerei des 19. Jahr- hunderts; besonders wäre zu unter- suchen. inwieweit die Nozarener in seinem Schatten stehen... Geistige Väter der Romantik des 19. Jahr- hunderts sind hingegen ohne Zweifel Claude Larrain und Gaspard Dughet. Im Schatten der Giganten steht in durchaus würdiger Weise das Werk der etwas Kleineren, der G, B, Viola. Lanfranco, Bril, Tasst etwa; sogar kleinformatige Arbeiten von Pielro da Cortona konnten berechtigte Aufnahme in die Ausstellung hnden, von Andrea Sacchi, G. F. Romanelli. G. F. Grimaldi nicht zu reden. Einige wenige Plastiken von Algardi und Du Quesnoy erweitern das Gesamtbild. Interessant ist die Ein- beziehung von Werken Adam Els- heimers in die Schau; hier handelt es sich um die Berücksichtigung einer grundsätzlichen Haltung. die eben den Geist der Zeit ausmacht. Der Ausstellungskatalog wird, wie seine Vorgänger bei den Biennalen vergan- gener Jahre, zum unübergehbaren Standardwerk für den mit den Pro- blemen des Zeitabschnittes befallten Fachgelehrten werden. Ernst Köller Nicolcis POUSSHW, Ldllklktitltil Htll Ofpli Euridyke, Pult}. Louvie (Ausschnitt) TREVISO: AUSSTELLUNG CIMA DA CONEGLIANO Ende August bis Mitte November 1962. Satune dei Trecenzo. Das Hauptanliegen einer wissenschaft- lichen Ausstellung. die dem Schaffen eines einzigen Künstlers gewidmet ist. muß in der Rekonstruktion seines Lebenswerkes beruhen: die unmittel- bare Kollationierung von Gemälden. die in aller Welt verstreut sind, kann alleine letzte Erkenntnisse und Schlüsse hinsichtlich der Bestätigung und Ab- erkennung von Zuschreibungen liefern. Und es spricht für die Qualität der Vor- bereitung einer solchen Ausstellung. wenn das gebotene Bild schon zu Anfang ein geschlossenes und gerundetes ist. In dieser Hinsicht ist die Schau von Werken Cima dd Conegiidnds CllS besonders geglückt zu bclcttltnert. Was der Giorgione-Ausstellung in Venedig nlcht gelungen war, nümlich die Vorstellung einer greifbaren. sich klar von der Umwelt abhebenden Künstlerpersönlichkeit, ist der Ver- 52 anstaltung in Treviso schier restlos geglückt; Gian Battista Cimo (l459l60 bis 'l5l7l18) offenbart sich in ihr als alles andere denn als Neuerer - im Gegenteil, er ist erzkonservativ. ein Bremsschuh der Entwicklung, wenn man so wtll. einer. der den Geist des Mittel- alters bis tief in die Renaissance weiter- trügt, ein gar nicht so geheimer .,letzter Gatiker". Er hat sich von den Großen seiner Zeit (Bellini vor allem) gar nicht erst freimachen wollen. er blieb stets ein bescheidener Handwerker im edel- sten Sinne des Wortes, dem es darum ging. zahlreiche Aufträge zur Aus- stattung van Kirchen gewissenhaft und nach besten Kräften redlich zu er- ledigen. Trotzdem ist Cima kein nschlechter" Künstler; unter den so poetisch begabten Malern seiner Zeit ist er der Erzpoet schlechthin, und seine Landschaftshintergründe. Vorbildern der engeren Heimat entnommen, sind von reinster Rßmüftllk durchdrungen. Seine HeiligenFiguren sind wett (lGVOH entfernt, zu individuellem vorzudringen, sie sind und bleiben Typen. aber von so edler Natur, von solch inniger Ver- haltenheit und seelischer Stille. doß die Frage nach einem Mehr oder Anders nicht aufkornmt. Die Ausstellung selbst ist nicht sehr groß, sie umfaßt 88 Nummern e keine ganz echte Zahl, wenn man bedenkt, daf) bei mehrtelligen Altorwerken jedes einzelne Stück seine eigene Bezifferung hat. Es erweist sich. dafl die Kunst Cimas. was weiters nicht verwunderlich ist, sich nur sehr bedingt entwickelte, sein Lebenswerk ist von durchaus statischem Charakter, das die Neu- erungen jüngerer Zeitgenossen nicht wahrhaben will. S0 ist etwa zwischen dem Altarwerk des Museo Civico in Vicenza (Thronende Madonna mit Kind zwischen St. lakobus und St. t-lie- ronymus) von 1489 und dem HI. Petrus auf der Kathedra mit den l-leiligen Johannes d, T. und Paulus sowie einen musizierenden Engel (Mailand. Brera). dem letzten sicheren Werk des Künstlers (1516). kOUfTi irgendein subslanlieller Unterschied festzustellen und vollends die lange Reihe der Bildnisse der Madonna mit dem Kind zeigt kaum irgendwelche Spuren einer Wandlung. Der Katalog von Luigi Menegazzi ist vorzüglich. Ernst Köller Cirna da Concgiiaiiii. Aiissciiiiiii at donria rnil dem Kind zwischen do engel Michael und dem tiLAndreas. Galleria Nazionale