Wilhelm Mrazek CARLOS RIEFEL. EIN ÖSTERREICHISCHER BLUMEN- UND FRÜCHTEMALER Die natürliche Schönheit der Blumen und deren bunte Mannigfaltigkeit war eine Entdeckung der Künstler des spülen Mittelalters und der aufgehen- den Neuzeit, ln Stundenbüchern blühten sie neben den Gebetstexten und auf den spötgotischen Tafeln schmückten sie die Landschaften, den Paradieses- garten und die Madonnen im Rosenhag. Albrecht Dürers leidenschaftliches Interesse an der Natur und ihrer Darstellung erhob sie zu Schöpfungen von einmaligem Reiz. die das Allgemeine der Natur und das Besondere der Kunst wieder- gaben. Das Interesse an Blumen und Früchten seit dem Beginn der Neuzeit führte schließlich zu den großen Prachtwerken des17, Jahrhunderts wie den Büchern der Maria Sibylle Merian oder dem „Hor- tus Eystettensis", deralle Blumen abbildet. die in den Gärten des Erzbischofs von Eichstödt wuchsen. Im weiteren Verlauf entwickelte sich die Beschäft- gung mit der Botanik zu einer ..scientia amabilis", deren Ursprung im ..Hortus nittidissimum" von 1730 mit folgenden Worten beschrieben wird: "Die Anmut der Blumen hat ihnen eine so all- gemeine Liebe und Hochachtung erworben. daß uns die wenigen Monate, in welchen solche von der Natur unseren Augen entzogen werden, viel zu lange erscheinen i dies hat nun viele Liebhaber bewogen, zur Malkunst ihre Zuflucht zu neh- men." Im 18. Jahrhundert findet das "Herborisieren" der Zeitgenossen seinen Niederschlag nicht nur in Karl von Linnes erster wissenschaftlicher Systemati- sierung des Pflanzenreiches. in Goethes botani- schen Studien und Rousseaus botanischen Briefen, sondern vor allem in der Ausbildung der Blumen- malerei zu einem eigenen Zweig der Malkunst. An allen Akademien gab es jetzt eine Klasse für die Blurnenmaler. von denen die an der Wiener Schule einen hervorragenden und einmaligen Ruf genoß. ZahlreicheMalerausdieserKlasseschmück- ten den ..Hortus Schönbrunnensis" und das viel- böndige Werk über die „Flora austriaca" und stellten so ihr Können unter Beweis. Goethe war der Überzeugung. daß der Anblick solcher Blätter alle bezaubern müßte. denn "die Natur ist offen- bar. die Kunst versteckt, die Genauigkeit groß, die Ausführung mild, die Gegenwart entschieden und befriedigend". Die Malerei nach Goethes Tod suchte sich jedoch andere Aufgaben. Ab 1850. seit dem Beginn der industriellen Revolution. hatte das Genre der Blumenmalerei keine Chancen mehr. die Gemüter Zu bewegen und zu erfreuen. Und erst recht seit 1900 hat kaum mehr ein Maler von Bedeutung sich der Blumenmalerei gewidmet. Die "scientia amabilis" schien tatsächlich abgewirtschaftet zu haben oder ein Reservat dilletierender Laien zu sein. Nur ein Maler von Rang und Namen. der Wiener Carlos Riefel, ist diesem Genre treu geblieben. Seit Jahr und Tag malt er Blumen und Früchte und demonstriert einer theoretisierenden und ideologisierenden Malerei die stillen Vorzüge und Qualitäten. die künstlerische und menschliche Größe, die in einer ausschließlichen Hinwendung zum Kleinen verborgen ist. Ohne Aufhebens vollzieht er in der täglichen Arbeit an seinen Blat- tern die intensivste Hingabe an die Realität, an das Phänomen. an das Objekt. die den Verfrem- dern, Verzerrern. Signalmalern und optischen Vexoteuren bedeutungslos geworden sind. Was dem oberflächlichen Anschein und einem leichtfertigen