menhang mit einer durchschnittlichen
und im Museum des 20. Jahrhunderts
kaum angebrachten Ausstellung des
ungarischen Malers und Graphiker:
Gyula Derkovits (1894 bis 1934), die
insofern hochoffiziellen Charakter be-
saß, als sie voll und ganz den neuerdings
stark intensivierten kulturellen Kontakt-
bestrebungen zwischen Österreich und
Ungarn entsprach und auch dem dies-
Jährigen Festwochenmotto ..Nachbarn
an der Donau" ihre Reverenz erwies
(26. Mai bis 25, Juni).
Um Derkovits und seine Funktion als
Künstler sozialer Anklage. als Mahner
und leidenschaftlicher Teilhaber am
Leid des Nächsten beurteilen zu können,
ist es notwendig. sich die wechselvollen
Verhältnisse, die einander widerspre-
chenden geistigen und politischen Strö-
mungen vor Augen zu halten, die in
Ungarn während jener Jahrzehnte an-
zutreffen waren und zu Konflikten
führten, in denen das Werk des Malers
heranreifte. Der im Katalog abge-
druckte Essay von Dr. Ludwig Gogoldk
bot dem Besucher der Ausstellung die
in diesem Zusammenhang noige in-
formative Hilfe.
Derkovits. in Steinamanger an der
österreichisch-ungarischen Grenze ge-
baren. wurde durch Schicksalsschläge
und persönliche Not zu einem über-
zeugten m zeitweise hindurch illegalen
7 Verfechter der kommunistischen
Idee. Das Erstaunliche an seinem Werk
ist jedoch. daß Derkovits trotz außer-
künstlerischen. ideologischen Engage-
ments den dadurch gegebenen Gefähr-
dungen und Zumutungen auszuweichen
imstande war und dank seiner schöpfe-
rischen Potenz seine Bilder vor Banali-
töten und Plattheiten bewahren konnte.
Derkovits war weder ein ganz großer
Maler noch ein ausgesprochener Weg-
bereiter der Moderne, der in einem
Museum wie dem des 20. Jahrhunderts
retrospektiv gezeigt hätte werden müs-
sen. Seine lokale Bedeutung für den
ungarischen Raum hingegen war exem-
plarisch. Die Malerei von Derkovits.
deren wichtigste Periode in sein letztes
Lebensjahrzehnt füllt, weist sehr ver-
schiedenartige. doch vielfach geschickt
verarbeitete Einflüsse auf. die von
Cezanne und Ensor über den Kubismus
und Futurisrnus bis zu George Grosz und
Otto Dix, den beiden deutschen Sozial-
kritikern und Satirikern, reichen.
Wenn Werner Hofmann an anderer
Stelle ausführt, ,.Der Blick auf Derkovits
ist der Rückblick auf eine Epoche, deren
gesellschaftliche Konflikte sich noch
künstlerisch formulieren ließen", so wird
diese keineswegs vereinzelt dastehende
Ansicht durch die Malerei des Ungarn
auch tatsächlich bestätigt. So wie Grosz
und Dix, zu denen gewisse thematische
Ähnlichkeiten bestehen. fand auch
Derkovits. der sich mitunter als der
bessere Maler erwies, zu einer weitest-
gehenden Übereinstimmung von mora-
lischem Anliegen und künstlerischer
Lösung. Ein formal beherrschtes, auf-
schlußreiches Porträt wie das Selbst-
bildnis aus 1934 oder das 1930 ent-
standene Bild ..Um Brot-Terror" ver-
deutlicht ebenso prägnant wie mehrere
Graphiken und eine 1928129 ent-
standene, konventionellere Holzschnitt-
serie. daß „engagierte Kunst" von
gestern unter der Voraussetzung ent-
sprechenden Umdenkens auch im Heute
mit seinen ganz anderen gesellschaft-
lichen und künstlerischen Problemen
ihre Funktion zu erfüllen vermag.
Peter Baum
52
ZENTRALS PARKASSE
Giselbert Hoke
Mit einem Aufwand, wie er einem einzelnen
Künstler in Österreich nach 1945 noch nicht
beschieden war. der dafur iedoch inter-
nationalen Vergleichen ohne weiteres stand-
hdlt, setzt sich die Zentralsparkasse der
Gemeinde Wien für den aus Nordbohmen
stammenden Karntner Maler Giselbert Hoke
Gift. dem im Hauptgebäude des mazenattsch
gesinnten Instituts eine nicht nur van der Art
und Eleganz ihrer Aufmachung her als var-
biidlich zu bezeichnende, sondern auch
hinsichtlich der für sie gemachten Werbung
und publizistischen Betreuung imponierende
Ausstellung eingeräumt wurde. Neben einem
großformatigen Katalog. um den sich jedes
unserer bescheiden dotierten Museen reißen
wurde, erschien im Salzburger Residenz-
Verlag auch noch eine von der Zentral-
Sparkasse subventionierte ausfuhrlichd Mono-
graphie uber den Künstler. deren TCXt von
Zaran Krzisnik. einem der führenden kunst-
schriftsteller Jugoslawiens. stammt.
Glselbert Hoke. Jahrgang 1927, nach der
Matura Andersen-Schuler an der Wiener
Akademie der bildenden Künste, stellte über-
huupt zum erstenmctl in Wien aus. Schon
relativ fruh sorgte er für Berühml- und
Beruchtigtheit mit den von ihm ciusgefuhrten
Fresken für den Klagenfurter Bahnhof. die
anlaßiich der Eröffnung einen Skandal aus-
lösten. Seit 1956 beschäftigte sich Hoke vor-
wiegend mit größeren Auftragsarbeiten, dar-
unter mit Glasfenstern fur die van Rudolf
Schwarz entworfene, dach leider nicht mehr
van ihm fertiggestellte Kirche zu St, Flarian
in Wien. Neben Zeichnungen und Litho-
grdphlen umfalite die Kollektivschau 44 Ol-
bilder und Gouachen. Das gesamte, auf
Arbeiten der letzten sieben Jahre beschrankte
Material wurde klug aufeinander abgestimmt
und mit Bedacht auf Qualital gesichtet.
Hokes kunst ist schöpferische Synthese. Seine
Bilder und Graphiken. die bei aller Moderni-
tdt und angestrebten Zeitnahe ihren Hang
zum Klassischen. zu augenfalliger Reife und
Perfektion, zu Harmonie und herber Schan-
heit nicht leugnen können. lassen eine Vielzahl
von Einflüssen erkennen. deren Besonderheit
darin liegt, daß keiner von ihnen domi-
nierend nachteilige Wirkung erreicht, lrn
gleichen Mali, in dem Hoke seine malerischen
und kompositorischen Fahigkaiian unter
Beweis stellt, versteht er es. Gelerntes und
Erschautes. Fremdes und Eigenes in ungemein
geschickter Weise zu verbinden und seinem
schöpferischen Willen nutzbar zu machen.
Originares Ernpnnden. eigenständige Um-
setzung und spekulative Entlehnung finden
sich in Hakcs kräftigen, stimmungsvollen
Malereien oftmals sa eng benachbart, daß nur
im Einzelfall ein kritisches Werturteil ge-
sprochen werden kann. Man soltte Hokes
Bilder nicht mit Pauschalurteilen abtun,
Ebenso falsch wäre es ffElllCtl auch. sie als
unproblematisch hinzustellen, ihre Proble-
matik zeigt sich vielmehr gerade darin, dali
dieser kraftvolle. mit vollem Einsatz ans Werk
gehende Künstler beinahe zu begabt ist und
deshalb seine eigentlichen Möglichkeiten
noch nicht restlos entdeckt hat, Statt der
Vielfalt - durchwegs vertretbarer Wege t-
rnimte signifikante Ausschticlilichkcii ange-
strebt werden -- zumindest fur einige Zelt
Hokes vitalitai, seine Freude am Ekprassianis-
mus und Kubismus, an der Unerschopflichkeil
eines Genies wie Picasso, mit dessen Werk er
sich während eines longeren Paris-Aufent-
haltes lrttEriSlV auseinandergesetzt hat, aber
auch an den Eigenheiten der Ikonen des
Ostens bewirken in seinem Werk ein an-
dauerndes Entweder-Oder, ein permantcs
Pro und Kontra. dem sich der Künstler wie
der Betrachter kanfrdnticrt sehen.
Porlrats, Akte und Landschaften. "eine Welt
des Wohllautes und schonen Anschelns, aber
auch der heiligen Ordnung" (Otto Breicha)
sind t-lokes bevorzugte Themen. Seine Bilder.
unter denen eine fast rein graphische Selbst-
darstellung aus dem Jahre 1965 ganz be-
Senders hervarragt. an die der Kunstler
stärker anknüpfen sollte, sind alles eher denn
Stereotyp. Sie veranschaulichen. was durch
Offenheit und Verzicht aufdie billige Mascha
erreicht werden kann. verlangen aber auch
- erst dann wird man Hoke zur ersten
Garnitur unserer Maler rechnen können -
stärkere Reduktion. wesensgemäßere Ver-
dichtung irn Hinblick auf eine zukunfiigr.
originäre Steigerung (Abb. 11. 12).
BILDTEXTE 10-21
10 Herwig Zens Demagoge".1964. Fedor-
Zeichnung, 3 22 cm. Zusammen mii
dreißig anderen Zeichnungen war diescs
Blatt in einer Ausstellung der adicrib
Willy Verkauf zu sehen
11 Blick in die Ausstellung Giselbert Hoke
in der Zentralsparkasse der Gemeinde
Wien
tz Glselbert Hoke, Llegender Akt, t9s2.
Gouache auf Papier, 47x75 cm (Abb
13. 14 aus der Ausstellung des Künstlers
in der Zentralspcirkclsse der Gemeinde
wian)
12 .,Silberner Berg". lautet der Titel dlCSCr
ausgewogenen Farbradierung tur die
der Jugoslawe Dzevad Hozo mit dem
ersten Preis der V. internationalen
Graphikausstellung des Europahctuscs.
Wien. ausgezeichnet wurde
14 . Gedicht über die Apostel", Lithographie
von Gabor Pctsztor, Der ungarische
Künstler erhielt für diese interessante
druckgraphische Arbeit den zweiten
Preis
EUROPAHAUS WIEN
Panorama moderner Graphik aus neun
Staaten
Den freien Meinungsaustausch zwischen Ost
und West, der im Mittelpunkt der politischen
Bestrebungen aller Eurapahauser steht, auch
aufdcm Sektorderbildenden Kunst zu pflegeni
ist Ziel einer vom Maler Professor Josef
Buttinger organisierten Ausstellungsserie des
Europahauscs in Wien-t-ltltteldorf, die vor
funf Jahren begann und heuer mit ner von
neun Nationen beschickten Graphik-Schau
ihrcn bisherigen kunstlerischen Höhepunkt
verzeichnete.
Aus mehreren hundert eingereichten Arbeiten
wählte die aus den Herren Dr, Walter
Koschatzky. Dr. Ruediger Engerth und Joset
Buttinger gebildete Jury sechzig fur die in
drei tiauman untergebrachte Graphik-Expo-
sitian aus, Die vom Europohaus gestifteten
Preise gingen an den Jugaslaweri Dzevad
Hazd. den Ungarn Gabor Pasztor und an den
Tschechen Oldrich Kulhanek.
Die prächtige. .,Silberner Berg" betitelte
Farbradierung des Erstnlacierten, die zu-
sammen mit weiteren funf drucktechnisch
hervorragenden strukturell-abstrakten Blät-
tern des Jugoslawen zu sehen war. repräsen-
tierte den hohen Standard der Graphik
unseres südöstlichen Nachbarlandes. die in
der Ausstellung diesmal uberhaupt domi-
nierlc.
Vorn Thematischen und Technischen her als
interessant lassen sich auch die Blätter von
Gabor Pastor bezeichnen, die man als Neuen
Realismus charakterisieren könnte. der - in
seiner zum Nachdenken anregenden. vielfach
reliqios und zeitkritisch ausgerichteten Grund-
tendenz - sogar Elemente der Pop-Art in
die Gestaltung mitetnbezleht. Die an CltE
Wiener Schule des phantastischen Realismus
erinnernden Lithographien des Drittplazierten
Kulhanek allerdings sind trotz handwerk-
lichen Kannens zu manlriert und epigonal und
hätten durch einen Preis nicht gesondert
hervorgehoben werden rnussdn. Sein Lands-
mann Anderle. der Jugoslawe Jemec Oder
der Italiener Piero Copertini, von dem leider
nur eine einzige vehement gefertigte Zeich-
nung zu sehen war, hätten statt ihm bei der
Preisvergabe nicht übergangen werden
dürfen.
Sieht man von Ostdeutschland und der Sowjet-
union ab (beide beteiligten sich nicht an dieser
Ausstellung). die dem Künstler nach wie vor
zu wenig echte Freiheit gewahren und statt
dessen auf einem staalspolitischen Opportu-
nismus beharren. so kann auf Grund des
gezeigten Materials verallgemeinernd fest-
gestellt werden. daß die bildenden Kunstler
der Oststaaten ihren westlichen Kollegen um
nichts mehr nachstehen. Die Problemei mit
denen sich der einzelne auseinandersetzt.
sind hier wie dort ahnlich, oft sogar die
gleichen. Daß die in diesem Zusammenhang
haufiq zitierte lnterriationalität der bildenden
Kunst allerdings nicht als Nivellierung auf-
aefaßt werden darf, was nicht bloß von
Gegnern der Moderne ins Treffen geführt
wird, sondern eine logische Folge heutiger
Kommunikationsmoglichkeiten und uber-
cinstimmender Ansichten ist, wurde von
Dr. Walter Koschatzky, dem Direktor der
Graphischen Sammlung Albertina. anläßlict"
der Eroffnung dieser Ausstellung mit Nach-
druck betont.
Enttauschend wirkte in seiner Gesamtheit der
österreichische Beitrag (sieben Künstler mit
te ein bis zwei Arbeiten). was in erster LthlE
in organisatorischen Mangcln begrundet lag
Nrbcn den Blatlern der Preisträger zahlten
sonst noch zum Besten die feinnervigen,
dynamischen Fcderl ichnungen der Belglerln
Franclsde Rolle. die pentblen Druckgraphiken
des Deutschen Reiner SchwarLdiean Wunder-
lich und Janssen erinnern, Blatter der Jugo-
slawen Kuduz. Makes und Sirbegovlc sowie
Gifte Aqucttntcl von Franrirle Simonin
(Schweiz) und die varhin angefuhrten
Ogurativ-surrealen Darstellungen des 193a
geborenen Pragers iiri Anderle.
Anlalllichder Eroftriungdieserverdienstvollen
Ausstellung. ctie bis 11. Juni 1967 dauerte.
wurde unter der Leitung von Monsignore
Otto Mauer und dem Direktor des Europa-
hauses, Dr. Josef Varga, ein Symposien
abgehalten, an dem auch zahlreiche aus-
ldndische Graphiker, vor allem Jugoslawen
und Schweizer, teilnahmen (Abb. 13415).
Peter Baum
15 Van dem Deutschen Reiner Schwarz
stammt dieses Blatt, das ebenso in der
Zeichenkunst eines Dürer wie in der
drucktechnischen ttoünesse eines Paul
Wunderlich beheimatet scheint (Abb. 15
bls17ausderV.internationalen Graphik-
ausstellung des Europahauses Wien
16 Fria Elfen. Maidruck (aus der Ausstellung
der Kunstlcrin in Bad Tatzmannsdorf
17 Gunther Baszel, Bronzerelief von Prof.
Reininger. 1967. Ehrenhof der Universi-
tät Wien
18 Günther Baszel, Rom, Blick über den
Tiber. Tempera
19 Blick in die Ausstellung Fritz Riedl uric
Sepp Schrnolzer in den Raumen de:
Osierreichischen Kulturinstitutes in New
York
20 Bitdteppich von Fritz Riedl
21 Goldene Halskette mit Perlen (Mittelteit)
von Sepp Schmölzer (Abb. 21-23 aus
der Ausstellung der beiden Kunstter irr
Österreichischen Kulturinstitut in New
York)