Friedrich Waidacher DIE ZINNGIESSERFAMILIE ZAMPONI Generationen nachweisbar ist, weil auch noch relativ viele Objekte aus ihrer umfang- reichen Produktion erhalten sind und weil der letzte steirische Zinngicßer ebenfalls der Familie Zamponi angehörte. Ein besonderer Anreiz für die Konzentration auf diese Familie ergab sich auch aus dem glücklichen Umstand, daß heute noch Nachkommen dieser Zinngießer leben, die durch ihre persönliche Erinnerung und durch die Bereitstellung von Arbeiten und Doku- menten ihrer Vorfahren wesentlich zur Klärung bisher ungelöster Fragen beitragen konnten. Italienische Zinngießer waren bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts in die Steiermark eingewandert und hatten nach und nach die einheimischen Landmeister in harten Kon- kurrenzkämpfen abgelöst. Um deren neuer- liches Aufkommen zu verhindern, zogen sie weitere Italiener in die Steiermark nach und dingten auch fast ausschließlich italie- nische Lehrlinge auf. Die Familie Zamponi hat hierin keine Ausnahme gemacht: fast immer bestand der Nachwuchs an Zinn- gießern aus Italienern, meist Mitgliedern der eigenen Familie oder doch wenigstens aus Lchriungen, die aus der kleinen Heimat- gemeinde Forna d'Ome_gna stammten. Dieses nordwestlich vom Ortasee am Osthang des Monte-Rosa-Massivs gelegene Bergdörf- chen kann als Hauptherkunftsort italieni- scher Zinngießer bezeichnet werden: insge- samt 93 Vertreter dieses Gewerbes in Mitteleuropa stammen von dort. Und als die Familie Zamponi bereits durch mehrere Generationen in der Steiermark ansässig und wohl weitestgehend assimiliert war, begaben sich ihre Frauen bei bevorstehender Nieder- kunft meist nach Forno, um ihre Kinder dort zur Welt zu bringen. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, daß in Forno selbst nie Zinngießer ansässig waren. Noch um die Jahrhundertwende war der Ort nur über einen steilen Fußweg erreichbar, und auch heute führt nur eine meist einspurigc gewundene Bergstraße durch das Tal der reißenden Strona nach Forno. Die von dort stammenden Männer waren nachweislich bereits seit der Mitte des 16. Jahrhunderts als Saisonarbeiter tätig oder hatten, wie die Zinngießer, ihre Heimat verlassen, um sich anderswo eine Existenz zu gründen. Auch gegenwärtig sind die meisten arbeitsfähigen Fornesen in der Schwerindustrie des im Tal gelegenen Omegna beschäftigt, da der karge Boden seine Besitzer nicht ernähren kann und auch der Gewinn aus dem Verkauf von hausindustriell hergestellten hölzernen Bestecken gerade für den Lebensunterhalt der zwanzig damit befaßten Familien aus- reicht. Die Familie Zamponi, deren Ahnenreihe bis zu dem 1530 in Forno d'Omegna ge- borenen Johannes Zamponi zurückreicht, ist vom frühen 18. Jahrhundert bis in das erste Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts im Zinngießergewerbe nachweisbar. In der Xteiermark waren es 18 Meister, von denen elf in Leoben arbeiteten. Im übrigen Öxlerreirlz sind zehn Vertreter dieser Familie bekannt, in Böhmen zwei und in Demtrrhland fünf. Zur Sanzlerauulellung de: lbluxeum: für Kultur- gurbirble und Kunxtgewerhe am Landexmureum fnamzeum in Graz, Navemher 7967. im Jahre 1934 hat der damalige Vorstand des Grazer Kunstgewerbemuseums, Georg Walfbauer, ein Meisterverzeichnis steirischer Zinngießerl veröffentlicht, welches den ersten Bericht über eine umfangreiche For- schungstätigkeit zur steirischen Handwerks- geschichte darstellte. Es war geplant, die Ergebnisse dieser Wissenschaftlichen Arbeit, die reiches Material über 60 Handwerke zu- tage gefördert hatte, in loser Folge zu publizieren. Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges jedoch hat eine Fortsetzung dieser wertvollen Unternehmung verhin- dert: das als Ergänzung zu dem großartigen Werk von Erwin Hintgel gedachte Büchlein ist das erste und einzige geblieben. Wenn auch in den Arbeiten von Carl Lebmarhevd und U. Huber-G. Oertel4 sporadisch Hin- weise auf steirischcs Zinn vorkommen, so vergingen doch mehr als zwanzig jahre, bis Adolf Mai: mit seinem Aufsatz über die „Katzelmacher"5 einen grundlegenden Überblick über die bis zu diesem Zeitpunkt gewonnenen Erkenntnisse vorlegte und vor allem auf das Phänomen der Einwanderung italienischer Zinngießer aufmerksam machte. Und nun - nach weiteren zehn Jahren - wird der Versuch unternommen, ein spe- zielles Kapitel aus der Fülle des Vorhand- denen herauszugreifen und in Form einer Sonderausstellung dem interessierten Publi- kum vorzustellen: die Zinngießerfamilie Zamparzi. Zweck dieser Ausstellung ist einerseits, dem Beschauer Museumsgut aus den Sammlungsdepots und aus Privat- bcsitz zu zeigen und damit auch einen Über- blick über einen Teilbereich des heimischen Hausrates des 18. und 19. Jahrhunderts zu ermöglichen. Zum anderen aber soll der Katalog nicht nur ein Führer durch die Ausstellung sein, sondern er faßt darüber hinaus alle bisher bekannten Daten und Marken der Zinngießer Zamponi zusammen und bringt auch Wesentliche Ergänzungen und Korrekturen, die erst auf Grund einer intensiven Spezialforschung erarbeitet wer- den konnten. Wenn es sich auch bei den gezeigten Objekten in erster Linie um ein- fache Zinngegenstande handelt, Erzeug- nisse guter, solider Handwerker, deren Auf- gabe die Belieferung eines breiten Abneh- merkreises mit gewöhnlichem Gebrauchs- zinn war, so ist doch dadurch die Möglich- keit gegeben, auch einmal den Alltag an Hand von Sachgütern zu dokumentieren, welche sonst meist hinter hervorragenden Zeugnissen der Handwerkskunst zurück- stehen und ein unverdientes Dasein der Nichtbeachtung führen müssen. Aus der großen Zahl italienischer Zinn- gießer in der Steiermark wurde die Familie Zamponi ausgewählt, weil sie durch mehrere 28 3? 4? Johann Baptist Policarp (1.) 2., Lesben: amimx Eßtcllrr mit Barockmnd. Dm. 22 cm (Kunstgcwerbcmuscum GIIZ, lnv.-Nr. 9528 fT.) Johann Polical (ll.) Z.. Leobcn: Tischschoner. Dm. 20.4 cm (Salz urger Muscum Camlino Augusteum. Inv.-Nr. 154) Johann Policarp (11.) 2., Leobcn: Anrichteschüsscl. 37,4 X 26,4 x13 cm (Dr. Heinrich Zxmponi, judcnbur ) Ambros Joseph Maria Benedikt 2., Mumu: Knödä schüswl. H. 6,3 cm. Dm. 33 cm (Heinrich Kneiswl, Pöls- Enzcrsdoxi) Ambros Joseph Maria Benedikt Z.. Murau: Deckel- krüglein. H. 9,7 cm, Dm. 7,4 Cm (Hainxich Kncissl, Pöls- Enzcrsdorf) johann Anton Poiicarp (IIL) Z., Lcoben: Deckcltcrrinc. 34,5X29x 19,5 cm (Kunstgcwcrbcmuseum Graz, lnv.- Nr. M918) ANMERKUNGEN 1-5 1 Gcoxg Wolfbauer, Die stcirischen Zinngicßex und ihre Marken. Nr. 1 dcr Schriftcnreih: des Grau: Kunstgewtrbc- muscums, Graz 1934. 7 Erwin Hintze. Die deutschen Zinngießel und ihre Marken. 7 Binde, Leipzig 192111931. 3 Cnrl ltblnidlßl. Zinngießer in Kärnten. In: Kämtnrr Hcimatblitlcr. Sonnlagxbeilagc zur „Kärnmet Volks- ", 2. Jahrgang, Folgt "I3, Viliach, Z2. Iuni 1935. 4 U. Huber und G. Ohne], Siubcnbürgisch-sichsischzs und ändert! Zinn. Rcichcubcrg 1936. 5 Adolf Mais. Die "Katzclmachcr". Ein Bdtrag zur Kultur- geschieht: einer handwuksgebundencn Volksgruppe. In: Mitteilungen der Anrhropelo ischen Gesellschaft in Wien. 87. Band, Horn-Wien 1957, '. 37 H".