im Juni d.J. fand im Hauwgebaude der
Zentralsparkasse der Gemeinde Wien die
17. Preisverteilung aus dem Wiener Kunst-
fands statt. der cinlaßlich des fiinfzigjöhrigen
Bestandsiubilaums der Zentralsporkasse der
Gemeinde Wien 1956 gegründet wurde. Die
erste Verleihung VOrt Forderungspreisen dieser
lnstttutian wurde im Jahre 1957 vorge-
nommen. Somit kann also der Wiener
Kunstfonds heuer bereits aufeine zohniahrtge
Fdrderungstdtigkeit hinweisen. Freu Kultur-
stadtratin Gerlrude Sartdner. die geschäfts-
tuhrende vbrsitzende des Wiener Kunst-
tdnds. gab anldßlich der Preisverleihung
einen Uberblick uber die Tätigkeit dieser
Einrichtung irn vergangenen Dezennium. So
wurden an 373 Wiener Kunstler Förderungs-
beilröge von zusammen 3.26 Millionen
Schilling vergeben.
Der Generaldirektor der Zentralsparkasse
der Gemeinde Wien. Dr. Josef Neubaueri
wies in seinen Aushihrungen anlüfllich der
Feiersliinde auf das umfangreiche Müzenaten-
tum seines Institutes hin. Neben der For-
derungsidtigkeii, so tuhrte er aus. wurden
auch sonst zahlreiche Aktivitäten das Wiener
Kunstleben befruchten. Die Ankaufc von
Kunstwerken durch die Zentralsparkasse der
Gemeinde Wien nehmen dabei den breitesten
Raum innerhalb der Forderungstatigkeit
ein.
Magistratsral Dr. Karl Foltinek stellte an-
lalllich der Jubilaums-Preisvertetlung 2B Wie-
ner Künstler vor. Diese setzten sich aus
zehn Vertretern der bildenden Kunst, sieben
aus dem Bereiche der Musik. fünf der dar-
stellenden Kunst sowie sechs literarisch
tatigen Künstlern zusammen.
Die Entscheidung uber die Auswahl der
vom Wiener Kunstfonds geforderten Kunstler
trifft ieweils ein aus namhaften Persönlich-
keiten des Wiener Kunstlebens gebildetes
Kuratorium (Abb. 14).
Im Anscliliili an die Preisverteilung wurde der
folgende Beitrag gesprochen. der von dem Dich-
ter und Preisträger Gyiirgy Sebeslyeri im Namen
seiner Kollegen als Dank an den Wiener Kunst-
fand: qedasttt war:
Der anonyme Anstifter
Über die Hinterlist des Müzenatentums
Das Entstehen guter Literatur hat zwei
Voraussetzungen. und zwar Vorschuß und
Termin - diese Auuerung Dostoiewskijs ist
nicht nur eine verhüllte Klage. als Bonmot
verkleidet. und nicht nur Provokation.
Vorschuß heißt mit anderen Worten ein
Stück Zeit der materielte1 Freiheit. der
Termin repräsentiert das Interesse des Ver-
legers und durch ihn die dutreizende An-
wesenheit eines Publikums. versrhutt ist aber
auch ein Symbol von Vertrauen. und Termin
bedeutet auch so viei wie Verpflichtung.
nicht nur im technischen Sinn. was Dosto-
iewskii nicht erwdhnt. iene dritte Voraus-
setzung namllch, das Tdient. lSt ebenso
Privdtseene wie Fiein. wie Gewissenhaftig-
keit im Umgang niit der svntdk eder wie
eine gewisse unbedingt netwendige Ruck-
sichtslosigkeit der Umwelt gegenuber. Was
oesteiewskii nicht erwahnt. ist tatsachlich
nicht zu erwdtinen. denn es geht da um
ein Phanomen. das der Schriftsteller. sofern
er einigerrndnen ehrlich ist. nur vage um-
schreiben kann. etwa in der Art. in der es
Desteiewski selbst getein hat. ..Es gibt Se-
kunden . schrieb er. vier oder funf Augen-
blicke. in denen tCh p otzlich die Gegenwart
der ewigen Harmonie spüren kann. Ais
erkennte nidn mit einem Schlag die ganze
Natur. als sagte man: Jd. es ist riehtig so.
Noch weitere iuni Sekunden. und die Seele
hieiie es nicht mehr aus. in solchen fünf
Sekunden durchlebe ich ein ganzes Leben.
fur das ich mein ganzes eigenes Leben hin-
geben wurde. Es lohnt." Was aber ist sie.
diese ..ewige Harmonie". diese idhe Er-
kenntnis der Natur? Etwas kguin Formulier-
bdres. das sich genau in jenem Zwischen-
BILDTEXTE 4m14
4 Marc Vaux
5 David t-tockney
b Stdniev Peskett
7 Rubin Piiimrrier (Abb. 4-7 aus der
Aussieiiung ..iunge Englander" in der
Galerie in- Griechenbetsl)
8 Egon Haug stellte in der Galerie du!
der Stubenbastei aus
9 Mario Decleva. Aufsteigende Figur.
isez. Radierung und Aquatinta in drei
Farben. 50x39 cm
to Ernst steiner. Heiiszeirhen. 1966. tib-
dierung. 53x38 cm (Abb. 9. io aus der
neuen Edition der Schrott-Presse)
11 Ludwig Merwart, Meditation.
dtzung. zwei Farben
12 Johannes Wanke. Apfel. Holzschnitt. drei
Farben
13 Anton Watzl. Zwerge (Abb. 11-13 aus
neuen Editionen der Galerie dui der
Siubenbasiei)
14 Generaldirektor Dr. iesei Neubauer bei
seiner Frdtinungsdnsgrdehe dnidniish des
zehniahrigen Bestandsjubilöums des wie.
ner Kiinstfonds der Zentralsparkasse der
Gemeinde Wien
Eisen-
14
bereich ereignet. der zwischen Vorschufl
und Terrnin liegt. zwischen Moglichkeil und
Zwang. zwischen Idee und Form. Vorschuß
und Ierrrilrt sind menschlich erkennbare
Großen Sie haben die seltsame Eigenschaft.
um so erkennbarer zu sein. ic rarer sie
sind. Erst ein Vorschull. den man nicht
erhalten hat. Idßt die begluckeride Sulle
eines wirklich erhaltenen Vorschusscs ahnen.
erst ein nicht cingehaltener Termin lälit die
rndiestdtisehe Erhabenheit eines eingehaltenen
Termines spuren. Ein Glück. daft die Vor-
schusse zurneist sd soarlich tropleln und ddß
die Termine nieinais eingehalten werden!
Eine einzige Person gibt es allerdings. die
in dieses Koordinatensystem. in dcm sich
der Künstler ein Leben idng bewegt. heil-
same Unordnung bringt. einen Ausndhrne-
zustand vcrkundet. die ebenso unbequemen
wie sicheren Grenzen der kunstlerischen
Arbeit sprengt. Diese Person ist der Mazen.
Er ist auch dann eine Person. wenn er eine
Institution lSl. denn durch sein Mazenatentum
gewinnt er menschliches Maß und durch
seinen eigenwiiiigen Geschmack zeugt er
von lndivldualilat. Am schonstcn am Mazen
ist. dal! er sein Mäzenatentum nur neben-
beruflich ausübt. genau so wie tnncr Gaius
Cilnius Mciecenas. der hauptberuflich. als
stgdtsrndnn. etwa den Anschlag des iungeren
Lepidus unterdruckte. wahrend er nebenbei
dem Vergit ein Landgut verschaffte. und
zwar eines iener Güter. die Augustus seinen
Veteranen zukommen ließ. vergii war kein
Veteran. aber er hatte Protektion. ebenso
wie Horoz. dem der Maecenas ein sabinisches
Landgut schenkte. Es war eine große Stunde.
Denn seitdem sich Horaz in seiner rergbid
niedergelassen hatte. brummen friedliche
Bienen ohne Zahl über Weinkrugen und
durch die europäische Literatur. loben sämt-
liche Eklogendichter die bukotische Ruhe
und die idyllische Sicherheit des sinnenden
Mannes. Ware aber jener (Saius Ciinius
nicht nur seinem Namen nach. sondern
auch hdiibtberutiieh Maecenas gewesen. S0
hätten wir heute vermutlich keine buko-
lischc Lyrik. denn kein Horoz der Welt
lande sich bereit. ein Landgut anzunehmen
mit der Verpflichtung. den edlen Soertder
dafur unsterblich zu machen. lm Falle des
Maecenas muflle t-taraz keine Gewissensbisse
heuer. denn der Freund des Augustus wdr
ja bereits unsterblich. einfach weil er ein
Freund des Augustus war. wdrrius die erste
Regel des Mazenatentums hervorgeht. der
seltsame Tatbestand namlich. dafi hier
jemand etwas gibt. ohne auf cim: Gegen-
leistung horten zu durfen. Der Mazen ist
selbstlos. Und indem er selbstlos ist. lSi er
erst er selbst.
Warum gibt er aisai Aus purer Gülel Aus
EIIEIKEIll Aus einer geheimen Bcrechnungi
Es gibt gdtige Leute. die dem Ticrschutz
opfern und gefallene Madchcn. verwahr-
loste Greise und nebenbei auch ein paar
Kunstler unterstützen. aber solche Menschen-
freunde sind keine Mazene, sie sind bloß
gut. Es gibt auch Machtige in dieser Welt.
dte sich mit ihrer Sterblichkeit nicht abfinden
können oder wenigstens zu Lebzeiten gelobt
werden wollen und sich aus diesem Zweck
Hofmaler halten. welcher Brauch heute nur
deshalb aus der Mode gekommen ist, weit
die Mächtigen unserer Welt weise Leute
sind. die erkannt haben. daf} in dieser
Massengesellschaft der Individualisten die
GRAZER KU NSTBRIEF
Der Begriff der ..tdten Saison" ist längst
ausgestorben und giit (wollen wir vdn den
Schulferien absehen) eigentlich nur noch für
die Welt der Bühne. Auf dern Ausstellungs-
sektor idgte icdenfalls in Graz eine ver-
anstaltung die andere. Es ist daher nur
moglich. Stichproben aus der rutie des
Gebotencn herauszugreifen.
vbin 5. bis 20. iuti zeigte die Alte Galerie
am Ldndesrnuseuni Joanneum in't Ecksaal
des iednneurns, Neutorgasse 45. eine Aus-
steiiung ..oie Kleinmeister deutsche
Druckgraphik des 16. Jahrhunderts". Ge-
zeigt wurden tari Katalognummern. gremen-
teiis Bestande dus der ehemaligen sdrnniiung
Heintel sewie vor iahrzehnten erworbene
Alberltna-Doubletten. sinn der Ausstellung
war es. dem Publikum Bestandc vorzufuhrert,
die aus raumlichen und technischen erunden
nicht dauernd gezeigt werden kannen.
Vertreten waren folgende Künstler: Heinrich
Aidegrever rnit es Blättern. Albrecht Aii-
darfer (s Blatt). Bartel Beham (9 stritt).
Hans sebdid Beham a9 istdttt. Jakob Bink
(2 Blatt). Hans Brosamer (4 Blatt). Augustin
Hirschvogel (t Blatt). H. S. Lautensack
(3 Blatt). der Meister IB (3 Blatt) und Georg
Bleibt ulsO die Berechnung. Und in der Tat.
der Mazen ist ein heimtuckischcr Bursche.
Er gibt und gibt ver. keine Gegenreistung
zu wünschen. Er schenkt und pocht dabei
weder Qtlf sein kuiiiirbewiiiitsein noch auf
seine Tasche. er pocht uberhdupt nicht.
sondern trilt bescheiden zurück. als wollte
er sagen. es ist wirklich nicht der Rede wert.
Er fördert die Kunste. wie ein anderer Gold-
fische züchtet oder Kakteen halt. als harm-
losen Zeitvertreib und weil es oben Gold-
fische adcr Kakteen gibt. Doch der Schein
trugt. Wer da glauben sollte. da?! der Mazen
rnii einer Geste vdn Egatiie und Frdternite
biaß mdterietie Liberte verteilt. der kennt
den Mechanismus nicht. auf dem das echte
Mcizenatentum beruht. Es ist der immer
noch einigermaßen geheimnisvolle Mecha-
nismus der menschlichen Natur. die bei
aller Neigung ziirn Extremen. aus nurern
Lebensinstinkt. das Gleichgewicht immer
wieder herzustellen bestrebt ist. ein Gleich-
gewicht. das dem Begriff des Vorschusses
automatisch die Idee des Termins hinzu-
fugt m die tdee. wohlverstandcn. und nicht
einen echten Termin e; in. wer an die
Harmlosigkcit des Mazens gidiibt. der weiß
nicht, daß Dankbarkeit auf die Dauer ein
nur äußerst schwer erlragbares Gefuhl ist.
das normale Menschen so bald als rnoglich
wieder geistig aussondern wollen. Künstler
unterscheiden sich von den normalen Men-
schen meist dadurch. dafl sie noch normaler
sind als der Durchschnitt. in einer fast schon
ungesunden weise normal; ware es nient
SO. dann konnten sie tl'tV' Zeitalter nicht
uVtwlllküfllch reprasentieren. Das ist der
Punkt. an dern die Hinterltst des Mözens
ansetzt.
Er wcifl. daß die mit unschuldigstem Ge-
sichtsausdruck erteiite Forderung zwangs-
läufig zur Arbeit verpflichtet. auch wenn ein
Teil des Geldes gleich in Alkohol umgesetzt
wird Der Schriftsteller ist stcindig im Dienst.
sagt Giiiersidh. Urid wenn der normale
Mensch nicht lange dankbar sein will. dann
will es der noch normalere halb so lang.
Er muf! also etwas tun. um nicht nur das
Geld in Alkohol. sondern die Ursache in
eine Folge. die Absicht in eine Tat umsetzen.
um das Gefühl der Dankbarkeit durch Er-
fullung einer unausgesprochen gebiiebenen
Erwartung loszuwerden. Das aber ist es.
was der Mazen bewirken will. Ei- wäscht
seine Hände in Unsc uld und reibt sie dann
heimlich und vergn' es entstehen Bilder
und literarische Texte. die ohne den Mäzen
niemals Form gewonnen hatten. Jenes kaum
terrnuiierbdre. von Dostoiewskii in unge-
nciuester Art .,ewige Harmonie" benannte
Phdnarnen findet plötzlich den Weg zum
sinnlich Eriditbaren; niedrigste Beweggründe
fuhren verblüffenderweisc zur hochsten
Leistung; ein wahres wunder geschieht:
die Metamorphose des Geldes. wenn es
geschieht. Das Risiko des echten Mözens ist
nicht gering. denn Wunder lassen sich nicht
befehlen. und der Schriftsteller kann noch
so standig im Dienst sein. wenn ihm dann
duiter Dienst. bei der Arbeit. die beinahe
gegtuckte Formulierung von der Schwelle
zum Bewufltsein wieder in die Finsternis des
Unbewuttien eritgleitet.
Man sagt. Geld stinkt nicht; Schetngeister
rribgen den Satz auch noch variieren. in
dem sie behaupten könnten: Geld stinkt
zwar nicht. es kann aber duften. Die nor-
malen Menschen und die normcilsten unter
ihnen die Künstler. werden zugeben müssen.
sie seien nie auf die Idee gekommen. daß
Geld einen schlechten Geruch hat. Geld ist
gepragte Willensfreiheit. hat unscr aller
rriedrieh Schiller gesagt. und derngemaß
spendet der Mazen eigentlich freien Willen.
Da aber der freie Wille des Kunstlers nach
einer ireiwitiig auf Sich genommenen un-
freiheit. nämlich nach Form strebt. ist der
Mdzen. wenn auch unmittelbar, schuldig.
geistige Zeitbomben gelegt zu haben. Ihm.
dein anonymen Anstifter. gebührt unser
Dank.
Gyorgv Sebestyen
Pencz (S Blatt). Die Qualitaten reichten in
drucktechnischer Hinsicht von brillanten.
kräftigen Abzugen mit schonen Randchen bis
zu ruinösen Soeziminn. Allcs in allem für
den Sammler eine lehrretchc Schau. Die
Alte Galerie aber kann mit berechtigtem
stdiz vor allem auf die Fuiie der Kollektion
Aidegrever blicken.
Bis Anfang September zeigte die Neue
Galerie die Wanderausstellung "Kunst der
Bundesrepublik Deutschland". die von der
Sladtischen Kunslgalerie Bochum zusammen-
gestellt und zunachst an den Tschechoslo-
wakischon Verband bildender Kunsiler (Prag)
weitergereiriit worden war. Von Graz ging
sie nach Ljubliana. Sinn der Ausstellung
war es. das Bemühen westdeutscher Kunstler
zu zeigen. mit dem Vakuum nach dem Zusam-
menbruch der Naziherrschafl lerltgzuwerden
und sich mit eigenen Stimmen dem char
der Kunstschaffenden der ..freien Wett"
hinzuzugeselten. Da der Bochumer Galerie
zahlreiche private Leihgeber wiiiig ihren
Besitz zur veriiigung stellten. war in der
Aussieiiung diies versammelt. was iidng und
Namen hatte. angefangen von Antes und
Baumeister hinweg über Bissier. Gilles.
HAP Grieshaber. Meistermann. Ney bis zu
Pienc. Schoofs. Schumacher. Sondcrborg.
Trbkes und Mac Zimmermann. Zahlreiche
wariigcr Bekannte tiiiiten die Lueken des
Alphabets.