Lee Springschitz ZU ANTON MAHRINGERS AQUARELLEN AUS DEM VORDEREN ORIENT Im Anblick der weiten, vom Licht drarnatisierten Tallandschaft von St. Georgen im Gailtal sagte einmal Anton Mohringer: .,lch male keinen Zu- stand, ich male einen Vorgang." Dieses Wort trifft den Wesenszug seiner Bilder. Aus den farbigen Durchgängen des Lichts im Ablauf des Tages. im Ablauf der Jahreszeiten wird ein optisches Vokabular bezogen, das der Künstler zu einem Satzgebilde mit festem, grommatlkalem Gerüst verfugt. Auf diese Weise produziert die Landschaft fürMohringerihreeigenenabstraktenAugenblicke. Eine eben noch kompakte Felsplastik wird in der Dämmerung ein violetter Schleier, ein Wolken- körper darüber massiert sich zu plastischer Festig- keit. Es scheint aufdiese Weise seinen Bildern keine absolut gesicherte Position für Licht, Atmosphäre und Gegenstand, tektonisch bedingte Linie und Bewegungskurve zu geben. Sein Abstraktions- vorgang mutet auf den ersten Blick kühl und konstruiert on. doch im Grunde wird er unmittelbar dem "Vorgang" in der Natur abgelauscht. Die ..Wiedergabe" des Landschaftseindrucks bleibt das Primäre. In den beiden letzten Jahren schuf Mohringer auf zwei Reisen im Vorderen Orient eine ansehnliche Mappe von Aquarellen, in denen der für ihn typische Schaffensprozeß besonders deutlich wird. Mohringer ist prädestiniert für das „Reisebild", für das die avantgardistische Kunst unserer Zeit kaum Möglichkeiten offenhält. Mohringer hat bedeu- tende Vorläufer. August Macke und Paul Klee gaben rnit ihren Aquarellen aus Tunis und Kairauan 1914 dem Reisebild klassischen Maßstab. Das kubistische Element tritt bei Mahringer zurück, die Pinselschrift ist um viele Grade freier, die Komposition strebt jedoch nach gleicher Strenge. Lokalkolorit wird in diesen Bildern zu äußerster Selbstverleugnung zurückgenommen. das „Motiv" maskiert sich in einer lockeren. wiewohl diszipli- nierten Anordnung transparenter - also dem reinen Aquarell zukammender e Farbfiöchen. aus denen skelettartig weiche und härtere Pinsel- striche und Aflecke herausragen. Ein Schema gibt es für Mahringer nicht, die formale Balance wird mit stets wechselnden Mitteln erreicht. Wird ein Blatt von den Stimmungswerten eines phosphoris- zierenden Himmels getragen. so dominiert im nächsten ein charakteristischer Archilekturumriß; das Orientale bietet hier viel Reizvolles: Tempel? süulen. Minarette, Kuppeln, Stadtmauern. Ein nächstes Blatt lebt wieder vom Rhythmus der Schatten 4 "Zedern des Libanon" - oder von einem expressiven farbigen Konzentrationspunkt an der Überschneidung der Linien. Mahringer zieht die geraden, den Kristallen verwandten Formen den verknatelen. floristisch-verschlun- genen vor; es gibt Knickungen und weite Bögen. Wiewohl es niemals zu unkontrollierten Gefühls- ausbrüchen in seiner Malerei kommt, sind doch alle seine Bilder von jenem freudigen Erleben vor der Natur durchpulst, zu dem nur ihre wahren g unintellektuellen? 7 Liebhaber gelangen. Ver- fremdung und Dömonie ist nicht seine Sache, sein 1 Anlon Muhringer. Die Zedern des Lybunon, 1967. Aquarell. 43.5x51 crn 47