Iich" bezeichnen konnte. Das Grazer Rat- haus, dessen Neu- und Umbau von 1887 bis 1894 währte, ist jedoch weit mehr als ein repräsentatives Verwaltungsgebäude. Es war bis zum Jahre 1957, in dem aus Sicherheitsgründen die Mehrzahl der Fassadenstatuen entfernt werden mußte, ein profilierter Bedeutungsträger und ein Pantheon steirisch-österreichiseher Ge- schichte. Der Historische Verein für Steier- mark hatte ein Figurenprogramm ent- werfen, das nach interessanten ikono- logischen Prinzipien gegliedert war. An der Schauseite des Mittelrisaliten erhoben sich vier Standbilder von Habsbutger- kaisern (Rudolf I., Leopold II., Karl VI. und Friedrich III.), an den Schmalseiten des Mittelrisaliten befanden sich die Statuen von Karl Il., dem ersten Erzherzog, und Ferdinand II., dem letzten Erzherzog von Innerösterrcich. Die Seitenflügel der Haupt- fassade beherbergten Figuren von hervor- ragenden Feldherren und Staatsmännern (links: Guido Graf Starhemberg, Sigmund Graf l-Ierberstein, Rüdiger Graf Starhern- berg, rechts: Ulrich Fürst zu Eggenberg, Andreas Baumkirchner, Adam Freiherr von Dietrichstein). Als zweite Hauptfassade des Rathauses hat die Fassade in der Schmied- gasse zu gelten, deren Figurcnprogramm noch zur Gänze erhalten ist. Heute stehen noch auf dem Mittelrisaliten links die Statuen von Ottokar VI., unter dem 1180 die Steiermark zum Herzogtum erhoben wurde, und rechts das Standbild LeopoldsV. von Babenberg, dem 1186 die Steiermark von Ottokar VI. überantwortet worden war. Dementsprechend befindet sich auf der Decke der Eingangshalle Schmiedgasse ein Allianzwappen beider Herrscherhäuser, das das figural dargestellte Ereignis herala disch festhält. Als weiterer Hguraler Fassa- dcnschmuck sind Büsten von Künstlern und Wissenschaftlern zu erwähnen, die an untergeordneter Stelle in Fcnstergiebeln an- gebracht und von der Straße nur schlecht wahrnehmbar sind. Dargestellt wurden in der Herrengasse Johannes Kepler und _]. B. Fischer von Erlach, in der Schmied- gasse der Minnesänger Harand von Wildon und der Dombaumeister Hans Niesen- berger (der u. a. am Mailänder Dom tätig war) sowie Ulrich von Liechtenstein. In der Landhausgasse ist der Verfasser des stei- rischen Schlösserbuches, Matthias Vischer, porträtiert. Selbstverständlich waren für die Realisierung dieses Figurenprogramms die besten Künstler ihrer Zeit eingesetzt. Wir nennen die Namen: Hans Brandstätter, Heinrich Fuss, Karl Peckary, Emanuel Pendl, Rudolf Vital, Paul Knotz, Ludwig Schadler, Josef Einspinner und Karl Lacher. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Angehörigen des Herrscher- hauses die erste Stelle einnahmen, während Feldherren und Diplomaten aus adeligem Stand in der zweiten Ebene standen. Die Vertreter von Kunst und Wissenschaft mußten sich mit bescheidenen Plätzen be- gnügen. Auf die spezifischen Aufgaben eines Rat- hauses wiesen die vier 1957 entfernten Figuren über dem Haupteingang hin, die in allegorischer Weise Handel, Kunst, Wis- senschaft und Gewerbe darstellten. Zur Erinnerung an die Abwehr der Türken- gefahr wurden als Bekrönung des EinA gangsportals, Schmiedgasse 2, Landskneeht- Figuren aufgestellt, die heute noch erhalten sind. Auf den Innendekor des Rathauses, der weitgehend zerstört ist, kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Wir kommen zu folgendem Schluß: Das Grazer Rathaus, dessen Fassade sich bereits 1922 eine weitgehende Vereinfachung ge- fallen lassen mußte (Abb. 5), ist zweifellos kein Bau erster Qualität. Aber abgesehen davon, daß es längst schon zu einem Bestandteil des Grazer Stadtbildes geworden ist, kann es trotz zahlreicher Mängel dennoch als typisches Produkt seiner Zeit und damit als durchaus erhaltenswert angesehen Werden. { 4 4 Das Grazer Rathaus u: n 1900 5 Das Gmzcx Rathaus im Summer 1966. Man beachte die 1922 vereinfachten Fassaden der Ohcrgcschosse. Di: Nischenflguren wurden 1957 entfernt und Sllld verschollen 57 4 _. m. .1 M. w ..