ziskus aufmerksam geworden, aber noch in seinen römischen Arbeiten deutet nichts darauf, daß er von ihm beeindruckt worden wäre. Daraus ergibt sich der zwingende Schluß, daß er auf dem Rückwege von Rom nach Venedig über die Via lilaminia aus Perugia, wo er den dort geborenen Vincenzo Anastagi gemalt haben dürfte, nach Assisi gegangen ist. Wann und wo denn sonst könnte er dem Heiligen so nahe gekommen sein? Die Bibel berichtet, daß Moses auf dem Berge Horeb vor dem brennenden Dorn- busch den göttlichen Zuruf vernahm: „Ziehe deine Schuhe von den Füßen, denn wo du stehst, ist heiliger Borlen"4. Ähnlich ergeht es jedem, der Assisi besucht. Die Stadt in den umhrischen Bergen ist so voll Spiritualität, daß auch ein Zufallsgast von ehrfürchtigem Schauer ergriHen wird. In tiefer Niedergeschlagenheit war (ireco hin- gekommen. Venedig hatte seincn Drang nach künstlerischer Entfaltung gelähmt, und der Aufenthalt in Rom hatte seinen Selbstbehauptungswillen vollends zermürbt. Nun erlebte er den heiligen Franz an der Stätte seiner Erweckung und fand Er- leuchtung. Sein wundes Herz gesundete, er war gerettet. Gern wäre er ganz in Assisi geblieben, aber die Stadt war zu klein, als daß er dort von seiner Kunst hätte leben können. Beim Abschied von ihr mochte er der Wbrte gedacht haben, mit denen Franz den Berg Alverna bei Bibbiena gesegnet hatte: „Gott behüte dich, Berg der Engel . . . Gott behüte dich, ragender Fels, nimmermehr werde ich hieherkommen, dich zu besuchen. Gott behüte dich, Fels, denn in deine Tiefen hast du mich aufgenommen, daß der Dämon verspottet draußen blieb"5. Zeit- lebens hielt er Franziskus die Treue; seine Dankbarkeit bezeugte er immer von neuem in seinen Bildern. Nach Assisi hat er in Italien nichts Eigenes mehr geschaffen; er wäre nicht imstande gewesen, den Pinsel für den Geschmack Venedigs in die Hand zu nehmen. In sich gefestigt wartete er geduldig seine Zeit ab. Aber bevor er fortzog, malte er in eine Ecke der noch in seinem Besitz befindlichen Tempelreinigung die Bildnisse von Tizian, Michelangelo, Clovio und Raffael. Eine Huldigung an diese Meister kann dies nicht gewesen sein; von Michelangelo als Maler hatte Greco bekanntlich eine geringe Meinung, Raffael kann ihm noch weniger bedeutet haben, Clovio hatte er als weit überschätzt erkannt, und ohne Trauer dachte er an Tizian, der sein Ingenium schonungslos niedergehalten hatte. Solange wir nicht wissen, wem er das so ergänzte Gemälde, das jetzt im Kunstinstitut von Minneapolis hängt, überlassen hat, werden wir seine Motive nicht erkennen können. Ich halte die Malerporträts für eine Absage an die italienische Kunst, auf die er in Kreta so große fiol-fnungen gesetzt hatte, an der er aber dann, wie wir gesehen haben, als religiöser Maler gescheitert war, bis er in Assisi Sicherheit fand. Mit Franziskus als Begleiter war ihm die Fahrt ins fremde Land kein ungewisses Abenteuer. in Spanien wurde er geradezu ein Apostel des Heiligen, den er dort erst bekannt machte. Kein Nialer hatte sich, wie Pachcco berichtet, vor ihm mit Fran- ziskus beschäftigtß. Nun verbreitete sich Grccos Verehrung für ihn über das ganze Iand. Immer wieder malte er ihn, nach Bildern in Assisi, aber in eigener Auffassung, mit den Kreuzigungsmalen, allein, mit Bruder Leo, mit Bruder Rufe, mit dem heiligen Andreas, mit dem Evangelisten Johannes, stehend, kniend, betend, medi- tierend, in Verzückung. So sehr hing er an ihm, daß er ihn an der Bestattung des Grafen Orgaz teilnehmen ließ7. Aber wie sehr er ihn auch verehrte, eines konnte er von ihm nicht erlernen: die scraphische klein, als daß er dort von seiner Kunst hätte leben können. Beim Abschied von ihr mochte er der Worte gedacht haben, mit denen Franz den Berg Alverna bei Bibbiena gesegnet hatte: „Gott behüte dich, Berg der Engel . . . Gott behüte dich, ragender Fels, nimrnerrnehr werde ich hieherkornmen, dich zu besuchen. Gott behüte dich, Fels, denn in deine Tiefen hast du mich aufgenommen, daß der Dämon verspottet draußen blieb"5. Zeit- lebens hielt er Franziskus die Treue; seine Dankbarkeit bezeugte er immer von neuem in seinen Bildern. Nach Assisi hat er in Italien nichts Eigenes mehr geschaffen; er Wäre nicht imstande gewesen, den Pinsel für den Geschmack Venedigs in die Hand zu nehmen. In sich gefestigt wartete er geduldig seine Zeit ab. Aber bevor er fortzog, malte er in eine Ecke der noch in seinem Besitz befindlichen Tempelreinigung die Bildnisse von Tizian, Michelangelo, Clovio und Raffael. Eine Huldigung an diese Meister kann dies nicht gewesen sein; von Michelangelo als Maler hatte Greco bekanntlich eine geringe Meinung, Raffael kann ihm noch weniger bedeutet haben, Clovio hatte er als weit überschätzt erkannt, und ohne Trauer dachte er an Tizian, der sein Ingenium