(1915) und ..Horizontal-Vertikal" (1917), (Abb. 2) zu .,Aufstieg und Ruhepunkt" (1919) Gültigkeit haben. Besonders anschaulich werden die Be- mühungen des Malers in seinen zahlreichen Farb- stiftskizzen. in denen die Bildgedanken der großen Ölbilder immer wieder durchgedacht und variiert werden. Auch die Farbstiftskizze "Horizontal- Vertikal" (1917) (Abb. 3) knüpft ebenso wie das gleichnamige Ölbild aus demselben Jahr an einen Versuch Delaunays an. .,Ein Schachbrettmuster kleiner Farbquodrate gibt ein Grundmuster und ordnet aus den kleinen Bausteinen wieder größere Rechtecksysteme". beschreibt Werner Haftmann das ..Fensterbild" (1910l11). Auch ltten kam früh- zeitig zu einer analogen Erkenntnis: ,.Um das Studium der Farbklünge vom Formaten zu be- freien. ließ ich schon 1917 die Schachbretteinteilung als gegebene Form verwenden" (J. ltten: ..Mein Vorkurs am Bauhous"). Werner Hofmann vermutet. doß die Bemühung Delaunays um das ..Licht als darstellende Selb- ständigkeit" von der Lichtrnystik des Neuplatoni- kers Plotin beeinflußt ist. auf dessen ..Enneaden" ihn vielleicht Apollinaire hingewiesen hat. Das lnteresse lttens für die Lehre der Neuplatoniker ist bekannt. Auch die ..neuerdings aktuellen Vergleiche zur Gesetzlichkeit der Musik" gewannen für den ltten der Wiener Jahre einschneidende Bedeutung. Selbst musikalisch interessiert und dem Begriff der ..Farbfuge" (Kupka) keineswegs abgeneigt, fand er bei den Musikern seine ersten Freunde in Wien. Neben Alban Berg. dessen junge Frau. Helene Nahowski, ltten bewunderte. gewann vor allem der Maler-Komponist Arnold Schönberg. der damals zwischen zwei Einberufungen zum Militär einen längeren Urlaub in Wien verbrachte. ent- scheidenden Einfluß auf den jungen Maler. Durch Schönberg kam die Verbindung mit Alma Mahler. die seit 1915 mit Walter Gropius verheiratet war. in Wien aber mit der dieser Stadt eigenen Beharrlichkeit in Dingen der Kon- vention ..Frau Mahler" genannt wurde. zustande. Diese Verbindung wurde - soweit das zwischen dem vegetarisch lebenden Maler und der mondä- nen jungen Frau möglich war 7 fast eine Freund- schaft. Als Walter Gropius an den Aufbau des .,Bouhauses" in Weimar heranging und Lehrer suchte. empfahl ihm Alma den jungen ltten. Aus der Empfehlung wurde alsbald eine Berufung. Ein anderer Musiker. der durch ltten wesentliche Anregung erfuhr. war Joseph Matthias Hauer. Kristian Sotriffer stellt den Einfluß der Farbkreis- studiert lttens auf die 1966 in der Galerie nächst St. Stephan gezeigten graphischen Darstellungen des Komponisten fest. Die erste Ausstellung lttens in Wien. die 1919 über Vermittlung von Laos zustande kam. ist eine fast legendäre Sache. Außer ltten. der noch 1966 in Venedig zu Otto Mauer mit großer Lebhaftigkeit von dieser Ausstellung sprach. erinnert sich niemand mehr an sie. Im Katalog der ltten-Ausstellung auf der Biennale 1966 in Venedig ist von einer Galerie ..Bergung" (I) die Rede. Otto Mauer ist jedoch überzeugt. daß es sich um die .,Neue Galerie" Otto Nirensteins handelt, daß die Ausstellung gleichsam am gleichen Platz stattgefunden habe. der fast fünfzig Jahre später einer neuen Manifestation die Heimstätte bot. Otto Nirenstein selbst. wie schon erwähnt ein Schüler lttens. der manches über dessen Unterrichtsmethode zu berichten weiß, kann sich an die Ausstellung nicht erinnern (K. Sotriffer lm Katalog der Ausstellung). Ein publlzistisches Echo scheint es nicht gegeben zu haben. Die Ausstellung im Jahre 1919 war jedenfalls lttens Wiener Schwanengesang. Die Koffer für die Reise nach Weimar standen schon gepackt. Er war einer der ersten Meister, die in Weimar eintrafen, und Gropius, der seine hohen kunst- pädagogischen Fühigkeiten sofort erkannte. über- trug ihm den „Vorkurs", eine Art gestalterische Grundschulung, die jeder Lehrling zunächst durch- machen mußte. Bei dieser „Vorlehre" war Gertrud Grunow seine unentbehrliche Helferin. Ihre "Harmonlsierungslehre" bildete ein wesentliches Element der Bauhaus-Erziehung. "Hier wurden im wesentlichen Materialstudien und freie Gestaltungsarbeiten in verschiedenen Materialien betrieben", berichtet Lothar Schreyer, ..der Lernende wurde angeleitet, von sich aus Elemente der Form- und Farblehre zu finden" (L. Schreyer: „Erinnerungen an Sturm und Bau- haus", München 1956). Im Vorkurs bereitete ltten den Boden für Kandinsky, der erst 1922 unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Rußland ans Bauhaus kam. .,Die Vorlehre lttens beruhte im Sinne von Hoelzel und Kandinsky auf einer genauen Analyse der bildnerischen Elemente und auf einer neuartigen bildnerischen Analyse des Werkstoffes" (W. Haft- mann: „Malerei im 20. Jahrhundert"). 1923 ver- ließ ltten nach erbitterten Auseinandersetzungen mit Gropius, die einem Gegensatz entsprungen, der von Anfang an bestanden haben dürfte, aber erst durch die Berufung Moholy-Nagys und die Hinwendung des Bauhauses zu dessen konstruk- tivem Purismus in das Stadium unversöhnlicher Gegnerschaft trat, Weimar. Den Vorkurs übernahm Josef Albers, der erste Meister, der die Bauhaus- lehre als Lehrling und Geselle durchlaufen hatte. .,Er hielt an dem von ltten entwickelten Verfahren fest, ließ aber das Expressive als Gestaltungsziel völlig draußen und bestand auf einer rationalen, elementaren, im Funktionalismus der Architektur anwendbaren Malerialgestaltung" (W. Haftmann, a. a. 0.). Als Johannes ltten 1919 nach Weimar kam, war er nicht allein. Einige Schüler waren ihm gefolgt. Georg Muche, der im Spätherbst 1919 Formrneister in der Weberei geworden war, berichtet nicht ohne Humor über den Einbruch der Wiener in Weimar: „Mit dynamischem Charme hatte Johannes ltten seine Schüler in Wien so begeistert, daß sie ihm in großer Zahl nach Weimar gefolgt waren. Sie bildeten ein eigenes Zentrum. Von ihnen ging die organische Verwandlung des Bau- hauses aus. Sie durchsetzten es mit ihrer frei- waltenden Phantasie... lttens Schüler brachten die geeigneten Elemente bildnerischen Gestaltens aus Wien mit, aus dem Unterricht, den ihnen ltten dort gegeben hatte. Sie waren nicht das, was spüterhin ganz allgemein ,Bauhöusler' genannt wurde, denn sie ließen sich nicht zur Vereinfachung verleiten. Johannes ltten hat in den Farben ver- steckte Geheimnisse entdeckt und die Beziehungen erforscht, die sie untereinander haben. Er gab die Gesetze, die er entdeckte, seinen Schülern preis. So wurde er zum Schöpfer des pädagogischen Schachbrettmotivs, das zum Fundament der Lehre wurde, auf dem das bildnerische Bauhaus ent- stand" (Georg Muche: „BlickpunkW, München 1961).