Wie wenig die Architekturauffassung eine Frage des effektiven Alters ist, zeigt das Beispiel Ferdinand Schusters, dessen Einfluß vor allem als Hochschulprofessor in Graz außerordent- lich hoch einzuschätzen ist. Schuster hat wohl eine Anzahl von Auftragen ausgeführt, aber seine profilierte Haltung, sein konsequentes Denken ließen ihn nicht zum Routine-Archi- tekten werden. Beispiele seiner charakter- vollen Arbeiten der letzten Jahre. die sich un- reflektierten Effekten fernhalten, sind Industrie- baufen, Kirchen, Kindergarten (Abb. 26). Mit großer Intensität ist in den letzten Jahren ein Architekt von vitaler Begabung in den Vordergrund getreten: Gustav Peichl. Wahrend sein Osterreich-Pavillon der Worlds-Fair in New York 1964 noch heftige Kritik fand, zeigt er bei der Krimschule und beim Konvent der Dominikanerinnen, nicht ohne Zitate des Inter- nationalen Stils der dreißiger Jahre, sehr per- sönliche Einfälle, die sich in der geschlossenen Artikulation der Baukörper, in der Zuordnung und den Flächenkonzeptionen äußern. Der letzte und interessanteste Bau Peichls, das Rehabili- tationszentrum Wien-Meidling (Abb. 28), ist von geometrischen Präfigurationen bestimmt. Das Thema vorfabrizierter Betonteile wird für ein kräftiges Baukorperrelief eingesetzt und schafft, trotz mäßiger Höhenentwicklung, eine signi- flkante Baugestalt in der Ode der umgebenden Wohnverbauung. Mit lnteresse darf man die weiteren Realisierungen Peichls erwarten: eine Schule fur programmierte Instruktion in Mistel- bach (Abb. 27) und den Bau der vier neuen Funk- häuser in Linz, Dornbirn, Innsbruck und Salz- burg. ruf.- 26 Die Beiträge der oslerreichischen Architekten zum internationalen Architekturspektrum sind zwar qualitätvoll, aber durch das völlige Fehlen an Experimentierfreudigkeit bei den (vor allem offentlichen) Auftraggebern sind keine pro- gressiven Losungen entstanden. Wir geben uns damit zufrieden, an den Strom der internationalen Entwicklung wenigstens den ..Anschluß" ge- funden zu haben, ein Überholen ist bestenfalls bei theoretischen Projekten moglich. Überraschenderweise war Österreich auch auf dem Gebiete der Architektur immer wieder Nährboden für theoretische Arbeiten, für Po- lemik und Publizistik, für Lehre und Forschung - trotz der geringen Chancen, die man dafür anbot. Der mangelnde geistige Hintergrund der „Alten" 7 die unfreiwillige Absperrung der jungen Kräfte vom Baugeschehen - hat seit den späten fünfziger Jahren einen Uberdruck er- zeugt, der ein Ventil in theoretischen, utopischen und publizistischen Momenten fand. Was ist aus diesen Bestrebungen geworden? Hans Hollein, Walter Pichler, Friedrich St. Florian, Raimund Abraham. Carl Pruscha. Günther Feuerstein u. a. zeigten zunächst verwandte