1720 wieder nach Weißen zurück. Um sich die Gunst der Meißener Manufaktur neuer- dings zu erwerben, zerstörte er vor seiner Rückreise den gesamten in Wien lagernden Vorrat an Porzellanmasse. im gleichen Jahr verließ auch llunger Wien. Er war später Francesco Vezzi dabei behilflich, in Vene- dig eine Porzellanmanufaktur zu gründen, wobei er ebenfalls Kaolin aus Aue ver- wendete. lm Hinblick auf diese historischen Tatsachen ist es weiter nicht verwunderlich, daß die frühesten Erzeugnisse Du Paquiers sowie die Produkte der kurzlebigen Vezzi- Manufaktur in Material und Technik Bött- gers Meißener-Porzellan ähneln. Allerdings sind bisher keine Arbeiten, die mit unseren Figuren auch nur im entferntesten ver- wandt wären, Du Paquier, Vezzi oder Meißen zugeschrieben worden. Anläßlich eines kürzlich erfolgten Besuches im Österreichischen Museum für ange- wandte Kunst in Wien Gel dem Verfasser jedoch die Ähnlichkeit zwischen den beiden Figuren und einem kleinen Flachrelief (Abb. 7) auf, das auf einer Seite einer sechs- eckigen Tcekannc (Abb. 8) zu sehen ist. Die Ähnlichkeit ist viel zu ausgeprägt, um zufällig zu sein. Sie erstreckt sich auf Hal- tung, Kopfputz, die halbrunden Lappen an der Taille, ja selbst bis zu den Kostüm- falten. Das über die Schulter der Figur hinausragende Zepter (Stock) ist auch bei unseren beiden Figuren zu finden, bei denen es allerdings im Laufe der Zeit ab- gebrochen sein dürfte (Abb. 1). Wilhelm Mrazek, der die Teekanne in seiner Abhandlung über Du-Paquier-Porzcllan4 abgebildet und mit „ca. 1720" datiert hat, teilte dem Autor mündlich mit, daß diese unzweifelhaft mit Du Paquier in Verbindung gebracht werden kann. Die Zuschreibung der Teekanne an Wien kann wohl kaum bestritten werden, nachdem die beiden figür- lichen Reliefs auf einem Wandleuchter in einer Bemalung wiederkehren, die für eine spätere Entwicklungsphase der Manufaktur typisch ist (Abb. 13). Natürlich ist es möglich, daß die Ähnlich- keit zwischen den beiden weißen Figuren und dem Relief auf der Teekanne dadurch zustande kam, daß in beiden Fällen eine 34 gemeinsame graphische Vorlage verwendet wurde. Wird aber einmal die Zuschreibung an Wien ins Auge gefaßt, bietet sich eine kleine Gruppe frühen Du-Paquier-Porzel- lans zum Vergleich an, die den weißen Figuren in der Klasse, in der Glasur oder in der Äludellierting ähnlich sind. Aus der Erinnerung würde der Autor sagen, tlali die Teekanne mit dem Relief in Klasse und Glasur nahekotnmt und daß dies auch für ein Paar seltener, ebenfalls im Österreichi- schen Museum für angewandte Kunst in Wien befindlicher Tetrinendeckel (Abb. 9 und 10) zutrilTt. Das Victoria ö: Albert Museum besitzt zwar eine gute Sammlung an Du-Paqtiier-Porzellan, jedoch entspricht die Porzellanmasse dieser Objekte unseren Figuren überhaupt nicht, und die meisten Stücke scheinen aus der mittleren oder späten Produktionsperiode Du Paquiets zu stammen. Hingegen sind Masse und Glasur der beiden Figuren dem Material einer Blumenvase im British Museum mit der Aufschrift „Vienne 12 July 1721" (Abb. 12)5 verwandt. Das wenige, das wir über die ersten Jahre der Manufaktur Du Paqtiiers wissen, läßt darauf schließen, daß mit Porzellanerden verschiedener Herkunft experimentiert wurde. Im Mai 1718 schrieb Hunger an einen Bekannten in Heißen, daß Kaolin aus Passau einen guten Ersatz für Porzellan- crde aus Aue darstelle. Trotzdem schien die Verwendung dieses Kaolins aus Passau Schwierigkeiten zu bereiten, denn Samuel Stölzel empfahl die Einfuhr von fünfzig Zentnern Kaolin aus Aue, wie es in Meißen verwendet wurde, und Hunger erzählte, daß mit diesem sächsischen Kaolin zum erstenmal erfolgreich Porzellan hergestellt werden konnte. Aber natürlich stellte eine Quelle, die von seiten Meißens leicht zu blockieren und mit Transportproblemen verbunden war, keine ideale Lösung dar, so daß die Suche nach einer geeigneten Fundstelle innerhalb Österreichs fortgesetzt wurde. Am 10. April 1720 meldete ein sächsischer Diplomat namens Anackcr, daß in der vor- angegangenen Woche große Mengen Por- zellanerde aus Ungarn angekommen seien 6. Diese Nleldung wird bestätigt durch den Breslauer Arzt Kundmann, der 1723 no- tierte, dalä Wiener Porzellan aus Kaolin aus „Dehreczin" in Oberungarn hergestellt werde "I. Im Hinblick auf diese Entwicklung ist es verständlich, daß frühes Du-Patjuier- llartpnrzellan Linvollkommenheiten auf- weist und von Stück zu Stück variiert, bis endlich Anfang 1720 die Zusammensetzung der Porzellanmasse mit Hilfe des tingari- schen Kaolins weitgehend stabilisiert wer- den konnte. Wenn die beiden weißen IU Figuren überhaupt aus der Wlanutaktur Du Paquiers stammen, so gehören sie in die frühe, experimentelle Periode, ehe die Stabilisierung erfolgte, möglicherweise so- gar in die Zeit vor Stölzels und Hungers Abreise aus Wien. Wenden wir uns vom Material nun der Modellierung zu, so wird es schwierig, ent- sprechende Vergleichsstücke zu linden. Über Du Paquiers Manufaktur ist nicht viel historisches Material vorhanden, und die erste schriftliche Bestätigung darüber, daß Figuren dort hergestellt wurden, stammt crst aus dem Jahre 17353. Es ist als fast sicher anzusehen, daß bei Du Paquier auch schon früher Figuren ent- standen, wenn es auch scheint, als oh die meisten freistehenden zwischen 1730 und dem Verkauf der Manufaktur an den öster- reichischen Staat 1744 hergestellt wurden. Die Du-Paquier-Figuren, die von der mo- dernen Forschung bis jetzt eindeutig identi- fiziert werden konnten, sind viel kleiner") als unsere beiden Figuren von ostasiati- schem Typus und unterscheiden sich von diesen durch eine völlig andere Art der Modellierung, auch dann, wenn sie nicht direkt nach Meißener Figuren von Kändler und seinen Gehilfen kopiert wurden. Diese sind nahezu alle mit Emailfarbe bemalt. Ein aus dem Jahre 1725 datiertes und im Museo Civico in Turin befindliches Uhrgehäuse aus Porzellan (Abb. 11) bildet für uns den besten Hinweis auf den Wiener Figuren- stil, denn die Chinesenknaben, die einen Teil des Uhrgehäuses bilden, scheinen sich geradezu aus der barocken architektoni- schen Fassung zu lösen, um sich als Figuren selbständig zu machen. Zu Stücken wie