Berichte Informationen Aus der Kunstwelt Aktuelles Museum des 20. Jahrhunderts a Superenvironment der Haus- Rucker-Co. - Osteuropäische Volkskunst Mit dem selbst für Avantgardeausstel- lungen höchst ungewöhnlichen, lokal- bezogenen Slogan ,Der Prater ist geschlossen, also kommen Sie ins Museum" auf der sachlich-nüchtern wirkenden Vernissagekane lud Direk- tor Dr. Alfred Schmeller zur Eröffnung des Großenvironments der Haus- Rucker-Co. (Abb. 1, 2). Was bereits vorher als Tagesgespräch in inter- essierten Wiener Kunstkreisen Furore machte - eine Vernissage, wie sie in ähnlich attraktiver und das Publikum aktivierender Art in Osterreich noch nicht stattfand - erwies sich dann auch unter dem grellen Scheinwerfer- licht zahlreicher TV- und Filmkameras als verheißungsvoller Start einer ganz und gar unkonventionellen Ausstel- lung mit volksfestähnlichem Avant- gardeappeal, popiger Stimmung, da- zupassender "Beatmusik, Mini-Girls und Maxi-Uberzeugten, jovialen Kunstprofessoren und bedeutungsvoll dreinblickenden Kunstprotestierern. Die „Live" betitelte Schau im Wiener "Zwanzgerhaus" ist innerhalb der steilen Erfolgskarriere der drei jungen Oberösterreicher - den beiden an der Technischen Hochschule in Wien aus- gebildeten Diplomingenieuren Günter Kelp und Laurids Onner sowie dem Maler Klaus Pinter - die bisher mit Abstand größte, repräsentativste und wirkungsvollste Exposition. Ob sie auch zustande gekommen wäre, wenn die Haus-Rucker nicht schon vorher in den USA und Deutschland ihr Renommee aufgetankt hätten, bleibt freilich fraglich, zeigte sich doch auch in diesem Fall, daß bei österreichischen Künstlern erst der protektionslosere Weg über das Ausland auch im Inland zu entsprechender Resonanz verhilft. Die von 18.000 Besuchern gesehene Schau, in deren Mittelpunkt ein als .Aktionsraum" für zehn bis zwanzig Personen fungierendes „Riesenbillard" mit Kunststoffkugeln von drei Meter Durchmesser und gespannter PVC- Plane auf Luftpolstern stand, umfaßte insgesamt zehn Objekte. Dazu zählten außer dem erwähnten Billard, dassich, wie eines unserer Photos beweist. vorzüglich zur sportlichen Ertüchti- gung eignet, die bereits anläßlich des vorjährigen Kölner Kunstmarktes vor- gestellten Kunststoffleuchten im Fin- gerzeig-Look und eine technisch ver- besserte, elegantere Fassung des ur- sprünglich 1967 entwickelten Mind- Expanders, eines bewußtseinserwei- ternden Stuhles für zwei Personen, ausgestattet mit Möglichkeiten audio- visueller Beeinflussung. Das in Öster- reich wiederholt vorgestellte „Gelbe Herz", eine pneumatische Konstruk- tion aus PVC, Stahlrohrskelett und Aggregat, empfiehlt sich als optisch attraktive Ferienwohnung für junge Leute mit dicker Brieftasche. Im .,HimmeIbett", einer Schaum- gummiliege mit Druckknopfspiel (Schaltrelais, Glühbirnensystem, Laut- sprecher und Trafo) entspannt man sich vom Alltag, indem Mann und Frau den ,.Druckknopfkrieg" beginnen und sich für die mannigfachen Va- rianten vanillesüßer Liebesspiele vor- bereiten. Der nach einer Pratersensa- tion konstruierte „Oxer", ein mollino- bespannter Holzwürfel mit 35 Grad geneigter Bodenfläche im begehbaren Innenraum, lnfrarcit-TV-Kamera und akustischer Lichtsteuerung, provo- ziert die Sinnesorgane seiner Besucher und beweist, daß mit wenigen tech- nischen Tricks unsere gewohnten 46 Verhaltensweisen auf den Kopf ge- stellt werden können. In auffallendem Kontrast zu diesen Objekten fur morgen (zu ihnen zählte auch noch der aus pneumatischen Elementen zusammensteckbare Pa- villon, der auf der Wiener Herbstmesse 1969 als Informationsstand des Insti- tutes fur Formgebung Aufsehen er- regte) stand das abgenützte Durch- scnnittsmobiliar aus den ehemaligen Stuoentenwohnungen und Ateliers der drei Oberösterreicher, gruppiert zu beinahe surreal anmutenden, an den Amerikaner Edward Kienholz erinnern- den Environments des Banalen, gar- niert mit technischen Konsumartikeln wie Kühlschrank und Fernsehapparat: Lebensnotwendigkeiten der Vergan- genheit als nachdenklich stimmender Kontrast zu den audiovisuellen Uto- pien einer in ihren Möglichkeiten jedoch durchaus realistisch gesehenen Zukunft. Nach der erfolgreichen Haus-Rucker- Show konfrontierte das Museum des 20. Jahrhunderts mit einer von Archi- tekt Johannes Spalt mustergültig und großzügig eingerichteten Ausstellung osteuropaischer Volkskunst, die bis 10. Mai dauerte (Abb. 3). Dr. Alfred Schmeller begründet die aus den umfangreichen und nahezu unbekannten Beständen des Volks- kundemuseums in Wien zusammen- gestellte Schau einerseits mit den vielen interessanten Querverbindun- gen, die sich zwischen der Malerei und Plastik der Moderne und den farbenfrohen und ausdrucksstarken, traditionsverhafteten Werken der Volkskunst feststellen lassen, moti- vierte sie anderseits aber auch durch das Aufzeigen nicht weniger auf- schlußreicher Unterschiede zwischen den beiden von völlig verschiedenen Voraussetzungen ausgehenden Spar- ten. Der experimentelle Charakter der Schau (sie wurde vonbbDir. Adolf Mais, dem Direktor des Osterreichischen Museums fiir Volkskunst, wissen- schaftlich bearbeitet) konzentriert sich nicht zuletzt auf den Testfall, inwie- weit sie ..über den Augenschmaus hinaus geistig anzuregen und schöp- ferisch zu beflügeln vermag". Das Spektrum des übersichtlich Ge- botenen gliederte sich als repräsenta- tiver Querschnitt durch die Bestände der erwähnten Sammlung. Territorial betrachtet, berücksichtigte es den großen Raum der ehemaligen Donau- monarchie, ging jedoch verschiedent- lich auch darüber hinaus. In den Material- und Sachgruppen Keramik, Holz, Metall, Textilien. Schmuck, Reli- giöse Volkskunst, Brauchgestalten, Ostereier und Musikinstrumentewurde in insgesamt 77 Kapiteln die Volks- kunst der Deutschen, Slowaken, Polen, Ukrainer, Russen, Rumänen, Ungarn, Bulgaren, Griechen, Türken, Albaner. Serben, Kroaten und Slowenen in aus- gewählten Einzelthemen dargestellt und zusammengefaßt präsentiert. Die eigens angefertigten transparenten, formschönen Vitrinen, die vor allem bäuerliche Keramik und Schmuck- gegenstände zeigten, leisteten dabei optimale Dienste. Sie werden auch zum Grundinventar des geplanten "Ethnographischen Museums" in dem burgenländischen Schloß Kittsee zäh- len, für das die Schau im Wiener Zwanzgerhaus wertvolle Schritt- macherdienste leistet. Eine ungewöhn- lich schöne, erfreuende Ausstellung, die vermutlich mehr zum Verständnis und Erlebnis der Moderne beigetragen haben dürfte als so manches hoch- gestochene Sachbuch. Eine Ausstel- lung für jedermannl Albertina - Wiederentdeckung C. A. Reichels Eine bedeutende Wiederentdeckung gelang der Graphischen Sammlung Albertina, die sich auf Anregung von Ernst Fuchs, dem in diesem Fall ein besonderes Verdienst zukam, in den Monaten März und April des graphi- schen CEuvres des 1874 in Wels ge- borenen ehemaligen Mediziners Carl Anton Reichel in Form einer 168 Ka- talognummern umfassenden Exposi- tion annahm (Abb. 4, 5). Die Be- schäftigung mit dem - qualitativ sehr unterschiedlichen - Werk Reichels. das zweifellos neuer kunstkritischer Bewertung bedarf, wirft zahlreiche interessante Fragen auf. Knapp zu- sammengefaßt läßt sich die wesent- liche Bedeutung dieses vielseitigen und ebenso vielseitig deutbaren Auto- didakten in einer a freilich kaum zum Tragen gekommenen a Vorläuferrolle an der Wende vorn Jugendstil zum Expressionismus und dem Aufkom- men der Abstraktion festlegen. In Reichel vorwiegend einen Ahnherren der Wiener Schule des phantastischen Realismus zu sehen (was im Unter- titel der Albertina-Ausstellung getan wurde), bedeutet jedoch eine zu enge und zu eindeutige Festlegung, die diesen Ausschließlichkeitsanspruch vor allem im Hinblick auf die vielen bei Reichel zutage getretenen stilisti- schen Tendenzen nicht verträgt. Reichel, der alle Vorteile eines intel- lektuell geprägten Autodidakten in sich vereint haben dürfte, hinterließ Dutzende von Radierungen (auf Kup- fer und Zink), die in vorweggenom- menen Parallelen an Paul Klee denken lassen, die nicht selten an Max Ernst erinnern, darüber hinaus aber auch manche in der Beschäftigung mit Problemen der Psychologie wurzelnde Gemeinsamkeiten mit der Wiener Gruppe der „Wirklichkeitez-n" aufwei- sen, aus deren Mitte hier in erster Linie Pongratz zu nennen wäre. Carl Anton Reichel, der sich nach seinem Medizinstudium in Wien, Prag und München in Paris mit Suggestion. Hypnose und Spiritismus beschäftigte und sich eingehend dem Studium fernöstlicher Kulturen widmete, wurde einmal von Ludwig Hevesi, dem füh- renden Wiener Kunstkritiker zu Be- ginn dieses Jahrhunderts, als ..malen- der Buddhist, der in Linien und Farben die einfachsten Formeln für sehr komplizierte Gefühle sucht", charak- terisiert. Daß Reichel ein Suchender war, ein dem Meditativen zugewand- ter Deuter, der vor allem aus dem Unterbewußtsein heraus experimen- tierte, zeigt sich deutlich in der Zwei- gleisigkeit und den daraus resultieren- den Schwankungen und Diskrepan- zen seines (Euvres, das neben braver akademischer Produktion und man- chen naturalistischen Mißgriffen jene große, überraschende Anzahl ernst- zunehmender und höchst aufschluß- reicher Radierungen enthält,diediesen Künstler zu einem Außenseiter von Format stempeln. Carl Anton Reichel schuf diese Gra- phiken, die interessanterweise bereits zu Lebzeiten des Künstlers einige Kenner und Käufer fanden (Albertina, Alfred Kubin usw.), vorwiegend zwi- schen 1905 und 1920, als so vieles in der - heute bereits klassischen a Moderne in Bewegung war und jene Stoßkraft erlangte, die dem 1944 ver- storbenen Oberösterreicher leider nie beschieden war. Galerie im Griechenbeisl - Zehnter Geburtstag als Anlaß zu retrospektivem "Continuum" Objekte von Jörg Schw. berger Mit drei aufeinanderfolgender stellungen unter dem Titel nuum" begeht die am Wiener F markt gelegene Galerie im Gri beisl ihren zehnten Geburtstag bildung 6). Seit der Eröffnui ersten Ausstellung am 14. Jun wurden im Griechenbeisl run ausländische und 70 inlär Künstler vorgestellt, davon sel im Rahmen umfangreicherer Fe ausstellungen. Zu den 26 öste schen Malern und Bildhauern, Griechenbeisl ihr Debüt in Fori Einzelpräsentation feierten, zähl so bekannte Leute wie Karl Fritz Riedl, Mario Decleva, Hi Painitz, Barna Sartory, Wi Hutter und Christian Ludwig A Die Quantität und hervorheber lnternationalität des Gebotenei hätten allerdings kaum das Pr heute weit über Dsterreichs G hinaus bekannten, mit sehr vi bition und Sachkenntnis ge privaten Institution bewirkt, wä über hinaus nicht auch ste künstlerische Qualität und Ak geachtet worden. Daß die Galerie vor allem schwierigen Anfangsjahren di halten vermochte, verdankt sie kaum nennenswerten Subvei offentlicher Stellen, sondern v Zuschüssen aus eigener Tasc fast jedes Jahr notwendig wa nur ganz wenige der gezeigte stellungen auch kunsthändleri Geschäft wurden. Der Wille, zuhalten und möglichst das zu wofür man auch wirklich einzi gewillt ist, war und ist aucl- noch das mit Opfern verbundc und Auf der einmal eingeschl Galerietaktik und Haltung. Viele, wenn auch nicht alle 1 des bisherigen Programmes si jetzt auch in den drei Jubiläu stellungen auf. Der erste Teil Kunstrevue konfrontierte vorm mit Malern und Bildhauern a1 meditativer Richtungen. Von waren Karl und Uta Prantl, Lei brust, Herbert Baumann un( Soulages mit besonders schön ausgewogenen Beispielen, mi scher Griechenbeislware", vr Johann Fruhmann zeigte ein Dispersionsfarbenbild von ordentlicher Subtilität, datiert Christa Hauer-Fruhmann, die zerin und Leiterin der Galer kleine Olbilder in leuchtenden rit. Ein handgewebter Bildtepp Fritz Fliedl verrät lndividualitä gleichen eine ins Überdimer vergrößerte „Graphik" von G Fabian. Manches graphischi anderer (z. B. von Janez Berr dem Schweizer Spescha) zeig doch auch deutliche Schwäcr ..Ermüdungserscheinungen", d zuletzt der Wechsel von Stilricl und Tendenzen mit sich brir die nur vor Werken mit übe schnittlicher Qualität haltr Alles in allem eine Ausstellur gie, die aktuelle und retroe Information auf breiter, zu Verg anregender Basis bietet. Bereits vor dieser Ausstellur präsentierte dieselbe Galeri Personale des Objekteforme Plastikers Jörg Schwarzenberg bildung 7). DE! 1 943 in Wien g. Künstler zählt zu jenen Bildn ihre eigene Arbeit auf der Bas permanenten Dialoges reflektie daraus Erkenntnisse zukünftig wicklung zu ziehen. „lch glau