LOOS
HOFFMANN
Erste Ausstellung seit 1904.
Mehr als 750 Porzellane aus dem Bestand des
Osterreichischen Museums für angewandte Kunst und aus Privatbesitz
Wiener Porzellan
173-1864
Hiezu erschien ein umfangreicher Katalog von
Wilhelm Mrazek und Waltraud Neuwirth mit 168 Seiten Text, 300 Schwarzweißabbildungen, 22 Farbbildern,
mit Beiträgen zur Wissenschaftsgeschichte und zur Geschichte und Technik des Wiener Porzellans,
Zeittafel, Künstlerbiographien, Marken, Zeichen, Signaturen, Malernummern und Bossiererzeichen, Bibliographie
österreichisches Museum für angewandte Kunst
Wien Stubenring Säulenhof, Saal Xll, Dubsky-Zimmer Tel. 72 56 96, 72 56 97
Dauer der Ausstellung 12. November 1970 bis 30. April 1971
Geöffnet Dienstag bis Freitag 9-16 Uhr, Samstag und Sonntag 9-13 Uhr, Montag geschlossen
Führungen Samstag 11 Uhr, Sonntag 10.30 oder 11 Uhr
INHALT
HERAUSGEBER
Dr. Kurt Rossachev
EIGENTÜMER UND VERLEGER
Österreichischer Bundesverlag
für Unterricht, Wissenschaft
und Kunst
PRODUKTIONSLEITUNG
Prof. Dr. Alois Rottensteiner
alle Wien Schwarzenbergstraße
Tel. 52 25 61
REDAKTION
Chefredakteur
Dir. Prof. Dr. Wilhelm Mrazek
verantwortlich für den Inhalt
Dr. Franz Windisch-Graetz
Peter Baum Alois Vogel
Leopold Netopil, graphische
Gestaltung
alle Österreichisches Museum
für angewandte Kunst,
A-1010 Wien, Stubenring 5.
Tel. 72 56 96, 72 56 97
alle Manuskripte sind an die
Redaktion zu richten
für unverlangt eingehende
Manuskripte und Fotos wird keine
Haftung übernommen
Nachdruck nur mit Genehmigung
des Herausgebers
Horst-Herbert Kossatz JOSEF HOFFMAIKIADOLFTOOS
UND DIE WIENER KUNST DER
JAHRHUNDERTWENDE
Oskar Kokoschka MEIN LEBEN ERINNERUNGEN
AN ADOLF LOOS
Roland L. Schachel ADOLF LOOS, AMERIKA UND DIE
ANTIKE
11 Vera Behalova DIE VILLA KARMA VON ADOLF
LOOS
20 DOKUMENTE MENSCHLICHEN
KONTAKTES
24 Heinrich Kulka BEKENNTNIS ZU ADOLF LOOS
27 ADOLF LOOS ÜBER JOSEF HOFF-
MANN
28 Josef Hoffmann ARCHITEKTONISCHES AUS DER
ÖSTERREICHISCHEN RIVIERA
29 Karl und Eva Mang DAS HAUS AUE DER BERGER-
HOHE EINE FRUHE ARBEIT VON
JOSEF HOFFMANN
32 Eduard F. Sekler DAS PALAIS STOCLET IN BRÜSSEL
44 Karl MariIaun JOSEF HOFFMANN, DIE WIENER
WERKSTÄTTE UND ADOLF LOOS
46 ÖSTERREICHISCHES MUSEUM
FÜR ANGEWANDTE KUNST
48 AUS DER KUNSTWELT
56 AUS DEM KUNSTHANDEL
58 BUCHBESPRECHUNGEN
AGENTUR
Dr. Kun Rossacher
Salzburg, lmbergstraße
Dr. Kurt Rossacher
Salzburg, lmbergstraße
ANZEIGENVEHWALTUNG
Österreichischer Bundesverlag.
A-1080 Wien, Lenaugasse 17
DRUCK UND BUCHBINDERARBEIT
G. Gistel 81 Cie..
A-1031 Wien, Münzgasse
KLISCHEES Photo-Chemigraphische
Kunstanstalt R. Seyss KG, Wien
ERSCHEINEN UND PREIS
Alte und moderne Kunst erscheint
1970 im Februar, April, Juni,
August, Oktober, Dezember
Jahresabonnement
Doppelnummern
ÖS 350,- und öS Porto;
DM 58h sfr. 63,80
Einzelheft
öS 70,-; DM 11,80; sfr. 12,90
Einzelnummern- sowie DM- und
sfn-Preise inkl. Porto
BEZUG
Alte und moderne Kunst ist zu
beziehen durch jede Buch- und
Kunsthandlung oder den
Österreichischen Bundesverlag
lJNSERE KUNSTBElLAGEViFeter Bischof, Studie, 1970, Offsetlithographie
BILDNACHWEIVS Akademie der bildenden Künste E. Mandl, Wien, S.
W. Andrews, Architecture in America, New York, 1960, S. Austrian Crafts
Center, Wien, S. 49 Bauhausarchiv, Darmstadt, S. 35 P. Baum, Wien,
S. 47, 49, 55 V. Behalova, Wien, S. 22, 23 Archiv V. Behalova, Wien,
S. 11-13, 17, 20-23 Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek,
Wien, S. 43 J. Charpie, Lausanne, S. 14-19 L. Chmel, Wien, S. 29-31
Museum of contemporary crafts, New York, S. 55 Archiv Christie's, London
A. C. Cooper Ltd., S. 56, 57 De Beers Consolidated Mines Limited, London,
S. 53 Archiv F. Erntl,Wien,S. 51 Euro Art, Wien, S. 53 Foto Fink, München,
S. 52 Galerie Franke, München, S. 55 Foto Gerlach, Wien, S. 24, 25
Galerie in der Goldgasse. Salzburg, S. 51 Galerie im Griechenbeisl, Wien,
S. 49 Gulden Galerie, Wels, S. 51 Galerie H. Hildebrand, Klagenfurt,
S. 53 Nachlaß Josef Hoffmann, Wien, S. 32, 34, 36 Hubmann, Wien,
S. 53 "Das lnterieur", Il, 1901, S. 35 J. Klinger, Wien, S. 53 Archiv J.
Krawina, Wien, S. 52 Archiv H. Kulka, Auckland, Neuseeland, S. 26
Archiv H. Lederer Theater am Schwedenplatz, Wien, S. 55 Künstlerhaus,
Wien H. Mayr, S. 55 "Meister der lnnenkunst", Darmstadt, 1902, S. 42
C. Mercier, Genf, S. 56 G. Mikes, Wien. S. 47 Foto Studio Minders, Genf.
S. 37-41 Moderne Bauformen", Xlll, 1914, S. 35 L. Münz-G. Künstler,
Der Architekt Adolf Loosff, Wien 1914, S. Museum des 20. Jahrhunderts,
Wien, S. 34, 38, 49 Osterreichisches Museum für angewandte Kunst E.
Ritter, Wien, S. 27, 28, 45, 47, 51 O. Prokosch, Linz, S. 49 F. M. Salus.
Wien, S. 47 Salzburger Kunstverein, S. 51 Archiv G. Schleicher, Stuttgart,
S. Galerie Schmela, Düsseldorf, S. 55 Wiener Secession, S. 55 Archiv
E. F. Sekler, CambridgefMass, Harvard University-Wien, S. 33, 34 A. Siegel,
hg., Chicagos Famous Buildings, Chicago 1966, S. Galerie Slama,
Klagenfurt, S. 51 0. Soyka, Wien, S. 51 Galerie an der Stadtmauer, Villach,
S. 51 Galerie Stangl, München, S. 55 Galerie nächst St. Stephan, Wien,
S. 49 Galerie Stubenbastei, Wien, S. 49 Symposien 1970 St. Margarethen,
S. 55 Galerie im Taxispalais, Innsbruck, 51
VORSCHAU AUF HEFT 114 Das Harrach-Missale Marianische Geographie
an böhmischen Wallfahrtsorten, der Weiße BerglRimau in Südböhmenlder
Heilige Berg lserlohner-Dosen Wiener Porzellan, 1718-1864 Karl
Sterrer, ein Maler seiner Zeit, zum 85. Geburtstag Viktor Pipal und sein
Postimpressionismus im Geiste der Musik Brasilien in den Farbholzschnitten
der Linde Waber Das zeichnerische und graphische Werk von Herwig Zens
Aus der Kunstwelt Aus dem Kunsthandel Buchbesprechungen
Horst-Herbert Kossatz
JOSEF HOFFMANN,
ADOLF LOOS UND DIE
WIENER KUNST DER
JAHRHUNDERTWENDE
Josef Hoffmann wurde wie Adolf Loos in
Mähren geboren, dennoch gibt es sieht man
von der unrühmlichen Tatsache ab, daß beide
in Wien nicht mit großen öffentlichen Bau-
aufgaben betraut wurden bei ihnen kaum
Gemeinsamkeiten. Das mag nicht zuletzt darin
seine Erklärung finden, daß Adolf Loos in
Dresden und nicht in der so beherrschenden
Schule Otto Wagners studierte und darüber
hinaus zu der Zeit, in der das Wiener Konzept
der Neukunst" erarbeitet wurde, in Amerika
weilte und hier ganz andere Impulse in sich
aufnahm. Nach Wien kam er als Außenstehen-
der mit ganz anderen Vorstellungen, als sie
hier gerade entwickelt wurden.
Hoffmann gründete mit gleichgesinnten Freun-
den 1892 sie! den Siebener-Club", eine
Stammtischrunde, zu deren ständigen Mir-
gliedern die Architekten Joseph Maria Olbrich
und Friedrich Pilz sowie die Maler Leo Kain-
radl, Adolf Karpellus, Max Kurzweil und
Koloman Moser gehörten. An dieser Gruppe
nahmen gelegentlich aber auch Max Fabiani,
Josef Grünhut, Sigmund Walter Hampel,
Arthur Kaan, Ludwig Koch, Jan Kotera,
Franz Xaver Pawlik, Carl Schwaiger und
Joseph Urban teil. Mit Fabiani, Hoffmann,
Kotera, Olbrich und Urban gehörten somit
die später bedeutendsten Architekten der
jüngeren Generation zu dieser Gruppe. Man
diskutierte und illustrierte gemeinsam Bücher;
mit dem Signum der Gruppe gezeich-
nete Illustrationen finden sich aber auch in
dem nicht unwichtigen Katalag der Aurmllung
im Künxtlerbauie. Seresrian der Wilden" und
Freie Vereinigung der Zabmen" Kiinrtlerlfext,
Wien am 4. illärg 7895, was insofern eigenartig
ist, als der hier mitillustrierende Koloman
Moser erst 1896 Mitglied des Künstlerhauses
wurde.
Auch Hoffmann, Kurzweil und Urban wurden
in diesem Jahr Mitglieder des Künstlerhauses,
während Olbrich schon 1894 und Koch 1895
dieser Vereinigung beigetreten waren. Fast
scheint es, als ob durch diese Beitritte die
Stellung der Jungen" jene Festigkeit erhielt,
die dann zum Austritt der Secession aus dem
Künstlerhaus führte. Doch ich greife vor.
Der Siebener-Club" hatte in den Räumen des
Cafe Sperl und im Blauen Freihaus" getagt,
wo es seit 1881 eine andere Tafelrunde von
Künstlern gab, die sich nach dem Besitzer des
Lokals, der Haagen hieß, Haagengesell-
Schaft" nannte. Diese Runde umfaßte etwa
60 Künstler; die Mitglieder des Künstler-
hauses aus diesem geselligen Kreise betätigten
sieh besonders im Aquarellisten-Klub der
Genossenschaft.
Aus den beiden Stammtischrunden entstand
im Zusammenschluß mit den mißvergnügten
Modernen" der Kiinstlergenossenschaft um
Gustav Klimt jene Gruppe, die in Haagens
Hotel Viktoria und an anderen Orten ihre
Zusammenkünfte abhielt, um die Gründung
der Secession vorzubereiten. Am 3. April
schickte Gustav Klimt an die Presse und an
den leitenden Ausschuß des Künstlerhauses
die Mitteilung, daß sich am selben Tage die
Vereinigung bildender Künstler Österreichs"
gebildet habe, bestehend aus 40 Mitgliedern.
Ihnen wurde die Mißbilligung der Alten"
ausgesprochen, worauf eine Gruppe von
17 Künstlern am 24. Mai 1897 demonstrativ
aus der Genossenschaft austrat. Es wäre
interessant, über die Rolle Hoffmanns in
dieser Entwicklung mehr zu wissen, da er
erst am 2. Juli 1897 der Secession beitrat
und nicht an dem gemeinsamen Austritt
teilnahm, sondern erst einen Tag später,
am 25. Mai, gefolgt von Kurzweil, Lenz,
List, Pochwalski und Sigmundt, die Ge-
nossenschaft verließ.
Nur kurze Zeit später, am 6. Juni 1897,
wurde ein Mitglied der neuen Vereinigung,
Felician Freiherr von Myrbach, als Leiter der
Fachklasse für Graphik an die Kunstgewerbe-
schule des Österreichischen Museums für
Kunst und Industrie berufen. Nachdem Myr-
bach dann am 25. Februar 1899 zum provi-
sorischen Leiter dieser Schule ernannt worden
war, berief er als ersten im April desselben
Jahres Josef Hoffmann als Leiter der Archi-
tekturklasse, obwohl sich Otto Wagner für
Olbrich eingesetzt hatte. Am 3. August 1897
hatte aber noch an einem anderen bedeutenden
Institut ein Direktionswechsel stattgefunden
Arthur von Scala übernahm das Museum für
Kunst und Industrie und begann unverzüglich
von dieser Seite ljier eine Reform des Kunst-
handwerkes zu fördern. Schon bei Eröffnung
der Winterausstellung 1899 sagte der Leiter
des Unterrichtsministeriums, Dr. Ritter von
Hartel, in Anwesenheit Olbrichs, Wagners,
Myrbachs und Hoffmanns Die fortschritt-
liche Bewegung auf dem Felde kunstgewerb-
liehen Schaffens fesselt heute unsere Blicke
wie kaum zu einer anderen Zeit und wie kaum
eine andere culturelle Bewegung Wer
wollte nicht sehen, daß das Kunstgewerbe aus
dem Wandel und dem Aufschwung der hohen
Kunst und der wiederhergestellten innigeren
Verbindung mit derselben verjüngende Kraft
schöpfte und dass die Erweiterung und Ver-
tiefung kunstwissensehaftlicher Betrachtung
seinem Schaffen neue Quellen erschloß?"
Hoffmann hatte sich in der Zwischenzeit zu
einem bedeutenden Ausstellungsarchitekten
der Secession neben Olbrich entwickelt;
nach dessen Weggang im Jahr 1899 übernahm
er dessen führende Rolle in Wien. In di
Jahr wirkte er im Österreichischen Mu
als Juror bei einer Konkurrenz für Entv
von kunstgcwerblichen Objekten mit Pr
aus dem Hoftiteltaxfonds, bei der in der di
Konkurrenz als Aufgabe war ein
service für einen einfachen Haushalt zu
werfen Kolo Moser für ein von E.
lowits eingcsendetes Service den ersten
erhielt.
Seit 1896 war aber auch Adolf Loos in
Er hatte in Chikago die Geschäfts- und
bauten kennengelernt, die unter dem
Schule von Chikago" als eine der Wu
moderner Architektur angesehen werden
Architekturentwicklung war durch einen
ßen Brand im Jahr 1871 und den Börscnl
von 1873 sehr beeiniiußt worden. Von
bis 1887 baute Henry Hobson Richardso
Großhandclshaus für Marshall Field in
sivem Maucrwerk, dessen blockhafte
schlossenheit und straffe Monumentalitä
weitere Entwicklung bestimmten. Die
Otto Wagner vergleichbare Persönlichki
Chikago war aber dann Louis H. Sull
der mit Dankmar Adler nicht nur den
schen amerikanischen Wolkenkratzer der
zeit mit Sockel, Schaft und Kopf konzij
sondern auch als Theoretiker große Bedci
erwarb. Nach allgemeiner Annahme muß
seinen 1892 erschienenen Aufsatz Orna
in Architecture" gekannt haben, in de
unter anderem heißt Ich halte es für
leuchtend, daß ein Gebäude ohne je;
Verzierung allein auf Grund seiner MüSSi
Proportion ein Gefühl der Erhabenheit
Würde vermitteln kann. Nicht einleuc
erscheint mit, daß die Verzierung wese
zur Steigerung dieser elementaren Wert
tragen sollte. Warum also verwenden
Ornament? Wenn ich diese Frage in
Aufrichtigkeit beantworten soll, dann
ich sagen, daß es vom ästhetischen Stand
aus uns nur zum besten gereichen kt
wenn wir für eine Zeitlang das Ornz
beiseite ließen und uns ganz und gar a1
Errichtung von in ihrer Nüchternheit
geformten und anmutigen Bauwerken
zentrierten."
Diese Sätze klingen wie ein Loos'sches
gramm, und dies um so mehr, als Loos,
er wirklich an seinen Bauten ein Orn
verwendete, es im Sinne Sullivans tat,
seinem Text fortfuhr Nachdem wir
Stufe erreicht hätten, könnten wir Ohlfli
fahr darangehen, zu überlegen, bis zu we
Grade die Anbringung von Ornamente
Schönheit unserer Bauten zu erhöhen,
neuen Reiz sie ihnen zu verleihen im
wäre."
Adolf Loos muß daneben aber auch
sichten mit nach Wien gebracht haben,
auf der Weltausstellung von 1893 in Ch
gewann. Schon auf der Pariser Weltaussti
von 1878 hatte man in den Berichtet
einem Pullmancar-Stil" bei der Behan
der flachen und starren, ganz auf die Fä
der Hölzer gestellten amerikanischen
gesprochen. In Chikago hatten die Arner
sich selbst gefunden. Julius Lessing
damals Wir aber, die wir mit dem
etwas zu lernen, hinübergegangen
wir haben die glatten Holzstühle und
aus Draht geschlungenen elektrischen
cn, die blanken Messinggriffe und die
indig geschwungenen, gänzlich orna-
losen Geräte als VUahrzeichen mit zurück-
icht. Hier haben wir Geräte, geschaffen
zmselben Geist, wie unsere Eisenbauten,
Schiffe und Wagen, Geräte, die in
Formen voraussetzungslos aus Material
Technik entstanden und so klar entwickelt
daß sie nicht mehr zum rechnenden
ande, sondern direkt zur Anschauung
hen und dem Auge die reine, gesättigte
ie gewähren, die wir als Schönheit emp-
.1."
das nicht die Forderungen, die Loos
ir wieder in seinen Wiener Aufsätzen
llt hat? Noch ein weiteres ist zu erwiäh-
Die Weltausstellung von 1893 war als
He Stadt" errichtet worden; gegen Sulli-
iatten die Traditionalisten durchgesetzt,
'rt Paris Giitersltih, Bildnis jusef nomrrrrrii
rr Kuknschka. Adolf LOUA, 1916, Zeichnung mit einer
inlichen Widmung VON Adolf Loos ich um glücklich.
solchen Mitarbeiter zu lmlhtll" Architekt Adolf .008
ine gewaltige Potcmkin'sche Stadt aus
und Holz im römischen Stil" errichtet
z. Natürlich bewirkte diese neoklassi-
hc Ausstellungsstadt eine gewaltige Aus-
ng des Eklektizismus in der Folgezeit.
oos nach Wien zurückgekehrt war, muß
se Fassadenstadt noch immer vor sich
en haben. Auch in Wien gab es an der
traße neoklassizistische Bauten; es ge-
hm, im Ver sacrum", der neugegrün-
Zeitschrift der Seccssion, einen Aufsatz
Die Potemkinsche Stadt" unterzu-
zn, in welchem er die angenagelten
ntfassaden" der Ringstraße angreift. Es
rt, daß sich Loos dann mit der Secession
iarf, weil wie er später schrieb
iann ihm nicht gestattete, das Sitzungs-
2r des neuerbauten Secessionsgebäudes
"ichten.
Der Aufsatz erschien im Juli 1898; im Sep-
tember ging er dann mit seinem Aufsatz
Das Prinzip der Bekleidung" zum General-
angrifi über. Dieses Prinzip sollte nach Loos
das abc jedes architekten bilden". Der Auf-
satz handelt vum Material der Wfand und vom
Raum. Er wendet sich zuerst gegen Archi-
tekten, deren Phantasie nicht Räume, sondern
Mauerkörper bilde. Für die vom Mauerkörper
übriggelassenen Räume würde dann die
Bekleidungsart gewählt, die dem Architekten
passend erscheine. Der künstler aber, der
arrhilekl, fühlt zuerst die Wirkung, die er
hervorzubringen gedenkt, und sieht dann mit
seinem geistigen auge die räume, die er schaffen
will. Die Wirkung, die er auf den beschauer
ausüben will, sei es nun angst oder schrecken,
wie beim kerker; gottesfurcht, wie bei der
kirchc; ehrfurcht vor der Staatsgewalt, wie
beim regierungspalast; pietät, wie heim grab-
mal, heimgefühl, wie beim wohnhause; fröh-
lichkeit, wie in der trinkstube diese wirkung
wird hervorgerufen durch das material und
die form."
Nach dieser Einfühlungstheorie der Archi-
tektur, in der Loos ganz bewußt den Archi-
tekten als Künstlcr bezeichnet Hevesi
wollte Loos zu jener Zeit nicht als solchen
verstehen wendet er sich wieder gegen die
Imitation und die Surrogatkunst in der Archi-
tektur. Schließlich leitet er aus dem Prinzip
der Bekleidung, das, wie er sagt, zuerst von
Semper ausgesprochen wurde, ein Gesetz der
Bekleidung her Es muß so gearbeitet
werden, daß eine Verwechslung des bekleideten
materials mit der bekleidung ausgeschlossen
ist." Holz dürfe demnach nicht mit Holz-
farbe angestrichen werden, Materialien der
Wandhespannung dürften keine Ziegel und
Mauerquadern darstellen.
Loos beruft sich auf Semper und tut so, als
0b Semper sein Prinzip der Bekleidung mate-
rialmäßig gemeint hätte. Das ist aber eine
Unterstellung, mit der Loos auf Otto Wagner
und dessen Schule zielt, da diese der Theorie
Sempers anhingen. Semper meinte mit seiner
im Stil" vertretenen Theorie etwas anderes,
nämlich die Flächendekoration. Er leitet hier
die meisten dekorativen Symbole in der Bau-
kunst aus den textilen Künsten her. Bei
Semper bleiben selbst die soliden Mauern
doch nur das innere und ungesehenc Gerüst
der wahren und legitimen Repräsentanten der
räumlichen Idee, nämlich der mehr oder
minder künstlich gewirkten und zusammen-
genähten textilen Wände".
Adolf Loos und josefIIoHmann, das ist ein
Unterschied der materialbestimmten Raum-
grenze zur ornamentierten Körperfiäche. Loos
ging es seinem Raumplan" darum,
durch unterschiedliche Niveaus oder sichtbar
gemachte Raumkanten voneinander differen-
zierte Räume so ineinanderzufügcn, wie in
einem Satz die Wörter sich aneinanderfügen
und doch übergeordneten Beziehungen ge-
horchen. Bei Hoffmann ist jeder Raum eine
in sich geschlossene Welt, immer noch ein
wenig Ausstellungsarchitektur Präsen-
tationsforrnen und größtmöglicher Schau-
fläehe. Die Flächenordnung der Wand ist
bei ihm sorgfältig zu den Gegenständen in
Beziehung gesetzt, worauf das bekannte
Problem beruht, daß seine Raumgestaltungen
bei geringen Änderungen zerstört werden.
Loos faßte die Wohnung dagegen mehr als
bequemen Anzug auf, er bildete Räume, die
der Bewohner mit Leben zu füllen hatte.
Hoffmann gestaltete für die Secession auch die
bedeutende Ausstellung 1902, in der das
Beethoven-Denkmal Max Klingers, das gerade
vollendet worden war, in den Mittelpunkt
der Raumidee gestellt wurde. Josef Hoffmann
gab hier den Räumen in Form einer drei-
schiffigen Anlage monumentalen Charakter,
Gustav Klimt schuf aus diesem Anlaß seinen
berühmten Beethoven-Pries. Ganz im Sinne
des Klingefschen Werkes wurde diese Aus-
stellung zum Materialfest mit Stampfbeton-
arbeiten und Mörtelschnitten, die mit Blatt-
gold belegt waren, Bleigüssen, Treibarbeiten
und Schabloncnmalereien. Wie nie zuvor
näherte sich in dieser Ausstellung die Flächen-
dekoration dem Kunstgewerbe, eine vom
Material bestimmte mosaikartige Flächenauf-
fassung begann sich hier durchzusetzen. Es
war nur konsequent, daß nach dieser Aus-
stellung und nach den Kontakten mit Mackin-
tosh dessen Arbeiten die Wiener in der
8. Ausstellung der Secession begeistert hatten,
der auf Einladung von Kunstfreunden sechs
Wochen in Wien weilte, den Hoffmann als
Begleiter Myrhachs auf einer Studienreise im
Auftrag des Ministeriums in Glasgow 1902
besuchte Hoffmann, Moser und Waern-
dorfer die Wiener Werkstätte gründeten, um
das Kunsthandwerk wiederzubeleben und
jedem Gegenstand eine künstlerische Form
zu geben. Daß Adolf Loos in Verfolg seiner
Theorien die WW bekämpfte, wer kann es
ihm heute übelnehmen? Im Gegensatz zu
dieser Werkstätte war er tatsächlich kein
Künstler, sondern ein die Entwicklung vor-
wegnehmender Designer.
mit
mit
Oskar Kokoschka
MEIN LEBEN
ERINNERUNGEN
AN ADOLF LOOS
Die Redaktinn dankt dem Brurkmanri
Verlag in Münrllen für die Überlauung
de folgenden Beilrager, der Puuugen
varahdrurkl, die der in Kürze rrulreinen-
den Autobiographie Orlzar Kokaulrlea,
WEIN LEBEN, Verlag Bruekmann
Afünrllen, erxlnammerl Jind.
Das Interesse eines besonderen Kreises der
Gesellschaft in Wien für meine Malerei ist aber
erst richtig durch die schöpferisch und kritisch
als erstrangig zu verstehende Persönlichkeit
Adolf Loos' geweckt worden. Ihn in der
Kunstschau 1908 kennengelernt zu haben
war nicht nur für meine Laufbahn, sondern
auch für mein Leben entscheidend. Ich will
nichtunbescheiden sein, aber was Dante über
Virgil sagte, möchte ich von Loos für mich
sagen. Er führte mich durch Himmel und
Hölle des Lebens als treuer Begleiter. Er ist
der bedeutendste Architekt der Moderne ge-
wesen. Corbusier, Gropius, Mies van der
Rohe zollten ihm als Anreger und Vorläufer
ihren schuldigen Tribut. Doch er hat nie
offizielle Aufträge erhalten, die meist an die
Oberbauräte und Staatsarchitekten vergeben
worden sind, bevor ein Preisausschreiben über
die Qualität der eingelangten Entwürfe ent-
scheiden konnte. Adolf Loos hatte so Zeit,
auch mir zu helfen. Du mußt malen!" Er
hatte einen großen Anhänger- und Bekannten-
kreis und verstand diese Freunde für meine
Arbeit zu interessieren. Es war ein Erlebnis,
ihn zu malen, einem bedeutenden Menschen
und großen Künstler so nahezukommcn. Er
hatte das Steinmetz- und Maurerhandwerk
gelernt, hat aber das Steinmetzgeschäft seines
Vaters nach dessen Tode nicht übernommen.
Trotz seines Baumeisterdiploms liebte er von
sich zu sagen, er sei Maurer und nicht so einer
wie die Architekten, die von Blueprints ar-
beiten. In Amerika hat er als Gelegenheits-
arbeiter, mittellos in Nachtquartieren der Wohl-
fahrtskomitees, ein hartes Leben kennenge-
lernt und die Augen offen gehalten für das,
was die neue Welt ihn in der Baukunst zu
lchren hatte. Der moderne Mensch schafft
seine Umwelt. Weit entfernt von dem Indi-
vidualisten Frank Lloyd Wright, zuchtvoll
blieb er auch als radikaler Neuerer nach seiner
Rückkehr nach Wien, wo er dem Jugendstil
einen erbitterten Kampf ansagte. In seinen
Entwürfen, Schriften und immer überfüllten
öffentlichen Vorträgen über Gehen, Stehen,
Sitzen, Liegen, Kochen opponierte er der
rückständigen Gesellschaft, die zum Teil noch
in den Lebensformen des achtzehnten Jahr-
hundert verharrte. Er opponierte selbst Otto
Wagner und dessen Schule, obwohl dieser
bereits als Haupt der Secession in Amerika
anerkannt worden war. Adolf Loos, als ein-
ziger und erster, beschäftigte sich auch mit
der sozialen Erziehungsarbeit, die heute noch
schlecht und recht von staatlichen Organi-
sationen, zum Beispiel in England, versucht
wird. Er sagte Das Siedlungsproblem bleibt
in der Zeit der Überbevölkerung das drin-
gendste für die Menschheit zu lösen."
ßk
Im Gegensatz zur Pseudorenaissancearchitek-
tur der Viktorianischen Zeit mit ihren falschen
Stuckfassaden, jedoch im Gegensatz auch zur
japanisierenden Ornamentik des Jugendstils,
zeigte er in seinen Entwürfen und den leider
seltenen Bauten, wie aus den klaren Formen
der Tradition der Gebrauchsformen des Hand-
werks, mittels moderner Herstellungsmetho-
den, eine organische Baukunst weiterent-
wickelt werden könnte, die den zeitgemäßen
Lebensbedingungen entspräche. Als Steinmetz
hatte er ein lebendiges Verhältnis zur Schönheit
des Materials, während ihn der Jugendstil, als
bloße Verschönerung" ungenügend und
noch dazu auf schlechtes Baumaterial appli-
ziert, zum heftigen Widerspruch reizte. Die
sachgemäße Nutzung des Materials selber
sowie die Verwendung der Bauglieder in einer
Formsprache, deren Sinn die Funktionalität
im Raum, wie in der Antike, bleiben muß,
war sein Alpha und Omega. Seine Bibel war
Vitruvius, mit Stolz zeigte er mir eine alte
italienische Ausgabe, die er besaß. Loos ist der
bedeutendste Baumeister der Neuzeit gewesen,
aber man ließ ihn nicht bauen. Ins Leere
gesprochen" ist der Titel einer seiner letzten
Schriften. Ich hatte ihn in seiner Wohnung
gemalt, wo am Tor des Hauses, in welchem
er fast vierzig Jahre gelebt hat, nicht einmal
eine Gedenktafel an ihn erinnert. Sein Porträt
befindet sich in der staatlichen Sammlung in
West-Berlin. Ihn und Karl Kraus habe ich
ungefähr zur selben Zeit gemalt. Dieses erste
Bild von Karl Kraus, der Geißel Wiens, eines
anderen Abraham Sancta Clara, ist zu meinem
großen Leidwesen noch immer unauffindbar,
obwohl behauptet worden ist, daß dieses und
das von Bessie Loos von einem russischen Offi-
zier in Berlin kurz nach dem Krieg in der
zerstörten Stadt angeboten wurde. Vielleicht,
daß ein gnädiges Schicksal diese beiden wich-
tigen Bilder in Ost-Berlin oder irgendwo sonst
noch versteckt hält?
als
Der Jugendstil hat eigentlich das Porträt
ignoriert, das Pflanzen- und geometrische
Ornament wurde bevorzugt. Seltsamerweise
hatte man auch einen Grund dafür, sicher
unbewußt, dem Menschenbild auszuweichen,
wie in Übergangszeiten der Vergangenheit
es anderer Gründe bedurft hatte. Ich vermute,
daß Darwins Abstammungslehre unsere Di-
stanz von der verwandten Art der Primaten
zu überraschend verringert hat. Die Vertrau-
lichkeit mit sich selber war einem befremden-
den Gefühl gewichen, als ob man sich bisher
nicht selber richtig gekannt hätte. Auch ich
war davon mehr beeindruckt, als ich zugeben
wollte, weshalb ich eigensinnig gerade mit
Porträtmalen begonnen habe, um den Men-
schen genau auf die Finger sehen zu können,
sie in ihren Eigenschaften kennenzulernen,
um mit dieser Gesellschaft, in der ich nun zu
leben hatte, vertraut zu werden. Was immer
man von meinem Humanismus behauptet, ich
liebe die Menschheit eigentlich nicht, sehe sie
vielmehr als ein Phänomen, wie einen Blitz
aus dem heiteren Himmel, eine Schlange im
Gras. Die Bocksprünge der Menschcnseele,
die Tragik, das Sublimc, aber auch das Triviale
und Lächerliche der Menschenkreatur zogen
mich an, wie es den Besucher zum Zoologi-
schen Garten zieht, um das Dasein seiner
Ahnen zu beobachten oder, anders gesagt,
wie der Naturforschcr Steine, Pflanzen und
Fossilien untersucht, um Daten zu sammeln.
Jedem meiner Modelle jener Zeit hätte ich
auch ein Schicksal voraussagen können, wie
für die Soziologen die Umweltbedingungen
den angeborenen Charakter verändern, wie
Boden und Klima das Wachstum sogar einer
Topfpflanze bedingen.
Doch, um mit den Menschen darüber zu reden,
was ich in ihnen sah, dafür gab es keine ge-
meinsame Sprache, für mich selber wußte ich
meine Einsichten nicht anders als im Malen
auszudrücken. Die Form der offiziellen Por-
trätkunst war natürlich verschieden, entweder
auf glatte Schönheit gerichtet oder mit Hinsicht
auf die gesellschaftliche Bedeutung des Dar-
gestellten orientiert. Selbst L'art pour Part"
als Programm hätte mich damals nicht be-
friedigt. Natürlich hatte ich die gesamte
Presse, das Urteil der Gesellschaft gegen mich,
sehr zu meinem Glückl Und glücklicherweise
entkam ich auch dem Einfluß der irnpressio-
nistischen Mode, die ein potentielles wissen-
schaftliches Element im trächtigen Schoß zu
halten schien, das in der nächsten, desillusi0-
nierten Epoche abgestoßen wurde wie ein
unfruchtbares Gewächs.
Ich hätte nicht jedermann als Modell annehmen
können, der willig war, sich malen zu lassen.
Noch heute fühle ich vor einer neuen Lein-
wand eine Art von Horror vacui so lange, bis
ich hinter deren präparierter Fläche, wie ab-
sichtslos, die Vision, dem inneren Gesicht
erst sichtbar, halb noch unentzifferbar, zum
Erscheinen bringen kann.
Daß Loos in meinen Bildern Kunstwerke sah,
habe ich kaum verstanden und faßte cs als
Schmeichelei auf. Er bestärkte mich eher, in
meiner Ansicht zu beharren, daß ich nicht
Routine oder Theorien zu verfolgen hätte,
sondern daß ich mit meiner Malerei eine Basis
finden sollte zum Verständnis meiner Rolle in
der Umwelt, Selbsterkenntnis. Im Wesent-
lichen möchte ich vom Expressionismus sagen,
daß er in dieser Weise von jedem schöpfe-
rischen jungen Menschen damals verstanden
worden ist. Die heutigen Aussagen über Exa-
pressionismus sind vollkommen irreführend,
weil sie am Kern vorbeigehen. Es gibt keinen
deutschen, keinen französischen, keinen ameri-
kanisch-englischen Expressionismus, es gibt
nur den der Jugend, die sich in der Umwelt
zurechtzufinden sucht.
Adolf Loos war ein Mensch voller Wider-
sprüche. Trotz aller Empörung über das Un-
verständnis seiner Zeitgenossen, ins Leere
GEFÄHRTEN
LAR KOKOSCHKA
WEISSE TIERTÖTER
am
izze weg-ß
Nltcuunuor vutiwml
GENOSSENSCHAFTSVERLAG
1920 LEIPZIG
lmung Oskar Kokoschkas OK an Adolf Loos. "dem
ihrlen meiner Jugend". ln dem Buch Die Gefährten.
ar Kokosthku der weiße Tiertoter. ienossensrhafrs-
all, Wien-Leipzig 1920
ar Kokoschka vor Seinem Haus in Villeneuve bei Mon-
Schweiz, im Oktober 1969
gesprochen" hat er, und voll Verzweiflung
über den Zusammenbruch seines Vaterlandes,
den er voraussah, fuhr er doch manchmal nach
Paris, er mußte ins Moulin Rouge gehen. In
Paris habe ich ihn auch viele Jahre später zum
letztenmal wiedergesehen. Sein getreuer Tisch-
ler, der ihm jahrelang die Sessel für die Woh-
nungen, die Loos einrichtete, schnitzte, weil
Loos keine Massenartikel duldetc, hat den
bereits Kranken nach Paris gebracht in Be-
gleitung der Frau, die jahrelang Loos, Woh-
nung geputzt hat. Oifenbar war niemand
anderer bereit, es zu tun. Ich habe Loos in
einem zerwühlten Bett gefunden, es war bereits
um Mittag. Hier lag er, der Wann, der am
Ende seines Lebens gestörten Geistes war.
Nach Paris wollte er, der so viele Jahre in
Österreich verzweifelt nach einem Ausweg
gesucht hatte. Ich fühlte mich sehr bedrückt
und wollte bald gehen, nachdem wir einige
Zeit von diesem und jenem geredet haben.
Aber mit seiner unwiderstehlichen Kraft, trotz
seiner Krankheit, hielt er mich zurück, erhob
sich in seinem zerrissenen Nachtanzug aus
dem Bett, lüftete die schmutzige Decke und
zog darunter zu meinem Ekel einen von
Tomatensaft triefenden Riesenhummer her-
vor. Homard l'Americaine war sein Lieb-
lingsgerieht. Der einen abgerissenen Schere
entnahm er als ein geübter Gourmand das
Fleisch und stopfte es rnir in den Mund. Wie
ein Geistesblitz aus einer gesunden Zeit
belehrte er mich Die Österreicher haben
den Krieg verloren, weil sie statt der Früchte
des Meeres nur Knödel, Strudel und Torten
essen."
Als er im ersten Weltkrieg als Reserveoffizier
eingezogen war, wäre er bald vor ein Kriegs-
gericht gekommen, weil er in einer von Gold-
mann und Salatsch extra für ihn erfundenen
Uniform eingerückt war, einen offenen statt
des üblichen steifen Uniformkragcns, Wickel-
gamaschen statt der Röhrenstiefel. Wegen der
Stiefel haben die Deutschen, trotz ihrer Stra-
tegie, den Kricg verloren, die Armee bekam
Schweißfüße. Loos hatte seine eigenen An-
sichten.
als
Eines Tages war er bei meiner Mutter er-
schienen Ihr Sohn muß aus Wien heraus,
ich werde ihn in die Schweiz bringen." Seit
1905 war Bessie Loos in einem Sanatorium
in Lcysin über dem Genfer See. Man hatte
für die Tuberkulosen die Sonnenstrahlen als
Kur entdeckt, und Sanatorien waren nahe den
Gletschern gebaut worden, was auch den
Dörfern Beschäftigung und neue Erwerbs-
quellen sicherte. Bessie Loos hatte zu der
Gruppe der Barrison Sisters gehört, den ersten
Cake-Walkifänzerinnen, die sich in Wien im
Kabarett Tabarin produzierten und dort von
Altenbcrg, Karl Kraus und Loos bewundert
worden sind. Adolf Loos hatte sich sofort der
schönen Engländerin angenommen, die bereits
lungenkrank war und zugrunde gegangen
xiväre, hätte sie nicht die Bühnenlaufbahn
aufgegeben. Er heiratete sie und brachte sie
sofort in den Schweizer Kurort, den er kannte,
weil er in der Gegend für einen Wiener Arzt
eine Villa baute.
Loos hatte mit meiner Mutter verhandelt, die
allerhand Befürchtungen vor dieser meiner
ersten Reise ins Ausland vorbrachte. Natürlich
mußtc sie einwilligen und hat mir nur noch
in mein Taschentuch eine Goldmünze ein-
gewickelt als Notpfennig, die sie jahrelang im
XVäscheschrank versteckt gehalten hat. Loos
besaß einige alte kostbare orientalische Tep-
piche, die er auf die Reise mitnahm, um sie
in der Schweiz zu verkaufen. Und weil die
Wiener Waggons schlecht im Winter geheizt
waren, deckten wir uns beide mit den Tep-
pichen zu. Mit dem Erlös der Teppiche konnte
die bereits fällige Sanatoriumsrechnung für
Bessie bezahlt und auch für mich noch ein
Mansardenzimmer mit Halbpension in der
Klinik ausgehandelt werden. Loos konnte
einen großen Charme entwickeln und andere
zu Guttaten überzeugen, solange er nichts für
sich erbat. Und er schlug auch vor, die Patien-
ten damit zu zerstreuen, daß sie sich von mir
porträtieren ließen. Doch mein erstes Bild
wurde eine Landschaft. Loos hatte nicht ver-
gessen, einen Iiarbenkasten mit einzupacken.
Er selber mußte sich, nachdem er seine An-
ordnungen getrol-fen hatte, verabschieden und
legte mich Bessie ans Herz.
Ich war ihr natürlich vom Herzen sofort zu-
getan. Sie hatte den zartesten Teint, wie alle
Mädchen in Lancaster, die tagsüber an den
Webstühlen arbeiteten und nie die Sonne sahen.
Sie hatte ein fröhliches Kinderlachen, auch
wenn sie Blut spuckte in diese berüchtigte
blaue Glasflasche, die alle Patienten einer
tuberkulösen Heilanstalt wie eine Reliquie mit
sich herumtragen. Ich hatte auf sie aufpassen
sollen, das hatte Loos mir wieder ans Herz
gelegt, aber wie kann man ein so Vergnügungs-
süchtiges junges Ding, das abends aus dem
Fenster kroch, wenn die Ärzte schlafen gingen,
um mit anderen Patienten, soweit sie lebendig
genug waren, tanzen zu gehen, zurückhalten?
Von meinem Mansardenzimmerfenster sah ich
Loos nach, wie er im Schlitten wegfuhr. Er
hat zu mir heraufgesehen, die Pferde zogen
an, mein Beschützer drehte sich noch einmal
um und winkte, aber der Schlitten war in
einer kleinen Rauchwolke des heißen Atems
der galoppierenden Pferde verschwunden.
Weiß und grau in der nun unendlich weit
erscheinenden Gebirgsszenerie war auch diese
bald im All aufgelöst. Das war der Raum, wie
ich ihn noch nie erlebt hatte, der ich bis dahin
in engen Stadtwohnungen viele Jahre lang
hauste, von denen man den Himmel nur wie
einen Spalt zwischen den rauchenden Schorn-
steinen der Straßen kannte.
41
Adolf Loos hat 19Ü4 in der Nähe von Mon-
treux für einen Wiener Arzt eine Villa mit
einem flachen Dach gebaut. Das zeigt, wie
fortschrittlich Loos schon vor siebzig Jahren
baute. Das Haus ist noch so modern, als ob
es heute entstanden wäre, allerdings war es
aus so gutem Material errichtet, daß man
heute noch nichts daran zu erneuern, zu re-
parieren braucht, nicht einmal die elektrischen
Kontakte. liin gleiches wird man von einem
heute gebauten Haus in Zukunft schwerlich
behaupten können.
edesmal, wenn sich die Baukunst immer und
immer wieder durch die Kleinen, durch die
Ornamentiker, von ihrem großen Vorbilde
entfernt, ist der große Baukünstler nahe, der
sie wieder zur Antike zurückführt," schrieb
Adolf Loos 1910, und wie Schinkcl war auch
er ein Über-Architekt, der große Geist, der
die Baukunst von den fremden Zutaten befreite
und uns die reine klassische Bauweise wieder-
gab." Er war der große Reformator, der den
strengsten Maßstab anlegte und nur gelten
ließ, was als wahrhaftig und echt erkenntlich
war. Aber er mußte es erleben, daß sein Beispiel
und seine Lehre von seinen künstlerischen
Gegnern in eine falsche Lehre umgemünzt
wurden.
Obwohl er ausdrücklich sagte, daß er Revolu-
tionen vermeiden wolle, da er Evolutionist sei,
wurde er zum Revolutionär abgestempelt.
Ist es nicht auffallend, daß die kühnsten
Neuerer, also die tüchtigsten Menschen, auch
die tiefste Verehmng für die Werke ihrer
Vorfahren bekunden?" fragte Loos 1898 und
bekannte Eigentlich nicht, denn die Tüchtig-
keit kann nur wieder von der Tüchtigkeit
gewürdigt werden." Trotzdem gibt es immer
wieder Menschen, die dafür kein Verständnis
haben und denen der vermeintliche Zwiespalt
im Schaffen Adolf Loos" geistiges Unbehagen
bereitet. Für Loos aber war Kultur jene
Ausgeglichenheit des inneren und äußeren
Menschen, die allein ein vernünftiges Denken
und Handeln verbürgt."
Er formulierte seine Reformideen sehr deutlich
An die Stelle der auf unseren Hochschulen
gelehrten Bauweise, die teils aus der Adap-
tierung vergangener Baustile auf unsere Le-
bensbedürfnisse besteht, teils auf das Suchen
nach einem neuen Stil gerichtet ist, will ich
meine Lehre setzen die Tradition.
Das Heute baue sich auf das Gestern auf, so
wie sich das Gestern auf das Vorgestern auf-
gebaut hat. Nie war es anders nie wird es
anders sein. Es ist die Wahrheit, die ich lehre.
Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden!
Denn die Wahrheit, und sei sie Hunderte von
Jahren alt, hat mit uns mehr inneren Zu-
sammenhang als die Lüge, die neben uns
schreitet."
Es ist also nicht jene Tradition mit Gänse-
füßchen aufgerufen, die Karl Kraus mit
Schlamperei gleichgesetzt hatte. Inmitten all-
gemeiner Zeitverleugnung und Fin-de-siecle-
Stimmung war der Loos'sche Traditionalismus
ausgezeichnet durch völlige Übereinstimmung
mit seiner eigenen Zeit. Rückwättsgewandtheit
und Trauer nach einer guten alten Zeit waren
ihm so fremd wie utopische Visionen Unsere
Zeit ist schön, so schön, daß ich in keiner
anderen leben wollte. Unsere Zeit kleidet sich
schön, so schön, daß ich, wenn ich die Wahl
hätte, mir das Gewand irgendeiner Zeit an-
zuziehen, freudig nach meinem eigenen Ge-
wand griffe. Es ist eine Lust zu leben!"
Unwillkürlich erinnert man sich der Über-
Zeugung Leibnizens, daß die Welt die voll-
kommenste aller möglichen Welten sei,
wesentlichen Grundlage für die selbstsii
starke und harmonische Kultur des
barocks.
Ganz offenbar bedeutete für Loos Tra
mehr als bloß die Übernahme obcrfläch
Formen und Formeln. Er suchte den
grund, zu dem er durchdringen wollt
daraus neue Kraft zu schöpfen. Nur in
Sinne war Loos radikal, und revolutionä
er nur, weil er inmitten allgemeiner Aufl-
Sammlung predigte und im allgemeinen
sturz Evolution erstrebte.
In der beginnenden technischen Revo
versuchte Loos die gräko-romanischen
gründe dem Bewußtsein jener Vielzu
nahe zu bringen, die in dem Wahne li
ihrer nicht mehr zu benötigen und
getrost vergessen zu dürfen, daß sie
Aristoteles, Pythagoras, Archimedes, Eul
ja auch nur ohne einen einzigen von
keine Autobahn, keinen Wolkenkratzer,
Brücke und keinen Staudamm bauen köi
Keinen Meter davon, keinen Zenti
Urzidil".
Loos vermerkte befremdet, daß 1924
gerechnet der Dekan der philosophi
Fakultät in Paris, Brunot, den Wert des
sischen Geistes verneint und der Modern
Wort geredet hatte, das modernste Lanc
Amerika, hat durch seinen Präsidenten
Coolidge die klassische Bildung in einer
Rede verteidigt". Loos fand darin seine
0.5. Nationalbank Building von A. K. Doyle in Portland
Oregon. 1917 Equilzble Building von P. Bclluschhcincnx
angjürigcn Mimmm Doyles. 194a. Brillante Obexßiclzc.
unerikanischer Klassizixmus
Adolf Laos. Haus Mollcr, Wien w. Stnrkfricdgasse
192a. Nach außen verschwiegen Klassizismus geistige
Haltung
Vlunzdnock Building von Bumham Rom in Chicago
lllinois. 1391. Allen Ohmnmß baxc Nüchternheit und
Größe Ausdruck der Nülzlichkcil
Haltung bestätigt, denn unsere Kultur baut
sich auf der Erkenntnis von der alles über-
ragenden Größe des klassischen Altertums auf.
Die Technik unseres Denkens und Fühlens
haben wir von den Römern übernommen.
Von den Römern haben wir unser soziales
Empfinden und die Zucht der Seele".
Für Loos war das Altertum also in einem sehr
umfassenden Sinn Maß und Ansporn, im ur-
sprünglichen Sinne klassisch Seitdem die
Menschheit die Größe des klassischen Alter-
tums empfindet, verband die großen Bau-
meister ein Gedanke. Sie dachten So wie ich
baue, hätten die alten Römer diese Aufgabe
auch gelöst. Diesen Gedanken Will ich meinen
Schülern einimpfen."
Diese Ideen entsprangen jedoch nicht dem
obligaten Schulhumanismus, denn Adolf Loos
war nur" Gewerbeschüler. Sein Humanismus
entsprang anderen Quellen und führte, von
echtem Sendungsbewußtsein getragen, zu an-
deren Zielen Mit dieser Geisteshaltung war
Loos der erste Prophet und Verkünder der
heutigen modernen Baukunst Amerikas. Im
Wien der Jahrhundertwende ersann und er-
dachte er jenen amerikanischen Baustil, der
ein Vierteljahrhundert später drüben Wirklich-
keit wurde.
Wie wäre das möglich, wo doch das geschichts-
lose und zukunftsorientierte Amerika mit
Funktionalismus und Business jedenfalls Anti-
pode des klassischen Altertums zu sein scheint?
Einen Hinweis gibt ein Wort Jean Cocteaus
Die allen Überflusses bare Nüchternheit
Größe, die den modernen amerikaniscl
Gebäuden durch ihre Nützlichkeit verliel
wird, macht sie der griechischen Kunst
lieh." Er meinte vielleicht weniger die Ku
als die Lebensauffassung, die Kultur.
Als Adolf Loos 189371896 Amerika kenn
lernte, war dieses noch ausschließlich
jenen klassizistischen Gebäuden geprägt,
sogar noch heute kennzeichnender für
USA sind als die Wolkenkratzer und H0
häuser, die ja bereits in allen Erdteilen
modernen Stadtbild gehören. Mag sein,
er dort mehr an antikischem Formgut kenn
lernte, als er in Rom oder Griechenland
finden können. Sicher aber ist, daß das Lel
im Amerika der Jahrhundertwende ein wi
tiger Schlüssel für Loos' Verständnis kla
sehen Geistes wurde.
Der wahre Geist der Antike äußert sich
nur mittelbar in der Übernahme seiner Ther.
oder Formen, unmittelbar und Wesentlich
in einem bestimmten Verhältnis des SchaH
den zu den ersten und letzten Dingen
Lebens. Vor allem das literarische Scha
Adolf Loos" gibt beredtes Zeugnis dav
wofür hier freilich Andeutungen genü
müssen.
Wie Immanuel Kant so war auch He
David Thoreau, der heute im intellektue
Amerika als geistiger Vorkämpfer am höchs
eingeschätzt Wird, der Überzeugung, daß
Zeit des Menschen zu wertvoll sei, um sie
Gelderwerb zu verschwenden. Reich sei ein
Älann eigentlich nur im Verhältnis zur Zahl
der Dinge, auf die er verzichten könne, und
der Preis einer jeden Sache bestünde in dem
Ausmaß an Leben, das für sie sogleich oder
im Laufe der Zeit zu bezahlen wäre. Auch
für Benjamin Franklin war Zeit viel kostbarer
als Geld, und sein immer wieder gedankenlos
nachgeleierter Ausspruch Time is money"
war ausdrücklich eine Anweisung an einen
jungen Kaufmann, keineswegs aber eine alle
gemein gültige hiorallehre, zu der sie eine
händlerisch verzinlagte Mehrzahl hinaufpropa-
gieren möchte.
Adolf Loos verärgerte seine Kritiker durch
die lakonische Bemerkung Ich bin grund-
sätzlich gegen das viele Arbeiten, meine Person
nicht ausgeschlossen."
Hier aber haben wir einen wichtigen Grund
für Loos' Ablehnung des Ornaments. Orna-
ment bedeutet Mehrarbeit. Der Sadismus des
18. Jahrhunderts, seinen Mitmenschen über-
flüssige Arbeit aufzubürden, ist dem modernen
lNIcnschcn fremd." Deshalb hatte Loos auch
die Maxime aufgestellt Die Form eines Ge-
genstandes halte so lange, das heißt sie sei so
lange erträglich, so lange der Gegenstand
physisch hält." Der modische Wechsel der
Ornamente hat aber eine frühzeitige Ent-
wertung des Arbeitsproduktes zur Folge Die
Zeit des Arbeiters, das verwertete Material
sind Kapitalien, die verschwendet werden."
Genau das prangerte Loos als Verbrechen an,
denn zum Unterschied von ästhetischen Stö-
rungen kann die Zeit diesen Schaden nicht
ausgleichen.
ich habe die Menschheit vom überflüssigen
Ornament befreit", verkündete Loos mit Stolz.
Und gäbe es überhaupt kein Ornament
ein Zustand, der vielleicht in Jahrtausenden
eintreten wird brauchte der Mensch statt
acht Stunden nur vier zu arbeiten." Für seinen
Grabstein wünschte er sich die Inschrift
Adolf Loos, der die Menschheit von über-
flüssiger Arbeit befreite." Dabei gab er sich
freilich einer Selhsttäuschung hin Ich weiß,
daß die Menschheit mir einst dafür danken
wird, wenn die ersparte Zeit denen zugute
kommt, die bisher von den Gütern der XVelt
ausgeschlossen waren." Noch sind wir nicht
so weit.
Der Ornamentfeind Loos bekämpfte jedoch
ausdrücklich nicht das Ornament an sich,
sondern den Mißbrauch des Ornaments,
Kümmer- und XVillkürformen und das
ment um jeden Preis.
Dem klassischen Ornament dagegen
sogar eine besondere Funktion zuerkann
Der Zeichenunterricht hat vom klass
Ornament auszugehen. Das klassische
ment spielt im Zeichenunterricht di
Rolle wie die Grammatik. Es hätte
Zweck, Latein nach der Berlitz-Methti
lehren. Der lateinischen Grammatik, um
ter jeder Grammatik überhaupt, verdankt
die Zucht der Seele, die Zucht unseres
kcns. Das klassische Ornament bringt
in die Formung unserer Gebrauchs;
stände, züchtet uns und unsere Formen,
trotz ethnographischer und sprachlicher
schiede eine Gemeinsamkeit der Forme
ästhetischen Begriffe.
Und es bringt Ordnung in unser Leben.
Der klassische Unterricht hat trotz der
schiedenheit der Sprachen und Grcnu
Gemeinsamkeit der abendländischen
geschalfen. Daher ist nicht nur das klas
Ornament zu pflegen, sondern man bescl"
sich auch mit den Säulenordnungen und
lierungen.
Form als Symbol. Architektur als Teichen
011 Hood um Xh in Chicago, 192. Auf-
der Form Zugunsten In. scher tat-m; Unfähigkeit
nzelncn, eine Form ZU sclu n-n
Erziehung beruht auf der klassischen
g.
rchitekt ist ein Maurer, der Latein ge-
Hi.
odernen Architekten scheinen aber mehr
intisten zu sein."
os' unermüdlichem Streben nach Voll-
enheit lagen weitere Bedenken gegen
Ilißbrauch des Ornaments begründet.
gen den häufig vertretenen Meinungen,
IS Praktische die Schönheit ausschließe,
hönheit jedoch eine applizierbare Mehr-
im Sinne von Verschönerung sei,
Loos Unter Schönheit verstehen wir
zhste Vollkommenheit. Vollständig aus-
geschlossen ist daher, daß etwas Unprak-
tisches schön sein kann. Die Grundbedingung
für einen Gegenstand, der auf das Prädikat
,schön' Anspruch erheben will, ist, daß er
gegen die Zweckmäßigkeit nicht verstößt."
Der Lo0s'schen These fehlt also die unbedingte
Eindeutigkeit von Sullivans from follnws
functi0n",und während sich der liunktionalis-
mus mit der zweckmäßigen Form begnügt,
ging Loos sogar über die Portierung nach
ästhetischer Schönheit hinaus und präzisierte
seine Forderung nach Vollkommenheit mit
dem bekannten Zitat Leon Battista Albertis
Ein Gegenstand, der so vollkommen ist, daß
man ihm, ohne ihn zu benachteiligen, weder
Adolf Lons, Kaiser-Franz-losepli-Forurn mit Ministerien
Kuiwrdetiklnal auf den Wicntr Jartenbaugruxiden. Enn
nicht ausgeführt. 1'J1il17. Verwaltung und Repräsenta
des Staates Form als Resultat tmbewußter icsnmtnrlveit
Menschen eine Kulturkreises
etwas wegnehmen noch zugeben darf,
schön. Dann eignet ihm die vollkommen
die abgeschlossenste Harmonie."
Für Loos galt also wie für Gottfried Scm
und für Otto Wagner der Schönheitsheg
des Sokrates.
Ich möchte zu bedenken geben, daß sich
alten Griechen doch auch ein wenig
Schönheit verstanden. Und die arbeiteten
nur praktisch, ohne im geringsten an Schön
zu denken, ohne einem ästhetischen Bcdü
nisse nachkommen zu wollen. Wenn
Gegenstand so praktisch war, daß er nii
mehr praktischer gemacht werden knnr
nannten sie ihn schön."
Adolf Lotvs, Das Haus um Mirhaelerplatz in Wien VYL1
HLHIS". m10. Wictle ufnnhtne einer verlorenen llnugc
nung Einfügung in tut- ictnrirlstliaft
Diese Argumente fanden bei den Zeitgenossen
wenig Achtung, sondern erregten die törich-
testen Angriife.
Alles ist so schön und gut, wie es sich für
seinen Zweck eignet, und so schlecht und
häßlich, wie es sich für seinen Zweck schlecht
eignet" lehrte Sokrates und Loos folgerte
Wir sehen also, daß die Schönheit eines
Gebrauchsgegenstandes nur in bezug auf
seinen Zweck vorhanden ist. Für den Ge-
brauchsgegenstand gibt es keine absolute
Schönheit."
So könnte auch Sokrates' Dialog mit dem
Panzerschmied Pistias mit gleichem Wortlaut
bei Loos stehen, denn dort Endet sich die
Forderung nach zweckgerechter anthropomor-
pher Proportion und die Erklärung der Wert-
freiheit des Ornaments an sich.
Deshalb fand Loos die griechischen Vasen
schön, so schön wie eine Maschine, so schön
wie ein Bicycle". Im gleichen Sinne stellte
auch der amerikanische Bildhauer Horatio
Greenough die Behauptung auf, das amerika-
nische SegelschiH und der Plachenwagen der
nach Westen ziehenden Kolonisten seien am
meisten und nächsten mit dem ursprünglichen
Athen verbunden, und in diesem Sinne der
Synthese von Nützlichkeit und Schönheit be-
zeichnete auch Goethe einen von ihm be-
nutzten einfachen böhmischen Korb als anti-
kisch.
Wie aber Loos die Meinung nicht teilte, daß
das Praktische die Schönheit ausschließe, so
unbarmherzig bekämpfte er auch die übliche
Auffassung von angewandter Kunst Kunst
an den Gebrauchsgegenstand zu verschwenden
ist Unkultur." Zur Bekräftigung zitierte er
Goethe, den er einen modernen Menschen
nannte Die Kunst, die dem Alten seine
Fußböden bereitete und dem Christen seine
Kirchenhimrnel wölbte, wird jetzt auf Dosen
und Armbänder verkrümelt. Diese Zeiten sind
schlechter, als man denkt."
Erst wenn das große Mißverständnis, daß
die Kunst etwas ist, was einem Zweck an-
gepaßt werden kann, überwunden sein wird,
erst wenn das lügnerische Schlagwort ,an-
gewandte Kunst" aus dem Sprachschatz der
Völker verschwunden sein wird, erst dann
werden wir die Architektur unserer Zeit
haben." So predigte Loos, und auf Grund
ihrer Zweckgebundenheit war daher auch die
Architektur aus dem Bereiche der Kunst
auszuscheiden. Loos zeigte die Unterschiede
zwischen beiden auf
Das Kunstwerk ist eine Privatangelegcnheit
des Künstlers.
Das Haus ist es nicht.
Das Kunstwerk wird in die Welt gesetzt, ohne
daß ein Bedürfnis dafür vorhanden wäre.
Das Haus deckt ein Bedürfnis.
Das Kunstwerk ist niemandem verantwortlich,
das Haus einem jeden.
Das Kunstwerk will die Menschen aus ihrer
Bequemlichkeit reißen.
Das Haus hat der Bequemlichkeit zu dienen.
Das Kunstwerk ist revolutionär,
das Haus konservativ.
Das Kunstwerk weist der Menschheit neue
Wege.
Das Haus denkt an die Gegenwart.
10
Der Mensch liebt alles, was seiner Bequemlich-
keit dient.
Er haßt alles, was ihn aus seiner gewonnenen
und gesicherten Position reißen will und
belästigt.
Und so liebt er das Haus und haßt die Kunst.
S0 hätte also das Haus nichts mit Kunst zu
tun und wäre die Architektur nicht unter die
Künste einzureihen?
Es ist so."
Mit der Feststellung, der Künstler habe nur
sich selbst, der Architekt aber der Allgemein-
heit zu dienen, bekräftigte Loos erneut die
sozialen Bindungen der Architektur. Wie
Sokrates sagte, es gäbe kein Ebenmaß an
sich, sondern nur in bezug auf den, der sich
einer Sache bedient", so griff Loos auch die
ästhetische Autonomie des Architekten an und
verpflichtete ihn auf den Konsumenten. Ja, in
Wohnungsfragen ging er noch einen Schritt
weiter und verfocht die Autarkie des Kon-
sumenten die ja auch ein entscheidendes
Kriterium griechischer Staatsvorstellung war
Die Zeitungsschreiber haben es im Laufe der
letzten Jahre versucht, uns Mut zu den
Geschmacklosigkeiten der modernen Künstler
zu machen. Ich will versuchen, euch zu euren
eigenen Geschmacklosigkeiten Mut zu ma-
chen." Denn Wohnungseinrichten hat mit
Architektur nichts zu tun".
Wenn Sokrates von den Häusern sagte, daß
bei ihnen Schönheit und Zweckmäßigkeit
zusammenfallen müsse, so finde ich darin
einen lehrreichen Wink, wie man Häuser bauen
solle", berichtete Xenophon und beschließt die
Wiedergabe von Sokrates' präzisen Anweisun-
gen zu Detailfragen des Hausbaues Mit
einem Wort, die angenehmste und schönste
Behausung dürfte die sein, in der man zu
jeder Jahreszeit für sich die angenehmste
Zuflucht und für seine Habe den sichersten
Ort findet. Malereien und Verzierungen da-
gegen rauben mehr Genuß, als sie geben."
S. Giedion wies darauf hin, daß im alten Athen
sogar ein Gesetz bestand, wonach ein Bürger,
der ein zu luxuriöses Privathaus baute, aus der
Stadt verbannt wurde". So nimmt es eigentlich
nicht wunder, wenn auch Loos verlangte, daß
das Haus unauffällig sein müsse. Er faßt seine
Forderungen in den Lehrsatz zusammen Das
Haus sei nach außen verschwiegen, im Inneren
offenbare es seinen ganzen Reichtum." Loos
fordert weiter Ein Haus gleiche dem anderen!
Wiederholen wir uns unaufhörlich selbst!"
Man befürchtet die Einförmigkeit? Ja waren
die alten Bauten innerhalb einer Epoche und
innerhalb eines Landes nicht auch einförrnig?
S0 einförmig, daß es uns möglich ist, sie dank
ihrer Einförmigkeit nach Stilen und Ländern,
nach Völkern und Städten zu sichten? Eine
gemeinsame Kultur und es gibt nur eine
solche schafft gemeinsame Formen." Wie
Adolf Loos, so argumentierte auch Le Cor-
busier, der Loos viele Anregungen verdankte,
in seinem Buche Vers une Architecture", das
manche Gegenüberstellung von Antike und
Gegenwart bringt Baukunst ist Typen-
bildung. Der Parthenon ist ein an einem Typ
entwickeltes Ausleseprodukt." Loos wies auf
die Unfähigkeit des einzelnen hin, eine Form
zu schaffen. Der Architekt versucht dieses
Unmögliche immer und immer wieder und
immer mit negativem Erfolg. Form
Ornament sind das Resultat unbew
Gesamtarbeit der Menschen eines
Kulturkreises. Alles andere ist Kunst.
ist der Eigenwille des Genius. Gott gal
den Auftrag dazu."
Aus Achtung der Kunst wies Loos
19. Jahrhundert ein großes Kapitel ii
Geschichte der Menschheit zu Ihm
danken wir eine Großtat, die reinliche
dung von Kunst und Gewerbe herbeigi
zu haben."
Zuletzt sei darauf hingewiesen, daß Loo
sein kritisches Verhalten, das ihm im
gehend kritiklosen Österreich der Jahrhu
wende viel Feindschaft einbrachte, in der
geprägt hat. Schon das Lehrer-Schüle
hältnis in den Vereinigten Staaten, das ja
dem Verhalten der sokratischcn Gen
entspricht, beruht auf freier Diskussioi
weitgehender Kritik, und das Recht,
sagen zu dürfen, gilt in den USA als L.
grundlage der Demokratie. James
Brestead betonte Ablehnung ist eine
wichtige Kraftquelle allen Fortschritts"
folgte damit der antiken griechischen
fassung. Ein weiterer dynamischer
begrilf des amerikanischen politischen
ist Solons Forderung nach Parteinahme.
für Goethe bedeutete ja Neutralität ii
scheidenden Fragen der Gemeinschaft
heblichkeit und demnach versteckte Tyr
Aber Solons Prinzip war für Goethe nich
verstandesgemäß begründet, sondern
tätigen Mannes Behagen sei Parteilicl
Adolf Loos übte sie geradezu lustvol
bekam es auch zu spüren.
Jedesmal, wenn sich die Baukunst immi
immer wieder durch die Kleinen, durt
Ornamentiker, von ihrem großen Vc
entfernt, ist der große Baukünstler nah
sie wieder zur Antike zurückführt.
Schwelle des 19. Jahrhunderts stand Scl
wir haben ihn vergessen. Möge das
dieser überragenden Gestalt auf unsere
mende Baukünstlergeneration fallenl"
schrieb der Reformator Adolf Loos,
der Schwelle des 20. Jahrhunderts stanr
war es gelungen, fast nur ihm, durch
innige Verbundenheit mit dem Vergan
vorauszufühlen zu früh was ko
würde. Dies macht ihn zum Repräsen
einer Gesellschaft und einer Kultur,
noch nicht haben. Wir haben ihn nicl'
gessen, aber seine künstlerischen Gegner
sein Beispiel in eine falsche Lehre umger
Möge das Licht dieser überragenden
auf unsere kommenden Architekten fallt
LITERATUR
Adolf Loos, Sämtliche Schriften, Wien 1962.
xChOphOD, Memorahilien. uberlragen von v. La
München 1950.
H. o. F. 10m, Die Griechen, Von der Wirklichkeit
schichtlichen Vorbllds, Fmiknin a. M. 1960.
s. GlEdlOn, Architektur und oemeiiisciim, Hamburg 19
JOHIHDCS Urzidil, Amerika und die Antike, ziiiini 1964.
ra Behalova
VILLA KARMA VON
DOLF LOOS
Adolf Looß, Villa Karw
PcrgolrZubzu
bei Clarcns. Die Nordsci!
md dl
Jahre 1910 schrieb Adolf Loos über die
hitektur nur ein ganz kleiner Teil
Architektur gehört der Kunst an das
ibmal und das Denkmal. Alles andere,
was einem Zwecke dient, ist aus dem
che der Kunst auszuschließen Das
nstwerk wird in die Welt gesetzt, ohne
ein Bedürfnis dafür vorhanden wäre. Das
JS deckt ein Bedürfnis
diese Erklärung kann man diskutieren.
könnte mit Beispielen beweisen und
könnte solche leicht auch im Schaffen
Adolf Loos finden daß auch ein Haus
Kunstwerk sein kann. Undiskutierbar ist
ch die Tatsache, daß das Haus ein Be-
fnis deckt; ohne dieses Bedürfnis entsteht
nicht, wohl nicht ohne die physische
son, die dieses Bedürfnis decken will. Der
hitekt ist vom Auftraggeber abhängig. Er
nicht in die Schublade" bauen, wie, z. B.
Maler unter Umständen malen kann.
erste Gelegenheit, zwar noch nicht einen
ibau, jedoch wenigstens einen größeren
bau zu entwerfen und zu leiten, bei dem
auch das Äußere gestalten konnte, fand
lf Loos erst sieben Jahre nach seiner
rkkehr aus Amerika. Seine Position in
war oifensichtlich nicht beneidenswert.
Jahre 1898 gewann er zwar den zweiten
is in der von der Fachzeitschrift Der
hitekt" ausgeschriebenen Preisbewerbung
das Thema Die alte und neue Richtung
ier Baukunst eine Parallele mit beson-
er Rücksicht auf Wiener Kunstverhält-
seine weiteren Aufsätze, seine Kritiken
die Tätigkeit seiner Berufskollcgen,
über das kunstgewerbliche Schaffen und die
österreichischen Verhältnisse erweckten aber
viel Widerstand und schufen ihm viele
Feinde. Es war kein leichtes für Loos, sich
durchzusetzen ohne Stempel" des Absol-
venten der Wiener Akademie oder der Wiener
Technischen Hochschule, ohne irgendwelche
starke Persönlichkeit" im Hintergrund. Es
gelang ihm nicht, auch nur einen seiner Ent-
würfe für größere öffentliche Bauten aus-
zuführen. Nur dort, wo er seine außerordent-
liche Anziehungskraft, seine Menschen- und
Lebenskenntnis, seine vielseitige Bildung ein-
setzen konnte, erwarb er Sympathien und
damit auch Bestellungen und dies haupt-
sächlich in einer gewissen, mit Vorurteilen
unbelasteten Gesellschaftsschichte.
Einem höchst freigesinnten Personenkreis
gehörte auch der Auftraggeber des erwähnten
Umbaues, der zwischen Clarens und Vevey
Schweiz stehenden Villa Karma", der
Physiologe Dr. med. Theodor Beer, an.
Dieser war eine außergewöhnliche Persön-
lichkeit. Die Begabung des damals siebenund-
dreißig ahrigen ordentlichen Professors der
Medizinischen Fakultät an der Wiener Uni-
versität beweisen auch mehrere wissenschaft-
liche Fachpublikationen; seinen umfassenden
Weitblick zeigen seine Kapitel über die Kunst
und vor allem seine Weltanschauung eines
modernen Naturwissenschaftlers ein nicht
kritisches Referat über Machs Analyse der
Empfindungen", welche auf dem Gebiet der
menschlichen Psychologie in gewisser Hin-
sieht die Einstein'sche Relativitätstheorie vor-
wegnimmt.
Zum Kontakt zwischen Loos und Doktor
Beer kam es Anfang 1903, vielleicht schon
früher, doch erst im Dezember 1903 zu einer
persönlichen Begegnung. Die damalige Posi-
tion Lo0s' und den Charakter des Auftrag-
gebers zeigt folgender Auszug aus dem Briefe
Dr. Beers, den er an Loos nach seiner ersten
Besichtigung der Bauanlage schrieb ich
gebe wenig darauf, was man mir sagt, aber
sehr viel auf eigene Erfahrungen. Daß Sie
sich hier einen Namen machen können, ist
sicher. Wenn Sie mich zufrieden stellen, werde
ich selbst, mit allen meinen Kräften, und die
sind nicht gering, dafür sorgen... Ob Ihr
Geschmack meinem entspricht, werde ich erst
sehen müssen. Desgleichen, ob Sie Ihren
schlechten Ruf der Unverträglichkeit und des
Nichtfertigwerdens desavouiren werden
Zeigen Sie ietzt, was Sie können, werfen Sie
sich mit Eifer und Lust auf diese Aufgabe,
wo man Ihnen mit so viel Verständnis ent-
gegenkommt. Es wird sich lohnen."
Der Umgang mit einem derart selbstbewußten
Bauherrn war sicher nicht ganz einfach.
Doch mußte Dr. Beer von Loos stark beein-
druckt sein, denn er hatte sich binnen kurzem
entschlossen, ihm die Inneneinrichtung seiner
beiden Häuser in Clarens zu übertragen" und
ihn auch seinem Vater als Entwerfer eines
neuen Hausbaues und seiner ganzen Innen-
einrichrung, ebenfalls in Clarens, vorzuschla-
gen. Dr. Beer besaß nämlich eine schöne
Anlage am See, die sogenannte Maladaire",
wo ein Wohnhaus und ein Wirtschaftsgebäude
mit Weinkellern stand, sein Vater besaß auf
der anderen Seite der Landstraße, am Abhang,
forme
ANMhRKUNG ZU VERTRAG
um LzMAN
vuanmc
m. hcn Hurn Architßktcn Adolf Luos wem und Herrn Prof. Dr, Theodor Brcr mm-n
I. Hurr Laus crhäll ein Honorar von F100 drl Ruthmmgvn für Inncnxlckorarinn. nlic von 1h
bcnlrgt wird.
n. Hciragvl am Rethuungun mehr als 40.000 Kr. einem jmhrc. vom mrrrm dcr crärcn
Hcslcllung an gerechnet, so verlangt Herr Lou dlc Ikcisckm mcln Vvlguret.
HI. Herr Luos wird von Pmf. Th. Heer bei incr Anwcwxuluuir La Tnur 0d. Ilrncxxs als
rrrpar-gr.
lV. Herr Luos verpflichlrl xinh, in jcdcnx Monat dcs jahres hix Yllf Ablicfcrxuxug mindcxlcxrs W04"
in Ilarcns zuznhringen. um pcrsnnliclt m.- Arhclz zu übrrxvurhcn.
V. Bu Reisen ins Auxlund zu Ankaufvxx" "km ucrdcxl Hurru Luos Ilciw- und Hulcl-Kustcnohw
wcilurc Emsclaädigung bcz m. msp. vcrguu
lV. Herr Laus verpfiichtvl ,dic Zv hnungcxl fur Gartenmauer, Gnrtcnmrc u. .1. Klcinigkeln
zusurlulh du; Hauses, xmun fur audrcrc zum "rnrrcn gchdrigc Nrbcnr5unu' in Kanu und Chaun
ohne Honnrar zu liefern.
10. Februar 1905 Lu Tour Pcm Sull
Pruf. Dr. Theodor Bccr m. p. Adolf Luos m.
Adolf 1.005, Villa Kurma. Slluurinmplalu
Vilh Karmn 1m Warenli, La Mzladmru" mir dcn
Wolmlum
Adolf 1.005. Eruwklzzcu der Vilh Kamm. Albcninn
Adolf 1.005, Villa Kanus. Jrundnll dcS Huthpu
Jvalcs Veslihül Vorraum Garderubc
bmdungsraunx llzuchulon lmmcr
glastc Veranda SSirzruuIn runder cknxalit
ihr-k 10 Lclzu-s TmVLM mit Schrcihmch
nuuu 12. lzraum mit Kamin ohne Tngcslichr
riclnv IHcnsrnnadchclxzinxucr
m4- um
iChalr wurde rLrr chcm. Gulhrnxs, dm
Amlnng 1904 nusgchralmt m. gvIIuulII. Vum
Neubau nurdc nur ein Fragment zuxgc-
Fuhn.
Adolf Lous. Vllla Karma. Strnßcnfaxxudc Osrscuc
Adolf Lnus, Vxlln Kanus. ScC-Fasi21lr' um dem sl
lichru runden Eckr am. Im vrRren Sinn. WJI dm
ursprunglidx unv um
Cliil DlC IUII FICUUC UHU LICDC an UCSC
wöhnlich einheitliche Arbeit gehen und
'ercin mit mir etwas besonders gediegenes
werden
bei erster läesichtigung der Anlage hat
die irundlösung gefunden. Sie sah die
estaltung des gesamten Termins vor eine
iefung zum See mit Platz für eine Ter-
sowie die Anlage eines Bootshafens, die
"htung von Tennisplätzen mit Umkleide
hen anderer Gartenbauten, die
äunung der ganzen Anlage und
die Vergrößerung und die Innenaus-
ing des Wohnhauses und den Umbau
hemaligen XWirtschziftsgcbaudes, welches
Galerie an der Seeseite haben sollte.
Vorarbeiten gingen schnell vorwärts
Auftraggeber und der Architekt waren
liifer. Schon im Dezember 1903 ver-
elte Loos mit dem Wiener Tapczierer
elm Kremser, der die Tapeziererarbeiten
ihren sollte; die Messingarbeiten sollte die
ICI Firma Johann Heeg, die Zentrale
ngseinrichtungen die ieher Fabrik
Amman 8c Roetler liefern. Sämtliche
rbeiten führte die Schweizer Firma O.
nchy 8c liils, Vevey. unter Loos, Leitung
Bis Linde Januar 1904 sollte l.o0s Detail!
und Zeichnungen der Fassaden liefern.
die Entwürfe der Umbauarbeiten wurde
separat von Fall zu Fall honoriert. Der
O. Februar abgeschlossene Vertrag setzt
lic Honorierung für die Inneneinrichtung
und
VUr
Dr. Beer hingegen skizzierte, wie nach seiner
Vorstellung das Entrem des Wohnhauses
ausschauen sollte eine kurze Treppe von
beiden Seiten führte zu der Haustür, die sich
hinter den vorgestellten Nlarmorpfcilern ver-
barg; die Untermauerung sollte an der Stirn-
wand mit Messing beschlagen sein, das
Messinggeländer in einfachen geometrischen
Formen ausgeführt werden; der glänzende
Hintergrund sollte die strengen Konturen
eines Sarkophagcs hervorheben, der als Brun-
nen in der Äiittelachse vor der Untermauerung
angebracht werden sollte. So ein thea-
traliseher Effekt widersprach sicher dem Loos-
sehen Geschmack. Wie sich die "Mitarbeit"
des Bauherrn und des Architekten weiter
entwickelt hätte, ist schwer zu sagen. 7.ur
Ausführung des Haupteingangcs nach Doktor
Beers Vorstellung kam es nicht, unerwartete
Umstände haben ihn auch von weiteren Vor?
schlagen abgehalten. Wegen eines Sittlichkeits-
deliktes beschuldigt, fuhr er schon im Mfir219U4
nach Amerika, womit er weitere Verfolgung
vermeiden und auf diese Weise die ganze
Angelegenheit in Vergessenheit zu bringen
hoffte. Diese Affäre bedrohte ihn auch finan-
ziell, so daß er auf eine besonders luxuriöse
Einrichtung der Villa verzichten wollte. lir
dm IN Alf Yßnhxzl
dcr Vmraunu
hielt sich in Amerilm mehr als cin Vlah
Während nli Zuit hat Lnßs von
und Vater Dr. läccrs untc utzt, in
snmmenarhcit mit der Firma Lavanc
Äclnptierung der Villa und den wicht.
Teil ihrer Hinrichtung ausgeführt.
Loos berücksichtigte wnhl das spuzi
ßc iirfn des Bauherrn, jedoch als
lmngiger Schöpfer.
Dem Wunsche Dr. Bccrs cmdli sollt
neue Villa Kamm cn, XHU ein m1
Haus zlusgc Attct scin snlltc. und glc ch
cinc außcrg öhnliclwe Persönlich
scnti ran. Vor allem snlltc es aber "cinc
dcs Prix rlulwms" für lcn Bauherrn und
iungc lU werden. Dic Lösung. du Lr
rcalisicrcn hugunnun hat traf den Kcr
Suche Clic wohnliche Zwuckmäläigk
der matter mit"-Bcqucrnlichkcit
zuncrikianisclwcn zihnungcn eng vcrwand
"gt, wie lnus als lugis kundcr 1.
lccnncr die Folge clcr um und ihrc
.4
141
x.i
Adolf Luxus, Villa lurntt. Hocbparlerrt- der iilftlßlhläüfalllll
m1 des Vorratututs
Atlnll" Laus, vm. Karma. im Rauthultvn Huchpnrterrc
AtlulfLons, vnu Kmnnii. Ellnnuncr im Hoehpnrlerrc
......,
Privaträunten entsprach der letzten Forde-
rung.
Die Abschirmung gegen das Außen
manifestierte schon die strenge, kompakte
Fassade, die nur durch drei langgestreckte,
farbige Glasfenster durchbrochen wurde. Die
Haustüre verdeckten strenge dorisclwe Sand-
steinsäulen. Die turmartigen Hausecken und
die einfachen geometrischen Formen der zwei
ineinander gesetzten Kuben betonten den
FestungsWCharakter des Hauses. Dieser
EHiekt wurde auf eine bewundernswert ein-
fache XVeise erreicht der Zubau bildete eine
Ummantelungf des alten Hauses, welches als
Hauskern erhalten geblieben ist und
ein weiteres Stockwerk erhöht die nied-
rigere Llmmantelung überragte. Die Ge-
gebenheit des Hauskernes, der von drei Seiten
ohne direkte Verbindung mit dem Außen-
raum und ohne Tageslicht war, gab Loos die
Möglichkeit, die für das intimste Privatleben
bestimmten Räume von den übrigen bewußt
und wirksam ZlJZUSOHÖCXH.
Trotz der betonten Hurixontalglierlerung der
Fassaden, die nach Einfügung in die
Landschaft strebt, bcvrahren die durch Risalite
und Pfeileraufbauten betonten Hauseeken den
geschlossenen, blockartigen Charakter des
Hauses nicht nur in der kompakten Straßen?
fassadc, snndern auch in den beiden Garten-
fassaden zum See und zu dem Dents du
ÄlirlFS-ielairgc, mit der schönsten Aussicht,
mit ihren breiten Fensterreihen. Durch einen
eigenartigen, fast unmerklichen perspektivi-
schen Trick erreichte Laos die XXfirkung der
fest zusammengefaßten Fassaden die Breite
der großen Fensteröllintingen in den zwei
übereinanderliegenden Geschossen sowie die
Breite Arkaden auf dem Niveau des
Gartens nehmen beiderseits zur Mitte ab;
so hat man den Eindruck, als 0b der ganze
um
der
Bau von den Eckrisaliten fest zusammen-
gehalten wäre, womit der Blockcharakter
gewahrt bleibt. In der vierten Außenwand,
die zwischen den weit xiorspringenden recht-
eckigen Llmmantelungs-Flügeln zurücktritt und
mit der Nord-Außenmaucr des alten Hauses
identisch ist, sind Fensterötfnungen verschie-
dener Größe ausschließlich nach dem Bedürf-
nis der lnnenräume durchgebrochen. Eine
umlaufende Terrasse mit hoher Brüstungs-
mauer deckt den Zubau, ein flaches, ausladen-
des Dach den Hauskern. Der tiefe Vorsprung
der licktisalite an der Nordseite wird mit
einer Säulengalerie auf Gartcnniveau und einer
PergnlailI-rrasse im Hnchparterre gemildert,
ebenso die Rechteckigkeit sämtlicher Bau-
elemente durch eine markante Abrundung des
südwestlichen Eckrisalites.
Das
XiCr-rhsr-ln des Rrrhtr-ckiacn und des
dratische Disposition des vergrößerten Hauses
erreicht wurde. Die Hausachse lief durch die
Iiingangstür in der Straßcnfassatle, weiter
durch den langen Vorraum und schmalen
Verbindungsraum zwischen dem Eßzimmer
und dem Rauchsalun, durch die Wandnische
in der Veranda und mündet durch das mittlere
schmalste Fenster ins Freie. lhr folgt der
Besucher, welcher von der Straßenseite in das
Haus eintritt.
Die liingangsrür hinter den Säulen ist beider-
seitig ntit Bronze beschlagen, das
Yin-Yang-Symboll in spiegelartiger Stellung
ist als einziges dekoratives Motiv aus beiden
uralte
13
Türflügeln ausgeschnitten.
Das Vestibül überrascht
absoluter Gegensatz zur einfachen, strengen
Fassade auf ovalem Grundriß, durch zwei
Hausniveaus emporsteigend, ist es in sich
völlig abgeschlossen und glüht in der warmen
Farbigkeit des braunroten Marmors, des
goldenen Mosaiks und des hievon reflektierten
künstlichen Lichtes. Der beinahe barocke
Effekt läßt unerwartete, seltsame Eindrücke
vnrausahnen.
ln ähnlichem Kontrast wie die Außenwand
zum Vestibül steht das Vestibül zum Vorraum
gangartig, in dezenter Zweifarbigkeit
den Besucher als
der
braun geheizten Eichenholzverkleidunge
weiß verputzten Decke und des weißen
morfußbodens wirkt er elegant und vorr
Die Perspektive der Dcckenbalken beton
Lauf der Bewegung. Bevor man aber
den Vorraum zu den Gesellschaftsrä
kommt, legt man in der Garderobe al
einen Teil des Vorraumes ausmacht;
linke Wand besteht Einbauschri
hinter der Holzverkleidung. Die Querbz
decke verkürzt und verbreitert illusioni
diesen Raum und knüpft an die Teilun
breiten Fensters an, was an japanische
wäntie erinnert.
GUS
er Segmentbogen am Anfang des Verhin-
ungsraumes leitet zu den runden Formen über,
enen man in den nächsten beiden Räumen be-
egnet, den gewölbten Nischen und der kon-
aven Kaminstirnwand im Rauchsalun, den
bgerundeten Türwandungen im Eßzimmer.
iese beiden reich ausgestatteten Räume sind
Iittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens im
Iochparterre. Die Xliiandgliederung, dic be-
Jhigende Tönung der stmhfarbenen grass-
loth-Tapeten" und des blaßblauen Stuckver-
utzes,dic feinen Nuancen der Kaminkacheln,
idirektes Tageslicht oder Kerzcnbeleuch-
ing, das Kaminfeuer, alle diese Komponen-
Adolf 1.005, Villa Kmrmn. Die Ficnstcrxreranda im Hoch-
parterrc
Adolf Lnos, Villa Kamm. Der öitzriiuin im runden Eck-
riszlit im Hochpanci-rc
Adolf Laos, Villa Kanu Die Bibliothek im Huchparterre
Adolf Lom Villa Karmn. Die Arhe secke in der Bibliothek
Adolfhoxix, Villa Kaum. 17er Schreibtisch im letzten Traum
der Bibliothek
Adolf Loux, Villa KLWXHI. hitvriuixn hei der Bibliothek im
Hauskcrnl
Adolf Loos, Der Schreibt" in der Bibliothek. biitwurfs-
Ztfkhllllllg. Albtililiil. wiiii
KIMERKUNGEN 23
YiU-YIIHQ-S lllb 'l'lil'lL'SlSk' niiiiii JllCklC kUXHIiSChr VUT-
sftllullgfl iii i-iii iiiiii-ii ClllC Liiiii- iii CIHC iiiiiiui- iiiiii eine
helle Hält ZU he'll syllllllillkilifl it'll lLlil'
llkllllß wi-ii. Yll! ii-i dilk hllfliit, Yillig llfli lNiHlIllfhC
l'fin7ip.
iziiiiiimiiik llCS FCXHICIZK iiii LÜMHIIHLT lllhl llvtiiölllylrl!
Ubll! liCH "am iii dlT siisnt-iirimiii- läUXlUlIUH JIH
ätClnilfflgßh GlRKSlHCkPlL liClCIl I.lläilllillitllttllllll;
iiii-iii i-iiiiiii. uit- oii iiii-iii-ii Riff rflhllßf iilhl Hifhl glMl.
ilifldkifl beitl Iselll! filllll, ii-ii- Clllt sii-iiipiiiiiitiiiiiii.
ten bewirken Behaglichkeit und intimes Milieu.
Dagegen ist das Eßzimmer mit seinen weißen
Marmorwandverkleidungen, dem schwarz-
weißen Schachbrettdekor des Bodenbelages und
mit der mit quadratischen Bronzeplattcn besetz-
tenDecke sehr feierlich gehalten. Das Tageslicht
dringt durch hohe verglaste Türen, die fünf
in die Decke versenkten Beleuchtungskörper
plafonieren verteilen ihr Licht gleichmäßig
im Raum. Das knapp an der Decke einge-
lassene Fenster, aus farbigem Glassteinmnsaikl
zusammengesetzt, bringt einen farbigen Effekt
in das Schwarzweiß des Raumes.
Von vollem Tageslicht wird man umgeben,
sobald man die verglaste Veranda betrit sie
öfTnet sich nach vorne auf den See zu; dies
Richtung ist durch die schwarzen Querwände
welche die Länge des Raumes abgrenzen
angedeutet. Durch ihre vorwiegend schwarz-
weiße Farbigkeit, durch das Marmor- unc
Metallmaterial, durch die gleiche Deckenhöhc
ist ihre Zugehörigkeit zu den Gesellschafts-
räumen betont. Auf der einen Seite ist sie
durch einen kleinen Vorraum mit dem Garten
auf der anderen Seite durch den Sitzraum ir
dem runden Eckerker mit der Bibliothek
verbunden.
Vornehm und ernst, in Mahagoni und Marmor
lf
mit Spiegeln an den schmalen Stützen zwischen
den breiten Fenstern, spiegelt der Bibliotheks-
raum das intellektuelle Leben. Bei vollem
Tageslicht oder in gleichmäßiger elektrischer
Beleuchtung geht man beim Suchen eines
Buches an der Bücherwand entlang die ein-
fachen Beleuchtungskörper sind am Übergang
der Decken- in die Wandvertäfelungen in
eine schräge Leiste eingelassen. Eine höhere
Brüstung unter dem rechteckig gegliederten
letzten Fenster hebt diesen Raumabschnitt der
Bibliothek hervor in diesem Travt'" steht
der Arbeitstisch. Hier ist der Raum recht-
winkelig geknickt. Das aus kleinen, farbigen
und in Messingrähmchen eingesetzten Glas-
tafeln bestehende Fenster läßt das Tageslicht
nur durchschimmern und gibt diesem letzten
Teil der Bibliothek einen völlig anderen
Charakter. Irn kleinen, der Bibliothek angefüg-
ten Raum, der gänzlich im Hauskern liegt und
den das Tageslicht nicht erreicht, kann man am
Kamin seinen Gedanken nachgehen. AlleRäume
im Hochparterre haben die gleiche Deckenhiihe.
Die Räume im I. Stock sind entweder durch
eine schmale Treppe im Hauskern oder durch
eine Schneckenstiege aus den Gesellschafts-
räumen des Hochparterres erreichbar.
Aus der ursprünglich offenen Veranda im
I. Stock, vorbei am Eckrisalit, betraten die
Gäste einen großen blusiksalon, der die
ganze Länge des Hauskernes einnimmt. Der
Parkettboden, die Wandverklcidungen, die
Kassettendecke in naturfarbenem, leicht pati-
niertem Eichenholz, die zahlreichen Bilder, ja
die ganze Ausstattung dieses Raumes erinnern
an die Bildergalerie eines Schlosses. Das
einzige Fenster in einer tiefen Nische, ziemlich
hoch angesetzt, am Ende der Längsachse
bietet Aussicht auf die Baumkronen und ist
eher ein Naturbild" als eine Lichtquelle.
Die Beleuchtungskörper sind an den beiden
18
Längswänden knapp unter der Decke, über
den Bildern angebracht. Der Salon kann durch
eine Treppengalerie auch von den Privat-
räumen betreten werden.
Als Verbindung der Privaträume mit dem
Hochparterre dient eine schmale Treppe,
an deren Ende eine Vessinggittertür die
Privat- von den Gesellschaftsräumen trennt.
Die Perspektive der Wandverkleidungen und
die Balkendecke, das schmale Fenster mit
einfarbigem transparentem Glasmosaik geben
dem Treppenraum den Charakter eines ge-
heimnisvollen Schachtes. Diese Raumgestal-
tung knüpft an die Vorstellung des Bauherrn
an, der eben eine Geheimtreppe" zu den
Privaträumen haben wollte.
Der Mittelpunkt dieser Privaträume sollte
das Schlafzimmer sein. Das seltene Ver-
kleidungsmaterial unterstrich die Einzigartig-
keit dieses Raumes die ins Silberweiß spie-
lende Perlmutterdecke harmoniert mit gold-
gelben Blumeneschenholz-Wandverkleidungen,
mit Mcssinggittern, die die Heizkörper ver-
decken, und mit hellblauen Seidenvorhängen.
Köpfe von Messingnadeln zeichnen Quadrate
auf die Perlmutterdecke, schwarz-weiß karier-
ter hlarmorfußboden verleiht dem Schlaf-
zimmer Noblesse. Die geringere Höhe des
Raumes unterscheidet das Schlafzimmer von
allen anderen Räumen im I. Stock; seine In-
timität wird noch durch eine Bettnische betont.
Völlig im Hauskern gelegen, mußte in erster
Linie mit künstlicher Beleuchtung gerechnet
werden; das Tageslicht konnte nur durch eine
WandölTnung eindringen, die sonst durch
einen Vorhang verschlossen War. Der Perl-
mutterdecke kommt im Hinblick auf die
Beleuchtung eine wichtige Rolle zu, sie
reflektiert das Licht der in den Ecken des
Raumes am Rand der Holzverkleidung ange-
brachten Beleuchtungskörper. Eine Waschecke
hinter der Wandverkleidung ergänzt den Kom-
fort des Schlafzimmers. Die freistehenden
Möbel wurden nicht von Loos entworfen,
nicht einmal ausgewählt. Das Ehebett sollte
ursprünglich aus Messing sein.
Der an das Schlafzimmer angrenzende Teil
der sonst iffenen Veranda war verglast die
heutige Verglasung der ganzen Veranda ist
aus späterer Zeit und dient am Tag als Arbeits-
platz, abends als Sitzecke am Kamin. Dies
stimmt mit der Konzeption von Loos überein;
auch bei Adaptierungen von Wohnungen
richtete dieser gerne einen Teil des Schlaf-
zimmers als Sitz- und Arbeitsecke ein. Die
heutige Möblierung dieses Verandateiles ist
ebenfalls späteren Datums.
Im zweiten an das Schlafzimmer anschließen-
den Raum geht nur noch die Raumgestaltung
auf Loos zurück Die Kassettendecke be-
rücksichtigt die Gliederung der Fensterwand,
die sich in der Mitte durch eine Tür auf den
Balkon öliinet.
Zu den Privaträumen gehörte das Badezimmer
im I. Stockwerk. Scinc luxuriöse Ausstattung
in antikisierendem Charakter entsprach den
Intentionen des Bauherrn und ging teilweise
auf seinen direkten Wunsch der
Körper, mit allen physischen Bedürfnissen,
war für Dr. Beet wie für den antiken Men-
schen etwas, dessen man sich nicht schämen
mußte, das hingegen gepflegt werden sollte.
Er wünschte es, beim Badezimmer einen
Raumteil für Gymnastik zu haben. Diesem
Zwecke ist der obere Teil dieses Raumes, mit
Oberlicht und Kamin gewidmet. Die zwei
Marmorbadexxannen sind im unteren Raum-
teil, zu dem man über vier Stiegen zwischen
den Säulen hinuntcrsrcigt, eingebaut. Das
Badezimmer war der einzige Raum mit ver-
schiedenen Fußbodenhöhen. Der Bauherr
wollte sonst keine Fußhoden-Niveauverschie-
dcnheiten im ganzen Haus! Man darf nicht
stolpern!"
zurück;
11111 1.11111, v111.1 Kamm. 1111 51111111111111111-1 1111 1. s11111.
11111111111 V11. K111111. 1111- u1111ez111111w111111- 111111-111111111-11
111111 1111 s11111-111
11111 1.11111, v111.1 11111111. m1 11111111111111111 1111 1. 1111
11111 1.11111, v111.1 14111111. 111-1 T11-pp1-111111111 1111 11.1111 111
11111 1.111 v11111 141111111. 11111 x1111111 1111 bitz- 111111 111111-111.
1111 111-1111 s1-111.1r111111111-1 11111 1. 510111
lRKUNGEN 4.
dem Schreibtisch Tur die Bihlinthek. der nach Lum-
1111 1111111011111 111111111 1111 1.11111 das s11z11111111-1. 1111- 11111111-
111-1111-11- Auxxniuungs-llwjekre 111 v1-111-111t-111-111-11 01-11-111111-11
lassen. Zu diesem Zuxeckr
schun im Jahre 190-4 eine Reis nach Paris und London
mmcu haben. Sein Aufuntltalr in London im Februar
1'706 ist aus der Korrrspondexn nnrhw Rhar.
Heinrich Kulka, Adolf lnns. Wir-u 1931. S. I8.
Die Inneneinrichtung, die unter L00s' Leitu1
ausgeführt wurde, endet mit dem Badezimmc
Die Ausstattung des zweiten Stockes erfolg
später, wahrscheinlich erst nachdem
nächste Besitzer das Haus im Jahre 191
nach dem Tode Dr. Beers von seinem Soh1
gekauft hat.
Von den anderen Bauten, die Zum Ha
gehören sollten, wurde noch unter Loos
'l'ennishäuschen heutiges Gärtnerhäusche
und ein Teil der Ummauerung des Gurte
ausgeführt. Der Umbau des Nehenhauses
Wirtschaftsgcbäudes wurde im Parterre
einer llalle und im I. Stuck zu einer Pergc
reduziert. Die Firma Lavanchy hat dies1
Bau, wahrscheinlich nach einem Entwurf vr
Laos. aber ohne Loos gebaut.
l-lin Neubau für den Vater Dr.
nicht in Frage, weil dieser plötzlich im
tober 1905 starb. An der Renovierung
Hauses SangatzW hat Loos nicht mitgearbeitr
Das tragische Schicksal Dr. Beers, welch
der Verurteilung nicht entgangen ist und
im Laufe einiger Monate nicht nur seine ak
demisehen Grade, sondern auch seinen
lichten Vater und seine junge llrau verlor
hat, haben die ursprünglichen Voraussetzu
gen des Umbaues der Villa Karma wesentlit
verändert. jedoch ein anderer Umstand dürf
wichtiger als alle diese Hindernisse sein
scheint, daß Bauherr und Künstler ihre Idee
späterhin mit Fortgang der Arbeiten nic
mehr in Einklang bringen konnten.
Beers ka
In Heinrich Kulkas Buch4 wird die Ferti;
stellung der Villa Karma dem Architekt
DOKUMENTE
MEN SCHLICHEN
KONTAKTES
Dieren Beitrag verdanken wir der Inilia-
live von Frau Vem Behalovd, die im Zuge
ihrer Arheilen über Adalf Lau die Be-
ziehungen zu derxen jebülern und Freunden
lzerrtellle.
20
Adolf Laos zu seinem 100. Gebunstzg von seinen Fremden
und Schülern. idrnung Oskar Kokoschk
Widmung der Schrifulellerin Karin Michaclis an Adolf loos.
Dänemark, Nuvember 1938
1.
Thurß Danemark llov 1938
Adolf Leo ist einfach ein Genie gewesendlr und er allein hat eine gar
-neue Bauteknik in die yslt gebrachtßingsherum in "urspzische Guss
stehen seine Bauwerke als Dennale seiner Genialitatßs sind die klare
dicwannige Qrhaltnissc, ertwas ganz unerklarlichschsnes, und dazu
chesmer einnal ein Flaus ven ihn besitz, väurde lieber sterben als sie
trc-nnemEs sind alaadie Äussere schlichte Facade, die innerelwunderbar
Sfzttete Raume bald inEdelhäiclz bald in Marmor bekßiäetßinfalle, von de
nmrliuberraschz und lilbernalßigt vairdlstramen van seinerSchaffungsquelle.
Er kann solche Äundere vellbringen, dass er ein Raum welches klein ist
scheinen lässt und umgekehrtJJr versteht-als und Kinderzimmer zu mache
rieftzuienals vorher sah ich etwas es herrlich, sI bewohnbar,
so ganz, ganz naturlicinEroaut ein daus, und man glaubtles hatllnsummen
kostet, und es ist ganzkbillig gewesemlch bin ausserurdentlich heru
gefahren in "urßpa, in-Ämerica, aber bis heute nirgends habe ich "shnha
oder Iaaden gefunden, diezihn den Rang sxtrsiti; machen Messen.
Es kam einAdolf Laus, er war da, er prägte seine Eeit, und was er gele
habe wird Jahrhundert als das ganz richtige scheinen.
Anfangs hat man! ihr. sogar ausgelacht, was er wolltawas zu neu fur ein
kA1e.".ir4.
alte verucckertc. elt, aber bald wendete sich das Blatt, und man wurde
Xtnsz ihn in seiner Zßitte zu habemEs ist fur uns alle ein Glück, dass
Falke
mp4 seinem Tode seinen Lieblingeschüler und Nachfolger Heinrich El-ka uns
liess eeineferke seine Ideen weiterzufuhren und! kraft Kulkas eigene
tasi sogar zu erweitern.
NRICH KULKA
Schülcr und engster Lousvhlitaxrbcitur,
Scin ßnubüru in WÜcn Kärntncr Straße
paar Üaaanfr
aren am 29. März 1900 in Litovel CSSR
ren. Hat die Technische Hochschule in
absolviert; gleichzeitig besuchte er die
-Scl1ule ab 1919. Zwischen 1920 und
hat er als Zeichner an den Siedlungen am
aerg, am Chikago-Tribune-Projekt und
rideren Projekten mit Loos mitgearbeitet.
Loos nach Paris ging, nahm er einen
an in Stuttgart an, um den Betrieb eines
sehen Büros kennenzuletnen. In Stuttgart
ite er Bekanntschaft mit dem Architekten
av Irbleirber, einem Loos-Schüler aus der
zriegszeit, mit dem er Freundschaft fürs
schloß. Aus Stuttgart wurde Kulka
Loos nach Paris berufen, als Nachfolger
Architekten Zlatko Neumann, der nach
eb zurück mußte. 1926 war er mit
in Paris und hat die Bauaufsicht bei dem
nausbau des Schneidergeschäftes Knize
b. gemacht und detaillierte Pläne für das
josephine Bakers nach Loos-Entwürfen
führt. Er kehrte mit Loos nach Wien
und hatte mit ihm ein gemeinsames
i. Der wichtigste gemeinsame Auftrag,
er mit Loos ausführte, War das Haus
ncr und die vier Häuser für die Wiener
cbundsiedlung. Seit 1929 hat er in Zusam-
irbcit mit Loos mehrere Arbeiten in Wien
in der Tschechoslowakei ausgeführt; in
Bereich arbeitete er dann nach Lo0s'
in desscm Sinn weiter.
sechzigsten Laos-Geburtstag bereitete er
Monographie Adolf Loos" Edition
ICS Bauen in der Welt", Wien 1931 und
zweite Ausgabe des Loos-Buches Ins
gesprochen" vor.
1939 lebt und wirkt Architekt Kulka in
Zealand Auckland, wo er in seiner
zigjährigen Tätigkeit eine große Anzahl
Bürohäusern, Fabriksgebäuden, Miet-
Privathäusern entworfen hat.
rillriCh Kulka, CngStCr Laos-Schule und Laos-Mitarbeiter,
Jcklnnd. New Zcaland, 1970
IHdgCSChYiCbrnCS widmimgmiigiiis von Adolf 1.005 an
nimm Kulkl, Paris. 1. Februar 1927
iolf Loos zu scincm 100. Geburtstag von Sßinvn Freunden
1d Schülern Widmung Heinrich Ktllkä
21
GUSTAV SCllLlilClllilR
Einer der ältesten Loos-Scliüler", besuchte
die Loos-Sehule in den jahren 1912 1914.
Geboren am 16. November 1887 in Stuttgart,
studierte ab 1906 Arehitekttir an der Techni-
schen Hochschule in Stuttgart, zuerst bei
Professor Paul Bonatz, später bei Professor
Paul Schmitthenner, gleichzeitig das Zeichnen
und Malen an der Akademie der bildenden
Künste in Stuttgart, bei den Professoren
Friedrich von Keller und Adolf Hoclzel
etwas später und bei dem bialer Kerschen-
steiner.
1912 Praxis in USA Büro Ward and Gow am
Madison Place, New York, 1912 1914 die
Loos-Schule in Wien;
Nach dem ersten Weltkrieg er verbrachte ihn
im Militärdienst arbeitete er im Büro von
Prof. P. Bonnatz es wurde damals der neue
Bahnhof in Stuttgart gebaut, später übernahm
er elie Arbeiten und dann die Leitung der
Württembergischen Beratungsstelle für das
Baugewerbe" in Stuttgart, der die Förderung
aller Baugewerbe von staatlicher Seite oblag.
Der heute dreiundachtzigiährige Architekt,
Oberbaurat i. 11., lebt in Stuttgart. Das Zeich-
nen und Malen ist ihm durch sein ganzes
Leben hindurch bis in die heutigen Tage
Lebensinhalt und anregenclste Betätigung
geblieben er nahm an vielen Ausstellungen
teil.
Qßmfj
fääfä
v.
1413 554,85
f-Qy "Llßm
Gimav Schleichcr, cincr du ältesten Laos-Schüler, Szungzrr.
Oktober 1969
Haudgcsclßicbcnl Widmung von Adolf Laus In GIJSIBV
Schleichcr in das Buch "Ins Leere gßxprnchtn" Erstausgabe,
Wien, 9. Mal 1922
Adolf Loos zu seinem 100. Geburtstag von seinen Frcundcn
und Sdüllcrn Widmung cumiv Schleicher, Stuttgart.
13. Oktober 1970
ULRICH C. STRAUB
Der jüngste Loos-Schüler", arbeitete im
Loos-Büro" in XWien in den Jahren 1928 bis
1932. Architekt Schleicher hat ihm den Kon-
takt mit Lnos vermittelt.
Geboren am 2. Oktober 1908 in Paraperi-
Malabar Britisch-Indien, wo sein Vater als
Theologe und Sprachwissenschaftler wirkte.
Hat die Oberrealschule in Stuttgart mit der
Reifeprüfung abgeschlossen.
1926el928 studierte er an der Technischen
Hochschule in Stuttgart als Gast bei den
Professuren P. Bonnatz und I. Schmidt!
henner, dabei machte er eine Tischlerlehre in
einer Möbelfabrik und in einem Kleinbetrieb
in Stuttgart, die er nach zwei Jahren mit einer
Gesellenprüfung abgeschlossen hat. Im Herbst
1928 übersiedelte er nach Wien und war im
Loos-Büro unter der Leitung des Architekten
Kulka tätig. Er nahm am Bau des Wohnhauses
Khuner in Payerbach und der Doppelhäuser
für die Werkbundsiedlung in Wien sowie auch
am Umbau des Ladens Matzner teil. Bei der
Rekonstruktion der Pläne für das Haus Tristan
Tzara hat er mit Luos gearbeitet, nach Lnos-
Angaben hat er dann auch das Modell des
HausesfürjosephineBakerausgeführt.Erzeich-
nete mehrere Pläne für Kulkas Buch A. Loos,
Neues Bauen in der Welt", Wien 1931.
Seit 1933 war er in mehreren Baubüros in
Deutschland tätig, hat selbständig viele
ärztliche Ordinationen und Wohnungen ein-
gerichtet. In SchwäbischeHall hat er das
Kranken-Hochhaus fertiggebaut und den ge-
samten lnnenausbau ausgeführt. Im Büro
Konstaty Gutshnw in Hamburg hat er an
großen Projekten von Fabriksbauten, Ver-
waltungsgebauden, wirtschaftlichen Bauten sn-
wie auch an Privathäusern mitgearbeitet.
Nach dem zweiten Weltkrieg spezialisierte er
sich auf Kirchenbauten und Kirchenerneuerun-
gen, die Innenausstattung inbegriffen. Auf
diesem Gebiete ist er nun auch immer noch
tätig. Er lebt in Buoch Remstal bei Stuttgart.
Ulrich I. Smiub. tierjtmgsrc Laos-Schüler. Buueh Rexnsul
bei Stuttgart, llH juni 197i
10 Haudgeschrirlvcxre Wirllnuny von ArloIf Lons an Ulrich
t". Stuuh. Wien. unl ww mit persönlicher Berichti-
gung von Ulrich 'tr.1ub
11 Adolf Lom xmncln 100. Geburtstag von seinen Freunden
und Srihulcm Widmung Ulrich c. Srraub, BLIOCH. 2. Ukra-
ber 1970
314, 49. Ö. 79-
23
Heinrich Kulka
BEKENNTNIS
ZU ADOLF LOOS
Am 10. Dezember wird der hundertste Ge-
burtstag von Adolf Loos gefeiert, dem großen
Geist und bahnbrechenden Architekten. Wer
mit ihm in Berührung kam, verließ ihn berei-
chert fürs Leben. Ich hatte das Glück, mit ihm
in Paris und Wien jahrelang zusammenzu-
arbeiten. Ich war vertraut mit seiner Persön-
lichkeit und Arbeitsweise und wußte, was ihn
bewegte. Ich kannte den strengen Maßstab
seiner Kritik, aber auch seine Freude, wenn er
gute Leistungen anerkannte. Dem pflegte er
dann in rührender Weise Ausdruck zu geben.
Ich bin stolz darauf, daß er mich gegen Ende
seines Lebens als Partner anerkannt hat und in
mir einen seiner Nachfolger gefunden hat.
Ich habe mit ihm gemeinsam unter anderem
das Haus Khuner am Kreuzberg entworfen,
dessen Bau ich auch beaufsichtigte.
Meine lange Erfahrung als Architekt in frem-
den Ländern hat mich progressiv davon über-
zeugt, daß man auch heute auf Loos zurück-
gehen muß, um festen Grund unter den Füßen
zu haben. Er ist seiner Zeit mit Riesenschritten
vorausgceilt. In mancher Hinsicht haben wir
ihn noch immer nicht eingeholt. Die Ideen von
Loos in ihren fundamentalen Erkenntnissen
und Einsichten sind universal anwendbar, 0b
man im Zentrum der Kultur oder auf einer
pazifischen Insel wirkt. Auf den Kreuzwegen
meiner Arbeit haben mir seine Lehren immer
den rechten Weg gewiesen, so daß ich sinn-
gemäß weiterschaffen konnte.
Die technische Entwicklung im Bauwesen,
die nach dem Tode von Loos erfolgt ist, hat
seine Werke nicht veralten lassen. Er hätte
zwar diese neuen Mittel verwendet, sich aber
nicht von ihnen überwältigen lassen.
Alle seine Bauten und Projekte waren revolu-
tionäre Erstlösungen, beispielgebende Modelle
für die Zukunft. Das Haus Scheu 1912 war
das erste Terrassenhaus in Mitteleuropa und
hat deshalb eine entscheidende Rolle in der
Entwicklung der Architektur gespielt. Eine
weitere Ausbildung dieser Idee ist das Loos-
sche Projekt des Grand Hotel Babylon, das
Sauvage und andere Architekten inspiriert hat.
In Voraussicht künftiger Übervölkerung ent-
warf er eine Gruppe von 20 Villen, die auf
beschränkter Grundfläche ein Wohnen mit
Terrassen und Gärten ermöglicht, eine städte-
bauliche Entwicklung der Jetztzeit.
Was Loos die einzigartige Sonderstellung
unter den Architekten seiner Zeit gab, ist die
Tatsache, daß ihm vor allem die Mensch-
bezogenheit, das Wohlwollen dem Menschen
gegenüber, das menschenwürdige Wohnen
am Herzen lagen, mehr als ästhetische Er-
wägungen. Hier möchte ich Loos selbst
zitieren Hüte dich vor dem riginellsein.
Das Zeichnen verleitet dazu. Es macht oft die
größte Mühe, während des Zeichnens alle
,originellen' Ideen fernzuhalten. Aber dieser
Verführung Herr zu werden, hilft ein Gedanke
wie werden die Menschen, für die ich arbeite,
in 50 Jahren in diesem Hause oder in diesen
Räumen wohnen? Dieser Gedanke hat es ver-
hindert, daß ich ie unmodern geworden bin."
Loos hat unsere Augen für das Echte geöffnet,
er ließ dem Ornament keinen Platz im moder-
nen Leben und zeigte uns die Schönheit des
glatten unverzierten Materials, das die Sinnes-
freude erhöht. Loos sagte Der moderne
Mensch, der das Ornament als Zeichen der
künstlerischen Überschüssigkeit vergangener
Epochen heilig hält, wird das Gequälte, müh-
selig Abgerungene und Krankhafte der moder-
nen Ornamente sofort erkennen. Kein Orna-
ment kann heute mehr geschaffen werden von
einem, der auf unserer Kulturstufe lebt."
Das erste Anliegen von Loos war die Archi-
tektur, nicht die Dekoration, damit stellt er
sich in Gegensatz zu Rokoko, zur Secession.
Er hat also die vom ästhetischen Formalismus
ausgehenden Stilrichtungen als Hindernis für
den Fortschritt abgelehnt.
glZ-UDIIC, Qal lIII LHUIC ICI IIIBIÄJIIELIICH L4ClL'
nne, in der die Ideen der Demokratie auf
Menschen eingewirkt haben, sich ihre
;einsweise, ihre sittliche Lebenshaltung, ja
Instinkte und Nerven, ihre Art zu gehen,
ien und sitzen geändert hätten In der
htung zum Zweckmäßigen. Der moderne
nsch ist sparsam, zweckliebend, aus der
iewußten Rücksichtnahme, jeden Menschen
den Gütern der Welt teilnehmen zu lassen.
selbst beauftragte mich, auf seinen Grab-
die Worte zu schreiben Adolf Loos,
die Menschheit von unnützer Arbeit be-
te."
hat einen Trennungsstrich zwischen
nst und Handwerk gezogen. Beim Lesen
Worte von Goethe, Worin die Art der
iausen und so mancher Kunstkcnnet,
pferstiche und Reliefs anzutasten, gerügt
ist ihm die Erkenntnis aufgestiegen,
was berührt werden soll, kein Kunst-
sein darf, was ein Kunstwerk ist, dem
griff entzogen sein muß".
ie scharfe amerikanische Luft hat alle Vor-
genommenheit gegen die Erzeugnisse mei-
eigenen Zeit von mir genommen
rein Alpdruck ist es von mir gewichen
"er dem frischen Eindruck von Amerika
tand die Einrichtung des Cafe Muscum".
iis Sullivan war der Architekt, den er in
erika am meisten bewundert hat. Es war
1920, als mir Loos einen Brief von Louis
ivan zeigte, der mit den Worten begann
iolf Loos, my dear brother in spirit."
tzdem war die Loos'sche Auffassung von
eckmaßigkeit eine andere als die von
ivan, dessen Leitsatz form follows func-
in seinem Rationalismus eher für den
znieur als den Architekten richtunggebend
und dem die Lebenswärme fehlte. Es ist
das Motto der neuen Sachlichkeit, die
Loos kam und die mit ihrem kalten
erialismus das Bauen entmenschlicht hat.
AUIIU uwmm
LUU matte iuuu
gesagt.
function". In diesem Zusammenhang sagte er
folgendes Ich behaupte, daß der Gebrauch
die Form der Gegenstände schafft, die anderen,
daß die neugeschaffcne Form die Kulturform
sitzen, wohnen beeiniiussen kann." Wir
sitzen nicht so oder so, weil ein Tischler den
Sessel so konstruiert hat, sondern der Tischler
macht den Sessel so, weil wir so oder so sitzen."
Da das Wesen der Architektur dreidimensional
ist, verlangte Loos von seinen Schülern, im
Raum denkend zu entwerfen. Ich habe für die-
ses Prinzip in meiner Loos-Monographie 1930
die Bezeichnung Raumplan" geprägt. Es
wurde verwirklicht, zuerst im Loos-Haus am
Michaelerplatz, dann bei den Wohnhäusern
Rufer, Tzara, Moller, Müller et., bei den
Z0 Villen und verschiedenen anderen Projek-
ten. In dieser Monographie habe ich, basierend
auf meiner Erfahrung als Loos-Schüler, fol-
gendes ausgeführt Durch Adolf Loos kam
ein wesentlich neuer, höherer Raumgedanke
zur Welt das freie Denken im Raum, das
Planen von Räumen, die in verschiedenen
Niveaus liegen und an kein durchgehendes
Stockwerk gebunden sind, das Komponieren
der miteinander in Beziehung stehenden
Räume zu einem harmonischen, untrennbaren
Ganzen und zu einem raumökonomischen
Gebilde. Die Räume haben je nach ihrem
Zweck und ihrer Bedeutung nicht nur ver-
schiedene Größen, sondern auch verschiedene
Höhen. Loos kann dadurch mit denselben
Baumitteln mehr Wohnfläche schaffen, da er
auf diese Art in denselben Kubus, auf dieselben
Fundamente, unter dasselbe Dach, zwischen
dieselben Umfassungsmauern mehr Räume
unterbringt. Das Material und den Baublock
nützt er dadurch bis aufs Letzte aus. Anders
ausgedrückt könnte man sagen Der Architekt,
der nur in der Fläche denkt, braucht einen
größeren umbauten Raum, um dieselbe Wohn-
Häche zu schaffen."
Loos san nun. seinen. uluCLCu Auge nuc wu-
kungen, selbst die der komplexesten Raum-
anordnungen, wie ein durch das Haus Schrei-
tender, bevor er einen Bleistift in die Hand
nahm. Bei seinem Entwurfsprozeß war es
selbstverständlich, daß für ihn der Mensch das
Maß aller Dinge war, was sich bei der Bestim-
mung der Decken und Galeriehöhen, Stiegen-
weiten, Sitzhöhcn und dergleichen auswirkt,
ebenso bei der Entwicklung von Mindestmaßen
bei Siedlungsbauten. Er wußte immer mit
Sicherheit, wie er am besten die von ihm ange-
strebten Effekte erzielen konnte z. B. die Be-
ziehungen der Räume und Materialien zu-
einander, die beabsichtigte Akzentuierung der
Tragteile, der Wandflächen, der Decken und
die Lichteinwirkung der Fenster, die natür-
lichen Verkehrswege und Stufen im Haus.
Seine psychologischen Erwägungen wirkten
sich schon bei den Eingangsräumen, der
Kleiderablage usw. aus. Die Vorräume waren
niedrig, er veranlaßte den Eintretenden,
Wendungen zu machen, um, wie er sagte, das
Überraschungsmoment beim Anblick der
Wohnräume zu steigern". Er nannte diese
Anordnung die Introduktion" in das Haus.
Nach dem Durchschreiten der niedrigen Vor-
räume erschien die normale Höhe der Wohn-
räume imposanter. Loos hatte die Gabe, durch
seine Anordnungen kleine Räume groß erschei-
nen zu lassen, wie zum Beispiel die Kärntner-
bar. Bemerkenswert ist auch die Anordnung
der Stufen und Stiegen, die im Raumplan eine
so große Rolle spielen. Er erlaubte sich nur
eine beschränkte Anzahl von Stufen vor einer
Wendung, da ein gerader Lauf ermüdend
wirkt. Alle Verkehrswege und Stufenanord-
nungen mußtcn so taktvoll angewendet wer-
den, daß sie natürlich und unauffällig erschie-
nen. Loos verstand es, die oft widersprechen-
den Anforderungen zu einer so vollkommenen
Lösung zu bringen, daß man über deren schein-
barer Selbstverständlichkeit die große Tat fast
vergaß. Der Raumidee hat Loos alle Details
7.4,. 412 am 919ml
Hi. kiymv-g1wvl R4 "5344-
Kuh, 4-4
P1ÜÄqJv1ä ff 4,. AMOÄ
11Aß ßpm-
ja; 3414 Äv-Ä
ny7 ßzxpvxlilwi-Avf
M44 ßwj 444'44-
ÄIA-ßä. 244""
26
untergeordnet und sie harmonisch eingefügt,
in allem erkannte man seine sichere Hand, wie
man nach einigen Takten einen großen Kom-
ponisten erkennt.
Loos, der, wie er oft sagte, die Nerven eines
modernen Menschen hatte, schätzte trotzdem
die lebendigen Ideen einer gesunden Vergan-
genheit, auf die er seine Reform basierte. Ihm
selber war es gleichgültig, 0b er als revolutio-
när oder traditionell angesehen wurde. Er
glaubte, daß eine gesunde Entwicklung eine
organische sein müsse, claß, wie ein römisches
Sprichwort sagt, die Gegenwart, die nicht mit
der Vergangenheit verwoben ist, tot sei. Esist
das Zeichen des Genies, dessen Geist so um-
fassend ist, daß er Widersprcchendes vereinen
kann und so der Welt den sicheren Weg weist.
Handgcschriebcncr Brief von Adolf Loos seinen ehemaligen
Schüler. Mitarbeiter und Frcund, den jugoslawischen Archi-
tekten Zlatku Neumann
Handgcschricbenzr Brief von Adolf Lons an Heinrich Kulkz
vom 23, September 1916 Dieser Bri von AdolfLoos an rriieli
war die Folge einer Episode III einem Pariwr Rulaurnnl. als
mcinc Frau und iCh ihn in Paris bcsuchtvn. Als Mitglied ries
Gourmul-Clubs Lcs cerir Pures" hn er es sieh zur Auf-
gibt. die "Östcrr "chcr" rnll frznzbsls her Küche bekannt-
7UlhiChCh. Es ging rar meine zu weir, als cr ÄHSlClTl und
Froschhnxcln bxstclltc, und sie weigerte sich, sie zu essen. Dar-
über War Loos sehr empört. und nach unserer Rückkehr nach
Wi erhielten wir den abgebildctcn der vor langer
Zeit H1 durFrankfurtrr Zeitschrift VLTÜHCHÜICPII wurde, HK
joscf Hofflnann. Entwurf fur den Ncubau cincs Hauses
Kärmncr Straße. Wien
OLF LOOS
ER JOSEF HOFFMANN
nlzre 1898 uerbfmtlirlrte fldalf Laos in der Zeiß
Deleuralfue Kunrt", 1898, S. 227 1011er dem
Flin Wiener Anlzilelel" folgenden Heitrqq
Mir fällt es schwer, über jauf Hajfznann zu
schreiben. Stehe ich doch im stärksten Gegen-
satz zu jener Richtung, die von den jungen
Künstlern nicht nur in Wien vertreten wird.
Für mich ist die Tradition alles, das freie
Walten der Phantasie kommt bei mir erst in
zweiter Linie. Hier aber haben wir es mit
einem Künstler zu thun, der mit Hilfe seiner
überquellenden Phantasie alten Traditionen,
und auch ich muß gestehen, daß es sehr viel
Ölgötzen darunter giebt, erfolgreich an den
Leib rückt.
Den grössten Erfolg hat der Arrhiielet Haf-
mann. Sowohl das Konkurrenzprojekt zum
Pavillon der Stadt Wlien für unsere Jubiläums-
Ausstellung sowie jenes für die beiden Zins-
häuser am Mehlmarkt sind Musterbeispiele für
eine moderne Lösung der Wiener Material-
frage. Die Sucht, Steinquadern zu imitieren,
ist hier vollständig aufgegeben und der
Mörtel bedeckt nach dem Prinzipe der Ver-
kleidung die Fläche ohne Fugenunterbrechung.
Einen ausserordentlichen EEekt hat sich
Hofmann für die im frischen Putz aufgetragenen
Lorbeerblätter des Zinshauses ausgedacht.
Dieselben sollen nämlich grün bronziert wer-
den, während die Früchte als matte Glüh-
lampen gedacht sind. Die Anknüpfung an die
alte Stuccateurtechnik ist bei unseren Zement-
gussfassaden mit Freuden zu begrüssen. Mit
gemischten Gefühlen werden hingegen viele
Leute aber entnehmen, dass Haßmann dem
Hauptgesimse den Krieg erklärt, das seiner
Meinung nach bei unseren hohen Häusem
seinen Zweck als Schutz gegen Regen für die
ganze Fassade schon langst nicht mehr erfüllen
kann.
Obwohl ich mich mit den Möbeln in keiner
Weise für einverstanden erklären kann, so
ist andrerseits wieder zu bedenken, dass bei
unseren versumpften Verhältnissen nur dann
eine Erweckung der Geister gelingen konnte,
wenn man recht laut und recht grell in
das Horn stiess. In diesem Sinne ist ja auch
das Ver Sacrurn zu nehmen, das Hnjfmann
schon mit manch wertvollem Buchschmuck
versehen hat. Nun sind wir aufgerüttelt und
es steht zu helfen, dass unser Künstler gerade
so wie Ver Sacrum, das von Nummer zu
Nummer vornehmere und diskretere Töne
anschlägt, mit dem erwachten Wien glimpf-
lieher verfahren wird. A. L.
27
iililililiiil
josef Hoffmann
ARCHITEKTONISCHES AUS
DER ÖSTERREICHISCHEN
RIVIERA
Lage und Lebensgewohnheiten bestimmen die
Bauweise der Menschen auch dort, wo kaum
eines vielgewandten Architekten Hand iemals
beim Erbauen mit im Spiele war.
Jene architektonischen Scenerien, die der
Besucher der österreichischen Riviera in den
so überaus malerischen Orten findet, sind
frei von übercivilisiertem Kunstverständnisse
und doch in ihrer ursprünglichen Natürlichkeit
von so großem Reiz, daß es wohl der Mühe
wert ist, sich mit diesen Kindern naiver, volks-
thümlicher Kunst ein wenig zu befassen.
zu aäuuausvlißllißis
Qäl
Daß in nachfolgender Beschreibung nicht die
modernen Villen von Abbazia gemeint sind,
brauche ich nicht zu erwähnen, denn diese
sind leider fast durchwegs eine lobenswerte
Ausnahme bilden dortselbst die Bestrebungen
des Architekten Karl Seidl von einer une
glaublichen Geschmacklosigkeit, welche theil-
Weise durch die bahnhofartigen Hotelbauten
und die Curanlagen der Südbahn bceinflußt,
theilweise aber auch durch den Mangel an
tüchtigen Kräften bedingt ist.
Van muß auch bekennen, daß dies umso
bedauerlicher ist, als gerade in einer durch die
Natur so sehr bevorzugten Gegend, die so
reich an baulichen Traditionen wäre, sich
leicht, zumal hier wie in den meisten Bädern,
die pccuniären Verhältnisse keine ungünstigen
sind, viele Gute und Schöne hätte machen
die um Abbazia liegenden Orte bergen
eine Fülle der interessantesten Häusermr
welche nicht nur von den dort gerne weile
Malern, sondern auch von Architekten
mentlich solchen, die sich mit Villenb
abgeben, aufgesucht werden sollten.
Der Zeit nach gehören die meisten
malerischen Gebäude in die letzten 200
und charakterisieren sich vor allem durc
Wahl vieler freier Motive, wie Loggien,
treppen, Arcaden u. s. f., was durch die Lcl
weise der dortigen Menschen, die gern
Schatten und doch im Freien sich aufh;
begründet ist.
Ein fast immer originelles Bild bietet der
min, der stets in der Außenmauer angele
und oft erkerartig hervortritt.
Außer Säulen, welche aber meist von frül
Bauten herrühren, Endet man beinahe
einzig ausgesprochene Architekturform,
Gesimse, Pilaste u. dgl.
Die Fenster sind einfach mit glatten
umrahmungen eingcfaßt und nur hie ur
von einem simsartigcn Glied bekrönt.
Unterhalb ihnen ragen zumeist weit auslac
Consolen aus der Mauer hervor, die zur
nahme eines Brettes oder einer Wäschesi
bestimmt sind. Das Dach ist sehr flach,
ausladend und mit Coppis gedeckt. Dii
putzten Mauerflächen sind ohne jeg
Decorierung.
Der große Reiz der dicht neben-, an-
übereinander gebauten Häuser liegt in
großen Mannigfaltigkeit der Motive, wi
man aus den beigedruckten Beispielen si
ßen kann.
Bemerkenswert ist auch, daß durch da
nützen jeglicher Zufälligkeit und jeder au
Nothwendigkeit entspringenden Form
Schablone vollständig ausgeschlossen ist.
Findet beinahe keine zwei Häuser von gle
Anlage und gleicher äußerer Gestaltung.
Hätte der Istrianer mehr Vorliebe für
lichkeit und stünde nicht jeder dieser
beinahe vor dem Verfall, man könnte
kein angenehmeres Wohnen denken als
Letzterer Umstand, die Unreinlichkeit
Zerrissenheit, ist allerdings von unge
malerischem Reiz; jedoch würde dieser
bei geordneter ähnlicher Anlage nicht
lorcn gehen, wenn, da ia eine Benüi
ähnlicher Motive mehr oder weniger nu
Villen und Landhäuser gedacht sein
natürliche Baumgruppen und weinumr
Perguli das Bild angenehm unterbrechen
beleben würden.
Diese Erläuterungen und Bilder seien
allem den Villenerbauern in südlicheren
genden warm ans Herz gelegt, doch
dieselben auch sonst befruchtend unc
regend wirken!
Jüißf HOITHIIIHH, Skine 711 Clhtl" viui, XJUÜGKlIK riii
i-i-iriiiiiiii- uiviiiii Der wii-ii 1895
JOSCr Hiiiriiiiiiii. iiiig iiii NIUUV JLIS
im Cl' Aii-li wii-ii vs 37
Jßstf Hriiiiiiiiiiii, iiiig IHL CHI fVlUiiV JHX
RHS "ni-i Air-iiiii-kw, wiiiii ixss. s. 37
und Eva Mang
HAUS AUF DER
RGERHÖHE
JE FRÜHE ARBEIT VON
SEF HOFFMANN
HoHi-nann, Haus auf du Bcrgcrhöhe, Vorraum mit
genaufgang
Diese frühe und bescheidene Arbeit Josef
Hoffmanns steht sicherlich im Schatten seiner
bedeutenden Leistungen, wie etwa dem für die
Entwicklung der Architektur so wichtigen
Sanatorium Purkcrsdorf 1903 oder seinem
Meisterwerk, dem Palais Stoclet in Brüssel
1905, diesem Höhepunkt einer Architektur-
poesie. Besonders wertvoll scheint diese Arbeit
für die Betrachtung des Werkes Josef Hoff-
manns in Hinblick auf die Entstehungszeit zu
sein, ist sie doch vor der Ausstellung des
schottischen Architekten Macintosh verwirk-
licht worden. Vielleicht kündigt sich in den
Räumen des Hauses auf der Bergerhöhe" die
Idee einer Gesamtgcstaltung bis zum letzten
Detail an, wie sie Hoffmann in seiner Wiener
Werkstätte" von 1903 an zu verwirklichen
suchte, jene Idee, die, aus dem England eines
Ruskin und Morris kommend, die Archi-
tekten des Jugendstils, vor allem Henry van
der Velde, stets begeistert hatte. Besondere
Qualitäten weisen die Sitzmöbel auf, die in
ihrer Schönheit und Modernität dem bekannten
Stuhl Richard Riemerschmids 1899 gleichzu-
setzen sind.
Josef Hoffmann hat im Jahre 1899 für den
Direktor eines nahe gelegenen Stahlwerkes
auf der Bergerhöhe bei Hohenberg Nieder-
österreich ein altes Bauernhaus zu einem
bescheidenen Wohnsitz umgebaut. Einer der
Enkel des Erbauers bewohnt diese Räume,
die trotz zweier Kriege fast unverändert in
unsere Zeit gekommen sind. Die Vertäfelung
aus grün gebeizter Fichte, die Sitzrnöbel und
der Schreibtisch aus Eichcnholz, teilweise mit
hellbraunem Leder bezogen, stimmen überein
mit dem Grün des Kamins und dem hellen
Terrakotta mit dem dunklen Grün über wei-
ßem Grund der Ornamente an Wänden und
Decke. Das Dessin der Teppiche blau, hell-
violett und beige und der Vorhänge dunkel-
blau, hellblau und weiß zeigt die Handschrift
Josef Hoßmanns ebenso wie alle Beschläge
aus Bronze. Lampen, Vasen, sogar das Besteck
und die Tischtücher stammen noch aus der
Zeit des Jugendstils und werden sorgfältig
behütet von Bewohnern, die die stille Größe
und die Einfachheit dieses Raumes wohl zu
schätzen Wissen.
29
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,Daß das Stoclet Palais in Brüssel einen
viarkstein in der Geschichte der modernen
iaukunst bezeichnet, steht außer Zweifel"l.
iese Worte, welche A. S. Levetus 1914,
lso drei Jahre nach der Fertigstellung des
iauwerks, niederschrieb, lassen auch heute
,och aufhorchen, besonders wenn man ent-
eckt, daß sie einer Begeisterung entsprachen,
ie von anderen geteilt wurde, wie der folgende
Vorfall beweist.
ils zufällig eine Vorstandssitzung des Deut-
chen Werkbundes mit dem Ausbruch des
talienisch-Türkischen Krieges im Jahre 1911
usammenfiel, zeigten begreiflicherweise bei
itzungsbeginn alle Anwesenden mehr In-
zresse für die politischen Ereignisse als für
ie Tagesordnung. Endlich bemerkte Wilhelm
sthaus vom Folkwang-Museum, es gebe
ir Werkbundmitglieder eine wichtigere Tat-
iche als den Krieg zwischen Italien und der
'ürkei das Palais Stoclet sei eben vom Bau-
errn übernommen worden ein Werk
on solcher Reife und künstlerischer Hoheit,
'ie kein zweites in Europa seit den Tagen
es Barock entstand P1.
eit den Tagen von Osthaus und Levetus
or dem ersten Weltkrieg ist mehr als ein
albes Jahrhundert vergangen genug, um
ne erneute kritische Beschäftigung mit dem
alais Stoclet in seiner historischen und
künstlerischen Bedeutung sinnvoll erscheinen
zu lassen. Zum Glück ist es noch weitgehend
im gleichen Zustand erhalten, in dem es 1911
auf seinem prächtigen Grundstück, 281 Avenue
de Tervueren, fertiggestellt worden war.
I.
Zum Zeitpunkt, als das Grundstück ausge-
wählt wurde, muß seine Lage ideal erschienen
sein. Einerseits genoß die Avenue de Ter-
vueren bedeutendes soziales Prestige, sowohl
weil sie die Fortsetzung der wichtigen Rue
de la Loi war, als auch weil sie mit seitlichen
Promenaden Abb. und reichlicher Be-
pi-lanzung bewußt imposant angelegt war.
Andererseits verhieß das leicht gegen Osten
fallende, unregelmäßige Grundstück durch
seine Lage am Ende des verbauten Gebiets
von Brüssel mit schöner Aussicht über tiefer
liegende Waldungen alle Annehmlichkeiten
eines ungestörten, ruhigen Landlebens, ohne
dabei allzuweit vom Stadtzenttum entfernt zu
sein.
Die früheste Erwähnung eines Entwurfs für
das Palais Stoclet findet sich bei Ludwig
Hevesi, der im November 1905 Zeichnungen
und ein Modell in den Räumen der Wiener
Werkstätte sah 3. Das Ansuchen um Baube-
willigung erfolgte im Frühjahr 1906, und im
August des gleichen Jahres wurde bereits an
Fassadenzeichnungen im Maßstab 120 ge-
arbeitet, während gleichzeitig Kostenvoran
schlage eingeholt wurden.
Die wahrscheinlich erste Version eines Vor
entwarf findet sich auf zwei Grundrißblätter
Abb. die beide in der für l-lolfman
typischen Weise freihändig mit weicher
Bleistift und Farbstift auf quadratisch linierter
Papier gezeichnet sind. Dargestellt sind Erd
geschoß und Obergeschoß eines Entwurfs
der sich ganz beträchtlich von allen späteren
Versionen unterscheidet, mit ihnen aber di
Grundideen gemein hat. Die Gesamtanlage is
bereits um eine zentrale, zweigeschossige Hall
angeordnet, in der ein Platz für den Brunnei
von Minnc vorgesehen ist. Aber währent
Speisezimmer und Musikzimmcr wenigsten
ungefähr die gleiche Lage zur Mittelhall
haben wie beim ausgeführten Entwurf, is
die Anordnung von Bibliothek Herrenzim
mer und Stiegenhaus ganz anders. Gegen di
Garrenseire gibt es zwar zwei vorspringendr
Bauteile wie beim ausgeführten Bau, aber sii
haben flache, nicht spitzwinkelige Endigungen
Der Alodeller11uu1rfAbb. für den bishe
leider nicht alle Pläne auffindbar waren, di
es gegeben haben muß, unterscheidet sich ii
verschiedener Hinsicht von der ausgeführter
Version. Am auffallendsten ist die einfachere
um nicht zu sagen ängstlichere Art, in welche
der Turm gestaltet ist. Auch ist der Rück
in der Mitte des Obergeschosses der
nfassade noch gerade, nicht gekrümmt.
70rsprünge gegen den Garten zu zeigen
indere Behandlung, und auch die Aus-
und Proportionierung der Fenster ist
iieden. Der vielleicht wichtigste Unter-
aber betrifft die Begrenzung
ienflächen wo später die vergoldeten
lprofile zu finden sind, zeigt der Modell-
irf noch schwarze Linien, die in dunklem
rdischem Granit gedacht Auf
Weise zeigt das Modell die für Hoffmann
so typische Verwendung eines Kon-
von Schwarz und Weiß.
erhaltene Aquarellperspektive der Gar-
int Abb. entspricht ziemlich genau
Xlodell, nur daß die beiden Vorsprünge
den Garten nun bereits durchlaufend
rmig ausgebildet sind. Die gleiche Lösung
sich auch auf einer zweiten Perspektive
welche gut zu einer Fassadenskizze
Abb. paßt. Der Turm zeigt nun
die Andeutung einer Bekrünung, aber
aller
NVQICD.
Vlittelteil der Gartenfassade ist noch
gerade, nicht gekrümmt, und die
isade stimmt insofern nicht mit der
hrung und einer anderen, späteren
aktive Abb. überein, als sie eine an-
Treppenlösung und eine lindigting im
zntbogen an Stelle der halbkreisförmigen
beim Abschluß des Vusikzimmers
ein Grundriß 100 Abb, der, ab-
zn von ein paar Kleinigkeiten, ziemlich
der ausgeführten Fassung Abb. 10
icht, zeigt noch Spuren von Zögern
er, wie das Musikzimmer im Osten enden
Es ist bemerkenswert, daß in diesem
iriß mit Bleistift eine Mittelachse ein-
hnet ist und daß dementsprechend eine
ie vollkommene bilaterale Symmetrie
wurde. Hier wie im mzigüllilgm EIIIIIWIf
10, 11 sind alle Elemente einander
1er sehr direkten, überzeugenden Art
rdnet. Diese Disziplin der Regelmäßig-
nd achsialcn Koordination fällt im Erd-
ßgrundriß weniger ins Auge, weil die
le um den Wirtschaftshofmit dem Haupt-
de eine unregelmäßige Gruppe bilden.
Grundriß des ersten Obergeschosses
gen Abb. 10 zeigt deutlich, wie regel-
das Hauptgebäude angelegt ist und
Wichtigkeit einer Symmetrieachse zu-
it, die man durch die Mitte des poly-
Erkers auf der Straßenseite legen
roptirtionsschema des Grundrisses ist in
her Weise durch das Quadrat, Hoffmanns
1gsform bei so vielen Anlässen, be-
LKUNGEN i-s
tot Wunsch! "SUIILÄLTS der Wilhc Josef Hotiirlnnns.
F13 Hntimann llf dle Ulüifllkälllll; Hi Igel! Qnt-n
und sonstige YCISKÄHLÄHLNVUIIU Forderung tit-i Vhfliü-
Arbeit aufrichtig lLl danken.
"uhrlichere Flisllllg ait- Aufsuirv HI! viiusiaiiiiigt-rt-n.
iaftlichem Apparat Cßtlliüli In Cllgliäfller Spruche
Hiilüly iir JIHIIHELIHW meimi-i niiii-zr VUHWUI,
Plmidün vom 1967.
'18 Iiiivrfhnvreu, Xlllfl Im. 1914. 1.
stimmt. Ein Quadrat von ca. 12m 12m
entspricht der großen Mittelhalle im Ober-
geschoß; drei Quadrate der gleichen Größe
bilden zusammen das Rechteck des gesamten
Obergeschosses ausschließlich Mauerstärken.
Auch in zahlreichen Einzelheiten der Grund-
und Aufrißgestaltung kommt das Quadrat als
Gestaltungselcment vor, besonders bei den
Fenstern und anderen visuell wichtigen Flä-
chenunterteilungen.
Eine Fassadenzeichnung, welche Hans Ank-
wicz-Kleehoven veröifentlichte beweist, daß
der Architekt eine Zeitlang die Absicht hatte,
in der Mitte jeder Fassadenplatte ein kleines
rautenförmiges Element vorzusehen und daß
er das große Stiegcnhausfenster unterteilen
wollte. Beide Änderungen hätten störend in
bezug auf die ungebrochene Flächigkeit ge-
wirkt, welche so charakteristisch für den Bau
in seiner letztlich ausgeführten Fassung ist.
Während der Jahre, in denen Josef Hoffmann
mit den Stoclet-Entxiaürfen beschäftigt war,
zeigen seine anderen Arbeiten deutlich, wie
sehr ihn das Stoclet-Palais in Anspruch nahm
und wie er mehr als einmal die gleiche Grund-
idee abwandelte. S0 kommt das Motiv einer
Halle mit Galerie auf schlanken Pfeilern im
Kabarett Fledermaus 1907 und in der Kunst-
schau 1908 vor, also zu einer Zeit, als der
junge Le Corbusier die Arbeiten Hoffmanns
sehr aufmerksam studierte. Es ist durchaus
möglich, daß Hoffmanns Raumschöpfungen
unter die Anregungen einzureihen sind, die
es für die später bei Le Corbusier so beliebte
Raumkombination eines niedrigen mit einem ho-
hen, von einer Galerie übersehbaren Raum gibt.
In der Fledermaus wurde auch ein bun
keramisches Mosaik verwendet, das nicht
Le Corbusiers Aufmerksamkeit erregte, si
dern auch Teile von Klimts 1909 begon
nem Mosaik im Stoclet-Palais vorwcgnah
Schließlich experimentierte Hoffmann mehr
Male mit rahmenden Profilen, wie sie am Pal
Stoclet so häufig vorkommen.
Ein auffallendes Beispiel hiefür findet sich
einem Tisch, den er für das prächtige Interii
des Wittgensteinlschen Jagdhauses in H01
reith 1906 entwarf4a. Hier rufen parall
Profile, die an den Kanten der Füße ZUSGITIHU
kommen, einen ähnlichen Eindruck der
inaterialisation hervor wie die Profile an
Stoclet-Fassaden. Ähnliche Zusammenhär
zwischen Entwürfen für Möbelstücke
architektonischen Entwürfen kann man au
zu anderen Zeitpunkten in HoHmanns La
bahn finden F. In unserem Zusammenha
kann man zum Beispiel ein kleines, ki
förmiges Wandschränkchen aus dem Jahr 19
Abb. 12 mit den gleichfalls keilförmig
Balkonen am Modellentwurf für das Pal
Stoclet vergleichen. Man wird daran erinne
daß Gegenstände und Möbelstücke bei Hr
mann den gleichen Formvorstellungen
sprangen wie die Architektur.
II.
Der erste Eindruck, den das Palais Stoclet
viele Besucher macht, kann vielleicht am best
so beschrieben werden, daß es nicht
anders aussieht als alle Nachbargebäui
sondern auch anders als alle Gebäude übt
haupt, die einem in den Sinn kommen. Die
Eindruck muß 1911 noch viel stärker gcwes
sein als 1970, aber auch heute noch müssen
die meisten Beobachter sich erst über das
Ungewohnte des Anblicks hinwegsetzen, ehe
sie tirtichtluringend mit einer genaueren Be-
trachtung des Bauwerks Abb. 13, 14, bei
ginnen können.
Neben dem hohen Stiegenhaus- und Äuss
sichtsturm fällt meist sogleich die durch-
gehende Verwendung der Profile aus vergoh
detem Xletall auf, welche alle Ränder von
liasszidenrlächen rahtncn. Von der metallenen
Lllutmienkuppel, welche den Turm bekrönt,
scheinen diese Randprotile wie in Kaskaden
herabztiströmexi mehrere von ihnen Seite
an Seite, bis sie die Wände des Gebiiurles er-
reichen, welche sie, Girlanden vergleichbar.
rings timschließen. Das Profil, das in diesen
Randleisten aus Metall benutzt wird Abb. 15,
erinnert ein wenig an die Kränze, welche die
von Bacber modellierten weiblichen Figuren
in der von Hollimann gestalteten 14. Secessions-
ausstellung WÜZ in Händen trugen. Außer-
dem verwundete Hoffmann an der Villa Ast,
die tingefähr um die gleiche Zeit Fertig wurde
wie das Palais Stoclet, Randleisten, die ein-
deutig lloral ausgebildet waren. Die Stoclel-
Profile, die manchmal um Ül-Fnungen herum!
geführt werden wie Schnüre verdanken ihre
einzigartige Porm vielleicht dem Zusammen-
ITCHCII verschiedener Formkonzepte in der
Vorstellung des Architekten einerseits itltigeit
Reminiszenzen aus der Welt der klassischen
Protilierungen mitspielen, andererseits fern-
östliche Lotusblattfurmen und die ldee, ein
umrahmendes Profil einer Blumengirlzinrle
gleichzusetzen.
Das Linienelement, das diese Profile in die
Gesamtknniposition bringen, hat aber nichts
mit visuellen Kraftlinicn" von der Art zu
tun, wie sie etwa im Werk von l-lorta oder
van de Velde vorkommen. Da die Linien am
Palais Stuelet in gleicher Weise horizontale
und vertikale Kanten begleiten, wirken sie
tektonisch neutral. Besonders an Nahtstellen,
wo zwei oder mehrere dieser Profile parallel-
laufend zusammenkommen, entsteht ein lil-liekt,
der dem Erleben der Körpcrhaftigkeit und
Schwere des Baukörpers entgegenwirkt. Die
Wände scheinen aus großen Flächen eines
dünnen Nlaterials zu bestehen, das an seinen
Rändern schützend mit Metallbändcrn einge-
faßt und zusammengehalten wird.
Die Verwendung der rahmenden Metall-
prorile ist nicht das einzige atcktonische
Detail am Palais Stoclet. Bei der Loggia der
Dachterrasse und am Eingangsrorpaxiilltm
kommen als weiteres Beispiel ziemlich wuch-
tige Pfeiler vor, die keine YlSUCll angemessene
Last unterstützen, sondern nur eine sehr
dünne, visuell fast schwerelos erscheinende
Platte. Auch wird nach außen keine Unter-
scheidung zwischen dem Parapet vor einer
Balkonterrasse und der darunter liegenden
lasttragenden Mauer zum Ausdruck gebracht.
luiberall wird der Charakter der Fassade als
der einer zweidimensionalen Fläche auf Kosten
RGEU
TDU
EDE
EUU
"äifä
mische i-iaiturig, 1211 1m opuscnen Mittei-
des Gartens, im Brunnenbassin, eine
steht, die zwar annähernd einem archai-
iden dorischen Saulenschaft mit stark
iendem Echinus gleicht, sich aber bei
em Hinsehen nicht als ein stützender
'il zu erkennen gibt, sondern als etwas
iähnliches, dem XWasser entströmt.
irechend ihrer starken Besonnung ist die
oder Südseite Abb. 16 wesentlich
zr aufgegliedert als die Notd- oder
enfassade. Auch bringt sie die vielfachen
selbeziehungen zwischen Garten und
ude zum Ausdruck. Ihr dem drei-
ossigen Hauptblock vorgelagerter zwei-
ossiger Mittelteil, dessen oberen Ab-
eine Terrasse bildet, reicht weit in
Garten hinaus. Zwischen seinen beiden
vinkeligen Erkervorsprüngen entsteht
Übergangszone zwischen Garten und
em auf die offene Gartenterrasse folgt
Witterungsgeschütztere Zwischenzone,
er man endlich den eigentlichen Innen-
die große Mittelhalle betreten
Die Übergangszonc wird vom Ober-
oß, das hier in segmentbogiger Kurve
zogen ist, brückenartig überdeckt Abb.
ähnliche Verwendung kontrastierendcr
loch zu einer Einheit zusammengefaßter
0SlIlOi'1SClCIIlC11tE läßt sich auch an der
zn Stelle beobachten, WO die große Mit-
le von außen her betreten wird beim
teingang auf der Straßenseite Abb. 14.
ioher, sehr streng gehaltener Pavillon
fvittertor, ein zuerst offener und dann
ister Korridor und schließlich die zum
liehen Tor emporführende Freitreppe
zusammen eine sorgfältig auf ihre
ntwirkung berechnete Raumfolge, die
tweise auf das eindrucksvolle Erlebnis
lebäudeinneren vorbereitet.
nicht schwierig zu verstehen, warum
Pallas Athene den Eingangspavillun
Abb. 13. Als kriegerische Beschützerin
leisheit und der Künste war sie ja eines
Äeblingssymbole der Wiener Secession
Iünstler wie Klimt und Moser hatten sie
;tellt. Am Palais Stoclet teilt sie den
platz mit einer anderen Schutzgottheit
Weisheit, dem elefantenköphgen Gane-
im Ostende des Baues
gleichfalls nicht schwierig zu verstehen,
in einem Paneel oberhalb des langen
nhausfensters drei Köpfe angebracht
rn, die gewissermaßen einen immer-
nden Ausguck nach allen Seiten bezogen
Aber es ist weniger einfach, die vier
lischen Gestalten genau zu interpre-
die an den vier Seiten des Stiegcnhaus-
10
Pc spektivansicht einer frühen Fassung der
Partemeite Aquarell ein Teil des Aquurclls
befindet Sll1 im Museum des 30. jahr-
hiitiderts. Wien
Perspektivansirht einer frühen Fassung der
Gartenseite; Federzeichnung. Wien Mllw-
um des 20. Jahrhunderts
Jcirtcnfaissadc einer frühen Fassung des
EutwurfsH-"etler inuinLWiUtLNlliStutri
liCS 20. jahrhunde
Penpektivansichi einer frühen Fassung der
Garlenseitr; Federzeichnung
Grundriß Erduescholl. "ihnlich der aiixge.
fuhrteti Fassung; Bleistift und Feder. Wien.
Museum des zu. Jahrhunderts
Lageplan und lz-schnßgrund
llniifnrmrii. XIII, 1914
hirtenfassade; Liclilpauxi mit Eintragitiigcti
in Bleistift. liauhaiisarcliiv, Darmstadt
Josef HnfTinann, Entwurf für ein keilförmi-
ges Wandsrhrankrlten Das liiierirur, ll,
1901
Vmlrriir
ÄNMiiizKuiw;
Tatsächliche Kabclpmtile als Feusterunirah-
mutigen waren in Belgien nicht inihrkannt,
Xvif Haus Marktplatz von Lnuvain
beweist. Es ist in unserem 7uxainitienhang
aber aurli interessant 1u heolwrirhten. in wel-
cher Weise Otto Wagner .'nn Haus Qtatiinn.
ga iin klasxiselics Prulil rings um ein
icr fuhrr.
Uberslmllpllri
du Oadtnnnlnge
inmdlbst 1mm Erdgn
rlxirn 5mm und Übrig
in.
illlilluililllll llllllll
enkmal in Leipzig illustriert wohl am besten,
welche Richtung seine Ambitionen gingen.
Es ist jedenfalls etwas an Nietzsche und
Lichard Wagner Erinnerndes in der Art und
Weise, wie diese vier Gestalten Verkörpe-
ungcn menschlichen Stolzes unterhalb
er Bekrönung des Gesamtentwurfes stehen.
ie Bekrönung selbst besteht aus einer Metall-
uppel, die von Blumen gebildet wird
ielleicht in Reminiszenz an die Kuppel der
Uiener Secession. Blumen seit undenklicher
Zeit als Schmuck und Symbol der Hingabe
lll.
Der sorgfältig auf Steigerung der Wirkung
hin gestaltete Zugang von außen hat seine
genaue Parallele und Fortführung im Inneren.
Sobald man die zweiHügelige Außentür hinter
sich hat, kommt man durch eine weiße aber
völlig fensterlose schmale Zone zu einer
zweiten Doppeltür eine Anordnung, die
den liindruck erweckt, man sei durch etwas
Tiefes und Massives hindurchgedrungen, ehe
man das Vestibül, den ersten bedcutenderen
Innenraum der Anlage, betreten konnte Abb.
SQGC, gßflflbl XYlC UHS UCgIIJULCUUC flUlll Ll
der Deckenwölbung an die rahmenden Pn
von den Fassaden erinnern kann. In
Nischen stehen vergoldete Vasen, die
oben beleuchtet werden. Zusammen mit
dünnen Guldstreifen an der Decke und
Mosaik von Leopold Forstncr geben sie
Ganzen eine Atmosphäre festlicher Wü
lm Fußboden aus weißlich geädertem Mar
sind die beiden Hauptachsen des Rau
schwarz eingelegt, wodurch der Eindi
erhöht wird, sobald dieser Raum einmal
treten wird, bleibe nichts dem Zufall
lassen die Älöbel, die Plastiken, welche
Türen auf eingebauten Sockeln i-lankieren,
die Bilder in ihren GoIdrahmenV nehmen
der gleichen Unabwendbarkeit ihre präd
nierten Positionen ein, mit der ein Besu
dem Pfad folgen muß, der für ihn vc
zeichnet ist.
An beiden Enden der Querachse des Vesti
öflnen sich verglaste Doppeltürcn. Die
führen in die große Mittelhalle, die and
in einen Garderoberaum Abb. 19, 20,
dem aus man die Toiletten oder einen Kort
zur Ncbenstiege und zu den KlUirtsch
räumen erreichen kann, Die Garderobe
angrenzenden Räume sind, im Kontrast
Vestibül, ganz in Weiß gehalten, und im
liar herrschen einfachste rechteckige For
VOIÜ.
Wenn man aus dem Vestibül in die
Mittelhalle Abb. 21 kommt, ist der Kon
überwältigend, sowohl was Größe und
höhe betrifft als auch in bezug auf
führung, Farbigkeit und räumliche Gestalt
Der Raum der großen Mittelhalle mit
mannigfaltigen Ausweitungen und Ei
hungen, mit ihrer Galerie und den eingeba
Vitrinen ist schwer faßbar, aber nicht
wirrend. Dafür, daß ein Gefühl der Ordi
nicht verlorengeht, sorgen unter anderen
strenge Axialität in allen Hauptblickrichtu
und die Art und Weise, in der jede Nr
einanderstellung von zwei Waterialien di
tgeilhansfenster
um Stoclet, oant-imm mit Brunnen
und formalisiert ist wie bei der Fassaden-
iltung am Außenbau sind alle Flächen mit
ilen eingerahmt, und wie am Außenbau
ehen dadurch verschiedene atektonische
zungen.
oßene Hauptstiege ist zugleich ein inte-
ender Bestandteil und eine Ausweitung
Halle Abb. 29. Unter ihrem obersten
ist ein Sitzplatz Abb. 22, 23 in der
iition des angelsächsischen inglenook"
iifenem Kamin eingefügt. Über der Feuer-
ing des Kamins beHndet sich eine Fläche,
ius einem einzigen Stück Onyx besteht,
von hinten durchleuchtet wird. Kein
der, tlaß der Architekt bei einem Besuch,
über diese Tour de Force bemerkte
sieht, daß ich jung war, wie ich das
lcht habe, und vor nichts Angst hatte."
Räume, die im Erdgeschoß von der Halle
zugänglich sind, sind im Gesamtton
.ler gehalten als der hohe Älittelraum.
gilt vom Herrenzimmer in geschwärzter
ebenso wie vom hlusiksaal Abb. 24,
in schwarzem, auf Hochglanz poliertem
avenere-Marmor und vom Speisesaal, den
Mosaiken von Gustav Klimt zu einem
berühmtesten Innenräume des Z0. jahr-
lerts gemacht haben.
Speisesaal Abb. 26 ist dunkler als die
zlhalle, denn seine einzigen Fenster be-
sich an einer Schmalseite, rund 14m
der anderen Schmalseite entfernt. Zwar
ür die Wände der gleiche honigfarbcne
iazzo-Marmor verwendet wie in der
.l II Im
Halle, aber der Rest der Ausstattung ist dunkel
gehalten Portovenere-Marmor, Makasser-Holz
und schwarzes Leder mit Goldprägung. Um
so mehr kommen die funkelnden Mosaiken
zur Geltung, für deren Glanz dieser Innen-
raum wegen seiner gedämpften natürlichen
sorgfältigst angeordneten künstlichen
Beleuchtung einen ebenso idealen Rahmen
bietet, wie für den Glanz von Edelmetall,
Porzellan und Kristallglas.
und
Es ist auffallend, wie gut der Rest des Raums
sich den Mosaiken gegenüber zu behaupten
weiß. Alle seine Elemente, von den schvnarz-
weißen Quadraten des Marmorboclcns mit
seinem olivenfarbenen Teppich über die
quadratischen Holztürcn der Buffets bis zur
Reihe der Deckenluster, sind so koordiniert,
daß sie sich gegenseitig in ihrer Wirkung er-
höhen. Alle Oberflächen sind dermaßen auf
Hochglanz poliert, daß sie gemeinsam mit den
hlosaiken und Elementen aus Edelmetall im
Schein und Widerschein der Beleuchtung
genau jene Atmosphäre festlicher Brillanz
schalfen, die es hier anzustreben galt.
lm Gegensatz zur höfischcn. ja fast hierarchi-
schen Formalität des großen Speisesaals ist
das anschließende Frühstückszimmer Abb. 27
durch eine intimere Atmosphäre der Hellig-
keit und häuslichen Gemütlichkeit gekenn-
zeichnet. Es hat eine kompakte, achtcckige
Form im Grundriß und erhält reichlich Tages-
licht. Ein heiteres Blumendekor in Weiß und
Gelb auf schwarzem Grund bedeckt die
in ll llll ll llllllll im
16
ANMEEKUNKVJV
Bilder und Rahmen sind heute "um lllült! an Ort und Stelle.
Wände, deren oberste Teile ebenso wie die
Einbauschränke in den Ecken und die Decke
in reinem Weiß gehalten sind, im Kontrast
zum tiefschwarzen runden Mitteltisch.
Aus praktischen Erwägungen konnten nur
einige wenige der wichtigsten Räume in etwas
größerem Detail besprochen werden. Es gäbe
noch viele andere, voran das große Schlaf-
zimmer im Obergeschoß und das einmalige
Badezimmer Abb. 28, das nahezu 6mX6m
groß ist, einen eigenen Balkon hat und in
Marmor mit Älalachiteinlagen ausgestattet ist.
Aber auch bei einer nur teilweisen und kurzen
Besprechung dürfte das für die Innenräume
des Palais Stoclet Xli esentliche schon zum Aus-
druck gekommen sein diese Räume waren
offensichtlich als eine zusammenhängende,
sorgfältig abgestimmte llolge von Eindrücken
geplant, bei deren Gestaltung jedes zur Ver-
fügung stehende Kunstmittel Anwendung
fand Lichtführung bei Tages- und Kunst-
licht, Farbgebung, Textur und Oberflächen-
gliederung, Prnportionierung und Rhythmi-
sierung. Die erwünschte Wirkung blieb nicht
aus auch heute noch kann man zum Beispiel
beobachten, wie Besucher, welche zum ersten-
mal die große Mittclhalle betreten, ihre Stim-
men senken, als ob das Erlebnis sie mit Ehr-
furcht erfüllte.
Bei eingehenderem Studium findet man, daß
ein unglaublicher Nlüheaufwand bei der
Durcharbeitung jedes, auch des kleinsten Ent-
wurfsproblems erfolgte getreu den Idealen
Hoffmanns und der Wiener Werkstätte, wo
37
PLKLILN vmu. du Xmnbul l'.1l Nluvhl. dic Qqnlczuhu
hum m1 Im An Xnnlvu. lulu und hurbmfi IN hnxuxrl fur dm mrdvrulvc l-nhr uml lzxxlhllfl
Slwphw um ullcnqln mm." umrr 111m HIVCYNKCH Trcppcn-
huf
ßen sie ein einzigartiges Haus und eine einzig-
tige Kunstsammlung. Die Sammlung mit
rer Spezialisierung auf das Archaische und
mtische gibt ebenso wie das Haus einen
lnweis auf den Charakter der zwei Menschen,
für beides verantwortlich waren. Das Haus
nn ohne Kenntnis der Sammlung ebenso-
mig ganz verstanden werden wie die Samm-
ng ohne Kenntnis ihres prächtigen Ge-
uses. Sammlung und Haus aber spiegelten
th in einer Lebensweise, deren selbst auf-
legte, anspruchsvolle Maßstäbe das Ehepaar
oclet prägten.
lmond de Bruyn9 beschreibt Monsieur und
Madame Stoclet, wie sie anläßlich eines gesell-
schaftlichen Ereignisses die große Treppe her-
unterkamen la maitrcsse de maison lamee
d'or par Poiret et coiffee d'aigrettes, au cote
d'Adolphe Stoclet, droit dans sa barbe sym-
metrique et lustree d'Assurbanipal In
ähnlicher Weise erinnert sich Georges A.
Salles 10 an Adolphe Stoclet Sein schwarzer
mit Silber durchschossener Bart, seine Manier
charmant mit gerade nur einer Spur von
Freude am Pompösen und sein distinguier-
tes Auftreten gaben ihm eine bemerkenswerte
Afiinität im Stil zu den Gegenständen in
seiner Sammlung, mit denen er wie von Natur
26 Der Speisesaal mit den Mosaiken von Gustav Klirnx
21 Das Frullstückszimmer mit Blick gegen die große
2a Badezimmer, in Marmor mit Malachiteinlagen
29 Blick von der Halle ins Stiegenhaus
ANMERKUNGEN 9713
9Edmond de Bruyn, "Adieu Monsieur Adolph! Smc
Lt Flanlhenll, nu. 1949, Z.
Georges A. Salles. Adnlphe Slnclet Collerliznl, Brüssel 1956,
de Bruyn. w. er. a.
I1 Da Irllnieur, ll 1901, 201.
13 E. Sckler, Mackinmsh und Wien" in Mackirlrvsll. K2!
Mus. d. 20. h., Wien 1969. 12.
IV.
Beim Bau des Palais Stoclet war das Verhältnis
zwischen Auftraggeber und Architekten das
denkbar glücklichste, eine Tatsache, die sich
deutlich in der konsequenten Haltung und
Qualität des Bauwerks ausdrückt, dem offen-
sichtlich keinerlei Kompromisse aufgezwungen
worden waren. Zwischen dem Geschmack und
den Vorlieben von Adolphe und Suzanne
Stoclet und den künstlerischen Fähigkeiten
und Intentionen von Josef Hoffmann muß
eine grundsätzliche Übereinstimmung ge-
herrscht haben. Der Architekt wurde in diesem
Fall durch die klar definierten Wünsche von
Auftraggebern aufs äußerste angespornt, die
ihn als Künstler hochschätztenß und die er
seinerseits als echte Kunstfreunde schätzen
konnte.
Suzanne Stoclet war die Tochter des Kunst-
kritikers und Kunsthändlers Arthur Stevens,
der einer von drei Brüdern war, welche im
Pariser Kunstleben eine wichtige Rolle spiel-
ten. Unter ihnen ist Alfred Stevens als viel-
gesuchter Porträtist von Damen der besten
Gesellschaft am bekanntesten geworden.
Adolphe Stoclet kam von einem ganz anderen
Familienhintergrund, dem der belgischen Bank-
welt und Hochfinanz. Er heiratete die attrak-
tive junge Pariserin anscheinend gegen den
Willen seiner Familie und ging dann ins Aus-
land erst nach Mailand, dann nach Wien,
wo 1903 sein drittes Kind, ein Sohn, geboren
wurde.
Das belgische Paar, das zu jenem Zeitpunkt
bereits begonnen hatte, Kunst zu sammeln,
war bei einem Vormittagsausflug auf der
Hohen Warte auf ein paar ganz neue Villen
gestoßen, die ihre Neugierde erregten. Sie
betraten den Garten eines dieser Neubauten
und wurden prompt vom Besitzer entdeckt,
der niemand anderer war als der Maler und
Mitbegründer der Wiener Secession, Carl Moll.
Er führte die Fremden nicht nur in seinem
neuen Hause herum, sondern machte sie auch
mit dem Architekten bekannt josef Hoff-
mann.
Da Herr Stoclet der Meinung war, er werde
noch geraume Zeit in Wien verbringen, gab
er nun den Entwurf für ein Wohnhaus in
Auftrag. Es sollte gleichfalls auf der Hohen
Warte errichtet werden, und zwar auf dem
Grundstück, auf dem später die Villa Ast zu
stehen kam. Aus dem Projekt wurde allerdings
nichts, denn 1904 wurde Adolphe Stoclet
nach Brüssel zurückgerufen, um die Erbschaft
nach seinem Vater anzutreten, der gestorben
war. Er konnte nun bei HotTmann ein Haus
für Brüssel in Auftrag geben, das zu Recht als
Palais bezeichnet wird und dessen tatsächliche
Kosten seine Familie nie erfuhr.
Als Adolphe und Suzanne Stoclet im jahre
1949 ganz kurz nacheinander starben, hinter-
I'm l'l.llc. lllu. gcgcu den Lxkq nur Ucr Mu
unvlvnuuxxuu I5 Ent rf llküllßlmhlll llhnlläl.
Fnr In n. Nhvxrxxxuv du in, jahllzu
ein grüner Drache. Er war vollkommen
lieser monumentalen Gesellschaft zu-
beginnt zu verstehen, wie weitgehend die
ets cins waren mit dem Rahmen, den sie
ir Leben geschaffen hatten. Wie im Ent-
des Hauses war nichts dem Zufall üher-
und les Heurs touiours d'un seule
sur la table et la cravate de M. Sroclet
xrtissaient sur la toilette de Madame".
batisse se manifestait incompatible avec
ce soit de banal, de provisoire ou de
ncre" 11.
Bau war eine seht persönliche Kulisse
ine Lebensweise, der eine tiefe Ehrfurcht
ler Schönheit und verklärenden Macht
unst zugrunde lag, die aber ein Mann
zurechtgelegt hatte, der ein Realist war
eine große Bank zu leiten und ein Bade-
.er zu genießen, dessen hlaßstab und
an die römischen Thermen denken
Besitzerstolz ist in diesem Gebäude
die Zurückhaltung gemildert, die ein
tultivierrer Individualist besitzt. für den
tische Vollkommenheit eine fast meta-
schc Bedeutung annimmt. Aus ihr er-
sich wohl auch der hieratische Charakter
.ser Teile des Gebäudes, der Zeitgenossen
ieeindruckte, daß sie Vergleiche mit
ten und Byzanz anstellten.
V.
als einmal war es bei der Besprechung
Stoclet-Entwürfe nötig, von bilateraler
"ietrie, Axialität und ähnlichen Kom-
onsmitteln zu sprechen, welche aus der
schcn Tradition herstammen und ein
1l der Monumentalität vermitteln helfen.
innern uns an den Anfang von Hoffmanns
iahn, als er unter dem Iiinfluß von
Lehrern stand, die völlig in der klassischen
tion monumentaler Komposition groß-
rdcn waren Karl von Hasenauer und
Wagner. Beide Meister der
ien Geste" in der Architektur, allerdings
em Unterschied, daß Wagner in seinem
cn und Schaffen darüber hinauswuchs
so imstande war, zukunftweisende An-
gen zu geben. Er tat dies ohne Zweifel
rise unter dem Einfiuß von Gottfried
er, dessen Rationalismus einen nach-
en Eindruck hinterließ. Wenn Hol-f-
in einer programmatischen lirklärung
schrieb, Ich meine, claß man vor allem
eweiligen Zweck und das Material be-
ichtigen sollte"l1, so ist dies wohl
2m Umweg über Wagner ein direktes
von Semper. Wagner hatte ia in seinem
Äfwierm Arrbilrklzrr die gleiche Forderung
sprechen und damit seinen Studenten
Grundsatz zur Verfügung gestellt, der
ungen Hoffmann kaum unbeeindtuckt
en haben wird. lm gleichen ahr, 1895,
das Buch erschien, errang Hoffmann
einem Schlußprojekt an der Akademie
im-Preis.
XVQICII
Mit dem Preis unternahm er, wie Olbrich
zwei Jahre vor ihm, eine Reise nach Süden,
die weit über Rom hinausführte und auf der
nicht nur Monumentalbauten der Antike und
Renaissance studiert wurden, sondern auch
zahlreiche Beispiele dessen, was wir heute
anonyme Architektur" nennen. Man fragt
sich, ob nicht für Hoffmann diese Studien
weißgetünchter Bauten mit einfachen kubischen
Formen, großen ungebrochenen Wandflächen
und unregelmäßig angeordneten Öffnungen
eine der Anregungen waren, später drastisch
vereinfachte Entwürfe mit frei arrangierten,
weißen stereometrischen Formen zu schaffen
wie zum Beispiel beim Palais Stoclet.
Nach seiner Rückkehr aus Italien war aller-
dings vorerst nicht Einfachheit das große
Anliegen, sondern im Gegenteil der dekorative
Überschwang, der aus Belgien nach Wien
gekommen war. 1898 begannen ja bereits die
Secessionsausstcllungen, bei denen Hoffmann
Gelegenheit hatte, der
reichlich Probleme
Integration von Kunstwerken mit Inne
studieren. Bei Ausstellungsg
staltungen konnte er Erfahrungen sammel
die ihm später sehr zugute kommen mußte
als es galt, im Palais Stoclet Architektt
Dekoration und Kunstwerke zu einer Einhx
zusammenzufassen.
Kunstwerk und Raumgestaltung bis ins kleins
Detail als eine Einheit aufzufassen war ei.
Einstellung, die besonders von der britischi
Arts and CraftW-Bexivegung wieder zu Ehn
gebracht worden war, und im Fall von jos
Hoffmann kann kein Zweifel darüber bestehe
daß er sehr bewußt auf britische Vorbild
blickte. Unter ihnen standen, was geisti;
Inspiration betrifft, Ruskin und Morris
erster Stelle; was praktische und forma
Inspiration betrifft, Ashbees Guild of Hanc
craft" und das Werk von Charles R. Mac
intosh, mit dem Hoßrnann Bande der Freun-
schaft verbanden und den er in Glasgow
suchte 13.
räumen zu
ne Zeitlang ist der Einfiuß von Mackintosh
Hoffmanns Gluvre klar erkenntlich, aber
Zeitpunkt, als die Stoclet-Entwürfe aus-
arbeitet wurden, hatten die beiden Künstler
bereits in sehr verschiedener Weise weiter-
twickelt. Dies wird aus einem Vergleich
Stoclet-Entwürfe mit dem Wettbewerbs-
twurf von Mackintosh für das Haus eines
instfreundes", 1901 Abb. 30, 31, ersichtlich
der Schaffung eines streng durchorgani-
rten, axial integrierten Ganzen geht
ffmanns endgültiger Plan weit über Mack-
'0sh hinaus. Wo der Schotte noch die lose
ruppierung prachtvoll modellierter Volumina
welche eine Erbschaft des Interesses an
llerischen Gruppierungen des Mittelalters
dort hat der Wiener die ordnende Axiali-
der klassischen Kompositionsweise. Wo
ackintosh seine Oberflächen als modellierte
grenzungen von skulptierten Volumina be-
ndelt, in welche Öffnungen, wie das lange
legenhausfenster, eingeschnitten sind, dort
handelt Hoffmann seine Oberflächen als
ir definierte, eingerahmte Flächen, die ie-
ils ein Eigendasein führen und die Plastizi-
der Volumina überhaupt nicht betonen.
as sein Lehrer Otto Wagner postuliert hatte,
Jrde in Hoffmanns Architektur erfüllt; die
ielförmige Ausbildung der Fläche" wird
Leitmotiv einer neuen Architektur.
gibt ein unerhört eindrucksvolles Beispiel
diese intensive Beschäftigung mit der klar
f-inierten, tafelförmigen Fläche, das gleich-
itig eine Idee von der Starke schöpferischer
lantasie bei Josef Hoffmann gibt 1902
huf er als Teil seiner Innenraumgestaltung
die Ausstellung von Klingers Beethoven
der Secession ein abstraktes Relief in Gips-
hnitt Abb. 32, das in kaum glaublicher
eise Entwicklungen vorwegnimmt, die erst
wa fünfzehn Jahre später im Neoplastizismus
ld der StiiW-Bewegung zur Reife ge-
igten.
er echt revolutionäre Charakter dieser asym-
etrischen Komposition von Rechteck-Körpern
in unserem Zusammenhang ein Beweis dafür,
ähnliche Erscheinungen in der Kompo-
ion des Palais Stoclet Abb. 33 nicht als
JMERKUNGEN 14-21
Da zirrrririir, ll 1901, 201.
ln Wrighrs Frühwerk gibt es einige auffallende Parallelen zu
Hislrrriririri, cf. Aufbau, XIV Aug. 1959. 29a.
Zitiert nach Carl 1a. Schorske, Schnitzler und Hofmnnnsthal".
Wrrri wir Wahrhrir. xvll Mai 1962, m.
bloß zufällige Ergebnisse betrachtet werden
dürfen. Zugleich aber zwingt uns dieses Re-
lief, die Frage zu stellen, wieso es zu dem
Umschwung vom kurvenreichen Überschwang
der frühen secessionistischen Periode zur Vor-
liebe für quadratische Einfachheit kommen
konnte.
Hoffmann schuf nur verhältnismäßig kurze
Zeit in Formen, die direkt mit dem inter-
nationalen Art Nouveau" im engsten Sinn
dieses Ausdrucks zu tun hatten. Dann begann
er dieser Kunstrichtung gegenüber kritisch zu
werden und sich der rationaleren Wurzeln
seines Schaffens und der Disziplin der Tradi-
tion zu entsinnen. Wohl unter dem Einfluß
des Strebens nach Sach1ichkeir" von Män-
nern wie Lichtwark und Muthesius schrieb er
bereits 1901 Auch die Moderne leidet unter
unerträglichen Fehlern Man nimmt nicht
Rücksicht auf die gerade Faserung des Holzes
und macht Curven über Curven..."14. Er
begann nun damit, Art Nouveau" auf seine
eigene schöpferische Weise zu überwinden,
indem er sich den einfachen Elementarformen
zuwandte, dem Quadrat und dem Würfel, in
Schwarz und Weiß. Das Sanatorium Purkers-
dorf und das Palais Stoclet stellen seine fort-
geschrittensten architektonischen Lösungen
mit Hilfe würfelförmiger und quadratischer
Formen und genau definierter, lichter Flächen
dar.
Freilich haben Quadrat und Würfel dies ge-
meinsam, daß sie inhärent richtungslos sind
und daher nicht dynamisch wirken. Etwas
von dem Gefühl, daß statische Elemente
additiv aneinandergefügt wurden, bleibt
ebenso typisch für das Palais Stoclet wie die
offensichtliche Negierung starken tektonischen
Ausdrucks. Auffallend ist aber, daß es an dem
Gebäude verschiedene Stellen gibt, wo offenbar
entsprechend der inneren Logik des Entwurfs
eine visuelle Trennung von zwei benachbarten
Flächen der auf der Hand liegende nächste
Schritt gewesen wäre. Das trifft bei den ver-
schiedenen brückenartigen Elementen, die
erwähnt wurden, ebenso zu wie bei den
spitzwinkeligen, bugartigen Erkervorsprün-
gen, bei denen eine virtuelle Bewegung der
beiden sehrägstehenden Flächen impliziert ist
11 Arrllilrrluml Assutialion Julllllrll, l.xxv Jan. 195a. 170.
"Johannes Dubai, Gustav Kliml", in cruirr- Kliml riiia figvn
Srllieleit Katalog d. Gnggenhcim Museums, New York,
was,
Wjnl. Anltlitnn lnsl. rißarrriirrrrr, XII Okt. 1924. 422.
1,11. Snr. Anlliltrllllrll Hlsiiiririris. xxuz Mai 1962. SH.
vergleichbar dem Sich-Öffnen von
Türflügcln einer Doppeltür. Otto Wal
hatte in die gleiche Richtung gewiesen, al
die Ecklösung am Postsparkassenamt
durchführte, daß zwei Fassaden als
hängige, tafclartige Flächen behandelt
die an der Ecke nicht miteinander in Be
rung treten, sondern voneinander durch
etwas zurückgesetzte, schräge Fläche getrl
sind. Aber weder bei Wagner noch bei
mann wird der entscheidende letzte Sc
getan, der den Innenraum durch eine tats
liche Trennung der ihn umgrcnzenden Fläl
befreit" und somit ienen Prozeß der akt
Dematcrialisierung" eingeleitet hätte, de.
wichtig für das Neue Bauen" der zwan
Jahre wurde. Dies wurde nur bei Frank
WrightIS und erst später bei anderen A1
tekten erreicht.
Wo bei Hoffmann eine virtuelle Bcweg
vorkommt, ist sie ihrem Wesen nach
von klar definierter Dynamik, sondern
ein passives Bewegtwerden ein Aneinan
vorbei-Schweben und -Gleiten von Elemer
das einen Eindruck passiver Demate
sierung" hervorruft und an ähnliche
denzcn in Bildern von Gustav Klimt erinl
in denen Formen und Körper aneina
vorbeizutreiben scheinen, als wären sie
von einem eigenen Willen in Bexveg
gesetzt.
Bei aller Vorsicht, die geboten ist, wenn
Vergleiche zwischen verschiedenen Gebi
schöpferischer Tätigkeit ziehen will, wird
doch an die Glissando-Effekte erinnert,
charakteristisch für die avantgardistische
der Periode sind, und vielleicht sogar an
von Hofmannsthals Versuch einer Charak
sierung der ganzen Epoche, als er 1901
dem ahr, in dem das Palais Stoclet begol
wurde schrieb .das Wesen un
Epoche ist Vieldeutigkeit und Unbestir
heit. Sie kann nur auf Gleitendem ausrl
und ist sich bewußt, daß es Gleitendes
wo andere Generationen an das Feste gl
ten" I6.
Im Palais Stoclet wurde eine neue
auffassung deutlich angekündigt und vo
geahnt, wenn auch noch nicht durchgef
H. S. Goodharl-Rendel. Hmll Arrllilcrllln Made. l.
1947. a7; Entll Ksiirrrisriri, Arrllllzrfllve lii Ar. Uff
Cambridge, Mm. v.
11 Erich MChdClSOhn. llr im?! xlnllirekren. Mvlllfllltn 191
11 LCOIIIHdO Bcncvolo, Slnlld arllnirrlrirrriirrri 17101107111. um
m.
rägung in Bauten wie Rletvelds Schröder-
aus und dem Barcelona-Pavillon von Mies
an der Rohe fand. Sowohl Rietveld wie
lies van der Rohe dürften das Palais Stoclet
kannt haben. Rietveltl muß ein besonderes
itercsse an Hoffmanns Möbclentwürfen ge-
tbt haben, und Mies van der Rohe wurde
nmal sogar als Schüler IIoHmanns von
lorton Shand bezeichnet, der als Architektur-
'itiker die Zeit aus eigener Erfahrung gut
1nntel7. Von Theo van Doesburg wissen
ir, daß er stark von den völlig abstrakten
eilen des KlimtrFrieses im Palais Stoclet
seindruckt warls, und Robert Mallet-Stevens
wundertc den Bau in seiner Jugend, als er
als Verwandter der Familie mütterlicher-
its mehr als einmal besuchte. Viele seiner
iäteren Entwürfe erinnern an das, was er
junger Mann im Palais Stoclet gesehen
IUC.
ahlreiche andere Architekten und Künstler
suchten das Palais Stoclet zu verschiedenen
eitpunkten, unter ihnen Peter Behrens, der
aufs höchste lobtel", Max Bill, Henri
atisse, Richard Neutra und Le Corbusicr.
uch in den Vereinigten Staaten wurde der
11.1 durch Publikationen bekannt, und William
irdy hat darauf hingewiescnlll, daß einer
ersten Entwürfe für das architektur-
rschichtlich sehr bedeutsame P. S. F. S.-
ebäude in Philadelphia eine formale Anleihe
Hi Palais Stoclet aufzuweisen scheint.
gibt einige gute Bemerkungen über das
llais Stoclet von Ärchitekturkritikern 11, aber
großen ganzen rief das Gebäude wenige
ehliche Kommentare hervor. Teilweise mag
es der Rescrviertheit des Architekten und
zr Bauherrschaft zuzuschreiben sein, denen
Lle aufdringliche Selbstpropaganda fernlag,
größeren Teil trugen aber die historischen
mstände die Schuld an diesem Schweigen.
"ach doch drei jahre nach Fertigstellung des
nuwerks der Erste Weltkrieg aus, der das
amatische Ende eben der Epoche brachte,
welche das Palais Stoclet so charakteristisch
wesen war. Die Nachkriegsjahre brachten
dere Interessen als die für das prunkvolle
aus eines Kunstliebhahers.
Charles lKt-nluc Varkinrush, nur" eine Kllllslßfllllkifä".
Slralieltansirlu Älrlttrv liUY IHIIUHPHVISI. Darmstadt. 1902
hurles Rrnnie Markmtnsh. "Haus eines Knnsrfrcuxidcs".
iuxrhulägrilnrlnxwe Kleister .1." IHHRHÄJIHVYI. Darmstadt,
lusef llolimanu. runter Cipsschxuitr. am der 14. Aus-
stellung rlc Sttessiuxl. XVien 1902
Palais Smclur. Üetall der Weütruisichi mit Turm
Erich Mendelsohn beurteilte den Bau in einem
Brief vom 14. März 1914 vom Gesichtspunkt
eines jungen Architekten aus was groß-
zügig daran ist, ist der neue Wille Nur noch
nicht vollendet, noch nicht das Werk, noch
nicht Stil. Noch sind es Flächen von Innen-
vränden und nicht Gesichter der Struktur und
der tektonischen NotwendigkeiWll.
Etwa zwanzig Jahre später konnte E. Persico
schon objektiver urteilen, als er den Wert
des StocletiHauses für seine Generation in
einem Artikel in Camhella unter dem Titel
besprach 'l'renl'anni dopo Palaggo SYWIeI".
Seine Worte sind vor nicht allzulanger Zeit
neu zitiert worden bezeichnender Weise
an einer Schlüsselstelle, nämlich am Ende des
ersten Bandes einer zweibändigen Geschichte
der modernen Architekturlß Wir sprechen
ljnlßi.
14,... Nun. ..,.,.. cirxr'rxß u... .1. A...
i-.-
III
und
einige Lektionen lernen. Erstens, daß es
Einklang mit seiner Zeit stand in
Beziehung seines Stils zu den vitalsten Idr
seiner Zeit. Wenn man es mit diesem Stand
rnißt, so ist das Palais Stoclet ein hervorragi
des Beispiel Wird es den Architekten
heute gelingen, in der Kunst eine verglei
bare Totalität des Lebens zu realisieren? II
Versuchungen der Rhetorik zu widerstel
und die Tradition der europäischen Archin
tur ohne Abwege zu erhalten? Diese Frager
lassen das Palais Stoclet als das Monumi
einer Epoche erscheinen, die für die Kün
ruhmvoll war."
Rückblickend erscheint es tatsächlich so,
das Palais Stoclet innerlich und äußerlich
Höhepunkt von Hoffmanns Gesamtwcrk
Es blieb nach Umfang, Qualität und
.A
Ärxuai ua IRA räAl
Karl Marilaun
JOSEF HOFFMANN,
DIE WIENER WERKSTÄTTE
UND ADOLF LOOS
Der folgende Beitrag erreliien um
50. Gehurlmzg von Azialf Lau! und
joref Hvjmann. Wir rind der Über-
zeugung, daß er am! beute norl, anlbßlieb
de 100. Gelmrlrtager, reine Gültigkeit
hätte.
Josef Hoffmann und Adolf Loos sind im ver-
gangenen Monat fünfzig Jahre alt geworden.
Dies dürfte aber auch schon das einzige sein,
das sie miteinander gemein haben. Josef
Hoffmann, Regierungsrat und Professor an
der Wiener Kunstgewerbeschule, gehört zu
den Initiatoren der neueren kunstgewerblichen
Richtung; seine stilschaffende und kunst-
erzieherische Persönlichkeit hat in der Wiener
Werkstätte" ihren prägnantesten Ausdruck
gefunden. Adolf Loos, Erbauer des lange und
ungewöhnlich heftig umstritten gewesenen
puritanischen Hauses auf dem Wiener Michae-
lerplatz, negiert die Daseinsberechtigung jeg-
lichnKunst"gewerbes, die Verquickung von
Kunst und Handwerk ist ihm ein Greuel.
Sie beruht nach ihm nicht nur auf einem
Denk-, sondern beinahe schon einem Charakter-
fehler. Ornament ist Verbrechen. Schlichteste,
sachlichste, arbeit- und materialsparende
Zweckmäßigkeit des Gebrauchsgegenstandes
erhebt er zur sozusagen sittlichen Forderung.
Nie und nimmer kann ein Regenschirmständer,
eine Damentoilette, ein Haus unserer Zeit
schön" sein, wenn der Kunstgewerbler dem
Schneider, Tischler oder Hausbauer über die
Achsel sieht. Der Sessel, auf dem ich sitze,
ist auf Grund jahrhundertelanger Erwägungen
und Versuche zu jener Form gelangt, bei der
das Ästhetische Nebensache, das Problem des
Darin-sitzen-Könnens aber einwandfrei gelöst
erscheint. Zu dieser Lösung ist lediglich der
Handwerker befähigt, der ohne Rücksicht auf
Schönheit, Stilfragen und Kunstdiskussionen,
die weder bei der Hobelbank am Platz noch
zum Sitzen unumgänglich nötig sind, einen
Gebrauchsgegenstand zu liefern hat, der so
zweckmäßig wie nur überhaupt möglich
ist.
Die Zweckmäßigkeit mit einer durchaus nicht
dem Sachlichcn allein entspringenden Schön-
heit" zu verbinden, ist eine Idee, die Adolf
Loos seit zwanzig Jahren mit allen Mitteln des
glänzenden Dialektikers und mit der Über-
zeugung eines Apostels bekämpft. In diesen
selben zwanzig Jahren hat sich die Wiener
Werkstätte" Josef Hoffmanns ihren Boden,
ihr Publikum und ihre Snobs geschaffen. Die
österreichische oder, sagen wir, wienerische
Freude, Selbstverständlichkeiten einen Schnör-
kel anzuhängen und das graue Leben" ohne
Ornament unerträglich zu finden, verbunden
mit einem oft sehr hemmungslosen Talent zu
phantasierender Formgestaltung, hat es als
beinahe beleidigende Zumutung empfunden,
sich mit einem bloßen Zweck abfinden zu
sollen. Der Mensch des francisco-josephini-
schen, im Makart-Bukett dominierenden Zeit-
alters hatte im Gefühl seiner inneren Un-
44
sicherheit eine Angst vor der Realität. Nicht
wie die Dinge sind, sondern wie sie aussehen,
war die Hauptsache. Sachlichkeit war ihm ein
Greuel, es beleidigte ein sogenanntes Stil-
empfinden, die Schönheit des neuen Lebens
in einem nackten Betonbau, in der Zweck-
konstruktion einer Maschine, im Pflaster der
Großstadtsrraße, in einer Wickelgamasche
sehen zu sollen. Man konnte ja natürlich den
Betonbau und die Wickelgamasche nicht ent-
behren, aber der österreichische Mensch trug
inwendig den gestickten Kragen des sech-
zehnten oder siebzehnten Jahrhunderts dazu.
So ein gestickter Kragen war die immer sich
wiederholende Klage, daß man dazu ver-
dammt" sei, in einer nüchtern gewordenen,
den Zweck anbetenden, die Sachlichkeit zum
Prinzip erhebenden Zeit leben zu müssen.
Das Makart-Bukett war die Flucht aus der
Wirklichkeit zum schönen Schein oder vom
grauen Leben zum Pofel.
Josef Hoffmann und seine Gemeinde schafften
das Makart-Bukett und das scheußliche Tape-
zierertum der achtziger Jahre ab. Sie erkannten
ganz richtig, daß sich der neue Mensch einen
neuen Stil erobern müsse, daß gotische Speise-
zimmerkredenzen, altdeutsche Stuben oder ein
maurisches Rauchzimmer mit dem lebendigen
Tag, in den wir gesetzt sind" Goethe, gar
nichts zu tun haben. Daß es lächerlich, ge-
schmacklos und unintelligent sei, diesen le-
bendigen Tag mit nachgeahmten Vergangen-
heiten romantisch und empfindsam zu mö-
blieren.
Zwei Wege waren nun möglich. Entweder
bekannte man sich unsentimental und auf-
richtig zu dieser Zeit, deren Schönheit nicht
Ornamente sind, die das zwecklos Schöne
überhaupt so ziemlich aus unserem Alltag,
unserer Stube, unserer Kleidung verbannt hat.
Entweder entschloß man sich, das schön zu
finden, was in unserem täglichen Leben kein
Verkehrshindernis bildet, sondern es erleich-
tert also die Glühlampe, das Gasbügeleisen,
das Wasserklosett, die Mauer aus Beton, das
moderne Straßenpfiaster, den Sessel aus ge-
bogenem Holz, den hygienischen Spucknapf,
vernickelte Wasserleitungshältne, die elek-
trische Tramway, das Auto, einen Gas-
rechaud, die gekachelten Wände eines Bade-
zimmers.
Oder man versuchte, diesen Dingen, die
man ja keinesfalls mehr entbehren konnte und
wollte, abermals den bewußten Spitzenkragen
umzuhängen. Ihr Zweckmäßiges mit Schön-
heit" zu bemänteln. Kunst in die Tischler-
werkstatt, zum Buchbinder, zum Damen-
schneidet, zum Wändemaler, zum Metall-
arbeiter zu tragen. Den Professionisten zum
Kunstgewerbler umzubiegen, und allerdings
keine Anleihen bei alten Stilen mehr zu
machen, aber mit der Erfindung eines mo-
dernen" Stils den beinahe schon freigemachten
Weg zur Sachlichkeit und Aufrichtigkeit
neuerdings zu verschütten.
Anstatt Gewerbe und in Generationen hoch-
gebildetes Handwerk in ihre Rechte einzu-
setzen, verquickte man es mit Kunst". Der
Schnörkel war wieder da, und da das Orna-
ment alten wie neuen Stils nicht eben auf dem
Wege von Arbeits- und Marerialersparung
zustandezukomrrien pflegt, wandte sich die
sicherlich aus den idealsten Beweggründen
entstandene Wiener Werkstätte" mit ihrer
Edelarbeit" naturgemäß nur an die be-
güterten Kreise, den kaufkräftigen Abnehmer,
den Snob, der es sich leisten konnte. Hand-
werk, mit Kunst kompliziert und um sie ver-
teuert, kann eine sozusagen soziale Ver-
pflichtungen nicht gut anerkennen. Möbel,
die nicht nur zweckmäßig, sondern vom
Architekten entworfen, hernach noch durch
eine Menge von Händen gehen müssen
des Tischlers, des Tapezierers, des Bildhauers,
des Vergolders, Malers, Inkrustierers geben
gewiß Zeugnis für den Ideenreichtum oder
den Sybaritismus ihres Entwerfers und die
Höchstentwicklung der verschiedensten Hand-
werkszweige, aber sie können natürlich nicht
billig sein, und gerade für jene Kreise, die
einer Hebung und Kultivierung des Ge-
schmacks am allerbedürftigsten wären, sind
sie überhaupt unerschwinglich. Die Schöpfer
des modernen Kunstgewerbes stellten eine
Menge sittlicher Postulate auf fort mit dem
Schund, Materialechtheit, Edelarbeit; sie pre-
digten eine neuzeitliche Wohnungskultur,
aber sie schufen im großen und ganzen nur
Luxuswarel
Und hier erinnert man sich, daß Loos, der
grimmige Antichrist der Wiener Werkstätte",
nicht nur von einem Denk-, sondern einem
Charakterfehler des Kunst"handwerkes zu
sprechen liebt.
Ich vermag nicht oder noch nicht ihm
auf seinen Gedankengängen unbedingt und
bis zur letzten Konsequenz zu folgen. Ich
kann das Lebenswerk eines Künstlers und
Idealisten, wie es Josef Hoffmann ist, nicht
mit der Impetuosität und ungeheuren Selbst-
sicherheit eines Adolf Loos ablehnen. Hoff-
manns phantastischer Ideenreichtum be-
fruchtet nun seit zwanzig oder mehr Jahren
eine Menge von österreichischen Formtalenten,
deren er vielleicht zuviel in seiner
Kunstgewerbeschule geradezu aus dem Boden
gestampft hat. Er zügelt möglicherweise die
Zügellosigkeiten seiner begabten Minorennen
zuwenig, die aus einem eminent künstlerischen
und sozusagen auch sittlichen Beweggrund
der junge Mensch soll nicht in eine Bahn
gelenkt", nicht einmal zu seinem Meister
orientiert werden, sondern er soll ganz, aus-
schließlich und ungehemmt sagen, was er zu
sagen hat. Die Phantasie soll nicht in eine
Schule" genommen werden, Persönlichkeit
ist alles.
Wofür Hoffmann natürlich nicht kann, ist,
daß auch die Persönlichkeit hierzulande den
gestickten Spitzenkragen sozusagen im Blute
hat, daß sie den Schein für das Sein nimmt,
daß sie den Schnörkel für das Wesentliche
hält. Daß Ornament nicht Verbrechen, son-
dern Daseinsbedingung des österreichischen
Menschen ist. Daß Wien wahrscheinlich aus
tieferen Gründen, auch in seiner gegen-
wärtigen Verarmung, die Stadt der Luxus-
ware" ist.
Sollte dieser Stadt der neue Geist, die Er-
kenntnis des Wesentlichen, imputicrt werden
können, wäre Adolf Loos ihr Führer. Und
Josef Hoffmann, der Baukünstlcr, Innen-
architekt, Kunsterzieher und Idealist, der
letzte österreichische Mensch
HuWnmnn. grulirr Schrexlmwch Annviuhl. 1'750
cf Hu Jrldraidlr, Vxutenkarlenxairhe.
1915
Wmann. Hamllawlm
mnn. Dm Hrhlielßcu. mm. 1mm. 19111
um 19414
w.
jcscf Hntihunxx, 01m1, was
juscf HoIYmnnn, Sumuwar, was
ÖSTERREICHISCHES MUSEUM
FÜR ANGEWANDTE KUNST
Metallplastiken des Bildhauers Josef Schagerl
SÄULENHOF, 30. JULI BIS 13. SEPTEMBER 1970
Josef Schagerl, 1923 in Peutenburg bei Scheibbs N0. geboren, war in
einer künstlerischen Atmosphäre aufgewachsen. Schon sein Vater war Bild-
hauer, und viele Kirchenausstattungen und große Weihnachtskrippen gingen
aus dessen Werkstatt hervor. Josef Schagerl studierte, nachdem er erst ein
Handwerk erlernen mußte, in Wien an der Akademie der bildenden Künste und
erhielt 1951 das Diplom. Seit diesem Jahr arbeitet er als freischaffender Bild-
hauer, und etliche große Arbeiten von ihm begegnen uns an öffentlichen Plätzen
in Wien, in Niederösterreich und auch im Ausland. Es sei hier nur auf die 240 cm
hohe Figuration" aus Chromnickelstahl in Wien XX, Adalbert Stifter-Straße,
auf die 170 cm hohe Brunnenplastik in Mistelbach und an die 280cm hohe
Marmorskulptur Homoment", die in Arandelovac in Jugoslawien zur Aus-
stellung kam, hingewiesen. Schon in der Kubischen Form" 240 crn, Beton
des Jahres 1958159 wird das Bestreben des Bildhauers ersichtlich die Er-
oberung des Raumes. Dieses Moment finden wir auch später in allen Werken
Schagerls. Besonders deutlich wird es in den hochstrebenden, stelenartigen
Gebilden, die mit einer Vierergruppe" 180 cm aus Holz 1959160 einsetzen.
Bereits 1961, im Symposion Kapfenberg, wird die Idee in Chromnickelstahl
weiterverfolgt. Metall ist seit jener Zeit auch das Material, das dieser Künstler
am meisten verwendet In vielen Ausstellungen im ln- und Ausland konnte
man immer neue Variationen seiner vertikalen Gestaltungen sehen. Trotz eines
technisch zeitnahen Vokabulars haben diese Figuren immer einen humanen
Duktus bewahrt. Daneben suchte Schagerl aber auch jene gleich einem Atom-
kern aus einem Zentrum wirkenden Kräfte anschaulich werden zu lassen.
Kupfer- und Messingreliefs und -plastiken, Neue Sonnen", entstehen. Ahn-
Iiche Kräfte sind es auch, die seine neuen großen Chromnickelarbeiten symboli-
sieren, sei es die hier gezeigte Plastik oder die, an denen der Bildhauer eben
arbeitet. In sauberen, ausgewogenen Aufbauten werden die von der Industrie
vorgeformten Rohelemente eingesetzt und zu einem neuen ausdrucksreichen
Sprachschatz verdichtet. Alois Vogel
Mode 71 Boutique Annabelle
SAULENHOF, 16. UND 17, SEPTEMBER 1970
Vorführung von 60 Modellen für die junge Mode 1970l71, vom Sportmantel
bis zum Abendkleid, aus dem bekannten Modenhaus für die junge Dame.
Austellung "Freie Graphik" von Hans Thomas
AUSSTELLUNGSRAUM DER BIBLIOTHEK UND KUNSTBLATTERSAMM-
LUNG, 24. SEPTEMBER BIS 29. NOVEMBER 1970
Hans Thomas, 1903 geboren, Schüler der Professoren Steiner, Klinger und
Sterrer in Wien, wirkte durch sechzehn Jahre als Professor an der Graphischen
Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Die künstlerische Voraussetzung in seinen
Bildern ist die Betrachtung der Natur, und seine Absicht ist, die natürlichen
Dinge natürlich wiederzugeben. Und doch ist er kein Naturalist im Sinne des
späten 19. Jahrhunderts oder gar ein lllusionist im Sinne der Photographie.
Auch seine Absicht ist die Erfassung der Realität des Gegenstandes, ohne
dabei aber und das ist sicher seine besondere Eigenart symbolisch oder
allegorisch sein zu wollen. Die Voraussetzung seines Realismus ist nicht die
Spekulation oder vorgefaßte Meinung, sondern die Verdichtung des Gesehenen.
Deswegen steigert er und abstrahiert er zugleich. Er steigert wohl einige Details,
ohne den Gesamteindruck des gesehenen Objektes zu zerstören, und er ab-
strahiert oft so weit als nur irgend möglich, oft bis zur Kontur durch eine einzige
Linie, und doch wird die ganze Form nicht in einige Stücke aufgelöst. Er ge-
langt dabei nicht zum Schema einer innewohnenden Grundform, sondern zum
Sucus, dem unbedingt Notwendigen der äußeren Erscheinung des Objektes,
das er dabei von der Individualisierung loslöst und in die Generalisierung
überführt. Darum gibt es wohl auch von ihm zwar viele Darstellungen des
Menschen, aber kein Porträt. Nicht nur die einfache äußere Form des einzelnen
Gegenstandes aber unterliegt bei ihm der Absicht der Abstraktion, sondern
auch der Raum und vor allem die Bewegung. In letzterer geht er am weitesten
über den Begriff des Naturalismus hinaus, wenn er wie etwa in dem Blatt
Erwachen" mehrere Phasen einer Bewegung statisch und bewegungslos
übereinanderzeichnet. In alldem liegt ein eigener Weg und eine eigenartige
Kraft. Das intensive Schauen und eine große Beherrschung sowie Maßhalten
sind dafür sicherlich notwendig. Das Positive daran, abgesehen von der
künstlerischen und ästhetischen Qualität der einzelnen Blätter, ist vor allern
im Vermeiden von Extremen gelegen. Muß die uns umgebende Natur denn
zerschlagen werden, um ihr Wesen zu zeigen?
Thomas zeigt eine Möglichkeit, die Natur im Bild wiederzugeben und doch den
Betrachter zur Betrachtung des Wesens hinzuführen. Gerhart Egger
Literarische Vernissage
SAULENHOF, 24. SEPTEMBER 1970
Nur knapp zwanzig Minuten benötigte Hans Staudacher, der bekannte Kärntner
Maler und Graphiker, für dieses viereinhalb mal drei Meter große Spontan-
gemälde, das er vor kurzem in Verbindung zu Filmprojektionen während einer
Literarischen Vernissage" Lesungen von Friedrich Achleitner und Hermann
Jandl im Museum für angewandte Kunst in Wien herstellte. Die von rund
dreihundert Personen mit großer Aufmerksamkeit verfolgte Aktion fand im
Rahmen der von den Firmen W. Hamburger und A. Mosburger initiierten
Reihe Tangenten 70" statt, die der Konfrontation zwischen Künstlern und
Repräsentanten der Wirtschaft gilt und mit dem ersten in Österreich veranstal-
teten Wettbewerb für Multiples Auflagenobjekte fortgesetzt wurde.
Peter Baum
"Plötzenseer Totentanz" von Alfred Hrdlicka
NEUES HAUS, AUSSTELLUNGSHALLE, 30. SEPTEMBER BIS 11. OKTOBER
1970
Alfred Hrdlickas neuestes zeichnerisches Monumentalwerk, der Plötzenseer
Totentanz", dieser erst knapp vor Beginn der Ausstellung fertiggestellte Zyklus
aus zwölf grundierten Holztafeln, jede 3,5 hoch und breit, ist im Auf-
trag der evangelischen Kirchengemeinde entstanden.
Ein Schuppen auf dem ehemaligen Zuchthausgelände Berlin-Plötzensee, das
war die Stätte, an der in den Jahren des Hitler-Regimes nicht weniger als 1800
46
Gegner der Nationalsozialisten hingerichtet worden sind zuerst durch
Handbeil, dann durch die Guillotine und schließlich, an Fleischerhaken
gezogen, durch den Strick.
Der Kirchenrat der evangelischen Gemeinde Berlin-Charlottenburg VI
durch den an Hrdlicka gegebenen Auftrag an diese Zeit der Schande unc
Grauens erinnern zum Gedenken der Opfer, zur Mahnung für die Mens
von heute und kommender Generationen. Die Darstellung des entsetzli
Geschehens sollte nach dem Willen der Auftraggeber ebenso wie des Kün
verbunden werden mit Szenen aus der Heiligen Schrift und der unmittell
Gegenwart. Auch wurde Hrdlicka anempfohlen, das Totentanzthema
aufzunehmen. Dies sollte die Lehre der Bilderfolge sein der Mensch ist
Menschen nicht nur ein Wolf, er ist des Menschen Tod geworden.
Welches ist der Inhalt der alten Totentänze, zu deren berühmtesten und
testen der von Holbein gehörte? Der Tod führt den Reigen an, Er tanz
jung und alt, hoch und niedrig, mit dem Kind, mit dern Manne, dem Jüng
dem Greis, mit dem Hungrigen, dem Satten, dern Bürger, dem Bauern,
Geistlichen und dem Edelmann. Die Szene bedeutet Vergiß nicht, da
sterben mußt! Der Totentanz des Mittelalters war allegorisch aufzufasser
Der Tanz, den Hrdlicka schuf, ist in einer anderen Zeit entstanden. Er
konkret und unmittelbar auf Ereignisse und Eigenheiten dieser Epoche B4
In der Ausstellung waren Entwurfszeichnungen zu sehen, welche der KÜI
eingereicht hatte, darunter ein Blatt, das die Verbrechen geißelt, welche
Arzten in der Hitlerzeit unter dem Namen Euthanasie" begangen wu
Das Verhör, der Transport, die Hinrichtung, der Häftlingsselbstmord un
Guillotine sind andere Themen. Der ebenso sensible wie unglaublich
sichere Strich Hrdlickas weiß hier zu höhnen und dort die Tragik, den le
Jammer der Menschenkreatur fühlen zu lassen.
Der große Erzählstil der ebenfalls ausgestellten Radierungen Karfreitag"
Das allerneueste Testament" aus dem Zyklus RoIl over Mondrian" in
Mischung von biblischem und modernem Geschehen hat Hrdlicka
eigentlich den Auftrag gebracht. Als die Repräsentanten des Kirchenrats
Blätter in einer Ausstellung in Berlin-Steglitz sahen, wußten sie, daß ihm
ein Künstler begegnete, der fähig sein würde, die Aufgabe, welche ihne
Augen schwebte, zu lösen. Das Motiv des Blatts vom Gummitod aus dem
Randolectil", mit dem die Repräsentanten des Kirchenrats gleichfalls
frontiert wurden, ging später nahezu direkt in einen der Teile von Hrdl
Totentanz ein. Details von Marterungen und Züge der Gemarterten aus
.,Karfreitag"-Blatt und dem Allerneuesten Testament" kehren in kolo
Vergrößerung und neuer Verarbeitung auf anderen Tafeln wieder.
Im Plötzenseer Totentanz" spielt der Künstler mit großer Konsequenz
Thema des Todes in der modernen Welt durch. Er scheut keine Kraßheit,
alles daran, Wirklichkeit von der grausamsten Art in die Kirche zu bfll
unterstützt auf diese Weise seine Auftraggeber, denen gerade daran lag
Raum der Andacht als eine Stätte zu konstitutieren, welche in dem,
betritt, das Bewußtsein erweckt, sich nicht außerhalb der Welt, sondern
immer mitten in ihr zu befinden.
Die Leiden, von denen die Schrift spricht, ereignen sich bei dem Kii
inmitten von Leid und Schändung des Menschen in der heutigen Zeit
zwölf Tafeln von Hrdlickas Totentanz beginnen mit der Ausrottung
Minderheit, dem Tod durch Gleichgültigkeit, exempliziert an dem Nieder
der Indios, jener brasilianischen Indianer, welche vor dem Angesicht
ungerührt bleibenden und eher das Romantische an dem Geschehen gt
renden Welt derTod von lndianernl, seit Jahrhunderten langsam dahinste
Sie wurden mit Zangen gezwickt, ein Volk, eine Rasse, welche man auch
noch martert und massakriert.
Dem Tod des Boxers im Ring gilt die nächste Tafel. Der Tod im Showbu
hat den Boxer ereilt. Der Tod als Puppe mit aufgemaltem Skelett ist der
partner des vierschrötigen Sprit-tease-Girls, das Hrdlicka in Soho sah
das ihn schon zu dem Blatt im Randolectil"-Zyklus inspirierte. Der
Soho bedeutet die zweite Szene vom Tod im Show-Geschäft. Sie ist gew
maßen auch die moderne Fassung des alten Motivs vom Tod und dem Mäd
Der Tod des Demonstranten folgt auf der vierten und fünften Tafel, der ll
der erschlagen wird inmitten der Menschenmenge. Drei weitere Tafeln
der Kreuzigung, gelten Christus, gelten dem rechten und dem linken Schi
Ihnen allen hat man die Fleischerhaken durch die Handgelenke getri
daran hängen sie nun, gequält und bedroht von den Schergen. Die Szen-
Golgatha ist in eine auf grauenhafte Weise moderne Gegend verlegt.
Jede der Szenen, welche der Künstler darstellt, spielt gleichsam auf
Bühne, die an die Hinrichtungsstätte von Plötzensee erinnert. In einem ki
Gleichnis macht Hrdlicka Christus selber zum Plötzenseer Opfer, Er ist
gekreuzigt, er hängt an den Haken und wird mit dem Bajonett bedroh
Häscher werden ihm mit dem Beil den Kopf abschlagen oder ihn mit den
erwürgen. Auch die Enthauptung des Johannes läßt Hrdlicka unter der Tre
mit den Haken daran vor sich gehen, die wie die beiden hochbogigen Fr
vom Plötzenseer Schuppen, welcher aus Ziegeln gebaut ist, sich auf jede
Tafeln findet und so das Ganze zur einheitlichen Komposition zusamme
Das Gegenstück zum Johannes, dessen mit dem Beil abgeschlagenen
der hüllenlose Scherge in der erhobenen Hand hält, ist der Leib des M.
auf der anderen Seite die Guillotine hat ihm das Haupt vom Körper get
Und zwischen diesen beiden Tafeln finden sich zwei andere, auf dener
Massenhinrichtung vor sich geht. Menschenleiber hängen an den Balke
Hälse in Schlingen, welche, je über einen Haken hinweg, zusammenge
wurden. Die Zunge quillt aus dem Mund. Eines der Opfer wird von den He
eben das Stockerl, auf das man es stellte, ist bereits umgestoßen erdrr
Mit nichts als einem gewöhnlichen Graphitstift und mit Zeichenkohle
rüstet, schuf Hrdlicka seine Monumentalbilder. Nur hie und da kame
wenig Tusche und Deckweiß hinzu. Der Künstler hat das Schwarz des
und der Kohle als Farben behandelt. Er stuft die Tafeln im Ganzen und die
der Tafeln auf diese Weise gegeneinander ab dort ganz schwarz, hier wr
schwarz, dort ein Grau, das in ein Violett hinüberzuspielen scheint, hier
dort trockenere Töne, besonders eindrucksvoll ist das Hell-Dunkel, wr
dem von Rembrandt verwandt scheint. Klassische Kompositionselel
werden verwendet. Maß und Fülle und Wucht des Vortrags können an
Caravaggvio, einen Tintoretto gemahnen.
Was an Uberlegungen, was an Figur in diesem Zyklus erscheint, ist gan
dem Künstler selber erschaut, hat bei keinem der Meister ein direktes V1
Das Engagement Hrdlickas und die Suggestivität seines Vortrags sind
groß. Der Plötzenseer Totentanz" ist eine außerordentliche Leistung, eil
persönliches, eigenwilliges Werk moderner realistischer Kunst. Johann M1
losef Schagerl, Drehende. 10, 1967162.
Ihronmrckelstahl, 154cm
lose! Schagerl, Raumplashk saugend,
963x641 Messung palinlert, er cm
ans Thomas. Gelbe Grasspmne, 195a.
empere am weißem Papier, 295x210mm
ans Thomas, Bllndschierche unler gelben
Srasern, 19er, Aquarell auf weißem m.
an, 286x200 mm
Archxlekt Fnednch Achlenner bOl semer
Lesung zlniaßlrch der Veranstaltung Tan-
genlen 10"
Der Maler Hans Slaudacher vor SEINEN
4,5X3 großem Spontarlgemalde bei der
gleichen Veranstaltung Tangenten 70"
Hermann Jandl ber der Lilcrarlschen
Vernissage" der Veranslal der Reihe
.,Tangenlen 70"
Alfred Hrdllcka, Ausschnlll aus dem Zyklus
Hpluizßnseer Totentanz"
Allrerj Hrdllcka, Gesamtansichl des 1Zlei-
hgen Zyklus Plotzenseer Totemani,
1970 12 grundlerte Huizlaleln, 1a
35x! Graphrtshh mit Zerchenkohle.
Tusche und Deckwerß Besummx lur dre
evangehsche Kirche von Berlln-PIUIIEHSEQ,
dem ehemaligen Zuchlhausgemnde
Eerichtä
Informationen
Aus der Kunstwelt Aktuelles
Das Salzburger Barockmuseum
gegründet
Am 6. Oktober 1970 haben Landes-
hauptmann und Bürgermeister von
Salzburg für die Stadt und das Land
Salzburg mit dern Kunstexperten,
Sammler und Publizisten Dr. Kurt
Rossacher einen Vertrag zur
Errichtung eines neuen Museums
abgeschlossen, dessen Rechtsträger
die Stadt Salzburg sein wird.
Das Salzburger Barockmuseum
Sammlung Rossacher" wird im
barocken Gärtnergebäude des
Mirabellparkes errichtet und ist
ausschließlich der Darstellung des
europäischen Barock in seinen
Künstlerentwürfen gewidmet. Das
Zentrum der Sammlungen bildet die
durch Ausstellungen in Salzburg,
Deutschland und USA bekannt-
gewordene Sammlung Rossacher.
Sie umfaßt Olskizzen, Bildhauer-
entwürfe und Zeichnungen barocker
Künstler des 17. und 18. Jahrhun-
derts von Rubens bis Kremser
Schmidt. Mit dem Vertrag sind die
Bestände der Sammlung durch
Schenkung und Leihgaben großteils
in öffentlichen Besitz übergegangen.
Die Direktion hat Dr. Rossacher
selbst übernommen. Ihm wird ein
dreiköpfiges Direktorium, dem als
Vertreter der österreichischen
Museen Prof. Dr. Wilhelm Mrazek
angehört, hilfreich zur Seite
stehen.
Der Gründer hofft auf eine enge
Zusammenarbeit mit anderen be-
deutenden Barocksammlungen, an
deren Spitze die Osterreichische
Galerie in Wien und die Deutsche
Barockgalerie in Augsburg zu nennen
sind.
Dr. Kurt Rossacher ist seit 1961
Herausgeber dieser Zeitschrift. Die
Redaktion hat daher besonderen
Grund, der Neugründung ihre besten
Wünsche für eine schöne Entfaltung
und Wirksamkeit in der Zukunft
auszusprechen.
Kurt Ohnsorg
Wie wir schon berichteten, hat Kurt
Ohnsorg den Freitod gewählt. Im
folgenden bringen wir einige Pas-
sagen aus einem Nachruf auf den
Künstler.
Einer der wesentlichsten Impulse zur
Erneuerung der keramischen Kunst
in Österreich ging von den Arbeiten
Kurt Ohnsorgs aus. Im Besitz
vollkommener Meisterschaft.
gestaltete er seit Jahren Keramiken,
deren materialgerechte Verarbeitung
und organisch-funktionelle Form zu
den hervorragendsten Leistungen auf
dem keramischen Gebiet gehören.
Wie in Urzeiten ging es Kurt Ohnsorg
nicht um Schönheit", um ästhetische
Manierismen, sondern um Wahr-
haftigkeit", um die Einheit des
keramischen Organismus, bei dem
Kern und Schale, Scherben und
Glasur, Substanz und Oberfläche
einander durchdringen und
bedingen.
Eine solche Grundhaltung drängte
zur Begegnung und zum Wirken mit
Gleichgesinnten. Im Josef- Hoffmann-
Seminar und in den keramischen
Symposien schuf Ohnsorg jene allen
offenen und freien Institutionen. wo
die handwerkliche, künstlerische und
menschliche Einheit beim gemein-
samen Gestalten und Experimentieren
realisiert werden konnte.
Wilhelm Mrazek
48
.erwies sich somit
studierenswerte Dokumentation und
Museum des 20. Jahrhunderts
Der Mensch im Weltall
Uber Aufgabenbereich und Zweck des
Museums von heute wurde in den
letzten Jahren vor allem in der be-
nachbarten Bundesrepublik viel und
strapaziös diskutiert. Den konsequen-
testen und zugleich umstrittensten
Schritt in Richtung des vielverlangten
Umfunktionierens" von Museen tat
allerdings das im konservativen
Wien und nicht in den progressiven
Metropolen der Welt beheimatete
Museum des 20. Jahrhunderts, in dem
in den Monaten September und Ok-
tober die mit Spannung erwartete
Dokumentation Der Mensch im
Weltall. Die Epoche des überflie-
ßenden Sehvermögens" gezeigt
wurde.
Die von Dr. Otto Graf mit ganzem
Einsatz organisierte Schau umfaßte
neben 400 Photos und einigen realen
Objekten die im Mittelpunkt der
Ausstellung stehende Kommando-
kapsel des Raumschiffes Apollo 10.
das im Mai vergangenen Jahres ge-
startet wurde. Dieser Publikums-
magnet, dessen Hitzeschildpatina je-
dem Bildhauer alle Ehre machen
würde, konnte in Wien infolge der
großen Gefragtheit des historischen
Objektes nur während der beiden
ersten Wochen der bis 31. Oktober
dauernden Schau gezeigt werden.
Wesentlicher als die Ausstellung
selbst, deren Anreiz sich logischer-
weise auf die Apollo-Kapsel kon-
zentrierte, ist allerdings ein anstelle
eines Kataloges von Otto Graf im
Osterreichischen Bundesverlag unter
dem Ausstellungstitel herausgege-
benes Buch. Der 348 Seiten starke,
mit 200 Abbildungen 63 davon sind
,farbig ausgestattete Band enthält
außer Quellen von der Antike bis heute
ausführliche Texte von lgor A. Caruso,
Günther Anders und Otto Graf, die
die wesentlichsten, unsere Existenz
berührenden geistigen Aspekte der
komplexen Materie berühren. Im Hin-
blick auf den profunden Inhalt und
die Ausstattung des von Georg
Schmid graphisch gestalteten Buches
ist der Preis von 90 Schilling eine
Bagatelle!
Wesentlich an der in mühevoller
Kleinarbeit gewachsenen Schau war
ihre allgemein verbindliche humane
Tendenz, die den epochemachenden
Ereignissen gerechter wird als die
zumeist bemühte bloße Fakten-
registratur. In seiner philosophisch
bestimmten Eröffnungsrede betonte
Otto Graf ausdrücklich, daß die Aus-
stellung keine ideologische Apo-
logie irgendwelcher sozio-politischer
Verhältnisse" manifestieren wolle,son-
dem als notwendiger, realistischer
Akt einer zu gewaltigen Konsequenzen
führenden Bewußtseinserweiterung im
Sinne einer Präzisierung der eigent-
lichen Aufgaben des Menschen anzu-
sehen ist. Die Schrittmacherdienste
des Museums als geistigem Ort von
Erkenntnisvermittlung dafür in An-
spruch zu nehmen, war schon des-
halb legitim, weil der Musentempel
von einst wie es Otto Graf im
Vorwort seines Buches formuliert
..neue Aufgaben zu erfüllen hat, will
er mehr sein als ein Karner für den
Tourismus oder ein Karneval für
vergessene Avantgarden. die beide
nichts anderes suchen als ein Opiat
gegen die Langeweile in der Konsum-
gesellschaft". Die Ausstellung zum
Thema Der Mensch im Weltraum"
nicht nur als
geistige lnitialzündung rund um die
Apollo-10-Kapsel, sondern auch als
polemischer Aniaß, neue Definitionen
und ergänzende Aufgaben für jene
Institutionen zu finden, die man bis
heute mit dem antiquierten Wort
Museum bezeichnet Abb. 1.
Galerie nächst St. Stephan
Arnulf Rainer
Arnulf Rainer beschäftigt sein
immer größer werdendes Publikum
heute mehr denn je. Nach einer be-
achtlichen Ausstellungssuite in
Deutschland zeigte er in Wien unter
dem bereits zum Slogan gewordenen
Motto Faces-Farces" an die sechzig
Arbeiten älteren und neuen Datums.
Die meisten von ihnen fixieren dabei
Extrempositionen, die diesen frühen
Außenseiter der österreichischen
Avantgarde schon immer interes-
sierten, zugleich aber auch ständig
Vorwürfe einbrachten, die zum Groß-
teil auf grundlegenden Mißverständ-
nissen hinsichtlich der von Rainer
angesteuerten Zwischenbereiche be-
ruhten.
Mißverständnisse in seiner Personal-
schau nächst St. Stephan provozierten
am ehesten die umstrittenen Por-
trätphotos und Riesenvergrößerungen.
die Rainer mit verzerrtem Gesichts-
ausdruck und zum Teil unbeschreib-
lich häßlichen Grimassen zeigten.
Rainer stellt in ihnen extreme Mimik,
die erstaunlich variationsreichen Aus-
drucksmöglichkeiten seines Gesichtes
zur Diskussion. Gesichterschneiden
als entlarvende, enthemmende. er-
schreckende Kunst, die seelische
Tiefen auslotet und gewollte, bewußte
Verrückheit in Relation zum Ausdruck-
muß klinisch Abnormaler stellt. Hand-
kolorierte Unikatvergrößerungen die-
ser Automatenphotos kosten 4800
Schilling, Bilder in Auflagen von zehn
Stück je neunhundert.
Daneben gab es umje 22.000
fünf mittelformatige Ubermalungen,
meditative Tafeln mit Lichtblicken im
jeweiligen oberen rechten Eck. Sie
entstanden 1960, wurden von Rainer
jedoch vermutlich in späteren Jahren
nachträglich überarbeitet. Unter der
Graphik fanden Sammler ausgespro-
chene Spitzenblätter, die jedoch nur
noch sehr teuer zu haben waren
Eine gut zehn Jahre alte, kleine
Meditation um 8000 Schilling, grö-
ßere Blätter, darunter so manches
LSD-Profil, zwischen 20.000 und
40.000 Schilling. Exil 13", eine rund
ein mal zwei Meter große Bleistift-
Zeichnung auf Ultraphan wurde gar
um 140.000 angeboten Abb.
2a4.
Galerie Stubenbastei
Karl Anton Wolf
Karl Anton Wolf, neben Frohner
und Moswitzer Österreichs dritter
offizieller Kandidat der vorzeitig wegen
eines Aufseherstreiks geschlossenen
Biennale von Venedig, stellte in der
Galerie auf der Stubenbastei in Wien
aus. Wolf zeigte in der Hauptsache
Graphik jüngeren Datums. Eindeutig
am besten schnitten dabei die sechs
zu dem Zyklus .,C-Werk" zusammen-
gefaßten Tuschen ab unser Photo.
die sehr starke Beziehungen zu Wolfs
Skulpturen aufweisen und hinsicht-
lich ihrer graphischen Verve und
der sicher gehandhabten Schwarz-
weißvaleurs mit zu den besten Ar-
beiten zählen dürften. auf die der
Graphiker Wolf bis heute zurück-
blicken kann. Die Lebendigkeit dieser
spannungsreichen Blätter, ihr Be-
ziehungsreichtum innerhalb wieder-
holt verwendeter, signifikanter, aus
dem Handschriftlichen heraus ent-
wickelter Bildelemente verwiesen die
mitausgestellten,wenigeradäquai
gesetzten Aquarelle mit Abstant
Platz 2. Günstigen Eindruck hi
ließen allerdings auch die stimmt
vollen Ölbilder, die der Künstle
retrospektive Ergänzung in ger
Stückzahl darüber hinaus ai
Abb. 5.
OCC-Mahlerstraße
Drobny. Spurey, Moosmann
Als neues Zentrum zur Förderung
modernen Kunsthandwerkes in
reich präsentiert sich seit kurzen
in zwei Parterreräumen der Han
ger-Papierfabrik Wien M2
straße untergebrachte .,Au
Crafts Council". Die über ihre
gliedschaft beim WorId Crafts
ciI" der UNO angegliederte Ort
sation will primär in Form von
stellungen ein möglichst bl
Publikum mit dem hohen Niveai
zeitgenössischen Kunsthandwerk
unserem Land bekanntmachen.
dies wirkungsvoll nur mit quaI
erstrangigen und dennoch
günstigen Exponaten geschehenl
bewies bereits die erste, vom Dir
des Österreichischen Museum
angewandte Kunst, Dr. Wilhelm
zek, eröffnete Ausstellung. Sie
hielt neben einer sehr abwechslt
reichen Auswahl an Gold-
Silberschmuck des Ateliers Dri
Linz, neue Arbeiten in Porzellan
Kurt und Gerda Spurey sie sir
gleicher Weise von der unkor
tionellen Materialverarbeitung wie
Formaten her interessant sowie
rere gestickte, stark graphisch be
Wandbehänge Seide und WOHI
Leinen des Wieners Sepp
mann. Alles in allem eine erfret
Initiative, die auch deshalb Zukt
chancen besitzen sollte, weil sie
nicht nur auf eine regelmäßige
stellungstätigkeit beschränken
sondern auch durch Erziehungsa
technische Hilfe den Künstlern ge
über und den Aufbau eines
fassenden Publikationsarchives
angestrebte lnformationstätigkeit
Geschmackshebung erreichen
Abb. 7.
Galerie im Griechenbeisl
Paul Rotterdam
Ausschließlich Zeichnungen
gesamt mehr als vierzig Blättei
den Jahren 1968l69 zeigte de
Wiener Neustadt gebürtige, seit
mehr zwei Jahren in den USA lel
Maler und Graphiker Paul Rotte
in der Galerie im Griechenbei
Wien. Die trotz gleichbleibenderi
nik abwechslungsreiche Graphik
bildete den Vorspann einer gröl
..Osterreich-Offensive" Rotterc
der im Anschluß an die Schar
Werke der diesjährigen Retz
Malerwochen von der Neuen
in Graz mit seiner bisher umfass
sten Kollektive vorgestellt wurde
Rotterdam,dernurfürwenige Wc
seiner Heimat einen Besuch
stattete, unterrichtet seit läng
als Dozent am Carpenter Cent
the visuel arts der Harvard Univ
in Cambridge, USA. Wie ein Ka
des Osterreichers aus Anlaß
dreißig Arbeiten umfassenden
sonalschau im De Cordova-Mu
in Lincoln beweist, beschäftigte
Rotterdam zuletzt wiederholt
größeren reliefartigen Arbeiten
deutlicher Environment-Ter
siehe Heft 1.
Der spröde, unaufwendige Stric
jetzt in Wien vorgestellten,
titelten Graphiken zeigt ausge
subjektive Merkmale einer siche
Bundesministerium für
Wissenschaft und Forschung
BESUCHERSTATISTIK DER
STAATLICHEN MUSEEN UND
KUNSTSAMMLUNGEN
Das Bundesministerium für
Wissenschaft und Forschung gibt
bekannt, daß in den ihm umer-
stehenden Staatlichen Museen und
Kunstsammlungen in den Monaten
September 1970 167.632
und Oktober 1970 109.298
Besucher gezählt wurden.
BILDTEXTE 1-4
Die Kommandokapsel von Apollo 10"
der AussteHuHg Dev Mensch um
Weltall" im Museum des 20. Jahrhun-
dens Wven
Arnulf Panne! In der Galene nächst
Sa. Stephan vor Photoponrats im GriA
massen.
Arnulf Rainer Wangenwassev, 1968.
Ölkreide auf llraphan, 60x42,5 cm
Amulf Rainer, Manischmadel, 19671!68v
Oikreide auf Ullvaphan, 65x50 cm
BILD
TEXTE sie
Anton Wolf cfwmkt 1970
Tuschazeichnulvg Gaiene Slubenbastel
Adolf und 85a Dvobny, Brosche Wewß-
90m. Ausstellung 1m
Center"
Sepp Moosmann gestickmv wamme.
hang Smde und WoHe aul Leman
115x230 cm. Austnan cum Center"
Pau! Rouerdam. Zeichnung, 1969. o3-
lene m. Gnechenbevsl
Peter Hallers evfolgrmches Dabul der
Giüelle de! Passage
Ausuxaw CmHs
enden. doch um das Risiko der
pferischen Erneuerung wissen-
und daher stark variierenden
dschrift. Rotterdam vermeidet
zinelösungen. Er vermeidet aber
Effekte, die zu sehr ins Elegante
damit Unverbindliche, Unreflek-
are abgleiten würden. Fast jedes
zr Blätter Preis 2500 zeigt
daher um neue formale Akzente
Spannungsverhältnisse bemüht.
zi fällt die Uberlegtheit des zeich-
chen Vorganges auf, dem genaues
Jachten und Abwägen zugrunde
n.
seiner Graphiken verweisen
allem in ihren stark ornamental
ägten Partien auf Egon Schiele
den Jugendstil, der freilich in
erdams frühen, strukturell be-
an Olbildern stärkere Spuren hin-
lß. Schwieriger ist demgegenüber
thematische Fixierung der quali-
durchwegs befriedigenden Blätter
ihrer Anklänge an lnsektenhaftes
Landschaftliches. Rotterdams
"inungen erweisen sich somit
nur unter dem Aspekt des per-
ch geprägten Duktus bemerkens-
profiliert, sondern auch hin-
lich ihrer autonomen, zwischen
inständlich und ungegenständlich
ziierbaren graphischen Konstella-
rh und Spannungen Abb. 8.
zrie in der Passage
er Haller, Ludwig Merwart
erste Einzelausstellung zeigte
l938 geborene Wiener Peter Hal-
der Galerie der Ersten öster-
iischen Spar-Casse in der Passage
Hoher Markt 4-Wildpret-
.t. Im Mittelpunkt der Exposition
den die neuen, größeren quadra-
en Abstraktionen, die als kon-
entes Resultat einer im Natur-
lLIfTl wurzelnden Auffassung mit
lrucksmöglichkeiten bekannt-
tten. die den Gegenstand zu-
ten autonomen Gestaltens außer
lassen. An die Stelle des Ab-
iierens im Sinne einer Reduktion
das Wesentliche tritt in diesen
mfrohen, heiteren Bildern ein
freies Gestalten, welches Maß-
nen und Maßhalten aus dem
eß des Bildens selbst und seinen
Veränderungen unterworfenen
lBH gewinnt. Der gesehene Ge-
tand als Naturvorbild wird hier
sagen durch den erfundenen er-
was vom Künstler in der Regel
großes Maß an Intuition erfordert.
ch auch an den Betrachter hin-
Iich des Erkennens bildnerischer
igkeiten und deren Uberprüfbar-
höhere Anforderungen stellt.
Hallers Euvre zeigt uns das
nur chronologisch ablesbare
aneinander gleichberechtigter
Iichkeiten des Abstrahierens
ie rhythmisch vital gezeichneten
erösterreichischen Landschaften
autonom abstrakten Gestaltens
len bereits erwähnten größeren
raktionen. In den letztgenannten
zrn konfrontiert Haller mit einem
inders klaren Standpunkt, der
ag zu den Werken führender
er des historischen Informel
ußt gesteuerte strukturelle Zu-
lkeiten in Biidgestaltung und
position miteinbezieht. In der
losen Verbindung subtiler male-
er und graphischer Wertigkeiten
sich das Feingefühl des Künst-
für undramatische Spannungs-
die nicht lnhalte assoziieren,
lern emotional bestimmte Ge-
vermitteln sollen. Die sensible
nciertheit dieser farbenfrohen.
IFGFI und der Phantasie des Be-
iters viel Spielraum gewährenden
er fixiert dabei ebenso ihren
wie das kompositorische Kön-
des Malers Abb. 9.
Anschluß an diese Schau gab
bekannte Wiener Druckgraphiker
Maler Ludwig Merwart Einblick
in sein jüngstes Schaffen. Die far-
bigen Eisenradierungen des Künstlers,
die in den letzten Jahren eine immer
stärkere Formverfestigung im Sinne
einer radikalen Reduktion auf ein
typisches, multivalent verwendetes
Vokabular geometrisch-abstrakter
Tendenz erfuhren, stellen innerhalb
der österreichischen Gegenwarts-
graphik ein in gleicher Weise
qualitätvolles wie für die jüngsten
internationalen Tendenzen des Kon-
struktivismus markantes Beispiel dar.
Der 1913 geborene Maler, der zuletzt
auf zahlreiche Auslandsausstellungen
verweisen konnte, verwendet in sei-
nen in der Regel als Unikat hand-
abgezogenen Eisenradierungen die
verschieden strukturell geätzten
Stahlplatten im Sinne von Mutationen.
Die dadurch gewährleistete Kombina-
torik, die bei jedem Druckvorgang
durch die Wahl von Druckabfolge,
Stellung und Einfärbung der Platten
endgültig fixiert wird, birgt jene
schöpferischen Impulse in sich, die
formale Erstarrung verhindern und
Spontaneität, improvisatorischen
Spielraum und LebendigkeitderArbei-
ten ausmachen. Merwarts mit großer
Präzision durchkomponierte Bilder
und Eisenradievungen im Signal-
Look zeigen, wie sehr Kunst durch
Konzentration und vernünftige Be-
schränkung sie wird nur von Un-
wissenden als Unvermögen gedeutet
im Sinne einer echten Profilierung
hinzuzugewinnen vermag Abb. 17,
s. S. 51.
Galerie Wittmann
Otmar Schramek
Bei Wittmann in Hietzing stellte sich
der in der Nähe von Traismauer in
Niederösterreich lebende Maler Otmar
Schramek mit subtilen, der Bildwelt
Hundertwassers in manchem ver-
wandten Arbeiten in Ei-Ol-Temoera
vor Entstehungsdaten 1968-1970
Bilder, die eine reiche Farbskala mit
feinsten Nuancierungen zum Klingen
bringen und in ihren kaskadenartig
angeordneten Strukturen. Farbsprit-
zern und geschickt ausgenützten
Zufälligkeiten den Eindruck des orga-
nisch Gewachsenen erwecken. In den
aquarellistischen Effekten, dem trans-
parenten Übereinander farbiger Ver-
läufe und graphischer Akkorde er-
geben Schrameks Bilder einen Kosmos
des Frohen und Heiteren, eine un-
problematische Kleinwelt poetischer
Grundhaltung.
Peter Baum
Berichte
Im ALTEN SCHLOSS von BREGENZ
waren vorn 14. Juli bis 15. August
Metallplastiken von STEPHAN PRAL
zu sehen. Pral verwendet neben
alten Maschinenteilen, meist handelt
es sich um Zahnräder, Wellen oder
Hebel, auch ausgestanzte Embleme.
Abgüsse verschiedener figuraler
Elemente u. welche er in seine
Plastiken einbaut, überarbeitet und
zu einer Einheit verbindet. Die
Verschweißungen, absichtlich
verkrätzt und zum Teil unbearbeitet
belassen. geben dem einzelnen
Obiekt etwas Krankhaftes, weisen
auf den unaufhaltsamen Verfall
alles irdischen und stellen damit
nicht nur technisch die Verbindung
zwischen den menschlich geprägten
Symbolen und dem Montagematerial
her, sondern zeigen auch deren
gemeinsame Zukunft auf. Pral
spricht in seinem Beiwort zur
Einladung dieser Ausstellung von
einem Umfunktionieren. Manche
Gebilde Prals haben auch einen Zug
in das Heitere, doch scheinen uns
diese Arbeiten weniger dimensional
als die ernsteren zu sein. Jene
Plastiken aber, die zeichenhaften
Charakter haben, gewinnen immer
mehr an Aussagekraft. Das scheint
auch von verschiedenen ausländi-
schen Galerien festgestellt worden
zu sein, da Pral eben in einer Reihe
deutscher Städte ausstellt Abb. 10.
Die GALERIE IM TAXIS-PALAIS in
INNSBRUCK zeigte in der Zeit vom
7. Juli bis 2. August Zeichnungen
von ANTON KOLIG. Die 69 Ex-
ponate, zum größten Teil Bleistift-
zeichnungen. die nur durch einige
Buntstift- und Kohlezeichnungen
ergänzt wurden, erinnerten sehr
berechtigt an jenen Meister der
Nötscher-Schule, der mehr als alle
anderen das Bild des Menschen in
den Mittelpunkt seines Schaffens
gestellt hatte. Gerade die Graphiken
zeigen aber auch in ihrer Direktheit,
wie sie uns keine andere Technik
bietet, wie sehr der 1950 verstorbene
Meister reine Formstrukturen schuf
und dabei doch der Figur ohne
literarischen Hintergedanken treu
blieb. Wir sehen, wie sehr er mit
dem Strich körperliche Dimensionen
aufzubauen imstande ist und mit
welcher Sicherheit die einzelnen
Liniengefüge in den Umraum
gesetzt sind. Viele Blätter nehmen
schon die konstruktiven Elemente
eines Avramidis vorweg. Dazu
formulierte Peter Weiermair im
Vorwort des von ihm sehr schön
gestalteten Kataloges sehr richtig
.,Koligs Zeichnungen erinnern an
Bildhauerzeichnungen." Die Aus-
stellung ging weiter nach BREGENZ,
wo sie im PALAIS THURN UND
TAXIS zu sehen war, um endlich
1971 in der NEUEN GALERIE in
Graz gezeigt zu werden Abb. 11.
Von EGON HAUG wurden im Aus-
stellungsraum des SALZBURGER
KUNSTVEREINES in der Residenz
vom 11. bis 30. September Aquarelle
und Olbilder aus den Jahren 1963
bis 1967 gezeigt. Es handelte sich
um 32 abstrakte Kompositionen, die
der Phantasie des Betrachters viel
Spielraum lassen. Die Farbe ist bei
diesen Bildern das alleinige Medium.
Sie wirkt einzig in ihrer Wertigkeit,
in ihrer Dichte und Gelockertheit,
in ihrem Verhältnis zur anderen
Farbe und deren Auftrag. Welten
entstehen wie aus Spiralnebeln, die
Konsistenz von Farbprotoplasmen
gebiert einen neuen Kosmos. An
dem Betrachter freilich liegt es.
diesen Kosmos zu erkennen und zu
akzeptieren. Bei den in Salzburg
gezeigten Bildern ist ein Zug ins
Monochrome feststellbar, eine
Reliefwirkung wird sowohl durch
den starken Farbenauftrag als auch
bei den Aquarellen durch Kle-
bungen erreicht. Die Titel der Bilder
sind eher Namensgebungen und
sicher nicht immer ganz ernst zu
nehmen Abb. 12.
Zum 50jährigen Bestehen der Salz-
burger Festspiele veranstaltete die
GALERIE in der GOLDGASSE in
SALZBURG eine Ausstellung unter
dem Titel INCONTRO MUSICALE.
Sie reihte sich würdig in die Folge
der anderen heutigen Festspiel-
veranstaltungen ein. Sechs Künstler,
deren Werke sowohl in Auffassung
als auch Qualität recht unterschied-
lich sind, zeigten vom 20. Juli bis
B. August Arbeiten, die eine Be-
ziehung zur Musik aufweisen sollten.
Die Initiatorin war EVA MAZZUCCO.
sie brachte neben Aluminiumreliefs
hauptsächlich Skizzen, die Karl
Böhm und Christoph Eschenbach
darstellten. HANS VALA war mit
drei Ölkreidestudien, reine Farbspiele,
vertreten. F. MILAN WIRTH brachte
neue Linolschnitte verschiedener
sich überdeckender Kreise, die er
leider manchmal mit weichen Linien
kombinierte. GUNTHER PÖLL
stellte plastische Abstraktionen bei.
Es handelte sich um Ansätze zu
einem Kräfteaufbau, Der in Wien
lebende Italiener F. RONCHETTI
hatte drei Blätter mit neoromanti-
schen Figuren aus seinem in diese
Richtung tendierenden Euvre
ausgewählt. und H. GILLESBERGER,
ein in Wien lebender Bildhauer, von
dem man in Wien fast nichts kennt
und weiß, war mit Bronzen vertreten,
die von allen gezeigten Exponaten
am interessantesten waren Abb. 13
Die GULDEN GALERIE in WELS.
eine jener wenigen Institutionen, die
fern jedes Provinzialismus, auch in
kleinen österreichischen Städten
gute, ja erstran Kunst zu zeigen
bemüht sind, präsentierte vom
12. Juni bis 5. Juli Arbeiten der
beiden Graphiker WOLFGANG
STIFTER und WOLFGANG ZÖHRER.
Stifter, der bereits von einigen
Ausstellungen in Wien und Linz
bekannt ist und dessen Arbeiten
schon mit einigen Preisen ausge-
zeichnet wurden, zeigte seine
bewegten Strichgefüge, die sich zu
drei Martyria" verdichteten oder zu
einer Evolution" oder zu
Stadtlandschaftem, die wohl am
leichtesten zugänglich sind. Zöhrer,
der aus dem Burgenland stammt und
jetzt auch in Linz lebt, hat ein
wenig von dem Spukhaften Kubins
geerbt. Er verwandelt aber diese
Eigenart in eine ironisch-heitere,
phantastische Art, wovon schon
Namen wie Die Kloakodore",
..Der Knattersaurier", Der
Krawattenmuffel" u. ä. zeugen.
Seine Radierungen zeigen technisch
interessante Details und raffinierte
Ausnützung der einzelnen Effekte
für die erwähnten phantastischen
Zwecke Abb. 14, 15.
Die ebenso aktive GALERIE AN
DER STADTMAUER in VlLLACH
zeigte vom 27. Juli bis 6. August
Werke von LUDWIG MERWART.
Es handelte sich dabei um 12 Eisen-
ätzungen und 14 Olbilder. Die
Technik der Eisenätzungen, die von
der Gruppe Merwan, Braun und
Kraus seit einigen Jahren immer
mehr ausgebaut wurde, verlangt
einen starken farblichen Einsatz,
der wieder ein großes Feingefühl für
die Kombinatorik in diesem Feld
voraussetzt. Haben nun die Blätter
Merwarts vor Jahren einen offerieren,
mehr intuitiven Charakter gehabt,
so sind die in Villach gezeigten
eher strenger, symmetrischer, zeichen-
hafter zu nennen. Durch verschiedene
Anordnungen der Platten bei den
einzelnen Druckvorgängen erreicht
der Künstler bei verhältnismäßig
geringen linearen Verschiebungen
ein breites Variationsband, mit dem
er, je nach der verwendeten Farb-
skala. operieren kann. Die balken-
haften Konturierungen erinnern an
Verkehrssignale. haben aber auch
bei einigen Blättern magischen
Gehalt Abb. 16, 17.
In KLAGENFURT stellte
REINHARD DIEZL in der GALERIE
SLAMA vom 11. September bis
3. Oktober achtundzwanzig Bilder,
hauptsächlich Gouachen, aus.
Einige Graphiken Stift, Kohle und
Radierungen ergänzten die Schau
und zeigten sehr deutlich das
Künnen des jungen Villacher
Künstlers, der in Wien studierte und
derzeit auch wohnt. Neben kräftig
gesetzten Pinselstrichen, bei denen.
ähnlich ostasiatischen Bildgestal-
tungen, der Künstler mit weich-
geformten Farbflächen arbeitet,
setzt er mit lockerem Farbauftrag,
der sich am Rand der breiten Bahn
verstärkt, die Plastizität eines Aktes
aufs Papier. In feinen Abstufungen,
die nahezu in ein Flimmern über-
gehen, bringt er Atmosphärisches
ins Bild. Bei anderen, stark aus-
gemalten Arbeiten zeugen sorgfältige
Farbnuancierungen von Rot über
Braun zu einem hellen Blau von
der intensiven Arbeit an dem Werk.
Wir haben es bei Diezl mit einem
jungen Maler zu tun, der wieder
Aussrellungseroffnung lfl der Galerie an
der Sladrmauer, Vlllach Ludwig Mer-
warl" v. n. r." Merwarl, Kultur-
relererir der Stadt Villach Scherer, Siadtrar
Dr LBODOId Hrazdll, im Hintergrund
Prof Lampe
Ludwig Merwart, Eisenälzung, 1970
Franz Erml, Christuskopf, Graphik. Bad
Tarzmannsdori-Ouellenhof
Anton Hanak, Der brennende Mensch.
R922. Hanak-Museum, Langenzersdorl.
O.
10
13 10
11
12
Slßßhgn Pral, Melallplaslik, Alles Schloß.
Bregenz
Anton Kolig. Liegerlder Akt, bez. o. ili,
45x32 cm. Galerie Im Taxispalais,
Innsbruck
Egon Haug. .,0ld slianerliariri". Aquarell.
Salzburger Kunstverein
14
13
14
15
H. Glllesberger, Luna. Bronze. lnconlro
Muslcale Galerie In der Goldgasse,
Salzburg
Wolfgang siilrer, Graphik. Gulden Galerie,
Wels
wallgarig Zohrer, Graphik, Gulden Ga.
lerie,Wels
12
15
16
1D
17
Helnhard Dlell bei der Emllnung seiner
Ausstellung in der Galerie Slama,
Klagenlurr
Reinhard Diczl, liegender Akl. Graphik
I'm! Zeilungscnilage
11
zeichnet und malt, der wieder wie
seine Vorfahren festhalten und
bannen will. Es ist das in einer Zeit,
in der die Montage, das Happening
oder Environment en vogue ist,
sicher ein Wagnis, doch Diezl hat
sich entschieden, und er scheint
auf einem sehr guten Weg zu sein
Abb. 18, 19.
In der NEUEN GALERIE in GRAZ
stellte vom 19. Juni bis 19. Juli
MAX WEILER aus. 32 Gemälde und
Tl Graphiken, alles Werke, die nach
1931 entstanden sind, gaben einen
Uberblick über das Schaffen des
60jährigen Künstlers in den letzten
Jahren, wobei die Gemälde alle
jüngeren Datums waren und nur
einige Graphiken aus der Zeit vor
dem Krieg gezeigt wurden. Mit
letzteren konnte die Kontinuität im
Schaffen Weilers belegt werden, die
Gemälde lassen Ausblicke auf
Künftiges ahnen. Uberall ist Natur in
diesen Bildern und Graphiken, aber
Natur fern eines simplen Naturalis-
mus. Diese Natur ist reich an
Formen, das zeigen die Bilder nur
zu deutlich. Man könnte sagen, zum
Greifen deutlich, und das in des
Wortes eigentlichster Bedeutung.
Davon zeugen die besonders
interessanten Raumbilder und
Assemblages. Von dem feinen
Zusammenspiel von Linien und
Farben im Werk Weilers gibt uns
das Bild Gewand der Sonne" ein
besonders schönes Beispiel.
In BAD TATZMANNSDORF im
Burgenland gibt es im Ouellenhof
ständig Kunstausstellungen.
Vom 9. bis 28. August waren
32 Bilder von FRANZ ERNTL zu
sehen. Der Maler, dessen Werk
eine ausgesprochene Kontinuität
aufweist, zeigte seine feinen, in
verblassenden Farben, mit wenigen
kräftigen Akzenten, sehr nobel
gemalten Bilder, die die einfachen
Dinge unserer Umgebung wieder-
geben, wobei die Landschaft
dominiert. Der 1902 geborene
Steuer-Schüler liebt die silbrig
flimmernden Farbübergänge, denen
sich oft ein erdiges Rotbraun
beimischt. Die Grünabstufungen
führen in weite Räume. Neben Ol-
und Pastellbildern waren auch einige
Graphiken zu sehen Abb. 20.
In LANGENZERSDORF, NO., wurde
am 6. Juni das neue HANAK-
MUSEUM eröffnet. Die größte
Anzahl der ausgestellten Plastiken
wurde durch das Land Nieder-
österreich angekauft und in einer
Halle sowie in einem hinter dieser
angelegten Garten aufgestellt. Im
Raum befinden sich 12 überlebens-
große Plastiken, unter anderen
.,Die Schmerzensmutter" 1925.
..Die Gnadenmadonna" 1920.
..Der letzte Mensch" 1917.
Der brennende Mensch" 1922 und
.,Die Pieta" 1920130. Kleinere
Plastiken, Fotografien und Doku-
mente ergänzen die Schau. Auch
befindet sich hier ein Hanak-
Gedenkzimmer, das mit Möbeln
eingerichtet wurde, die der Künstler
selbst schuf. Sehr beachtlich sind
die Entwürfe und Skizzen in den
Vitrinen im ersten Stock. Im Garten
haben 11 Werke ihre Aufstellung
gefunden. Es handelt sich um
Marmor- und Kalksteinskulpturen
des Meisters, die fast alle aus einer
früheren Schaffensperiode stammen.
Mit dieser Museumsgründung wurde
endlich dem Werk dieses öster-
reichischen Meisters an der Schwelle
der Moderne, das jahrzehntelang in
einem Prateratelier verrottete, ein
würdiger Rahmen gegeben. Es
wäre erstrebenswert, mit der Zeit
weitere Komplettierungen vorzu-
nehmen. An einem dem Museum
angeschlossenen Archiv wird
gearbeitet Abb. 21
Alois Vogel
52
Wanderausstellung
der Stadt Wien
Wien, eine Stadt stellt
sich vor"
22 Erste ldeenskizze von Arch. Josef Kra-
wina zur Wanderausstellung der Stadt
Wien Wien, eine Stadt stellt sich vor".
Stadtmuseum München St. Jakobs-
platz
Mit dieser Ausstellung plante der Auftraggeber eine Werbung für die Stadt Wien im Ausland. Bei Sichtung des zu
wendenden Materials wurde sofort klar, daß die kulturelle, wissenschaftliche, künstlerische, politische und wirtsch
liche Stellung Wiens dokumentiert werden sollte und Exponate aus der Stadtgeschichte, hochqualifizierte Erzeugni
des Wiener Handwerkes und der Wiener Industrie zu zeigen waren; und daß nicht zuletzt die Fülle des Mater
übliche Arten der Präsentation ausschloß. Der Wunsch einer derart komplexen Informationsleistung deckt sich
Gänze mit den Absichten, die Museen haben. Aber nicht nur passionierten Museumsbesuchern will Wien sich
stellen, sondern auch jenen, die Darbietungen passiv erwarten und Ablenkung suchen, Erwachsenen und auch Kindi
und das namentlich im nicht deutschsprachigen Raum Europas und in Übersee in mehr oder minder großen öffentlicl
Sälen.
Um dieses Programm zu erfüllen, wurde im Jahr 1966 folgender Ausstellungsrahmen konzipiert Für die Präsentat
des verschiedenartigen und umfangreichen Materials wurde in der Hauptsache die Projektion von ca. 2.400 Farb-
eingefärbten Dias durch 30 Kodak-Projektoren gewählt, wodurch es möglich war, die Ausstellung auf einem Areal
nur etwa 330 m1 unterzubringen. Zum Zwecke häufiger, relativ unkomplizierter Aufstellung, leichter Transponierbar
und aus Gründen großer Widerstandsfähigkeit wurden zusammenschraub- und steckbare Aluteile entwickelt, die wa
recht und senkrecht in Form von Fußboden-, Wand- und Deckenelementen nach einem Sechseckraster in einem eigei
Modul zusammenfügbar sind und die auch als Projektionsflächen dienen. Durch dieses System kann der gesamte
stellungskörper je nach den örtlichen Gegebenheiten in drei prinzipiellen Gestalten aufgebaut werden
Ianggestreckter, rechteckiger Korpus, als zusammengezogener, quadratähnlicher Kubus oder auseinandergenomn
in zwei getrennte Teile, die auch in verschiedenen Geschossen untergebracht werden können. Im Inneren sind die flex
zusammenfügbaren Sechseckeinheiten folgendermaßen organisiert Ein hoher, stützenfreier Saal mit Panorai
Projektionen auf in die Stützenkonstruktion eingehängte, für diesen Zweck geeignete Alu-Paneele. Hier wird in
folgen vonjeweiIs12 Einheiten die Bundeshauptstadt vorgestellt. Sechs mäanderartige aneinandergereihte Sechse
zellen. Hier werden Detailinformationen über die Stadtverwaltung projiziert. Ein in der gleichen Konstruktion
richteter Saal, in dessen Stützen 12 verschieden hohe Plexiglasvitrinen eingehängt sind, die den Eindruck freien Schi
bens erwecken und die erwähnten Exponate enthalten,
Schon am 26. 4. 1967 urteilte Prof. Camenzind, ETH Zürich, in einem Gutachten über die Planung
Das Projekt Krawina ist grundsätzlich eine gute Lösung für einen Ausstellungsbau von hoher Qualität und hält eir
Vergleich auf internationaler Ebene stand das Projekt zeichnet sich aus durch einen totalen architektonischen
wofür ich Krawina gratuliere."
Im Mai 1970 wurde die Ausstellung erstmals in München ca. 18.000 Besuchern gezeigt. Abb. 22-25
Gottlinde Krawina-Scheb
Z3 Großer Grundriß mit kleinem Aufriß der
Wanderausstellung ..Wien, eine Stadt
stellt sich vor" von Arch. Josef Krawina
25 Einblicke in die Ausstellung Wien
eine Stadt stellt sich vor"
24.
flifäftatemit.
Informationen
ADAM, WARUM ZITTERST DU?"
Die Sensation auf dem Kunstmarkt
ist die neue Originallithographie von
Prof. Rudolf Hausner Adam,
warum zitterst du?" Das groß-
formatige Blatt, das in der neuen
Edition EURO ART erscheint, bietet
um den Preis von öS 180,- allen
jenen, die sich bisher originale
Kunstwerke nicht leisten konnten,
eine Möglichkeit, einen echten
Hausner zu besitzen. Vor allem
Sammler werden sich diese Gelegen-
heit nicht entgehen lassen.
EURO ART, eine Grafikedition des
Europa Verlages WienlFrankfurtl
Zürich, projektiert mit Originalgrafik
von Künstlern der Spitzenklasse für
neue Käuferschichten. Neben
Sammlern moderner Kunst sollen
vor allem Arbeiter, Angestellte und
vor allem junge Menschen ange-
sprochen werden. Ergebnis echter
Kalkulationen ohne Rücksichtnahme
auf Snob-Appeal ist der weit unter
dem üblichen Marktwert der
Künstler festgesetzte Preis. Während
Literatur und Schallplatte in jeder
beliebigen Menge hergestellt
werden, um das Angebot des Käufers
befriedigen zu können, wird in der
bildenden Kunst das Angebot
künstlich gedrosselt, um die Preise
hochzuhalten. Diesen Zustand zu
bekämpfen hat sich die EURO ART
vorgenommen. Namhafte Künstler
der europäischen Spitzenklasse, u. a.
Rudolf Hausner, Horst Antes, Max
Bill, Fritz Hundertwasser, Kumi Sugai,
Victor Vasarely, Alfred Hrdlicka
konnten für dieses vorbildliche
Vorhaben gewonnen werden.
Fritz Hundertwasser, begeistert von
der Idee, Eissalonkunst in den Haus-
halten durch Originalgrafik ersetzen
zu können, erklärte in Venedig
Für das Gewölbe eines Millionärs
zu malen, kann den Künstler sicher
nicht befriedigen. Ich male lieber
hundert Blätter für Kindergärten."
Diese Demokratisierung der Kunst,
ausgehend von Wien, hat bereits
internationalen Niederschlag ge-
funden. Die Länder Deutschland,
Schweiz, Holland, Dänemark und
Schweden werden sich an der
Edition beteiligen.
VISUELLE WERKSTATT, WIEN
Aus einer Art Ambitionenkreis geht
die Gründung der Visuellen Werk-
statt" hervor, der seit der ersten
Ausstellung unter dem Titel Objekt
und Formation" existent erscheint.
Er liegt im eigentlichen um die
verschiedensten Erlebnisformen von
Bewegung gestreut. Im Laufe einer
Intensivierung solcher Auseinander-
setzung dürften sich Schwerpunkte
herauskristallisieren oder überhaupt
verlagern. Das bedeutet, daß von
der Visuellen Werkstatt zunehmende,
aber doch sporadische Aktivität zu
erwarten sein wird Die Visuelle
Werkstatt versteht sich nicht als
Gruppe, die aus einem Zusammen-
treten mehrerer Persönlichkeiten
existent wird, sondern als Begriff,
der sich eben aus einem Kreis von
Ambitionen dazu verdichtet hat. So
soll der Arbeitskreis nicht auf be-
stimmte Künstler begrenzt oder
gebunden sein, noch soll sich der
einzelne durch die Werkstatt ge-
bunden und in seiner Entwicklung
in eine bestimmte Richtung gedrängt
fühlen.
OSKAR MATULLA, EIN JUNGER
SIEBZIGER
Der hervorragende Könner und
Kenner der schwarzweißen Kunst
Professor Oskar Matulla, ein Schüler
von Prof. Franz Czizek, zeigte im
Niederösterreichischen Landes-
museum anläßlich seines 70. Geburts-
tages Ölbilder und Graphiken seit
dem Jahr 1917. Die Redaktion
wünscht dem Jubilar noch viele
weitere Jahre Schaffenskraft und
Freude für seine künstlerische
Arbeit.
DlAMONDS-INTIEAFINATIONAL
AWARDS 1970 FUFI ELISABETH
KODRE-DEFNER
Einer der von der De Beers Con-
solidated Mines Limited heuer
vergebenen Diamonds-International
Awards 1970 wurde an die Wiener
Goldschmiedin Elisabeth Kodre-Defner
für ihren hier abgebildeten Hand-
schmuck, bestehend aus zwei Ringen,
einem Mittelstück undeinemArmband,
geschmückt mit Diamanten, Perlen
und einem Opal, verliehen.
29
BlFLDTEXTE 26429
25 Der Maler Rudolf Hausner in seinem
Atelier
27 Rudolf Hausner, Adam, warum zltterst
du?" Onginalllthographie, farbig
Euro Art Gralikedition
2B Bildausschnitte aus Objekt und Forma-
tion", zusammengestellt von der ,Vi-
suellen Werkstatt", Wien in der Galerie
Heide Hildebrand, Klagenfurt
29 Elisabeth Kodrä-Defner, Wien, Hand-
schmuck. Ausgezeichnet mit dem Dia-
monds-lnternational Awavds", 1970
Österreichische Präsenz bei
Ausstellungen in Italien
Über die Sommermonate wurde
durch eine Reihe von Ausstellungen
in Norditalien das Augenmerk
besonders auf die zeitgenössische
Qsterreichische Kunst gelenkt. Das
Osterreichische Kulturzentrum von
Triest veranstaltete in Sistiana eine
Schau mit Gemälden und Aquarellen
von Peter Bischof. Von der Kritik
wurde die koloristische und formale
Differenziertheit in der Malerei und
Graphik dieses Künstlers hervor-
gehoben, der als einer der wichtigen
Vertreter der ,Neuen Figuration" in
Osterreich gewürdigt worden ist.
Bei der 2. Internationalen Kunst-
Biennale von Lignano, die jenen
Künstlern gewidmet ist, die seit 1945
aus Deutschland, Osterreich und
der Schweiz in Italien gewirkt
haben, kam vor allem llse Bern-
heimer große Bedeutung zu. Wie
der italienische Kunsthistoriker
Prof. Filiberto Menna im Katalog-
vorwort schreibt, ist es Dr. Zettl
vom Osterreichischen Kulturinstitut
in Rom zu danken, daß diese
österreichische Künstlerin, die seit
1938 in Italien lebt und deren Arbeit
mit Namen wie Kolo Moser, Oskar
Kokoschka, Henri Ch. Manguin,
Picasso und Oskar Strnad eng
verbunden ist, wieder entdeckt
wurde. Die von Dr. Zettl zusammen-
gestellten Arbeiten llse Bernheimers
wurden bereits im Februar d. J. in
Rom und im Mai in Florenz gezeigt.
Außerdem waren an Osterreichern
Gottfried Fabian, der durch seine
Freundschaft mit Hans Hartung
viele Anregungen für seine künstle-
rische Entwicklung erhalten hat,
der in Wien gebürtige und lange
Zeit in den USA wirkende phan-
tastische Maler Jack Frankfurter,
der gegenwärtig in Rom lebt,
Ernst Fuchs, Bernhard Grisel, die
Wahl-Venezianerin Liselotte Höhs
mit ihren reizvollen, naiven Hinter-
glasbildern, Arnulf Rainer, Curt
Stenvert und lrene Kowaliska-Wegner
vertreten.
Von den deutschen Künstlern sind
vor allem Hans Richter und Emil
Schumacher zu nennen, aus der
Schweiz Betha Sarasin.
Am 5. August wurde im Museum
des Castelvecchio" von Verona
eine Ausstellung mit Emailreliefs
von Pepi Weixlgärtner, der Schwester
des heuer verstorbenen Architekten
Neutra, und von ihrer Tochter
Elisabeth Söderberg eröffnet.
Ende August wurde in Venedig auf
der Insel San Giorgio Maggiore
eine Ausstellung der Bühnenbilder
aus der Familie der Galli-Bibiena
eröffnet, deren Name mit dem
Theater am Wiener Hof zur Zeit des
Hochbarock verbunden ist. Die
Theatersammlung derOsterreichischen
Nationalbibliothek und die Graphische
Sammlung Albertina haben ebenso
Leihgaben zur Verfügung gestellt
wie Museen und Sammlungen in
London, München, Rom, Florenz und
Bologna. Der Zeitpunkt wurde so
gewählt, daß sie den Teilnehmern
an der UNESCO-Konferenz der
Kulturminister, welche vom 24. Au-
gust bis 2. Sebtember in Venedig
stattfand, zugänglich war. Mitte
September fand ein Round-table-
Gespräch über szenentechnische
und historische Probleme zum
Argument dieser Ausstellungen statt,
zu dem Franco Mancini, Mercedes
Viale Ferrero, Elena Povoledo,
Carlo Enrico Rava, John Harris,
Franz Hadamovsky, Piet Bjurström,
Eckhart Nölle, Günther Schöne,
Jiri Hilmera, Helene Leclerc und
Walter Zettl eingeladen waren.
Bei der 4. Internationalen Kunst-
ausstellung" in Acireale Sizilien
im Oktober d. J. war Osterreich
durch die Maler Hans Escher, Karl
Kreutzberger, Oskar Matulla, Hans
Staudacher, Ferdinand Stransky und
Heinrich Tahedl vertreten. Der Jury
gehörten die Kunstkritiker Prof. Nello
Ponente, Lara Vinca Masina und
Dr. Herta-Christiane David an.
Christiane David
Die Wiener Secession am
Markusplatz
Ein besonderes Anliegen des Direktors
des Osterreichischen Kulturinstitutes
in Rom, Univ.-Prof. Dr. Heinrich
Schmidinger, ist es, die österreichische
Kulturarbeit in Italien über die
ewige Stadt" hinaus auf die
einzelnen Regionen auszubreiten
und vor allem in den wesentlichen
Zentren zu verankern. So ist in
Norditalien Triest bereits zu einem
wichtigen Stützpunkt geworden.
Mit Beginn des Arbeitsjahres
1970l71 tritt Venedig in den Vorder-
grund.
Den Auftakt nahm ein Vortrag von
Dr. Walter Zettl anläßlich der
Ausstellung Theaterzeichnungen
der Bibiena die vom Kulturzentrum
der Fondazione Giorgio Cini" auf
der Insel San Giorgio gezeigt wurde
und in der sich insgesamt 22 Leih-
gaben aus den Sammlungen der
Albertina", des Kupferstich-
kabinetts" der Akademie der bilden-
den Künste in Wien und der Theater-
sammlung der Osterreichischen
Nationalbibliothek befinden.
Dr. Zettl sprach im Rahmen einer
Tagung, zu welcher sich Fachleute
auf dem Gebiet der Szenographie
aus Deutschland, England, Frankreich
und Italien eingefunden hatten, und
behandelte von historisch-sozio-
logischer Sicht aus die Tätigkeit der
Familie Galli-Bibiena als Theater-
architekten und Bühnenbildner am
Wiener Hof.
Das diesjährige Theaterfestival in
Venedig wurde mit der Eröffnung
der Ausstellung Max Reinhardt
und die Welt der Commedia del-
l'arte" im Theater La Fenice"
eingeleitet, die von der Max-
Reinhardt-Forschungs- und
Gedenkstätte" in Salzburg zusam-
mengestellt worden ist.
Eine eigene Abteilung widmete sich
der Inszenierung des .,Kaufmann
von Venedig" am Campo San
Trovaso in Venedig im Juli 1934.
Anläßlich der Eröffnung sprach
Dr. Zettl vom Osterreichischen
Kulturinstitut in Flom über die
Persönlichkeit Reinhardts als
Traditionalist und Erneuerer.
Im Oktober konzertierte das Grazer
Harfen-Quintett im Saal des
.,Circolo Anistico" mit Werken von
Mozart, Saint-Saäns, Kügerl,
Debussy und Rota.
Die Galerie der Stadt Venedig am
Markusplatz beherbergte im No-
vember d. J. eine Ausstellung der
"Wiener Secession", in der sowohl
Druckgraphik aus der Ver Sacrum-
Zeit gezeigt wurde wie auch gra-
phische Werke gegenwärtiger
Künstler. Christiane David
53
Internationale Aktualitäten
BELGIEN BRÜSSEL, DIE WESENTLICHEN ELEMENTE DES KONGRESSENS
In der Zeit vom 7. bis 11. September 1970 fand unter diesem Titel ein Kongreß statt, dessen
Thema die schopferischen, d. h. die symbolischen Ausdrucksformen einer Gesellschaft im
Konflikt" war und besonders die vielfachen Ausdrucksarten der Konflikte betonte. Die Teilnehmer
wurden standig den symbolischen Ausdrucksformen gegenübergestellt. ln vier Kongreßsprachen
Spanisch, Italienisch oder zwei Wahlsprachen tagten die Arbeitsgruppen über die Teilthemen
und symbolischen Ausdrucksformen der Konflikte der Mensch und das natürliche
Universum der Mensch und das soziale und kulturelle Universum sowie der Mensch und
das Transzendente. Es fanden unter anderem Veranstaltungen, gemeinsame Sessionen,
Filmvorstellungen,Vorstellungen Theater und Tanz, Musik und Gesang, eine Ausstellung.
Multimediasitzungen, Liturgietrerien, allgemeine Stimmung des kangresses und Publikation
des Buches Nach dem Kongreß" statt.
BRD AACHEN, NEUE GALERIE IM ALTEN KURHAUS VOSTELL ELEKTRONISCH
Das elektronische Werk wblr Vostells ist weniger bekannt als der Nachruhm seiner Happenings.
Es ist sein Beitrag zur aktuellen Kunstszene. Die Neue Galerie hatte vom 17. Oktober bis
27. November 1970 diesen Teil seines Schaffens dokumentiert. In diesem Zeitraum wurde die
rheinisch-westfalische Technische Hochschule 100 Jahre alt. Ein Anlaß zur Eiqenanalyse.
Zur Bestimmung der Grenzen ihrer Wirksamkeit. Dem Künstler Vostell stellte sich ein Arbeitskreis
vbn Technikern zur Seite. Sie zusammen realisierten die Ausstellung und legten Rechenschaft
ab, ob dieser Modellfall einer Weiterführung der Zusammenarbeit zwischen Kunst und Technik
dienen kann. Noch ist ein Ausstellungsinstitut Schauplatz des Geschehens. Noch beeinflussen
die Kunstwerke Museumsbesucher. Wenn der Modellfall gelingt, können andere Standpunkte
gesucht werden. Am 16. Oktober ging der Start zur Aktion 20.000 km" vor der Feldherrnhalle
in München los. Diese H. A. Schult-Rallye durch Deutschland verband alle größeren Städte
Deutschlands mit ihren Kunsthäusern nach dem Konzept die alltäglichen Dinge sind bewußter
zu machen. Nicht das Endprodukt ist wichtig. Der Prozeß ist wichtig. Hier wird der Mensch
selbst, in der Person des Machers HA Schult, einem permanenten Verschleißprozeß sichtbar
ausgesetzt.
Am Freitag, dem 23. Oktober, berichtete HA Schult von seiner Fahrt in der Neuen Galerie Aachen
BRD ASCHAFFENBURG LOB DES FAPIERS"
seit einigen Jahrhunderten verwenden Künstler Papier in unserem Sinne, und Papier ist als
Reproduktionsgrundlage auch ein wichtiger Mittler zwischen den Originalarbeiten der Künstler
und dem Publikum. Papier war bisher zwar Mittel zum Zweck", aber kaum Gegenstand,
Motiv künstlerischen Bemühens. Die Papierwerke Waldhol-Aschaffenburg" Aktiengesellschaft
schrieb unter dem Titel .,zum Lob des Papiers" einen Wettbewerb aus, über den wir nach
Möglichkeit noch berichten werden.
BRD DARMSTADT, 3. INTERNATIONALE DER ZEICHNUNG
Zum dritten Mal zeigte die Stadt Darmstadt vom 15. August bis I1. November 1970
auf der Mathilclenhohe ihre Internationale der Zeichnung". Diese umfassende Ausstellung
wurde als Reihe begründet, um einen Uberblick zu geben über die Originale der Zeichenkunst
in der Gegenwart. ln jeder der bisherigen Ausstellungen wurde in Retrospektiven das zeich-
nerische Lebenswerk eines für die Kunst unseres Jahrhunderts bedeutsamen Meisters vorgestellt.
Heuer waren dies Henri Matisse und Gustav Klirnt. Außerdem zeigte diese Veranstaltung
630 Werke von 102 Künstlern aus Europa und Ubersee. Zur Ausstellungserüffnung hielt
der bekannte Wiener Antiquar Christian M. Nebehay einen Lichtbildervortrag unter dem
Titel Gustav Klimt und die wiener Secession".
BRD DUSSELDORF, GALERIE VOMEL
In der Zeit vom 15. September bis 15. Oktober 1970 zeigte die Galerie Arbeiten von
Hans Tisdall Segel und heraldische Fragmente.
BRD KÖLN, KUNSTHAUS AM MUSEUMICAROLA VAN HAM
Die 45. Kunstauktion am Z4. und 25. November 1970 brachte unter dem Titel
"Außereuropaische Kunst und archäologische Funde" mit vielen Porzellanen der K'ang-hsi-
und Chien-lung-Zeit, Bronzen, zahlreiche Exotika u. a. Holz- und Bronzearbeiten aus
Nigeria, Orientteppiche, archäologische Funde des Mittelmeerraumes und des Rheinlandes
in Glas und Ton sowie einen seltenen Marmortorso von der Via Appia bei Rom.
BRD MUNCHEN, MUNCHNER STADTMUSEUM, .,MALEREl NACH FOTOGRAFIE"
In der Zeit vom B. September bis B. November 1970 lief diese Ausstellung als eine
Dokumentation von der Camera obscura bis zur Pop Art". Auf jüngsten internationalen
Spezialforschungen basierend, versuchte die Ausstellung die Wechselbeziehungen zwischen
Malerei und Fotografie aufzuzeigen. Sie präsentierte sich didaktisch gegliedert Jedem Gemalde
oder graphischen Blatt oder nicht erreichbaren Originalen sind entsprechende fotografische
Anregungen Studien oder Vorlagen gegenübergestellt. Eine Fülle unbekannten Materials
wurde vorgeführt, und man entdeckte die Amateurfotografen Degas, Munch, Slevogt, Zille.
Vuillard, um nur einige zu nennen. Eirre-Rarltat besonderer Art waren die erhaltenen Zeichen-
pausen aus der Camera obscura, dem Vorläufer des Fotoapparates. Man konnte die ersten
Dokumente des Zeichnens und Malerts nach Fotografien von Delacroix 1842-1854 und
Hill 1243 sehen. Als Quintessenz der Ausstellung konnte gesagt werden, daß das alte Verdikt
gegen die Fotografie als Hilfsmittel der Malerei, das von der idealistisch-normativen Asthetik
des 19. Jahrhunderts verkündet und popularisiert wurde, sich aufhebt, wenn man hier feststellte,
wie verbreitet, wie selbstverständlich und wie modifizierbar diese Methode ist. Nicht zuletzt
haben so große Künstler wie Leonardo da Vinci, Durer, Holbein d. J., Vermeer van Delft,
Carlaletta, Bellotto, Guardi, Reynolds mit den Geräten der Renaissance und des Barock
Velum, Glastafelapparat, Camera obscura legitime Ahnen lange vor der Zeit der Erfindung
der Fotografie in Verwendung gehabt.
ITALIEN CATANIA, MOSTRA INTERNAZIONALE Dl GRAFICA CONTEMPORANEA"
Der Österreicher Adolf Frohner erhielt bei der diesjahrlgen internationalen Grafikausstellung
in Sizilien einen Preis mit seiner Tanzerin" in Aquatinta. Neben Frohner setzte sich die kleine
osterreichische Gruppe noch aus Hans Bellmer und Hans Glauber zusammen. Zahlreiche
Künstler aus Europa und Ubersee stellten das Kontingent der diesjährigen internationalen
zeitgenossischen grafischen Ausstellung.
OSTERREICH BREGENZ, PALAISTHURN UND TAXISI FRITZ KRCAL UND VISUELLE POESIE
In der Zeit vom Z1. August bis 27. September zeigte das Künstlerhaus im Palais Thurn und
Taxis die Ausstellungen Fritz Krcal" und Visuelle Poesie". Der 1833 in Bregenz geborene
Fritz Krcal gehort der gleichen Generation wie Rudolf Wacker an, der seine eigene Malerei
einen Versuch gegen die Zeit" nennt dies trifft iI'I noch höherem Maße für Krcal zu. Die
Dlnglicflkeit, die bei Wacker das Sachliche durch Ubersteigerung ins Magische umschlagen
laßt, wird von Krcal verklärt. Er studierte in München u. a. bei Franz von Stuck, und durch
seinen ersten Lehrer Charles Palmie ist er ein mittelbarer Schüler von Claude Monet. In
Paris lernte er bei Matisse und wurde vor allem von den Bildern Seurats beeindruckt. Auch
ln der Malerei des Trecento und Ouattrocento wurzelt er. ln seiner persönlichen Weise ist er
später Neoimpressionist, ohne Pointillist zu sein. Er leugnet den Fortschritt nicht, er setzt ihn
für seine Person einfach außer Kraft.
In der Ausstellung Visuelle Poesie" wird man zum Leser Betrachter eines Sprachbildes,
wobei dieses als sich selbst genügendes Objekt bezeichnet werden kann. Text oder
Textfragment haben Gewicht, nicht die Bildasthetik. Optische Effekte wie Abfolge der Seiten,
Papierqualität, Letterntvpen spielen eine wesentliche Rolle. Visuelle Dichtung ist nicht unver-
bindliches Spiel esoterischer Sprachrogie, sondern aus historischer Entwicklung bedingte
Poesie. Diese Richtung entstand anfangs der fünfziger Jahre in Brasilien, Italien, der Schweiz
und osterreich, und unter den verschiedensten Anregungen seien Mallarme oder der Verfasser
des futuristischen Manifests Marinetti" angeführt.
OSTERREICH GALERIE WELZ, SALZBURG
Die Direktion der Galerie Welz gibt uns bekannt, daß ihre Woihnachtsausstellung vorn
2. Dezember bis 31. Dezember 1970 stattfindet. In der Zeit vom 20. September bis 25. Oktober
zeigte die Galerie Druckgraphik von Ernst Fuchs und anschließend vom Z9. Oktober bis
29. November Zeichnungen und Graphiken des Z0. Jahrhunderts,
ÖSTERREICH ERSTE PERMANENTE FOTO-GALERIE IN OSTERREICH
Im Frühjahr 1970 hat in einem Schauraum diese Galerie als Experiment begonnen, um Foto-
grafen für ihr kreatives Schaffen neben der Arbeit für Druck und Ausstellungen eine weitere
Plattform zu bieten. Der Erfolg der ersten Verkaufsausstellungen, die Reaktion von Presse und
Rundfunk sowie auch des Fernsehens haben dieser Idee recht gegeben. Auch die Resonanz aus
dem Ausland war äußerst ermutigend.
Wir leben rn einem visuellen Zeitalter, in dem der Fotografie ganz besondere Bedeutung zu-
kommt. Sovtie das Rad eine Ausweitung des Fußes ist oder das Euch eine für das Auge
McLuhan, so ist die Fotografie eine Ausweitung visueller Vorstellungsbilder,
Gezielte weitere Absicht der Foto-Galerie ist es, Interessenten an der Fotografie direkt anzu-
sprechen und zugleich den Publikumsgeschmack zu formen.
ÖSTERREICH INTERNATIONALE FACHAUSSTELLUNG FUR BUROORGANISATION
"ifabo 71" IN WIEN
In der Zeit vom 7. bis 10. Februar 1971 veranstaltet die Arbeitsgameinschaft7Büroorganisation
Wien im Wiener Messepalast die ifabo 71 Der große Erfolg der ifabo 70" hat eindrucksvoll
bewiesen, wie wichtig diese Bürofachausstellung ist, die der internationale Markt nachdrücklich
verlangt. Der bekannte Wiener Prof. Arch. Carl Aubock meinte in einem Gespräch mit Peter
Noevar Die für mich wichtigste Hauptinformation der ifabov70" war ein weitgehender
Gesamtüberblick uber die burotechnlschen Moglichkeilen in Österreich heute, im Vergleich
zur internationalen Situation auf diesem Gebiet." Auf die Frage, welche Vorteile eine derartige
Veranstaltung dem Architekten und Designer bietet. meinte Prof. Auböc Der Vorteil einer
derartigen Veranstaltung liegt in der konzentrierten Zusammenfassung des Angebotes auf einem
bestimmten Fachgebiet, mit der Möglichkeit, in verhältnismäßig kurzer Zeit einen Gesamt-
überblick zu erlangen."
54
Internationaler Kunstspiegel
Bild 30 eine Ausstellung neuer Olbilder und Aquarelle insgesamt 26 Ex-
ponate des schottischen Malers ALAN DAVIE veranstaltete die
GALERIE STANGL, MUNCHEN. Der Künstler ist mit einer Arbeit auch im
Museum des 20. Jahrhunderts in Wien vertreten.
Bild 31, 32 Fast 200 graphische Blätter waren in der von einem um-
fassenden Katalog begleiteten Ausstellung MOTIVE" im WIENER
KUNSTLERHAUS zu sehen. Die Schau mit dem Untertitel Stadt- und
Ortsbilder Österreichischer Künstler seit 1910" enthielt Werke von Absolon bis
Zechyr, eine im Schnitt erfreulich qualitätvolle Phalanx und damit ein
akzeptabler Festwochenbeitrag.
ARNULF RAINER zeigte im KUNSTVEREIN FREIBURG I. B. 3. Oktober bis
1. November 1970 eine größere Personalausstellung älterer und neuerer
Arbeiten. Uberrnalungen 1954-1964 stellte derselbe Künstler in der
GALERIE SCHÖTTLE, MÜNCHEN vor.
Bild 33 Mit Verspätung erhielten wir nebenstehendes Bild von der
Eröffnung der Ausstellung der österreichischen Architekten-Designer-Gruppe
HAUS-RUCKER-CO in NEW YORK. Die Vernissage wurde mit der Inbetrieb-
nahme des Riesenbillards" durch ein überaus zahlreiches Publikum in der
53. STRASSE vorgenommen. Die Ausstellung im MUSEUM OF
CONTEMPORARY CRAFTS dauerte vom 15. Mai bis 7. Juni.
Bild 34, 35 GERO SCHWANBERG und LOYS EGG stellten ihre neuen
Bilder und Plastiken in der WIENER SECESSION vor. Zu dieser Ausstellung
erschienen auch zwei ansprechend gestaltete Kataloge mit Texten von
Ernst Jandl Komm rein geh schmutzig".
Bild 36 ERNST SKRICKA, 1946 geborener Radierer und Schüler
Prof. Melchers an der Wiener Akademie der bildenden Künste 1968 Meister-
schulpreis, stellte im THESEUSTEMPEL in WIEN 22 neue, zum Teil
ungewöhnlich großformatige Arbeiten aus. Im Vorwort Kristian Sotriffers
zu dieser Ausstellung heißt es u. a. Innerhalb kürzester Zeit ist es
Ernst Skricka gelungen, zu einem der profiliertesten, sowohl technisch als
auch künstlerisch ausgereiftesten Radierer nicht nur seiner Generation
heranzureifen.
JAPANISCHE KUNST HEUTE" war der Titel eines Japan Art Festivals im
MODERN ART MUSEUM, MUNCHEN. Im Mittelpunkt der Veranstaltung
standen lkebana- und Teezeremonien.
Einen interessanten Katalog mit Transparentfoliensiebdrucken brachte
ANTON CHRISTIAN aus Anlaß seiner Kollektivschau im TAXlS-PALAIS.
INNSBRUCK heraus 22. September bis 18. Oktober 1970. Der Katalog
beruht auf derselben Idee, die von dem Wiener Graphiker Helmut Krumpel
in seiner 1969 erschienenen Mappe Variation 11"" angewandt wurde.
Bild 37 Anläßlich des 65. Geburtstages von FRITZ WINTER veranstaltete
die Galerie GUNTHER FRANKE, MUNCHEN eine Ausstellung mitjüngst
entstanden Arbeiten des Künstlers.
Bild 38 Dieselbe Galerie zeigte parallel dazu 60 Blatt Druckgraphik von
WILHELM LEHMBRUCK aus Museums- und Privatbesitz sowie darüber
hinaus eine Reihe verkäuflicher Arbeiten.
Bild 39, 40 Nach den Haus-Ruckern ist es jetzt auch der COOPERATIVE
HIMMELBLAU PRIX, HOLZER, SWI gelungen, in Deutschlands Kunst-
harldel Fuß zu fassen. Niemand Geringerer als die prominente
DUSSELDORFER AVANTGARDEGALERIE SCHMELA zeigte den Oktober
über die erste Gruppenschau der drei Wiener im kunsthändlerisch interessanten
Rhein-Ruhr-Gebiet. Präsentiert wurden Architektur, Zeichnungen und
Modelle.
Bild 41 Als gemeinsames Werk von fünf japanischen Bildhauern entstand
im diesjährigen SYMPOSION IN ST. MARGARETHEN ein Graben eine
zur Meditation anregende Arbeit mit Land-Art-Aspekten. Die Namen der
Beteiligten MAKOTO FUJIWARA, TETSUZO YAMAMOTO, TAKAO HIROSE,
SATORU SCHOJI, MAKIO YAMAGUCHI.
Einen KATALOG mit dem Titel NEUE MALEREI" gab ADAM JANKOWSKI,
Keinergasse 17, 1030 Wien heraus. Die Broschüre enthält Abbildungen von
Werken der Künstler Gertraucl Artner, Wolfgang Ernst, Adam Jankowski,
Andrea Kovachich, Robert Lettner, Nadia Ave, Hermann Painitz und
J. H. Stiegler.
Bild 42 Zur EROFFNUNG seines neuen THEATERS AM SCHWEDENPLATZ
Franz Josefs-Kai 21 präsentierte Herbert Lederer eine Auswahl von
Zeichnungen des Linzers ANTON WATZL.
Als Außenseiter der diesjährigen Frankfurter Buchmesse und einzige
österreichische Dependance für handgedruckte Originalholzschnitte, Bücher
und Mappenwerke in Miniauflagen stellte sich die WERKSTATT
BREITENBRUNN" dem an bibliophilen Raritäten mit Avantgardeappeal
wohl kaum sonderlich interessierteninternationalen Publikum vor. Fria und
Wil Franken, die Gründer und Leiter der seit nunmehr drei Jahren
bestehenden Zwei-Personen-Edition, könnten dabei auf ein in gleicher Weise
ausgefallenes wie anspruchsvolles Verlagsprogramm verweisen auf eine
Computerdokumentation mit Arbeiten von Adrian, Beckmann, Nake und
Stiegler; auf Aubergers Wir fordern", Hänggis Von bis Plakatrollen
und Nachlaßdrucke des Grazers Kurt Weber sowie die Buchreihen,
Baum- und lchbücher. die die beiden Burgenlandzuwanderer neben
Kunstandenken" diverser Art Kennern und Sammlern vorstellen und ver-
kaufen wollen. Peter Baum
ÖSTERREICH ÖSTERREICHISCHE WERKSTÄTTEN TRADITION UND FORTSCHRITT
200 JAHRE AMBOSSWERK NEUZEUGHAMMER"
Aus Anlaß des 200jähri en Jubiläums des Neuzeughammer Amboßwerkes zeigten die
Österreichischen Werks tten vom Z2. September bis 3. Oktober die Sonderausstellung
Tradition und Fortschritt 200 Jahre Amboßwerk". Das 1770 gegründete, damals schon auf
alte, bis in das Mittelalter zurückreichende Tradition aufbauende Unternehmen blickt auf eine
wechselvolle Geschichte zurück, seine Erzeugnisse kennt man in 60 Staaten, findet man in
aller Welt und es gehört das Unternehmen zu den führenden der Branche, Man findet seine
Produkte ebenso im Museum of Modern Art in New York wie auch im Museum de Arte
Moderna do Rio de Janeiro, im Züricher Kunstgewerbemuseum, auf der Triartrrale in Mailand.
den Weltausstellungen in Brüssel und Montreal, auf der Ausstellung ,.Die gute lndustrieform"
in Hannover sowie in den exklusiven Departementstores und Geschäften der USA, Japans
und Australiens.
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N2
iqlxm
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15 Kunstgegenstände
aus dem Auktionshaus
Aus dem Kunsthandel Christie's. London
Christids, London
AUKTION VOM 14. APRIL 1970
lmpressionistische und moderne Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen
85 Katalognummern
Gesamtergebnis II 549.790.10.0 öS 33.981.000.-
Henri Matisse, La danseuse au tutu bleu. Sign. und dat. 8.42.
48x38 cm. Kat.-Nr. 30
Meistbot Gns. 30.000 öS 1.946.900?
Paul Cezanne. La Faience ltalienne. Gemalt in den Jahren 1873l74.
Die zahlreichen Vorbesitzer des Gemäldes sind im Katalog aufgezählt.
42x 55 cm. Kat.-Nr. 44
Meistbot Gns. 65.000 öS 4.218.000?
AUKTION VOM 24. APRIL 1970 in Genf, Hotel Richemond
Gemälde von Schweizer Meistern 149 Katalognummern
Gesamtergebnis sfr1.572.950,- öS 9.398.000,-
Giovanni Segantini. Verschneites Dorf in den Bergen. Der Künstler
schenkte dieses Bild im Jahre 1896 der Sozialistischen Partei Italiens.
Das Gemälde stammt aus einer Zürcher Privatsammlung.
45,5x67.5 cm. KaL-Nr. 421
Meistbot sfr 40.000,- öS 239000,?
Ferdinand Hodler, Promenade au bord du bois, sign. Als Modell stand
1885 Augustine Dubin, die Mutter des Hector Hodler. Das Bild stammt
aus einer Genfer Privatsammlung und wurde mehrfach auf Ausstellungcn
gezeigt. KaL-Nr. 446
Meistbot sfr 85.000,- öS 507800,"
AUKTION VOM 13. MAI 1970
Kontinentales Silber 168 Katalognummern
Gesamtergebnis 90.173.0.0 öS 5.573.000,-
Kleiner Talelaufsatz. Wien 1736137; Meistermarke IML, wahrscheinlich
Johann Martin Lobmayr. 22 cm. Kat.-Nr. 74
Meistbot Gns. 540 öS 35.000,-
AUKTION VOM 30. JUNI 1970
lmpressionistische und moderne Zeichnungen, Gemälde und Skulpturen
55 Katalognummern
Gesamtergebnis 1.611,935.0.0 öS 99.629.000?
Georges Seurat. Les poseuses petite version, gemalt 1888. Das
Gemälde wurde seit 1892 auf vielen Ausstellungen in Europa und
Amerika gezeigt, findet in der umfangreichen Literatur über Seurat
überall Erwähnung und zählt zu den bedeutendsten Werken des
Künstlers. 39x49 cm. Kat.-Nr. 16
Meistbot Gns. 410.000 26, 608000,?
Theodore Gericault, Paysage classique; Matin. Das Gemalde befand
sich zuletzt in der Walter-P.-Chrysler-Collection, New York.
275x218 cm. Kat.-Nr.
Meistbot Gns. 26.000 öS 1,726.000,?
Claude Monet, Les bords de la Seine, Argenleuil. Signiert. Das Gemälde
wird in der Literatur mehrfach erwähnt und laßt sich in verschiedenen
Sammlungen bis 1880 zurückverfolgen. 535x735 cm. KaL-Nr. 28
Meistbot Gns. 240.000 ÖS 15.575.000.-
Pablo Picasso. Selbstporträt. Sign. Yo Picasso. Gemalt im Frühjahr oder
Sommer 1901 in Paris. Hugo von Hofmannsthal erwarb das Gemälde
zusammen mit einer Landschaft von Ferdinand Hodlerim November1912
von seinen ersten Tantiemen für den Rosenkavalier um 13000,? Mark
in München bei Heinrich Thannhauser, Moderne Galerie.
73.5X60.5 cm. KatßNr. 48
Meistbot Gns. 140.000 öS 9,085.000,-
10 Raoul Dufy, Atelier au bord de la mer. Signiert. 87x114 cm.
Kat.-Nr. 49
Meistbot Gns. 17.000 oS 1.103.300.?
AUKTION VOM 7. JULI 1970
Afrikanische Kunst 179 Katalognummern
Gesamtergebnis 42,256.4.0 öS 2.611.000?
11 Bronzekopf aus Benin. Mittlere Periode, 17. Jahrhundert. 26 cm.
Kat.-Nr. 70
Meistbot Gns. 9.500 öS 516000,?
AUKTION VOM 7. JULI 1970
Jugendstil 204 Katalognummern
Gesamtergebnis 12,075.6.0. es 746.000,?
12 Figuraler Kerzenleuchter von Gustav Gurschner. Wien. Um 1900.
40 cm. Zu dieser und den folgenden Nummern sei auf den Aufsatz
von F. Windisch-Graetz. Leben und Werk des Bildhauers Gustav
Gurschner. Alte und moderne Kunst 87. 1966, S. 34ff. verwiesen.
Kat.-Nr. 187
Meistbot Gns. 190 6512300.-
13 Tischlampe aus Bronze mit farbigem Glasschirm von Gustav Gurschner,
Wien. Um 1900. 58 cm. Kat.-Nr. 188
Meistbot Gns. 220 öS 14.200,?
14 Türklopfer. Bronze, von Gustav Gurschner. Signiert und datiert 1893.
47 cm. Kat.-Nr. 189
Meistbot Gns. 420 öS 27.200.?
AUKTION VOM 15. JULI 1970
Englisches und kontinentales Glas 249 Katalognummern
Gesamtergebnis 12.482.8.0 ÖS 771000,?
15 Zwei Zwischengold-Becher von Johann Mildner. Signiert und datiert
J. Mildner Fec Gutenbrunn1799. 12 cm, Kat.-Nr. 249
Meistbot Gns. 1.000 iJS 64.800.-
Buchbesprechungen
Monika Steinheuser, Die Architektur der
Pariser Oper. Studien zu ihrer Ent-
stehungsgeschichte und ihrer architek-
turgeschichtlicrlen Stellung. Studien zur
Kunst des neunzehnten Jahrhunderts.
Bd. 11. Forschungsunternehmen der
Fritz-Thysaen-Stiftung. Arbeitskreis
Kunstgeschichte. Prestel-Verlag. Mün-
chen 1559. 327 Seiten mit 143 Abb. auf
112 Tafeln.
Eine Monographie über das Haus der Pariser
Oper mag in Wien, ein Jahr nach der Centenar-
faiar der Wiener Oper, auf besonderes Interesse
stoßen, bestand doch immer schon eine
offene oder unterdrückte Rivalität zwischen
den Häusern beider Städte im Abstand von
wenigen Wochen wurden die Wettbewerbe
entschieden zugunsten heim.scher Krafta, und
wenn die Bauarbeiten in Paris auch mit
halbjährigem Vorsprung vor Wien begannen.
so verzögerten sich diese doch schon sehr
erheblich, bis sie 1870 vollends eingestellt
werden mußten. Zu diesem Zeitpunkt war
das Opernhaus in Wien, dessen Bauzeit von
1861 bis 1869 schon als Ärgernis empfunden
wurde, bereits im Betrieb; die Vollendung
der Oper in Paris im Jahre 1875 blieb dann
der Republik vorbehalten.
Die Vergleiche lassen sich fortsetzen über die
städtebaulichen Unternehmungen, in welche
der Bau dieser Häuser eingebunden ist, uber
die außere und innere Gestalt der Hauser
und führten dann zu dar Frage, ob die ganz
unbestreitbar größere Lösung Garniars das
alleinige Verdienst dieses Marines ist oder
ob das Bürgertum, das auch im kaiserlichen
Frankreich eine ungleich bedeutendste Rolle
spielte als etwa in den deutschen Ländern.
großzügiger und fortschrittlicher dachte.
Neben der Oper von Paris, die man als ein
Monument des Bürgertums wird betrachten
dürfen nimmt sich die Oper in Wien als
intimes Hohheater aus, in welchem dia Bürger
Geste des Kaisers waren.
Naturlich sind dies alles keine Themen, die
in einer archivalischen und stilkritischen
Arbeit Eingang finden konnen, Die Verfasserin
gibt vielmehr eine sehr ausführliche und gute
Beschreibung des wahrnehmbaren, einen
umfangreichen Bericht über fruhe Projekte
und die Wettbewerbe bis hin zur Entstehung
des Entwurfes von Garnier und endlich eine
sehr weitausholenda Studie über die archi-
tekturgeschichtliche Stellung jenes Hauses.
Drei Punkte fallen dabei besonders ins Auge
Nach Lage des überlieferten Materials hat die
Verfasserin vier Wettbewerbsbeiträge aus-
luhrlich geschildert. Sie entstammen der ersten
und der zweiten Runde des Wettbewerbes
und Freisträgern wie Nichtpreisträgarn; von
Garnier stammt keines dieser Projekte. Nun
werden, da Vergleichsmöglichkeiten zu den
gleichrangigen Projekten von Garnier fehlen,
diese Projekte mit dem Prachtbau von Garnier
verglichen, was bei aller wohlgemeinten
Objektivität ein schiefes Bild ergibt. Wie
würde denn bei solchem Vergleich das erste
Projekt von Garnier dastehen? Die Ver-
fasserin ist sich der Ungunst dieser Situation
zwar bewußt S. 54, glaubt aber, nicht auf
den Vergleich verzichten zu dürfen, statt
getrennt zu halten, was nicht zusammen-
gehört. Der andere Punkt ist, wia nebensach-
lich das Phänomen ..Gesamtkunstwerk",
für welches dieses Opernhaus ein Parade-
beispiel ist, behandelt wird. Auf drei Seiten
wird dieses Problem zwar gestreift S. 1521.,
doch bleibt die dort gegebene akademische
Auseinandersetzung ohne Bezug zum Objekt.
Die Aufzählung der Bildthemen und Künstler
ist diese überhaupt vollständig? schließt
diese Lücke nicht, das Kunstgewerbe fehlt
ganz. Und schließlich vermißt man Angaben
zu Garnier, zu seinem Schaffen neben der
Oper. Genannt sind sein Freisprojekt der
Akademie, der Rekonstruktionsantwurl das
Aphaiatempels zu Ägina und des Projekt
eines Orpheurris. Gibt es denn aber keine
Brücken zwischen der Oper und dem Theater
und Casino in Monte Carlo? Ohne die Mono-
graphle über das Haus der Oper über Gebühr
auszudehnen, würden einige Erganzungen in
dieser Richtung um so freudiger aufgenommen,
58
als sich sobald keine Gelegenheit bieten wird,
so ausführlich uber das Hauptwerk von Garnier
zu schreiben und schon gar nicht von einem
deutschsprachigen Autor, denn darauf darf
die Verfasserin stolz sein daß es ihr gelungen
ist, eine so ausführliche, wohlfundierte Mono-
graphie über ein französisches National-
denkmal zu verfassen.
Eine große Enttäuschung bereitet aber leider
ein Großteil der Flanabbildungen. Es fragt
sich, ob man hier nicht durch Umzeichnungan
oder andere Reproduktionstechniken selbst
auf Kosten der Einheitlichkeit des Bildteiles
zu besseren Ergebnissen hätte kommen können.
Hans-Christoph Hoffmann
SwobodalMetamorphosen. Herausgege-
ben von Bernhard Peithner-Lichtonfell.
Langen Müller, München-Wien 1970.
20 Seiten Text, 18 SchwerzweiB- und
24 Farbtafeln.
Gleich vorweg Das Buch ist sehr schön aus-
gestattet. Sowohl die Auswahl der Bilder als
auch die Bindung ist erlesen. Die feinen Ab-
stufungen im Couleur Swobodas kommen gut
zur Geltung und die getönten graphischen
Blätter geben einen noblen Akzent. Einzig das
Vorsatzpapiar scheint uns nicht nur zu un-
ruhig, was noch den Intentionen des Künstlers
entsprechen mag, sich aber als Empfang
ein solcher ist ia das Aufschlagen eines Buches
nicht besonders günstig auswirkt, sondern
sogar etwas aufdringlich wirkt. Um wieviel
besser, geradezu köstlicher ist dagegen der
von Gerhard Swoboda handgeschriebene,
kreuz und quer, darüber und dazwischen
illustrierte Lebenslauf, dar gleich nach einem
kurzen Vorwort des Herausgebers das Buch
einleitet.
Der Beitrag Caspar Freiherrn von Schrenck-
Notzing trägt den Titel Metamorphosen bai
Gerhard Swoboda" und geht von dem im
Bande abgebildeten Olbild Maine Odyssee"
aus. Der Autor rollt das Thema aber schließlich
kunstgaschichtlich und weltanschaulich auf,
wobei er sicher bei manchem Leser Wider-
sprüche auslösen wird. Wohl, die Suche nach
den philosophischen Steinen ist keinesfalls
überholt" Seite 22, doch der Wege sind
viele.
Der zweite Text von Heinrich von Mackowitz
beschrankt sich darauf, den Kunstler vorzu-
stellen, was hier ein Gewinn ist. Er berichtet
von der Entwicklung Swobodas, zeigt
geistige Verwandtschaften auf, geht auf den
Schaffensprozeß ein und gibt dem Leser
Anhaltspunkte zu einer Deutung.
Schade, daß bei einem so kostbar ausge-
statteten Werk und wann wird so schnell
wieder ein solches über Gerhard Swoboda
publiziert? keine wissenschaftliche Erarbei-
tung des Werkes angeschlossen ist. Wir
finden weder ein Euvreverzeichnis, keine
Aussteilungshinweise und, was besonders
schade ist, keine Literaiurangaben. Vielleicht
ist eine Ergänzung in dieser Richtung bei einer
eventuellen Neuauflage möglich.
Alois Vogel
Tha Penrose Annual 1970 Penrose
Jahrbuch; hrsg. von Herbert Spencer;
zzis Seiten, illustriert, Preis engt
Sh. 90.-; Lund Humphriel. London 1970
Selten kann über ein Buch mit soviel Freude
referiert werden wie über das Penrose Jahr-
buch, von dem nun Band 63 vorliegt Ein
bißchen schmäler diesmal, aber kompakter
und von gewohnter und doch immer wieder
erstaunlicher Qualität in Inhalt und Ge-
Staltung.
In der einleitenden Übersicht wird über
technische, künstlerische und kommerzielle
Entwicklungen des letzten Jahres, vorwiegend
in England, USA und Japan, berichtet. Zu-
gleich wird überzeugend dargestellt, daß heute
Druckerei und Craphik in das Gebiet der
Kommunikation integriert werden müssen;
der Computer ist ein machtiger Mitarbeiter
auf diesem Gebiet geworden.
Die Beitrage beginnen mit einer Würdigung
des unvergeßlichen Cassandre von F. H. K.
Henrion; einige weitere sind ebenfalls großen
Persönlichkeiten gewidmet Beatrice Warde
John Drevfus, Jan Tschichold Ruari
McLean und seinen großen Leistungen für
die englische Typographie, vor allem bei
Fenguin, sowie der Pionierarbeit von Maurice
Spitzer für das Druckereiwesen in lsrael
l. Soifer. Faszinierend sind die wenigen
Beispiele der totalen Photographie" von
Romano Cagnoni J. J. de Lucio Meyer;
ein umfassender historischer Uberblick mit
ausgezeichneten Illustrationen befaßt sich mit
Holzschnittmeistern des 19. Jahrhunderts
Eric de Marc. Eine Reihe von informativen
Aufsätzen, die sich vorwiegend an Fachleute
wenden, behandeln u. a. Tiefdruckvarfahran,
die Entwicklung des Rotationsdruckes oder
aber, hier für den Graphiker wichtig, Euch-
und Zeitungsgesialiung. Schon in die Zu-
kunft weisend sind die Beiträge über Video-
tape und Photosetzvarfahren.
Das Werk anthalt kurze Zusammenfassungen
der Aufsätze in französisch, deutsch, italienisch
und spanisch; und sogar der lnseratenteil ist
rast durchwegs sehenswert. Besondere Er-
wahnung verdient der Entwurf das Schutz-
umschlages David Kinderslev. der vorweg-
nimmt, was das ganze Buch auszeichnet eine
geglückte Synthese von Information, Aussage
und Gestaltung zu sein.
Knud Knudsen, Die zwölf Temperamente.
Verlag Karl Thiemig KG, München 1969,
52 Bilder. davon 14 in Farben.
Daß solche Werke wie der Fries dar zwölf
Temperamente" an der Stirnwand des großen
Sitzungssaales der ,Alten Lei zigar Lebens-
versicherungsgesellschaft a. Frankfurt
am Main gemacht werden, hängt wahrschein-
lich vom Auftraggeber ab. Immerhin miißte
dieser Geschmack den Kunden zu danken
geben. Daß man uber diesen Fries noch eine
Abhandlung von fast 100 Seiten verleßt,
wird bei den Kosten für die zwölf Tempera-
mente" auch keine Rolle mehr spielen. Auf
den Seiten 25 bis 37 werden Beispiele aus
der Kunstgeschichte gebracht. die die Be-
handlung desselben Themas zum Inhalt
haben. Wer diese mit jener zur Debatte stehen-
den Arbeit vergleicht, die auf Seite und
in Farben und spater in 12 Datailauinalimen
schwarzweiß und ebenso vielen wieder in
Farben wiedergegeben ist, wird mit dem
Rezensenten einer Meinung sein. der des fur
dieses Buch verwendete Kunstdruckoapier als
eines von guter oualitet findet.
Alois Vogel
Hans Katschthalar, Burg und Kirche von
Hötting seit ältester Zeit Schlern-
Schriften, Band 255. Univerxitätlverlag
Wagner, Innsbruck. 59 5.. Abh., Genea-
logische Tafel, Helbleinen, Schutzum-
schlag. öS 120.-
Nach einer alten Sage Soll der so originelle
Turm der alten Kirche von Hötting vor Zeiten
der Wamurm einer Burg gewesen sein, auf
deren Trümmern die Kirche und der Friedhof
entstand. Der Verfasser versucht nun an Hand
der wenigen Zeugnisse dieser Zeit, aus Lage
und Art der Baulichkeiten am Kirchbichl und
der Genealogie der dort seßhaften adeligen
Herrenvon Hetaningen Hötting den einstigen
Bestand einer solchen Burg nachzuweisen.
Die Widmung des Wartturmas zum Glocken-
turm der Kirche laitet über zu Kapitel II, in
welchem der Übergang dieser Kirche von der
altert lngenuin-Kassian-Kirche zur lngenuin-
Albuin-Kirche im 13. Jahrhundert, die Er-
bauung der gotischen Kirche und der Michaels-
Kapelle im 15. Jahrhundert, des Lofflerischen
Vorbaues im Jahre 1553 sowie an dessen
Stelle die Verlängerung des Kirchenschiffes
im Jahre 1752 und Barock urig der Kirche
behandelt wird. Weiters ist in diesem Kapitel
die Wiederherstellung des 1502 durch Blitz-
schlag schwer beschädigten Kirchiurmes,
noch in gotischer Spitzform und die Neu-
aindeckurtg des vom Brande 154i heim-
gesuchten Turmes mit barocker Kupferhaube
detailliert beschrieben. Weitere Titel dieses
Kapitals sind Planung einer neuen Kirche.
Auflassung und Erneuerung der alten Kirche
von Hütting, der Verein für Hoimatpflege und
Denkmalschutz Höiting als Initiator der
Wiederinstandsetzung der alten Kir
Friedhofes mit noch vorhandenen
mälern. Kapitel lll befaßl sich rnit der
geschlecht der Herren von Hötting
merer des Frauenklosters Chiemsee ir
die im sogenannten hohen, alten Turm
neben der alten Kirche ihren
hatten, auf dessen Grundmauern
Sieinkugel im Gemäuer das Do
Stulgasse Nr. 12 entstand. Titel diese
sind Das Propstei- und Urbaramt als
die alle Sippe der Herren von Hol
Kammerer von Hötting im Dienste
ligan Frauanklosters Chiemsee, den
meramt und Kammerhof heute Golc
in der Schneeburggasse 31. Reihen
Fröpsta und Kämmerer von H6t1ing,Vi
Stifter das ersten lngenuin-Albuin-AI
Kirche von Hötting, Wernher ll..
merer, Propst und Salzmair sowie
von Seitenaltären in Hötiing und
dessen Siegel als ältestes Wappen von
Verlegung des Hochgerichtes von der
burg zum Galgenbühel, Ulrich der ll
und sein Sohn und Nachfolger Wer
mit welchem dieses Adelsgeschlecht
Übergriffe dieser beiden Kämmerer gr
Frauenkloster in Chiemsee. Erwerb dr
gutes durch Herzog Friede! mit di
Tasche im Jahre 1417, die Besitzul
Kämmerer von Hdtting.
Kapitel lll endet mit einer Rückschal
geschichtliche Zeit und der Geneal
Herren von Hötting.
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