Detailskizze auf das späte Fresko von Strahov und nicht auf Klosterbruck zu beziehen. Die Probe aufs Exempel liefert Joseph Winter- halters Fresko im Bibliothekssaal im nieder- österreichischen Prämonstratenserkloster Geras (Abb. 14) von 1805 V3. Winterhalter hatte bekanntlich 1792 auf Wunsch des Abtes Mayer von Strahov das Fresko in Klosterbrudt ko- piert, um danach den Bibliothekssaal in Strahov grau in grau auszumalen. Der Auf- trag zerschlug sich zu Maulbertschs Gunsten, Winterhalter sollte erst zwölf Jahre später da- mit in Geras zum Zuge kommen. Programmtext und Nachzeichnung des Klosterbrudter Freskos bestätigen, daß sidn Winterhalter in Geras zu- meist an das ältere Vorbild gehalten, aber auch die jüngere Fassung von Strahov studiert hatte. Der gelehrige Maulbertsch-Nachahmer zwängt das umfangreiche Programm in die zweiteilige Kreiskomposition eines Kuppelfreskos. Im äu- ßeren, steinfarbig gemalten Ring versammelt er die Repräsentanten des Altertums und, durch bunte Farben hervorgehoben, des Alten Testa- ments. Alexander und Diogenes gehören noch zusammen wie auf dem Augsburger Bild, auch der „Levitendiener" mit dem Opfertier er- scheint wieder. Aus Salomo wurde, vielleicht infolge einer Ungenauigkeit beim Kopieren, eine Sängerin mit halb entblößtem Busen. Glaube, Hoffnung und Liebe sind auf die be- nachbarten Wandfelder verwiesen. Den inneren Ring hinter dem steinfarbigen Scheingesims nehmen die Großen der christlichen Religion ein: Paulus in Athen, Petrus, die Kirchenvater und anonyme Füllfiguren; darüber, getreu dem Text von 1778, der Genius mit dem Füllhorn, der Wille als junges Weib, Vernunft und Wol- lust, der Ruhm mit Doppeltrompete, die hande- faltende Andacht, die liliengekrönte Rein- heit als Putto, die Sanftmut als Lamm. Der Putto mit dem Füllhorn ersetzt vielleidit das „einen schweren Garben durch die Luft tra- gende Kind" des Programms von 1778, das die gesammelten Früchte der Wissenschaften anzeigen soll. Die sitzende Frauengestalt mit Schleier und Buch ist ebenfalls 1778 genannt: „Scheingründe, Wahn und Irrtum verschwin- den: welches in jener Person ausgedrücket ist, von dessen Gesicht ein Engelchen den Sd1leyer wegzieht und ein anderes das verschlossene Buch eröffnet; in welchem der Mensch bessere Tugenden kennenlernet". Die Larve unterhalb der Frauengestalt kommt ebenfalls schon in der Augsburger Skizze vor. Zur Prager Detail- skizze hingegen bestehen über die aus dem Klosterbrucker Fresko übernommenen Motive hinaus keine Beziehungen. Der Dämonen- und Titanensturz fehlt. Wenn damit ein weiterer Beleg für die Spät- datierung der Detailskizze gewonnen ist, so liegt die größere Bedeutung von Geras in der erneuten Abwandlung des Themas. Die göttli- che Weisheit und der Duldungsgeist, die beiden Leitfiguren der bisherigen Folge, sind ver- schwunden. Die Quelle des Lichtes bildet jetzt das Christuskind mit Kreuz und Palme im Strahlenkranz. Die Ecclesia der Augsburger Fassung ist zur Religion mit dem Evangelium erhöht, der Engel des Alten Testaments zum geschwisterlich sich anschmiegenden Herold des wahren Glaubens. Aus dem göttergleidien Ge- nius der Duldung aber ist ein demiitiger Engel 26 mit niedergeschlagenen Augen, Gesetzestafeln und Lamm geworden. Das Zeitalter, in dem „eine alles erschaffende Weisheit und Güte" als das Erhabenste betrachtet wurde, was dem „ordentlichen Nachdenken des Menschen auf- fallen konnte" (1778), ist vorüber. Winterhalter möchten wir auch die Detailskizze mit der Predigt des hl. Paulus zuweisen (Ab- bildung 7), die sich in Budapester Privatbesitz befindetlß. Für Maulbertsch selbst darf man sie nicht beanspruchen, wie jeder Strich der ent- sprechenden Partien in Augsburg bezeugt. Zum Erweis der Kopie genüge der Vergleich der Architektur, des Engels oder des Hierony- mus. Winterhalters unverkennbare Handschrift charakterisieren dieselben Vergröberungen, die auch seine Zeichnungen von denen seines Lehrers unterscheiden. Eine 1778 datierte und signierte „Vision des hl. Augustinus" im Mährischen Museum zu Brünn" stimmt in den ovalen Kopfformen, im Schnitt von Nasen und Augen, in der Kleinheit der Hände und in der müden Faltengebung der Gewänder eng mit der kaum später zu datierenden Budapester Detailkopie überein. Wahrscheinlich hatte sich Winterhalter dazu die Augsburger Fassung zum Vorbild genommen. Bei Maulbertschs bekannter Impro- visationsfreude ist nicht damit zu rechnen, daß die Ausführung im Fresko genau nach der Skizze erfolgt war, auch beschreibt das Pro- gramm von 1778 einen anderen Architektur- hintergrund und mehr Figuren. Daß das Augsburger Bild an den Beginn der Reihe zu setzen ist, wird durch eine scheinbar negative Eigenschaft bestätigt: Es legt nicht nur den geringsten Wert auf genaue Angabe zu Person und Sache, sondern verhält sich auch am gleiohgültigsten zur „historischen Treue". Als Kulisse für die zeitlidi weit auseinanderliegen- den Gruppen des Alten und Neuen Testaments verwendet sie ein und denselben barocken, durch nachträgliche Korrekturen sogar verein- heitlid1ten Architekturhintergrund. In der Pra- ger Gesamtskizze (Abb. 2) verzichtet die alt- testamentarische Gruppe mit Moses und Aaron auf den architektonisdien Hintergrund. Im Fresko von Strahov (Abb. 6, 8) wird sie von einer Zeltwand hinterfangen und die zuge- hörige „Historische Beschreibung" weiß, daß damit der „leicht bewegliche Tempel" vor- gestellt wird, „dessen sich die Israeliten auf ihrer Flucht in die Wüste bedienten, um ihren äußerlichen Gottesdienst nach Anordnung Got- tes zu verrichten". Der „mit Abschlaehtung des Opferthiers beschäftigte Levitendiener" (1778) ist verschwunden, ebenso die Spitzendecke und das Gesetzbuch auf dem Altar des Moses. Jetzt stehen steinerne Tafeln auf antikischem Steinsodtel, die Bundeslade ist archäologisch korrigiert, der siebenarmige Leuchter darf nicht mehr fehlen. Oben sdiwebt „ein ziemlich altes Weib" als Symbol des Alten Bundes. Das Fresko vollends mutet wie ein historisches Lehrstück an, das das Zentralthenia in mög- lichst zahlreid1en Beispielen zu veranschaulichen sucht. Den wichtigsten Unterschied zu den vor- hergehenden Fassungen bildet dic Einfügung von Figuren und Gruppen, die sich auf die aktuelle historische Situation, auf die Person des Auftraggebers, auf das Stift, auf Böhmen und Usterreidi beziehen: Der Sturz der "Neu- franken", Bildnis, Gedenkstein und Fahne mit Wappen des Abtes, die Landespatrone dius, Wenzel, Ludmilla, Johann von N1 der Ordensstifter Norbert. Auch die 2 Philosophen, Wissenschaftler und Gesi rer wurde vermehrt. Dadurch gelang Komposition gegenüber der Prager skizze in die Länge zu ziehen und di des Bibliothekssaales auf allen Seiten mäßig zu füllen. Mit 19 Klafter Lang Klafter Breite (etwa 32,3 X 15,30 m) Klosterbrucker Saal gut doppelt so l; breit. Der Saal in Strahov dagege 32 X 10 m, also mehr als das Dreifz Breite. Von den Entwürfen kommt da burger Bild mit 151 X 73,5 cm den Pr nen des Freskos in Klosterbruck am r Die Prager Gesamtskizze mit 166,8 X schließt sich in den gedrungenen Propi weder Klosterbruck noch Strahov an. man darin eine oder die Vorlage für da. von Strahov, so muß man annehmen, c Maler die Ausmaße der dortigen De nächst unbekannt waren. Eine solche rung würde auch verständlich machen, die zusätzlichen Figuren und Motive vt in die Längsseite des Freskos eingereiht wobei die thematische und komposition schlossenheit empfindliche Einbußen erli Hinter der zunehmenden Historisiert Themas steht indessen nicht nur der all Zug der Malerei jener Zeit zur Geh sondern nicht minder der Einfluß der 1 geber und ihrer Berater. Die „Historis klärung" des Klosterbrucker Freskos w dortigen Prämonstratenserpater Gregc bert Korber zugewiesen, der seit 1766 lebte und zu den Vorkämpfern der kir Reformbestrebungen in den Habsburg dern gehörteß. Das Manuskript der „ sehen Erklärung" für Strahov stammt scheinlich von dem dortigen Prämonstr pater Gottfried Johann Dlabacz, dem teur des 1815 erschienenen „Allgemci storischen Künstler-Lexikons für Böhms Autor der Drudtausgabe von 1797 kon Strahover Prior Dr. Gilbert Luschka e werden. Der lebhafte Sdiriftwechs Mihaly Balasovits, Sekretär des Karoly Esterhäzy, aus den Jahren 1] 1783 über die Ausmalung der Kirche i enthüllt den Umfang der Abhängigk Künstlers von seinen Auftraggebern. wieder muß Maulbertsch die Skizzen k ren. Am 24. Juli 1782 versichert er dem tlir „ich Habe nach aller meglichkeit de Vorschriften gefolget, auch das Daugli der Remischen Zeichnung bei behalti heilligkeit, die stille ordnung, das Ken der Kleidung, Und Wirdtsame bedeittt Historie..."". Durch den Brief des l Johannes Szily in Steinamanger vom 17 ber 1791 mußte er sich sogar belehren daß „zu Zeiten des Pauli noch kein Pa; lich war"". Von solchem Nachhilfeun läßt die Augsburger Skizze noch nidits nen. Es gibt im Gegenteil sogar Anzeicl für, daß Maulbertsch selbst das Aug Programm einfacher und allgemeiner pretiert hatte, als es die gedruckte Erl von 1778 annehmen läßt. Der Wandel im Kompositionsstil wi klarsten siditbar im Verhältnis der G