Vogel
TER BEHRENS-
MALER UND GRAPHIKER
SCHEN DEN SCHULEN
Es begann mit einem Protest eigener Art, mit
Zeichnungen, die im Kriegslazarett entstanden
sind. Sie erregten die Aufmerksamkeit der Her-
ausgeber des „Plan" - iener Zeitschrift, in der
alles, was später bestand, das erstemal nach
dem Krieg aufschien 7 und einiger Verleger, die
Walter Behrens zu Illustrationen für Neuauflagen
heranzogen.
Der l9l'l auf Las Palmas, einer der Kanarischen
Inseln, als Sohn des deutschen Konsuls geborene,
später auf der Hanseatischen Kunstschule in Hum-
burg ausgebildete Maler sah von allem Anfang
sehr skeptisch in diese Welt. Artur Schopenhauer
und Friedrich Nietzsche waren die Leitsterne seiner
Jugend. Den Krieg erkannte er von Beginn an als
Geißel Gottes, als demiurgisches Scheusal, das
einen dementsprechenden Rattenschwanz von Übeln
im Gefolge hat. Auf den vielen kleinen Blättern
seines „Kriegstagebuches", das etwa l944 entstan-
den ist, legte Behrens dieses Bekenntnis mit dem
Zeichenstift nieder.
Schon diese Graphiken zeigen sehr deutlich den
von Makabrem gekennzeichneten Grundton im
Schaffen dieses Künstlers. In düsterer Atmosphäre
wandeln da aft greuliche Fabelwesen durch eine
abstruse Welt. Stilistisch nahe an Kubin gerückt,
übersetzt Behrens alles in die Wirklichkeit der
Surrealisten.
Behrens zeichnete schon 1943, also noch mitten im
Krieg, Kapffüßler, Kobolde, allraunartige Stelzen-
gänger, die Dutzende Menschen mit ihren Stöcken
aufspießen, Ähnliche Ungeheuer, die natürlich ihre
Zeitbezogenheit haben, finden wir bei Behrens im-
mer wieder bis zum heutigen Tag.
Es ist daher wohl nicht zu verwundern, daß dieser
Künstler in Wien, wohin er, auf Grund einer
schweren Kriegsverletzung, 1944 entlassen wurde
I Walter
23 x 33 cm
Behrens, Zirkus, 1947. Kreide und Bleistift,
und wo er seine Frau kennengelernt hatte, bald
nach Kriegsende entsprechenden künstlerischen An-
schluß fand. Im Wiener Art Club traf er Gleich-
gesinnte. Es waren die Jahre, in denen die heute
bekannten Meister der Wiener Phantasien noch in
ihren künstlerischen Kinderschuhen liefen. Der um
gute zehn Jahre Ältere beeindruckte damals mit
seinem l947 gemalten Bild „Das menschliche Sein".
Ein krugförmiges Gefäß, dessen unterer, ausge-
bauchter Teil durchsichtig ist, geht oben in ein
gerippeartiges Gebilde über. Ein langer Stab, der in
einem Sonnensymbol endet, steckt schräg in diesem
mit dem Halsansatz endenden Körper. Links hängt
ein Oberarmknachen weg. Rechts bilden Ober- und
Unterarmknochen einen Henkel. An dem Stab flat-
tert eine weiße Fahne. lm lnneren des Leibes sieht
man Käfer krabbeln, und im flüssigen Bodensatz
winden sich verschiedene niedere Lebewesen. Ein
Fenster spiegelt sich in der glasigen Kugelwand.
Ein dürftiger Schatten, von diesem etwas aus der
Mitte gerückten Körper geworfen, fallt in einen
ungewissen Raum.
Hier sind echte surreale Bezüge. Mit kargen Mit-
teln wurde möglichst viel ausgesagt. Von der Hohl-
heit, von der Durchsichtigkeit, vom trüben Boden-
satz, von der Verstümmelung des Körperlichen,
von der Kapflosigkeit, von der schwachen Wirkung
des menschlichen Seins wird mit diesen wenigen
Gegenständen gesprochen. Einsam steht dieses Ge-
fäß tder Krug ist schon ein archetypisches Leib-
symbol!) in einem Raum, von dem man nichts
Sicheres weiß. Die Fahne der Hoffnungslosigkeit
und Ergebung ist gehißt.
Es ist sonderbar, daß Behrens Graphik in dieser
Zeit oft von ienen beängstigenden makabren For-
men abläßt und ähnlich wie Dufy mit wenigen
Strichen die Situation festzuhalten bestrebt ist. Ein
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