wurde am 23. Mai, nach zehn Tagen Fahrt,
entladen. Roentgen traf kurz danach ein.
Am 28. Mai schreibt Karl von Lothringen in sein
Buch: „Vu la läre piece de mat tapisserie de
bois pose". („Das erste Stück meiner Tapisserie
aus Holz angebracht gesehen") Später, am
1. Juni: „Vu ma Chambre d'Odience finis".
(„Mein Audienzzimmer vollendet gesehen") Am
darauffolgenden Tag erhält Roentgen die ver-
einbarten 1000 Louisdor für die Panneaus des
Audienzsaales".
Ein anderer Transport, diesmal weniger außer-
gewöhnlich, war noch unterwegs. Er hatte Neu-
wied am 20. Mai verlassen und enthielt sechs
Kisten kostbarer Möbel, die an den Statthalter
adressiert waren. In Wirklichkeit waren sie für
Leute seines Kreises bestimmt, die gewöhnlich
so die Zölle umgingen. In drei Kisten befanden
sich: ein Schrank, ein Zylinderbureau (Schreib-
tisch mit Rollverschluß) uncl ein kleiner Schreib-
tisch für den General Comte de Ferraris; ein
Schreibtisch war für den Präsidenten de Wavrans
bestimmt; ein Schreibschrank für den Prince de
Gavre". Außerdem waren nach drei Klapp-
sessel auf dem Wagen, die Roentgen persönlich
Karl von Lothringen übergeben wollte".
In Anbetracht des Wohlwollens, das Karl von
Lothringen ihm entgegenbrachte, bat Roentgen
ohne Zögern um den Titel „Artiste-ebeniste et
machiniste du prince". Zudem versuchte er, eine
Art Instandhaltungsvertrag für die bereits gelie-
ferten Möbel abzuschließen, denn er hatte fest-
stellen müssen, daß die Mechanismen nicht mehr
intakt waren. Der Titel wurde ihm gewährt, ob-
wohl es scheint, daß er nie diesbezügliche Ur-
kunden erhielt. Was die Instandhaltung der
Möbel betrifft, erklärte Karl von Lothringen, daß
er es Roentgen wissen lassen werde, falls er seine
Dienste benötige".
Eine letzte Lieferung Roentgens nach Brüssel
finden wir im Oktober (1779?) Es handelt sich
um eine Bestellung des Prince de Gavre, einen
Teil seines Schreibschrankes zu ergänzen und an
den alten anzupassen".
In der folgenden Zeit begegneten wir Roentgen
in Brüssel nicht mehr. Wahrscheinlich verlor er
durch das Ableben Karls von Lothringen im
Sommer des nächsten Jahres (4. Juli 1780) seinen
besten Kunden in Brüssel und konzentrierte sich
nunmehr ganz auf den Pariser Markt.
Da wir unsere Untersuchungen nur bis zum
Jahre 1780 führten, wissen wir nicht, ob Roent-
gen unter der Herrschaft der Erzherzogin Marie-
Christine und ihrem Gemahl, dem Herzog von
Sachsen-Teschen, weiter nach Brüssel kam.
Diese chronologische Übersicht der Tätigkeit
Roentgens zeigt also, daß er sich einen Kunden-
kreis unter den einflußreichen Persönlichkeiten
des Brüsseler Hofes geschaffen hatte.
Joseph de Crumpipen (1737-1809), dessen Ge-
mahlin einen Toilettetisch bestellte, war Kanzler
von Brabant; man erinnert sich an seine Un-
beliebtheit anläßlich der Reformen Josefs ll.
Louis Francois de Wavrans (1715-1785), dem
Roentgen einen Aktenständer und einen Schreib-
tisch lieferte, war Präsident der „Chambre des
Camptes" und ein liebenswürdiger Junggeselle.
Der Prince de Gavre, welcher im Mai 1779
einen Sekretär erhielt, der wenig später ergänzt
wurde, war „Grand Marechal de la Cour".
General Comte de Ferraris (1726-1814), dessen
Bestellungen am bedeutendsten waren (ein klei-
ner Schrank, ein weiterer Schrank, ein Zylinder-
bureau und ein kleiner Schreibtisch) war „Di-
recteur general de l'ArtiIlerie" der Niederlande
und hatte gerade die berühmte Landkarte der
österreichischen Niederlande vollendet; er war
außerdem ein intimer Freund Karls von Loth-
ringen.
Hinzuzufügen ist noch der Name des „Duc
d'Arenberg", der anläßlich eines Besuches von
Roentgens Geschäft im Jahre 1779 in Köln sechs
Sessel bestellte". Bisher konnten wir den Stand-
ort der Möbel, die an diese verschiedenen Per-
sonen geliefert wurden, nicht feststellen.
Wir sehen weiters, daß Karl von Lothringen
zwischen 1775 und 1779 etwa ein Dutzend Ge-
genstände von Roentgen kaufte:
zwei Sekretäre und einen Schreibtisch, für 900
Gulden, im Mai 1775; eine Kassette, für 104 Gul-
den, im November 1775; eine ziemlich
Uhr, für 2225 Gulden, vor August 1776, als
Roentgen zurückgab; einen Kunstschran
Spieluhr, für etwa 8200 Gulden, 23. August
ein kleiner Tisch für ungefähr 400 G
September 1777; zwei intarsierte Panneai
13.650 Gulden, 1778-1779; zwei in Holz
legte Porträts; zwei Kassetten mit Fede:
drei Klappsessel, Ende Mai 1779.
Bekanntlich befinden sich ein Paar Spiel
der Kunstschrank mit Spieluhr und die intar:
Tafeln des Audienzsaales in Wien, im
reichischen Museum für angewandte Kun:
anderen Möbel sind schwer unter den z.
chen Stücken zu identifizieren, welche i
beim Tad des Prinzen aufgestellten lnv
listen angeführt sind. Dabei wurden die P
der Hersteller im allgemeinen nicht ein
Unter den Rechnungen des Hauses Kai
Lothringen, die schon zu Lebzeiten des P
in Unordnung waren, fanden wir erst zw-
Roentgen.
Bevor wir die im Wiener Museum befinc
Möbel behandeln,.beschäftigen wir uns t
mit dem Brüsseler Palais, wo diese Möbe
rend des I8. Jahrhunderts aufgestellt i
denn die Geschichte dieses Bauwerkes ist b
Das an der Stelle der heutigen „Bibliot
Royale" gelegene Palais des Hauses Or
Nassau wurde von Karl von Lothringen g
und fast vollständig wiederaufgebaut. E:
dert sich in einen halbkreisförmig eingezc
Eingangstrakt, der an die alte Zufahrt de
burg in Wien erinnerte, und vier um
rechteckigen Hof gebaute Flügel.
Im ersten Stock waren die Räume des St
ters und seiner Schwester Charlotte. t
Ende seines Lebens ließ Karl von Lothi
ein leidenschaftlicher Bauherr, die gesam
koration der Empfangsräume, die zu
privaten Gemächern führten, erneuern; da
den rechten östlichen Flügel und den hi
Teil des Palais. Nach seinem Tod und vor
seit der französischen Besatzung wurd
Palais den verschiedensten Zwecken zug