und Altenburg, wie auch den nicht allzu weit entfernt liegenden Städten Mainz" und Berlin zu berichten, die nun sämtliche, dem Glauben der Zeit entsprechend, als Prodigien des Todes Maximilians gedeutet wurden". Das Auftreten merkwürdiger Himmelsersdweinungen aber ge- hörte in den Rahmen der aktuellen Berichter- stattung", derartige Sensationsmeldungen wur- den während des 16. Jahrhunderts immer mehr bevorzugte Themen „Neuer Zeitungen", so daß ihnen, wie das Titelblatt seiner Schrift beweist, Herzheimer auch primäre Bedeutung beimaß: „Hie Inne Kay. Mt. loblicher gedechtnus ableyben zu Wells, anno 1519. Darnach ettliche seltzame gesichte, weliche ains tachs vor vnd nach seinem sterben sein gesehenn wordenn . . ." Wenn es nun aber unwahrscheinlich ist, daß außer den Haloerscheinungen realistisch faß- bare Naturereignisse stattfanden, stellt sich die Frage, welcher Ordnung oder Vorstellung die übrigen Bilder entnommen worden waren. Wie bereits erwähnt, hatte Herzheimer an der Wie- ner Universität Philosophie studiert, wurde als gebildeter Mann geschützt und hatte wohl per- sönliche Beziehung zu humanistischem Gedan- kengut Von alters her brachte das gewöhnliche Volk ebenso wie die gelehrte Welt das Auftreten eines Kometen mit dem Tod eines Monarchen in Verbindung. Schon bei Plinius heißt es: „Mei- stenteils ist der Komet ein schreckenerregendes und nicht leicht zu versöhnendes Gestirn . . . Nur an einem einzigen Orte auf der Erde, nämlich zu Rom, wird ein Komet in einem Tempel ver- ehrt, weil ihn der göttliche Augustus als ein günstiges Zeichen ansah. Dieser erschien... kurz nach dem Tode seines Vaters Cäsar... Er entstand um die elfte Tagesstunde, war klar und in allen Ländern sichtbar. Das Volk glaubte, er bedeute die Aufnahme der Seele Cäsars un- ter die unsterblichen Götter . 1'". Auch Sueton und Ovid" sahen in dem 44 v. Chr. aufgetretenen Kometendie Seele Cäsars. Cassius" weiß zu berichten, daß gelegentlich des Todes von Kaiser Vespasion ein großer Komet lange Zeit sichtbar war. Da erst Tycho de Brahe die Kometen als Himmelskörper erkannt hat, wer- den gerade zu Beginn des 16. Jahrhunderts oft- mals Kometen und Meteore gleichgesetzt. Es ist daher anzunehmen, daß Herzheimer mit der Erscheinung über Weimar und Mainz einen Meteor bezeichnet, dessen Fall er über Berlin beschreibt. Diesen Meteor setzt er einem Kome- ten gleich, der, dem Denken der römischen Antike und von da her dem des Humanismus entspre- chend, unmittelbar mit Maximilians Tod verbun- den ist. Da in keiner der Prodigienschriften des 16. Jahr- hunderts" dieser Meteor oder Komet nachweis- bar ist, muß es sich wohl um eine freie Erfindung oder besser eine gelehrte Projektion des Hans Herzheimer handeln. Über Weimar läßt Herz- heimer den Kometen fünf verschiedene Gestalten annehmen (vgl. Abb. 1): erstens die eines Ster- nes, der nach der für das Denken des Humanis- mus so bedeutungsvollen Schrift des Horopoll die Seele eines Menschen „doch eins manns""' (Abb. 4) bedeutet. In Pirckheimers im Auftrag Kaiser Maximilians hergestellter lateinischer Horapollübersetzung (Abb. 3) bedeutet der Stern das Schicksal (fatum vero, quoniam illud ex stellarum disposiciane procedat) oder die Zahl fünf, die die Herrschaft der Welt ordnet (Nu- merum vero quinque, quoniam, cum plures in cela stelle appareant, salum quinque ex eis moveantes, que et mundi gubernatianem dis- ponunt)". Somit bedeutet die Weimarer Er- scheinung wohl zunächst die Seele des Monar- chen, ihre fünf Verwandlungen das Sdticksal, 20 dem der Monarch als Ordnungsmacht des Rei- ches, als Lenker des irdischen Weltgeschehens obliegt. Die Erscheinung ist einbezogen in die Bahn des Meteors oder Kometen, die von Mainz bis Berlin beobachtet wird und den Tod des Kaisers anzeigt. Unmittelbar aus der Pirckheimerschen Harapoll- Übersetzung erscheint das über Altenburg be- obachtete Zeichen (Abb. 9-10) bezogen zu sein, das mit dem Hieroglyph „Quomodo vocem a lange" (Abb. 11) völlig übereinstimmt". Der Hieroglyph bedeutet die Stimme, die von weit her kommt, ohne daß man weiß woher, einen Donner, der so schrecklich und furchterregend anzuhören ist, wie es nichts grausomeres zu hä- ren gibt. Ein geheimnisvolles und unheilverkün- dendes Zeichen. Herzheimer projiziert die bild- liche Darstellung des Hieroglyphen als optische Erscheinung auf den Himmel und läßt seine Bedeutung, den unheimlichen Donner, erst als Lärm einer Feldtrommel, die aber von nieman- dem geschlagen wird, später als „herten shnaltz", an dem die die Erscheinung Beabachtenden „ganntz venagt sein"", vernehmen (vgl. auch Abb. 12). Da diese Ersdweinung erst zu „Laetare", also einige Wochen nach dem Tod des Kaisers, beobachtet wird, gibt sie wohl die Angst und "Unsicherheit des Reiches, das van seinem Herr- scher verlassen worden ist und dunklen Zeiten entgegensieht, wieder. Aus alle dem ergibt sich, daß die für Herzhei- mer zur Darstellung der Himmelszeichen maß- geblichen Kräfte mehreren Quellen entspringen. Eine von ihm selbst beobachtete realistisch faß- bare Noturerscheinung, die möglicherweise auch andernorts gesehen worden war, wird auf Grund der Kenntnis der lateinischen Literatur der An- tike und des Humanismus vielfältig projiziert. Gelehrtes Wissen wird zu konkret Geschautem umgeformt und als Sensationsmeldung wieder- gegeben. Die Natur wird in Verbindung mit dem Schicksal des Menschen gebracht, vor allem mit dem des als Lenker des irdischen Weltge- schehens angesehenen Monarchen". C1 Unser Autor: Dr. Hanna Dornik-Eger Assistent an der Bibliothek und Kunstblättersammlung des Österreichischen Museums für angewandte Kunst A-1010 Wien, Stubenring 5 Anmerkungen 9-34 (Anm. 9-23, siehe Text S. 'Vgl. die Edition von Herzheimers a. a. O., fol. 22tr-227v. " H. Dornik-Eger: Albrecht Dürer... a. a. 0., s. weiterer Untersudiung des Themas stellte sich anfän liche Meinung, die dargestellten Himmel: wurzeTten tief im Aberglauben der Zeit, als irrig "Neue Zeitung, a. a. O., fal. 22Br, „im 19. jar Sdireibfehler. Gemeint ist der 30. Nov. 1518. " Ebenda, folg. 228V, erstes Bilddien. 1' Ebenda, fol. 228v, ;weites Bildchen. " Ebenda, fol. 228V, drittes Bildchen. " Ebenda, fal. 229r-23lr. "W. Haß: Himmels- und Naturersdweinungen in i drucken des 15.-18. Jahrhunderts, Leipzig 1911, "Wertvolle Hinweise Über die meteorologisch unc nomisch möglichen Erklärungen der dar estellte molserscheinungen verdanke ich Herrn r. Brur her, Leiter der graphischen Sammlung an der bibliothek Zürich. 1' Salpuech und Conpartata, a. a. O., fal. 258v ff. " Ebenda, fal. 265r. f" Ebenda, Neue Zeitung, a. a. O., fal. 225r. 7' Wertvolle Hinweise über Haloerscheinungen v: ich Herrn Dr. Martin Kranrumpf, Präsident des l Souveränen Komitee Fridtiof-Nansen-Ring. " B. Weber: Wunderzeichen und Winkeldrucker 15- Einblattdrucke aus der Sammlung Wikiana in d tralbibliothek Zürich. Dietikon-Züridt 1972, T S. 106 und S. 107, sowie Tafel 16, S. 118 und S. 119 7' F. Archenhold: Kometen, Weltuntergangsprophez und der Halleysche Komet. Berlin 1910, bes. S. Kometenfurdit und Aberglaube. Sowie: R. Schenda: Die deutschen Prodigiensamr des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Archiv für Ge des Buchwesens, Bd. lV, Frankfurt am Maii S. 638-710. 7' Der Churfürst von Mainz weilte, ohne Kennt! Maximilians Tod, im Jännar 1519 am sächsisdu Am 20. Jänner reiste er weiter nach Eulenburg Moldau, wohin sich unmittelbar nach Erhalt der nachricht, am 24. Jänner, Churfürst Friedrich der und Hans Herzheimer begaben, um dem Maim bischaf die Botschaft zu bringen. Vgl. Salpue Con ortata, a. a. O., fal. 267r-269r. "J. anssen: Geschidrtte des deutschen Volkes, Freiburg im Breisgau 1888, S. 421. Alle ungewöhnlichen Naturerscheinungen wurden sondere, Unglück verkündende Wunderzeichen be Janssen erwähnt eine Nachricht des Darmstädter intendenten Heinrich Leuchter von 1613, in heißt: Als man im Jahre 1525 einen nächtlichen bogen (wahrscheinlich Haloerscheinungen vor den erblickt habe, sei sofort der Tod des Herzogs f von Sachsen erfolgt. - Eine merkwürdige und am werte Parallele zu der Haloerscheinung am 1 Maximilians Tod. Vgl. dazu auch E. Zinner: l schidite der Sternkunde, Berlin 1731, S. 377: Kome Finsternisse wurden als Anzeidien künftigen Unltl ein Land oder als Vorboten des Todes eines Kär esehen. Sa hatte audi Georg Tannstetter I'll annenfinsternis in den Morgenstunden des 1515 das Horoskop des Kaisers genau untersucht t nahen Tod Maximilians vorhergesagt. Dazu: Tannstetter, Judicium Astronomicum Viennense. Nr. 215; 348. E. Weiß: A. Dürers geagra astronomische und astrolo isdie Tafeln. In: Jb. Slgon, Bd. Vll, Wien 1838, . 207-220. 1' G. Hellmann: DiejMetearalagie in den dt. Flug und Flugblättern des 16. Jahrhunderts (Abhan der preuß. Akademie der Wiss., Jg. 21, phy Klasse, Nr. 1]. " C. Plinii Liber secundus de mundi histori cammentariis Jacobi Milicfiii. Frankfurt 1552, S Cap. XXV: De Cametis et Caelestibus prodigiis et situ et generibus eorum. 1' Sueton, Div. Jul B3, Ovid, Metarnarph. 15, 744 ff. Cossius Dio I. 1. Wunderzeichen. Warhafftige beschreybung und lich verzeichnuß schräcklicher Wunderzeichen v schichten die von dem Jar an MDXVII biß auff Jar MDLVI geschehen vnd ergangen sindt nr Jahrzal. Durch Jabum Fincalium, Nürnberg MDLV Prodigiorum ac Ostentorvm Chronicon. Quae crdinem, motum et operationem conscript Conradum Lcasthenem. Basileae 1557. Deutsch: setzung durc Johann Herold: Wunderwerck. Bat Weder bei Fincel nach L casthenes noch i der Pr sammlung Hellmanns t eteorologie, a 0., s wird ein Himmalserei nis in der Zeit van 1518- wähnt. In allen drei grodigiensammlungen sind vorn 3.-7. Jänner 1520 über Wien beobachte scheinungen ausführlich beschrieben und werden Kaiserkrönun und Regierung Karls V. in Ver gebracht. Vg. dazu auch H. Koegler: Das M6 vor Papst Hadrian und das Wiener Pragnostika wiedargefundene Flugblätter aus der Presse des lius Gengenbach in Basel. In: Zeitschr. f. freunde, Jg. Xl, 1907108, Heft 10, S. 411-416. "Bildschrift oder Entworffene Wharzeidien di uhralten Aegyptier in ihrem Götzendienst Rhat zwei bücher durch etwa harurn ein heylig ge Priester und kunig in Aegypten vor dreytausent jaren verfaBt un besdiriben. In: Heydenweldt H. Petri, 1554. " Copie eines Teiles der von Pirckheimer in das La übersetzten und von Dürer illustrierten Hiero des Horapollon. Cod. 3255 Bibl. Pal. Hg. Giehlow: Die Hieroglyphenkunde des Humani der Allegorie der Renaissance, in. Jh. d. kh Bd. 32, Wien 1915, S. 132 f. und S. 191. "t Neue Zeitung, a. a. O., fol. 230m Eine ähnliche Form der Mischung von einerm selbst beobachteten Naturerscheinung - möglic der auch von Herzheimer erwähnten Haloersdiein über Linz und Wels gesehen worden war humanistischer Bildung prägt Philipp Gundels l bung der Trauer der Gestirne. Philipp Gundet Vertreter der Wiener Universität die Leichenrede Trauerfeier für Kaiser Maximilian im Stephan: Vgl. H. Dornik-Eger, Albrecht Dürer . .. c Neuer c 13 Gedenkstein des Hans Herzheimer, Trr jSltjöäkndreas-Kirche. Ausschnitt. Roter N