Kunstmarkt
Ein Wiener Spaziergänger auf Madison
i Die New Yorker Madison Avenue und die 57. Straße
AG, R Avenue und La Cienega Boulevard
wirkten in den fünfziger und frühen sechziger
Jahren fast europäisch durch die Geschäfte
zahlreicher eingewanderter Kunsthändler aus Mittel-
' ' " europa. Wie andere Völker darf sich auch Österreich
Antlqu ltaten rühmen, daß New York die zweitgrößte Stadt der
Nation ist, wenn man diese große - meist
Ku n 5th a n d el ungewollt dort eingewanderte - altösterreichisctie
Kolonie so interpretieren mödite.
ln den letzten Jahren hat sich dieses Bild durch
den natürlichen Abgang vieler dieser in Mittel-
europa geborenen und dort tief verwurzelten
Existenzen allerdings etwas gewandelt. Die
Madison, eine der d-iarmantesten Geschäftsstraßen
Wl E N der Welt, ist amerikanischer geworden. Dies
keineswegs zu ihrem Nachteil. Ein modernes
1 _, Singerstraße 20 Museum und zahlreiche neue Galerien moderner
Kunst machen sie zur Hauptstraße der Kunst
Telefon und Amerikas. Doch ein verwehtes Flair ist zurück-
geblieben. Eine Synthese von Weltkultur liegt über
dieser langen Reihe von Geschäften, kleinen
Restaurants und Galerien. Der Reisende aus
Mitteleuropa ist immer wieder berührt, wenn er auf
die Spuren ältester Wiener Kunsthandelsfamilien
trifft.
Wie ein imaginäres, leicht verstaubtes Gesdiäft in
einer Gasse der Wiener Innenstadt wirkt ein
Laden, der den ehrwürdigen Namen des einst
wohlrenammierten Wiener Kunstauktionshauses
[Ü P E m G A. m E E} H E Glückselig führt (Madison Nr. B70). In einer
spitzweghaften Atmosphäre stehen Altwiener
Porzellane und Miniaturen, deutsche Bilder und
IM H O F- l N G H O F Zeichnungen, oft nur Fragmente, in gemütlichem
Durcheinander. Der Inhaber, Herr F. Glückselig,
wird dem Besucher gleich seine Gedichte vorlesen,
die er unter dem Pseudonym „Bergamo" schreibt.
Geschäfte interessieren ihn weniger, wovon er lebt,
Erlesene bleibt unklar. Ein Entrückter, wirklich „glückseliger"
Ra u m ku nst Hundert Meter weiter „uptown" zum großen
Auktionshaus Parke-Bernet hin, hält der Schritt
wieder vor einem größeren Geschäft mit zahl-
reichen Obiekten aus Mitteleuropa, meist Kunst-
gewerbe. Es heißt Collectors Corner und wird
von den Brüdern Maximilian und Ernst Löwy aus
Wien geführt (Madison 958).
Wer ausdauernd den Markt erkundet, findet diese
Händler aus Wien, Prag oder Frankfurt auch in
W] E N anderen Straßenzügen Manhattans, vor allem auf
der 57. Straße. Dort hat der bedeutendste Vertreter
__ _ dieser Generation, Leopold Blumka, in einer Etage
1 ß- Fuhrlchgasse Telefon seine international bekannte Galerie. Mit Stolz und
Dlgüßsgmäfäfgh Liebe zeigt er ein altes Fato der väterlichen Wiener
Kunsthandlung am Lugedr. Er vertritt mit
Konsequenz und großem Erfolg die alte Wiener
Sammlertradition der Generation Baron Figdors.
Eine mit großer Energie und Erfahrung stets neu
erkämpfte Leistung, die - fern von der weiter-
fließenden lokalen Wiener Entwicklung -
. . wie ein Kraftakt anmutet.
Mag es in New Yorks Atmosphäre - inmitten einer
großen Zahl von Landsleuten - nach irgendwie
möglich sein, diese historische Kultur des alten
Kunsthandels weiterzuführen, so berühren diese
M A R R A S C H W E R E R Versuche der Beharrung in anderen amerikanischen
Großstädten in ihrer Isolierung noch viel stärker.
In der endlosen Linie der breiten La Cienega Road
in Los Angeles, der sonnigen Kunststraße
M aierel Kaliforniens, steht das urmünctinerische
Antiquitötengeschäft Walter Lömmles (735 N. La
des 19 ' u nd 2 Cienega). Es ist klar, daß mit einer solchen Note
Ja hrh under-ts dort nur wenig umgesetzt werden kann und daß für
ein solches Milieu kaum Obiekte nadizuschaffen
sind. Dennoch gibt es nicht einen Gegenstand, der
nicht in einem anständigen Alt-Münchener Laden
der dreißiger Jahre hätte stehen können. Im
Privathaus des Besitzers beherrscht das große
Wl E N Porträt Vater Lämmles den Wohnraum. Es zeigt den
einst hoch eschätzten Münchener in schwarzem
1.. Opernring 17, Telefon Habit, mitgweißem Bart, in der Rechten stolz
seinen größten Schal": weisend: eine Bronzestatuette
des Pankraz Lobenwolf um 1520. (In schweren Zeiten
hatte sie die Familie verloren, bis ein Münchener
Museumsmann nach dem Kriege sich vor dem
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