Noch immer ist die Geschichte der zentral- europäischen Malerei auf weite Strecken in Dunkel gehüllt. Nur wenige Gipfel - wie Maul- bertsch, Troger, der Kremser Schmidt - ragen klarer daraus hervor. Zahlreiche Werke irren ungedeutet oder unter falscher italienischer Flagge in den Sammlungen der Welt umher. Eines dieser ungeschriebenen Kapitel ist die Schlachtenmalerei. Man begnügt sich, das vor- handene Material einigen wenigen Spezialisten dieses Metiers, wie Bourguignon, Rugendas oder Querfurt, zuzuweisen. Eine Sichtung des Ma- terials und intensive morphologische Studien könnten zeigen, daß sich auch andere Barock- maler, die nur als Freskanten oder als Altar- blattmaler erforscht sind, fallweise in diesem Metier betätigt haben. Im Katalog der Ausstellung „Deutsches Barock und Rokoko", welche 1914 in einer Periode des ersten kraftvollen Forschungsinteresses an der Barockkunst in Darmstadt stattfand, finden wir drei Pondurenszenen eines „unbekannten Ti- roler Meisters". Sie sind heute verschollen und wir können sie nur sehr mangelhaft aus den alten Abbildungen reproduzieren (Abb. 1-3). In dramatischem Helldunkel zeigen uns diese klei- nen Bilder die Schrecken des österreichischen Erbfalgekrieges (1740-1742), das Wüten der un- garischen Panduren des Obersten Trenk in Bay- ern und Oberösterreich, wo sie als Hilfsvölker Maria Theresias bedrohtes Reich gegen den Zugriff der Franzosen und Bayern retten halfen. Georg Biermann schreibt in der Einführung des Darmstädter Kataloges ausführlich über jenen „merkwürdigen Unbekannten, dessen Panduren- kömpfe mit die Überraschung der Ausstellung gewesen sind". „Man darf annehmen, daß der anonyme Künstler unserer Bilder ein Tiroler Mei- ster gewesen ist, der die hier geschilderten Szenen unmittelbar erlebt hat. Denn die Stücke atmen mit ihren seltsam roten und hellblauen Tönen mit den dunklen Halbschatten, die ge- spenstisch varüberhuschen, so ungeschwächt das Grauen des Augenblicks, sind so voll der inner- sten Erregung und fast spukhafter Schrecknisse, daß sie ihresgleichen in der gesamten Geschich- te der Malerei nicht haben. Am ehesten könnte man sie zu Goya in Beziehung bringen, der ein halbes Jahrhundert später die Schrecken der Revolutionskömpfe ähnlich temperamentvoll mit einer vielleicht gleich eindringlichen Geste ge- schildert hot...J." Wir bewundern heute beim Lesen dieser Worte die Wertfreiheit und den lebensvollen Impuls der Forschungsgeneration von 1914, die sich - im Gegensatz zur erstar- renden Wissenschaftlichkeit der Kunstgeschichte unserer Tage - nicht scheute, dem Unbekannten derartige höchste Vergleiche zu widmen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde der un- bekannte Maler dieser Szenen gerne als „der Pandurenmeister" bezeichnet. Wegen seiner sti- listischen und technischen Ähnlichkeit wurde er auch mit dem iungen Franz Anton Maulbertsch in Verbindung gebracht, der als Hauptvertreter einer Richtung gilt, die der Welt des Rationalis- 16