Dorotheum
KUNSTABTEILUNG WIEN l., DOROTHEERGASSE 11,
Tel. 52 3129
598. Kunstauktion
28., 29., 30. November und l. Dezember 1972
Gemälde alter und moderner Meister, Graphik,
Skulpturen und Holzarbeiten, antikes Mobiliar,
Antiquitäten. Asiatika, Waffen
Besichtigung: 23., 24., 2 5., 26. u. 27. November 1972
Für den Kunstsammler
Tendenzen: Die Preisentwicklung bei
österreichischen Fayencen und
Hafnerkeramiken
Während nach dem Kriege, bedingt durch
Vermögensumschichtungen und Generationswechsel,
österreichische Hafnerkunst und Keramik lange Zeit
nur geringes lokales Interesse gefunden hat und zu
niedrigen Preisen verkauft wurde, ist in diesen
Bereichen in den letzten Jahren ein starker Wandel
eingetreten.
Eine neue Schicht von Sammlern hat sich gebildet.
Es ist das Verdienst von Kunsthöndlern und
lokalen Museen, in einer neuen Schicht von
Besitzenden - vielfach Kreisen regionaler Klein-
industrie und Gewerbetreibender - die Liebe zur
österreichischen Keramik neu geweckt zu haben.
Zuerst traf die Welle der Aktualität vor allem die
Produkte der größten Erzeugungsstötte, der
Keramiken Gmundens. Die Preise einfachster Krüge
der blauen oder grünen Familie Gmundens
beginnen heute bei etwa 3000 Schilling und können
bei besonders gut staffierten Exemplaren
multipliziert werden. Das untere Limit bei
Gmundner Wöchnerinnenschüsseln liegt bei etwa
5000 Schilling. Die sehr seltenen Schraubfiaschen
liegen wesentlich höher. Noch teurer, weil viel
seltener, sind die Erzeugnisse der Salzburger
Manufakturen. Krüge der Werkstatt Obermillner
mit ihren leuchtend blauen Wellenbündern beginnen
mit 8000 bis 10.000 Schilling. Schraubflaschen dieser
Gruppe sind sehr rar und ohne genaues Limit. Fein
gemalte Arbeiten der Werkstatt Moser-Pisotti aus
der Salzburger Riedenburg sind seltener und
teurer als die vergleichsweise derbere Gmundner
Produktion, liegen iedoch unter den Kursen der
Obermillner-Produkte.
Die Kurse für niederösterreichische Erzeugnisse
liegen wesentlich unter den Gmundner Preisen. Die
Arbeiten der Habaner sind auf Grund ihrer
Bedeutung für die Entwicklung der keramischen
Künste, ihres sdiönen Dekors und ihrer häufigen
frühen Datierungen heute sehr teuer geworden und
entsprechen den Preisen der Salzburger Obermillner-
Werkstatt. Verwandte, aber spätere slowakische
oder möhrische Erzeugnisse liegen bei höchstens
50 Prozent der für Gmunden bezahlten Kurse.
Bei all diesen Bewertungen sind die Sdiönheit
der Farm, der Geschmack und die Qualität der
farbigen Staffierung ausschlaggebend und kann bei
Sonderstücken um mehrere hundert Prozent höher
liegen.
Neben dem Sammeln der Manufakturware, die
durch ständige Verleiche leichter erlernbar ist und
deren Preisbildung laufend durch sichtbare Erlöse
belegbar ist, hat auch das Sammeln der Hafner-
keramiken, der Arbeiten einzelner Handwerker,
stark zugenommen. Hier liegt ein besonders
reizvolles Feld, Geschmack und Kenntnisse zu
beweisen. Die Obiekte, sei es ein reich verzierter
Weihbrunnkessel, ein Lavabo oder nur ein schön
geformter Gebrauchskrug, sind von großer Vielfalt
der Formen und oft von besonderer Schönheit der
Farbgebung. Es wäre verfehlt, hier von Kursen zu
sprechen. In diesem Feld ist iedcch für den liebevoll
aufgeschlossenen und lernenden Sammler nach die
Möglichkeit echter Funde gegeben.
Das Material all dieser Sparten für den Keramik-
sammler wird freilich immer knapper. Der Handel
versucht heute vielfach Obiekte, die vor dem Kriege
in das Ausland abgewandert sind, wieder zurück-
zugewinnen. Sa ist eine Reihe besonders
bedeutender Stücke der bekannten Sammlung
Oskar Bondy aus den USA wieder nach Österreich
zurückgekehrt. Neuer Sammeleifer und die Preis-
entwicklung haben diese erfreuliche Entwicklung in
iüngster Zeit bewirkt.
47