Bruno Thomas Die Galerie Franz Ferdinand der kaiserlichen Waffen- sammlung in der Neuen Burg: Hofjagdkammer der Kaiser Ferdinand ll. und lll. (1619-1657) Die alten, wie man so sagt: „organisch" gewach- senen Armerien, Rüstkammern, Cabinets d'Armes der Dynasten Europas, unter denen die der österreichischen Habsburger nicht nur die größte und umfassendste, sondern auch die bestdoku- mentierte darstellt, sind aus ursprünglich ge- l üblichen ritterlichen Sportarten (Urformen und Vorbilder der entsprechenden Leibesiibiingen unserer demokratischen Ära) ausgestattet und ausgerüstet war. Was war im "I6. Jahrhundert das vornehmste Geschenk unter Fürsten? Der Harnisch, in dem sich Kaiser und Könige porträtieren ließen, den Helm vor sich auf den Tisch gestellt, den Degen, Symbol der Freiheit und zugleich Schutzverpflich- tung, an der Seite. Seine Kostbarkeit, sein Her- stellungswert waren außerordentlich hoch, so wie heute sein Preis auf dem Kunstmarkt astro- namische Höhen erreicht - besser: erreichen würde, wäre auch nur ein Angebot zu verzeich- nen. Was trat im 17. und "I8. Jahrhundert an die Stelle des Harnisches, als die Pulverwaffe ihn chronologisch durchgeordnet (darin ist sie einzige ihrer Art in der Welt), führt sie frühen zwölf Söle im Ringstraßentrakt Neuen Burg als „Leibrüstkammer: etwa bis T620", ihre drei Abteilungen in der Säu galerie in der Bel Etage des zentralen H kreisbaues der Neuen Burg als „Hofiagdk mer: etwa 1620 bis 1920". Diese Prachth wird durch zwei zu ihr hinaufführende Stieg häuser in drei große Räume unterteilt, die weils das historisch geordnete Waffengut n rerer habsburgischer, später habsburg-lotf gischer Herrscher und Prinzen in zeitlicher l einanderfolge bis zum Ende der österre schen Monarchie i. J. 1918 enthalten. Das erste Drittel der Säulengalerie, die „ lerie Franz Ferdinand", benannt nach dem Waa- üEißÜ eng lttyl- trennt in verschiedenen „Kammern" aufbe- wahrten Beständen zusammengefaßt, die seit alters her auch unter verschiedener getrennter Verwaltung standen. Dies ist ganz natürlich und durchaus verständ- lich. Der Wappen- und Rüstmeister (ursprünglich Waffenschmied, schöpferischer Meister seines Handwerks, Kenner, schließlich Verwalter sei- ner Gegenstandskategorie, nicht selten durch Adelung ausgezeichnet), der Stclllmeister (der nicht nur für die Roßausrüstung verantwortlich war, sondern mit dem Raßharnisch auch für den Mannsharnisch seines fürstlichen Herrn, der außerhalb des Hauses nur beritten in Erschei- nung trat und treten konnte), der Jägermeister, der Falkenmeister - sie alle verwalteten Teile dessen, womit ihr oberster Gebieter in Krieg und Frieden, zu Feierlichkeiten und zu ieder der 10 verdrängte, ihm den Garaus machte, als er unnütz wurde? Das Gewehr und die Pistole, bevorzugtes diplomatisches Geschenk unter fürst- lichen Männern, die Scheibenbüchse, die Jagd- waffe, die dem Landesherrn in Ausübung des nur ihm zustehenden Jagdregals diente, und die in hochwertigster Ausführung, technisch perfekt ebenso wie künstlerisch erlesen, mitsamt ihrem Zubehör Eindruck auf die gesamte Zuseherschaft machen sollte. Es gibt im 16. Jahrhundert gewiß auch bereits eine effektvolle, edle Jagdteuerwatfe. Und es gibt im 17. Jahrhundert noch gelegentlich Har- nische, die von Stilbewußtsein zeugen. Aber der Schwerpunkt hat sich eben entsprechend ver- lagert. Die Wiener Waftensammlung trägt dieser welt- geschichtlichen Wandlung Rechnung. Streng Kaiser Franz Joseph l. i. J.-1906 mit der l führung der Neuen Burg betrauten, 1914 err deten Erzherzog-Thronfolger, vereint die terlassenschoft der beiden Kaiser Ferdinani (15781161911637) und Ferdinand lll. (160811 1657) und der in ihrer Regierungszeit (1619-1 gleichzeitig lebenden und wirkenden Verwa schaft. Es handelt sich, stilgeschichtlich und ki historisch gesehen, um die Periode des fri. Barock, in Frankreich etwa entsprechend style Louis Xlll., in den Niederlanden der a luten Hochblüte ihrer barocken Malerei. Diese Zeitspanne von rund 1620 bis 1660 ist füllt und gekennzeichnet von den Schrecken Dreißigiährigen Krieges (1618-1648), von di Nachwirkungen sich unser Kulturraum nur ll sam erholt, und von der ständig droher Türkengefahr andererseits. Der Ernst des da