der Schriftrhythmen sind unter anderen Ansätze vergleichender Forschungen, die allein schon in der Bibliographierung des Themas ein reidies Ergebnis garantieren würden. Nur um die Erinnerung anzuregen, sei vermerkt, daß im zweiten Jahrhundertviertel des 19. Jahr- hunderts versucht wurde, die außereuropäischen Kulturen in ihrer speziellen Mentalität zu erfas- sen. Seit Niebuhrs Reisebeschreibung Arabiens 1774-1778, dem Ägypten-Feldzug Napoleons 1798-1799, Karl Bodmers Illustrationen seiner Nordamerikareise werden ethnologische Unter- suchungen ein zentrales Anliegen. Es entwickeln sich kosmopolitische Denkformen neben natio- nalen Interessen, die durchaus als eine Einheit gesehen werden können. Als Auftakt für die orientalisierende Architektur Europas ist der Royal Pavillon in Brighton zu betrachten, der von Jahn Nash in den Jahren 1815-1823 erbaut wurde. Die Kuppeln der Mogul- bauwerke bestimmen die Märchenschlösser Eu- ropas, wie auch die Wilhelma in Stuttgart, die 1842-1846 von Wilhelm Zonth für König Wil- helm von Württemberg errichtet wurde. Eine Kombination mit den Formen des westlichen Islams ist nachweisbar. Aber auch die mouri- schen Kioske in Linderhof von König Ludwig II. und die islamisch nachempfundenen Bauten auf der Pfaueninsel in Berlin vermitteln Alhambra- Zauber mit dem Willen, eine gesamtkunstwerk- hafte Stimmung und Plonungsanregung zu er- langen. Daß dabei bereits feine Unterscheidun- gen gemacht wurden, zeigt den Sinn für die historischen Vorbilder, denn osmanische Ein- flüsse auf den islamischen Orient wurden dabei berücksichtigt. Waren diese Impulse zur Untersuchung, zum Verständnis des Außereuropöischen von euro- päischer Sicht aus in einem „arretierten" Stand- punkt vollzogen worden, so entschloß sich Paul Gauguin zu einer Standpunktverlagerung, indem er sich dem Lebensablauf und dem Kulturellen anderer Völkerschaften einverleiben und ver- pflichten möchte. Der Maler drängt erst einmal auf weniger Distanz im Fremdbild. Er verbindet bewußt Milieu, Lokalkolorit und numinose Be- deutung mit einer suggestiven Verdichtung des erlebt Fremdländischen als Sensation. Er braucht dazu weniger Distanz zum Außereuropäer, wie auch schon Delacroix verlangte, die Idealität im Fremdheitscharakter ist dann das Ergebnis des persönlich Erlebten und führt zu dem Kräfte- zuwachs, der sein Schaffen beherrschte. Viel weniger differenziert wie Gauguin sehen die Brücke-Maler Kirchner, Heckel, Schmidt-Rott- Iuff die Problemstellung, denn diese beginnen, Zu den Blldrelhen: Der Einfluß vorderorientalischer Keramik auf die europaische Produktion des 19. Jahrhunderts (Abb. 1-9, 19) - (S. 15, 17) Die Keramikpraduktian Europas in der Mitte des 19. Jahr- hunderts wird durch die orientalischen Techniken angeregt und bestimmt. Im Mittelpunkt der Begegnung steht die lznik-Keramik (Türkei) des 16. und 17. Jahrhunderts. Die Oblekte dieser Bereiche zeidinen sidi durdl einen harten weißen Scherben aus, der mit einer Unterglasurmalerei, zumeist in Dunkelgrün, Tdntdtunrdi, zweierlei aldu und mit schwarzen Konturen, ausgestattet war. Die Techniken der europäischen Keramiker des 19. Jahrhunders werden weiterhin bereichert durch Schmelzglasuren aus den Gebie- te_n Afghanistans, Westturkestans; auch iranische Erzeug- nisse esonders der Lüsterfayence dus Bugnurd, die Topfererzeugnlsse aus dem Gebiet von Rayy vermitteln ebenso Anregungen. Theodore Deck kannte iranische Tech- niken - er benutzte opake, cremeweiße Glasuren über einem spröden weißen Sdierben. Ritzdekor (Abb. 19) und durchbrochene Glasuren mit überdeckter Ornamentik hatten europäische Keramiker angeregt, vor allem da die kobaltblauen, transparenten Glasuren und die leicht nlirgruncn Liister nochahmenswert erschienen. Die Soge- nannte Mlnal-Technlk verfügte über ein Scherbenmaterial das bis zum Ende der neunziger Jahre Vorbild blieb und wicdcruni vo_n Theodore Deck (1823-1891) überprüft wurde. Unsere Abbildungen (1, 3-8 und 19) zeigen einige Bei- spiele von diesem Künstler, der erfolgreich die Fayence- toller in Unterglasurmalerei auf weißlichern Grund der lznik-Ornamentik übernahm. Ein Teil des jüngst aufge- fundenen Nactilasses van Deck zeigt, daß er reichhalti e Detailstudien (Abb. 5-7) betrieben hat und daB ihn sie oben angeführten orientalisdien keramischen Zentren inter- 14 sich des Typus zu bemächtigen, den sie in der Stammeskunst Schwarzafrikas entdeckten. Je- doch unterscheiden sich die Europäer wesentlich vom Vorbild, indem sie das Gesetzliche im Sinn des Nichtüberschreitens nicht sehen können und daher die ritualgebundenen Objekte der „Primitiven" jeweils in eine von sidi aus gelenkte Stimmung transportieren. Bestimmte Farmenge- setze afrikanischer Masken sind damit transpo- nierbar geworden und werden christlichen Grundvorstellungen einverleibt, die oft mit lite- rarischen Situationen verbunden scheinen. Nur allmählich werden die plastischen Grundformen der afrikanischen Skulpturen verstanden. Die sphärisch komponierten Geräte, die Plastiken oder aber die brettartigen Masken werden über verschiedene „Sichtstufen" in ihren funktionalen und arnamentalen Qualitäten erkannt, doch unterliegen sie in den Analogien und Rezeptio- nen der Europäer keiner Regel, sondern immer wieder nur Stimmungen. Die Neigung zum Stilleben innerhalb des Brücke-Kreises ist daher fast eine Festlegung mit unscharfem Ziel, die versucht, die zahlrei- chen Signalformen erst einmal in die Bildfläche zu binden und damit vorzustellen. Auch die Anleihen Kirchners innerhalb der Hochkulturen Indiens, wie es z. B. die Aianta-Fresken des 6. Jahrhunderts beweisen, sind typisch für die Abfolge der Aufnahme und der Begegnung. Nach dem Vorbild Gauguins, der die Hochkul- turen mit den Primitivkulturen zu verbinden trachtete, verläuft der Weg über Stationen, diese anzudeuten, ist Absicht dieser Bildreihen und Mo- tivketten. Erst später setzt iene starke Differenzierung scharf ausgebildeter chiffrierter Typen ein, die Gonzalez dann über Jahrzehnte seinen Mas- ken auferlegt. Ebenso verhalten sich Brancusi, Duchamps, Villon, Belling, Modigliani, Miklos und andere. Die Schwankungen gegenüber bestehenden „Architypen", die auf die Grundformen von Block und Pfahl zurückgehen, vermitteln bereits konkrete Wahrnehmungen. Eine gezielte Sicht und ein erfaßbarer Bezugsrahmen waren von den Künstlern Europas ermittelt worden. Kennt- nis der Materie, verbunden mit einem reichen Sehen und Verstehen der Völker, führte zum Austausch, der anhalten möge. Ü Unser Autor: Prof. Dr. Siegfried Wichmann Lehrkanzel für Kunstgeschichte Staall. Akademie der bildenden Künste Karlsruhe 1 ReinhoId-Fronk-Straße B1 essierten, um auf technischem und künstlerischem Gebiet zu lernen. Theodore-Joseph Deck wurde 1823 zu Gebweiler, Elsaß, geboren und starb 1891 in Sevres. Er verbradite seine Lehre in Straßburg und reiste in seinen frühen Jugendiatlren nach Budapest, Prag, Berlin, Hamburg und Düsseldorf. Für seine zahlreichen chemisdi-technischen Versuche benötigte er erhebliche Geldmittel, die er sich als Ofenfabrikant 1847 ' aris erarbeitete. Die Ausstellung von 1861 in P is „Exp an des Arts industriels" und die von 1878 begr ndeten seinen Ruf als bedeutender Kerami- ker. 1887 übernimmt er als Direktor die Leitung der Manufaktur in Sevres. Auf der Weltausstellung tritt er mit seinen reichhaltigen keramischen Erzeugnissen hervor, die er nadi den orientalischen Vorbildern geschaffen hatte (Abb. 19). Die technischen Analysen, die er für seine Materialzusammensetzungen, insbesondere der lznik-Keramik, erarbeitete, waren auch für die künstlerische Produktion seiner Schüler von Bedeutung. Unter ihnen hervorzuheben sind Edmund Lachenal, Emile Decoeur (Abb. Q) und Josepho Cantogalli. Sie alle erzielten bei ihren mit hohen Tempera- turen gebrannte Scherben eine besondere Leuchtkraft der Farben. Das sogenannte Deckblau gelang ihm wie audn sei- nen Schülern durch Zusatz von Kali, Soda und Kreide, so daß der porzellanartige Keramikgrund eine diaphane Wir- kung entfaltete. Die großen Teller mit runder Wandung und ebenem, siebenfach geschwungenem Rand (Abb. 4) ent- nimmt Deck der lznik-Keramik des 16. Jahrhunderts. Die siebenfadi oddierten Sdlwünge dieses Typs waren in ihrer Prägung nur möglidi durch den Härtegrad des Scherbens, der gleichzeitig für künstlerische Qualität stand. Die natura- listischen Dekores TuIpen-, Granatüpfel- und Kürbisblüten werden von Deck und seinem Kreis in sicherer Zeichnung dem zentralisierten und achsial wirkenden System unter- geordnet (Abb. 2-4). Er benutzt hingegen nicht den frei- schwingenden Rankenzweig. Die heraldisdl wirkende Glie- derung wird durch die Leuchtkraft der Glasurfarben slviert. Zögernd steht die Fachwelt den Orientrezeptlonen g über. Eine breite, systematische Forschung wurde nicht für erforderlidt gehalten. Französische Sammle Museurrisfadileute verfügen iedach über reidie Ma kenntnisse, die die Grundlage einer gezielten Motiv: forsdtung sein werden. Das Rosensprenggefäß in seiner Stellung zwi Orient und Okzident (Abb. 10-13) - (S. 16) Eine bizarre Gefaßform, die bisher i der Fori orientalischer Glaskunst noch nicht enügend Beai gefunden hat, ist das Rosenspreng eäß, das vorwi ein persisches Erzeugnis sein dür te, iedoch reich: regung aus den indischen und varderasiatischen l bereichen erhalten hat. Die Herstellungsorte sind vor im Shiraz des 18. Jahrhunderts zu suchen und kl vielleicht von Schah Abdäs gegründet worden sein. Lamm vermerkt im Survey of Persian Art: „. . . die I sprenggefäße mit ihrem gerippten, sdiwanenähnlic bagenen Hals kamen in ganz Europa in Mode. Dll sischen Manufakturen taten ihr mäglidistes, um der g Nachfrage Herr zu werden, und setzten damit eine tion fort, die ihren Anfang im 16. Jahrhundert genc hat. Dies hat zweifellos dazu beigetragen, daß es so schwierig ist, die verschiedenen Stufen der Entwi voneinander zu unterscheiden und die einzelnen O genau zu datieren und den Zeitpunkt der Entstehuni, zelner Obiekte genau zu bestimmen . . ." Diese Bern: ist der Spezialforschung entnommen; sie Iälit erkenne- offen die Fragen im Bereich des Rosensprenggefäßr gen. Vor allem der Hinweis auf den sdlwanenähnlii bogenen Hals sollte überprüft werden. Betraditen w Gefäßfarm näher, so ist auffällig, daß es sich um bauchigen Geföflkörper mit unregelmäßig dickem handelt, der S-förmig geschwungen ist und bei der sischen GefElBen im 1B. Jahrhundert eine betont s aggressiv wirkende Linienform veranschaulicht. Die artig aufgerissene Ausgußöffrlung vermittelt ienes dr sche Stimulons, das das Obiekt häufig formal bes Die Gläser sind in blauem, gelbem, manianrotem oft ziemlich dünn geblasen, verziert mit uflagen farbener Fäden und gerippter Bandstreifen. Einen fäßtyp sind gelegentlich in der Masse Farbpunktier beigegeben, ie im eingezogenen Hals schuppig irisir Wirkungen erreichen. Nicht ein schwanenhaftes Syml hier gemeint, sondern es dürfte der Typus der angl den Kabro sein, der im Ornament und in der Mir malerei Indiens oft wiederkehrt. In Indien genießt Sdtlangenart eine fast göttliche Verehrung, im I vollzieht sie über dem zusammengerallten Leib S-förmige Bewegung. Der weilgeoffnete Radien des I blüht sidi, keilförmig klaffen die Kiefer, die flach w wenn sich die Wut des Tieres steigert, um den Giftza zuhia freizulegen. Der Oberkiefer bildet in dieser _St eine flache, sich zuspitzende Rinne, sie ist ldentlsr dem Ausguß des Rosensprenggefäßes. Die wenigen fen des Giftzahnes brachten Mensch und Tier durc Toxine zum Erstarren, zur Leblosigkeit. Das Gift ln kurzfristigen Wirkung faszinierte die Menschen des 0 Furcht und Bewunderung waren in Sage und Erzählur diesem Reptil verbunden. Die hier abgebildeten Beispiele zeigen zwei per Gefäße (Abb. 10, 11), die deutlich die schlangenhaf wegung zeigen; zwei europäisdte Beispielevermlttelnd Wandlung, so ein Rdscnsprsnggctaq um 1900_der M0 tur Loetz Austria (Abb. 13). Wichtig ist, daß diese Farn zwischen dem großen gekippten Kelch tiffanyscher Pr steht, iedoch schon florale Ansätze zeigt, dhcr nach den animalisdt bewegten Schlan enleib andeute Gefäß der Fa. Val, St. Lambart, um IBOS vermittelt di di hybride Abwandlung der Art-nauveau-Epoche filigran und fast graphisch den langen Hals rnit zungenartigen Spitze versieht (Abb. 121. Pflanzendek Sinne der Schule van Nancy windet sidl um den 1 schaft und steigert das Gefaßvalumen. Die Bei zeigen deutlidi die Beziehungen und die Variationl die unter der phantastischen Anregung der syrisch- schen Gläser stand. Das syrische emaillierte Glas und die Reze der Gründerzeit (Abb. 14-18) - (S. 16, 17) Für den muslimischen Künstler war der Werkstoff ein Zentrum seines Schaffens. In der Sure des lt XXIV, XXXV heißt es: „Allah, das Licht4der t-iimme der Erde. Sein licht ist gleichsam cinc Nische, In de Leuchte steht. Die Leuchte ist in einem_Glase un- Leuchte glitzert WIE ein Stern . . Vgl. t-lcin w., Islar Gläser, im: trdl. Weltkulturen u. Moderne Kunst, Mr im, s. au. Die Glasproduktion des Islams, vor aller en Syriens, hatte symbolische Bezüge. Sie war V ür die Antike bis hinein in das 19. Jahrhundert bewegliche, leicht strukturierte Oberflädte des egos und geblasenen Glases führte zu vielerlei O_erfli veredelungen, wobei die Benutzung der Emallfarl! Mittelpunkt stand. Die muslimischen Glasmadtenl die Technik aus Rakka übernommen, von WO sic sdinell weiterverbreitete und besonders in Aleppo, D_ kus und Kairo zur Blüte gelangte. Auch auf gefa Grund kdrn geritzter oder rnit dem Rand dus eschll Dekor anschaulich zur Geltung. Zu diesen Efekten man über weiße Kontraste über sattem, dunklem C Auch die GoId-Email-Gläser der Mameluckenzeit beliebte Motive, wobei geornetrisierende Dekore zurr ßen Repertoire dieser Künstler gehören. Im Sinn: Korons wurde die arnamentale Kraft des Geametrts mit der Sdirift zu einer Einheit verbunden. Diese Ofm talisierung regte die kanternolotlve Schopferkraft Gloskünstler des Vorderen Orients nachhaltig an, ul verwundert nicht, daß die europäischen Gloszentren Anregung übernahmen. Vor allen Din en war es J Brocard, der in Poris arbeitete und au den roßen ausstellungen mit seinen Erzeugnissen Aufse en er Aber auch Ludwig Lobrrleyr hatte in Wien um 187 Emailmalerei auf Glas zu einem Hahepunkt gefuhrt seinen Entwürfen ersdneinen die islamischen Schrlftzl fehlerfrei (Abb. 15, 18). Mon_erkennt zwar die Rechts-Bewegung der Schreiber, iedoch entspricht Lob wissenschaftliches Interesse dem Varbild,_ und er veröffentlicht 1874 für die Glasindustrie wlizhtxges Qu material. Auf der Wiener Weltausstellung 12' t LDI zum erstenmal seine orientalisierenden Erzeugnisse verhilft damit der Orient-Mode zu einer neuen und siveren Si t. Die hier abgebildeten Objekte (Abb. 1 ia) zeigen die Technik, die er verwendete. Der isldn Dekor wird modifiziert und auch zum Teil mit europä Mustern durchsetzt. Die Karansprüche, die in islam Schritt auf den Wendungen angebracht sind, w übersetzt auf dem Gefaßboden wiedergegeben. Widit