A Künstlerprofile o-ewio Aufbruch, 1972 Erde und Konglomerat, D 60 m Aufbrechende Form ll, 1971 Aluminium, D 30 cm Explosive Form, 1968 Bronze, LACl cm Figur, 1971 Kon lomeral, H 160 cm Mut ias Hietz Mathias Hietz Es gibt Künstler, die eine einmal für sie gefundene Formensprache ihr Leben lang beibehalten. Henry Moore, Fritz Wotruba und Karl Prantl gehören zu diesen. Es gibt aber auch andere, die, wenn sie dieses oder ienes Problem glauben ausgeschöpft zu haben, wenn ihnen diese oder iene Ausdrucksweise so sehr geläufig ist, daß ihnen ieder Punkt zu iedem anderen, iede Linie zu ieder anderen zur Orthographie wird, sich einer neuen Gestaltungs- weise zuwenden. So vor allem Picasso, aber auch Giacornetti und in Österreich eben Mathias Hietz. Allen Strömungen offen, geht es Hietz letzten Endes darum, mit seiner Sprache, dem gestalteten Stein oder dem Metall, zu den Problemen unseres Seins Stellung zu nehmen. Trotz dieses Wandels im Formenkanon des Künstlers finden wir doch ein organisches Weiterschreiten. Sicher, betrachten wir die Werke, die in unserer Veröffentlichung in der Nr. 85 dieser Zeitschrift beschrieben wurden, nur oberflächlich mit den heute entstehenden Arbeiten des Bildhauers, so werden wir nur wenig Gemein- sames feststellen können; und doch ist es evident. Die 160 cm hohe „Figur" (1971) weist es signifikaht aus. Hier ist noch die menschliche Gestalt der früheren Stilperioden erkennbar, gleichzeitig aber wird die keimhafte Schwellung des Leibes und das Aufbrechen dieser Frucht betont. Was in dieser Form nur angedeutet und in der Ordnung des anatomischen Aufbaues ausgedrückt ist, zeigt Hietz an freien Obiekten mit vegetabilen Assoziationen. Die ungemein kühne „Explosive Form" (1968), man könnte sie fast wolkenähnlich nennen, ist hier ein besonderes Extrem. Das Auf und Ab der Formen, das Auseinanderstreben und -fließen erinnert an den Rauchpilz einer Explosion, ebenso die „Aufbrechende Form l", ein Konglomerat mit 220 cm Durchmesser. Hietz will damit die Kräfte der Natur aufzeigen, die Kräfte, die in allen Dingen, vom Weizenkorn bis zum Atomkern, stecken, und es gilt, zum Wohle der Menschen zu wenden (verwenden wäre schon zu negativ). Ist in der „Explosiven Form" die letzte Konsequenz angedeutet, so sehen wir zwar auch in dem großen 1969 geschaffenen Stein ähnliche Motive anklingen. Oft wurde er auch von der Kritik als Atompilz bezeichnet. Sicher soll er auch dieses Geschehen ondenken lassen, er weist aber auch stark auf einen floralen Vorgang. Das Aufbrechen eines knaspenden Keimes ist spürbar. In verschiedenen Metallarbeiten wird uns das noch deutlicher. In einem nach größeren Stein (1971172), mit dem Durchmesser von 230 cm, bestätigt sich diese keimhafte Entwicklung zum Durchbruch nach oben. Ein Vergleich mit der zerspringenden Fruchtkapsel des Pfarrerhütchens (Evönymus europaeus) liegt nahe. Bei anderen, mehr geometrischen Formen zeigt Hietz den stren- gen organischen Aufbau, der zu ienen Teilungen und Kräfteexpansionen führt. Ja, selbst dort, wo es sich nicht um spitze Durchstöße, um ein knalliges Aufbrechen handelt, sondern um ein weiches Hoch- streben - wir denken vergleichsweise an die Triebe der Kartoffel im Keller - sind es ausbrechende Kräfte. Auch von diesen zeigt Hietz, daß sie nicht zu halten sind. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn gerade dieses Motiv, das so sehr mit den Kräften der Natur ver- bunden ist, von Hietz in große, die ganze Umwelt ergreifende Anlagen ausgeführt wird. So hat er in Lindabrunn einen kreisrunden Erdhügel mit einem Durchmesser von 60 Metern aufgeböscht, der sich kraterartig zur Mitte senkt. Dort „keimen" drei Steine, die in den Böschungen, innen und außen, entsprechende „Rippen" finden. Ein gestaltendes Eingreifen in der Formation der Erdoberfläche. Man könnte sich ähnliches beliebig vergrößert vorstellen, wie übrigens die meisten dieser Arbeiten des Künstlers. Ein optimistisches Bekenntnis zur Kraft der Natur, wenn auch nicht frei von warnenden Stimmen. Alois Vogel