Für den Kunstsammler
Hans Frank
Altwiener Fotografie im Geiste
Waldmüllers (zur Wechselwirkung
zwischen Malerei und Fotografie)
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entdeckten die
Maler die Natur. Sie zogen mit der Staffelei hinaus
in die Landschaft und bis ins Gebirge. Ähnlich
erging es den Fotografen gegen Ende des 19. Jahr-
hunderts. Dieser große Abstand hat seinen Grund
darin, daß es vor der Trackenplatte noch mit
großen Schwierigkeiten verbunden war, draußen in
der Natur zu fotografieren. Erst als seit den
achtziger Jahren die Trockenplatten zur Verfügung
standen, konnte man ohne Trögerkolonne mit
Kamera und Stativ in die Landschaft ziehen.
Was war naheliegender, als daß die Amateurfoto-
grafen an den Malern sich ein Vorbild nahmen,
und hier gehörte zu den Bevorzuglen Waldmüller
(1793-1865). Als Beispiel einige frühe Amateurauf-
nahmen des Architekten Gustav Bamberger (1861
bis 193er.
Es ist ins Auge springend, wie diese Fotografien an
Waldmüller erinnern. Personen im Landschaftsbild,
„Die Staffage" schien den Fotografen noch iahr-
zehntelang äußerst wichtig. Noch bis weit ins
20. Jahrhundert glaubte ieder „ernste Amateur-
fotograf", bei Landschaftsaufnahmen auf Staffage
nicht verzichten zu können. Nun war es aber nur
mehr Nachahmung. Die Londschaftsmoler hatten
sich schon lange davon gelöst. Um wieder auf
Bamberger zurückzukommen sei erwähnt, daß bei
seinen Landschaftsgemälden aus der Anfangszeit
des 20. Jahrhunderts menschenleere oder sparsam
staffierte Fernsichten vorherrschten".
Wie das einfache Volk nicht viel Unterschied zwi-
schen dem Maler und dem Fotografen machte,
mußte der in Salzburg als Portrötist und Genremaler
bekannte Adolf Reich erleben. In einem bayrischen
Bauerndorf malte er ein Genrebild, zu welchem
ihm ein Bauernmädchen Modell stand. Die Dirn
wunderte sich über das viele Modellgeld, welches er
für dieses Bild ausgob, und meinte: „Sö hättn net
Maler werdn solln, sondern Fotografer, da gang's
viel gschwinderl"
Besonders stark wirkte sich auf die Malerei das
Aufkommen der Momentfotografie aus. Das be-
kannteste Beispiel hiefür ist die zeichnerische Dar-
stellung von Pferden in der Bewegung.
Wie falsch es sein kann, sich zu sehr als Maler von
der Fotografie beeinflussen zu lassen, zeigt das
Bild des Bürgermeisters Felder im Wiener Rathaus.
Als Canon (Johann Straschiripka) im Jahre 1875
im Auftrag der Gemeinde Wien dieses Bild schuf,
ließ er einen Fotografen kommen, um den auf dem
Podest stehenden Felder in verschiedenen Stellun-
gen zu fotografieren. Der Fotograf verwendete
offensichtlich ein Objektiv von zu kurzer Brennweite,
und Canon korrigierte den optischen Fehler nicht.
Als das Bild ausgestellt wurde, bemerkte das
Publikum, doß die vorgestreckte Hand zu groß ist.
Eine Zeichnung nach diesem Bild im Kikeriki erinnert
daran. In dem darunter gesetzten Zwiegespräch
heißt es: „Große Hönd hat der Bürgermeister." Die
Antwort darauf lautet: „Dafür sind sie aber sauber."
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