namentale Gestaltung der Vorderseite des Vor- satzbrettes einbezogene Innsbrucker Stadtwap- pen wurde belassen. Offenbar „störte" es nicht so sehr, man kannte es auf die Herkunft des Erbauers beziehen, zudem ließ es sich nicht so einfach entfernen. Mit großer Sicherheit dürfen wir jedenfalls annehmen, doß das Instrument gleich nach Pocks Ankunft in Salzburg, also 1592, in die Hände seines neuen Besitzers, des Solzburger Erzbischofs Wolf Dietrich, gekommen ist. Es schien wie für ihn gemacht zu sein. Daß er es in die Residenz, in seine Privatgemächer bringen ließ, spricht für sein persönliches Inter- esse. Es war ein besonderes Instrument „für die Kammer", und vielleicltt war es Josua Pock selbst - oder der Hoforganist Kaspar Bock -, der es dem Erzbischof dort verführte. Damit stehen wir wieder vor dem Solzburger Claviorganum, und damit ist zugleich die Frage nach der auf dem Instrument spielbaren, auf ihm seinerzeit gespielten „Literatur" aufgewor- fen. Eine Spezialliteratur für Claviorganum hat es nicht gegeben, zumindest kennen wir keine Kom- position, die speziell „per Claviorgano" be- zeichnet ist. Man darf annehmen, daß das da- mals für Tasteninstrumente allgemein (noch) gül- tige Prinzip einer „Literoturgemeinschaft" auch für die Sonderformen der Klovierinstrumente galt. Man wird also die „Klovier- und Orgel- musik" der Zeit darauf gespielt haben und sie auch heute unbedenklich darauf spielen dürfen. Zweifellos hat man dabei aber doch den be- sonderen, einmaligen Möglichkeiten des Instru- mentes Rechnung zu tragen. Sein Prinzip ist ein Geheimnis, die Überraschung. Das Unver- mutete findet statt. Scheinbar ein Schreibtisch oder Lesepult, beginnt es aus ihm - unter den Händen des „Spielers", der bei ihm stehenbleibt und zu schreiben oder zu lesen scheint - zu tönen. Vielleicht erklingt zuerst das Spinett allein, dann - unvermerkt ist ein hilfreicher Kalkant an die vom Spieler aus gesehen rechte Schmal- seite des Instrumentes getreten und hat begon- nen, die Bölge zu betätigen - plötzlich das sanfte Flötenregister des Positivs oder das schnarrende Regal oder in umgekehrter Reihen- folge iede Stimme für sich nacheinander und schließlich alle Stimmen gemeinsam in einem nie zuvor gehörten Zusammenklang. Es mußte und sollte ans Wunderbare grenzen; und alles ist doch nur ein musikalisches Spiel, eine Spielerei. Diese Absicht wird noch deutlicher, wenn man, wie in einem der Claviorgana aus der Ambraser Sammlung, zum Spinett-, Flöten- und Zungen- stimmenwerk auch noch Tierstimmert-lmitotionen als zusätzlichen Uberraschungseffekt hinzufügte: „Ain instrument, so ain re(g)al und posidif ist, darauf der fröschdanz und voglgesang und andere mer registern", so lautet die Beschrei- bung im Inventar der Kunstkommer von Schloß Ambras aus dem Jahre 1596". Zum Spiel des Orgelklaviers konnte man hier durch zwei ge- deckte, sehr hauchig intonierte Pfeifen einen merkwürdigen „Schwebeton" hervorbringen, der ungefähr an das ferne Quaken von Fröschen erinnern mochte; dazu auch den Ruf des Kuk- kucks, erzeugt durch einen sinnvoll einfachen Mechanismus von zwei weiteren Pfeifen. Solche Instrumente, Meisterwerke des Instrumen- tenbaus und des Kunsthandwerks, galten ihrem Besitzer viel, auch als Curiosa. Der von Erz- bischof Wolf Dietrich für das handwerklich und künstlerisch hervorragende Instrument gezahlte Preis dürfte mindestens so hoch wie der ge- wesen sein, den Pock 1584 in Innsbruck für ein ähnliches Instrument erzielt hatte". Vielleicht steht die Geldforderung, die Pocks Witwe - vermutlich bald nach dem Tode ihres Mannes - an den Solzburger Erzbischof richtete, noch mit dem Instrument in Zusammenhang. Wolf Dietrich wies die Nachforderung kurz und energisch zurück: „Elisabeth Orglmacherin Witib. Mit Irem ungereimbten begeren, das man ir noch was auf die empfangenen 800 fl ausfolgen lassen wollen. abzuweisenfqf Gewiß war Erzbischof Wolf Dietrich stolz auf diesen Besitz, und vielleicht fühlte er sich zu dem Instrument besonders hingezogen, angesprochen von dem Absonderlichen, von der Künstlichkeit seiner Konstruktion und den verborgenen Über- raschungen, die nur ein Kenner spielend her- vorzubringen vermochte. Im Hinblick auf den desoloten Zustand der - qualitativ zudem bescheidenen- Hammermecha- nik aus der Zeit um 1800 wurde bei der Restau- rierung der ursprüngliche Zustand mit den ein- zeln und in allen originalen Kombinationen spielbaren Teilen Spinett, Orgelpositiv und Re- gal wiederhergestellt". Danach erscheint es als höchst sinnvoll, wenn dem Instrument - als einzigem k I i n g e n d e m historischem Clavior- ganum überhaupt - heute ein besonderer Platz im neuen Solzburger Dommuseum eingeräumt wird, in der Mitte des Raumes, der Erzbischof Wolf Dietrich und seiner Zeit gewidmet ist. Anmerkungen 24-27 1' Fol. 371. Vgl. Kunsthistorisches Museum Wien. Katalog der Sammlung alter Musikinstrumente. I. Teil. Saiten- klaviere (Führer durch das Kunsthistorische Museum Nr. I4), Wien 1966, S. 35 75 Vgl. oben Anm. 21. N SLA, Hotkammer-Protokoll, S. Juli 1596 (fol. 77). Elisa- beth, geb. Werndl, eine Bädrerstochter aus Hall i. 1., hatte Josua Pock am 27. Mai 1590 geheiratet. 14 Solzburger Claviorganum (Abb. I) (unten) Rück- seite des Vorsotzbrettes mit der Signierung; (oben) Deckleiste des Spinetts mit Devise und Dotierung 1591 15 Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau (1559 bis 1612). Stich 18 "Doß dies ermöglicht wurde, dazu haben verschiedene Persönlichkeiten und Institutionen beigetragen. Die Re- staurierung und Rekonstruktion hat Herr akad. Restaura- tor Peter Kukelko durchgeführt. Über seine Arbeit und den Untersuchungsbefund wird ein eigener Bericht vor- gelegt. E] Unser Autor: Unim-Prof. Dr. Gerhard Croll Ordinarius für Musikwissenschaft der Universität Salzburg A-5020 Salzburg, Getreidegosse 9