schickte der Kaiser in die Tropenwelt Mittel- amerikas, um die exotische Pflanzenwelt zu stu- dieren und seltene Exemplare für den kaiser- lichen Garten in Schönbrunn nach Wien zu brin- gen. Schon in der ersten Jahrhunderthälfte hatte die Einführung des Merkantilismus für Öster- reichs Handel und Industrie einen bedeutenden Aufschwung erbracht. Dieser wurde in der Ära Maria Theresias durch die Einführung neuer Zoll-, Handels-, Falliten- und Wechselordnungen ausgebaut. Durch dieGründung von Manufaktur- schulen, einer Realschule (1769) und einer Real- handelsakademie (1771) wurden geschulte Kräfte herongebildet, die für die mehr als 30 Fabriken, die es nach 1750 in Wien gab, sowie die zahl- reichen Neugründungen in den Erbländern drin- gend gebraucht wurden. Zu den Unternehmungen, die den merkantilisti- schen Tendenzen ihr Dasein verdankten, gehörte die im Jahre 1718 als Privatbetrieb eingerich- tete Wiener Porzellanmanufaktur in der Roßau. Im Jahre 1744, nach Ablauf der 25iährigen Schutzfrist, bot der verschuldete Unternehmer Claudius lnnocentius Du Paquier dem Staate die Manufaktur zum Kaufe an. Der Entschluß der Kaiserin, die Manufaktur zu übernehmen, ret- tete für Wien ein Unternehmen, das mit seinen Erzeugnissen nicht nur den glanzvollsten, son- dern auch den für die Rokokozeit typischsten Beitrag des Wiener Kunstschaffens erbrachte. Um den „neuen gout" der Rokakozeit, der sich vor allem in Frankreich in Gebrauchs- und Zier- geräten, bei allen Einrichtungsgegenständen, in der Dekoration der Innenräume sowie in den freien Künsten bereits durchgesetzt hatte, auch in Wien einzuführen, wurden Vorlagen und Mu- ster angeschafft, die nach dem neuen „styl rocaille" gebildet waren. Alle Geschirrformen und Geräte wurden jetzt mit der „Rocaille" ver- sehen, einer Ornament- und Zierform, deren Schnörkel sich zur Muschel-, Blatf-, Wellen- und Flügelfarm verwandeln kannten. Die Henkel, Ausgüsse und Deckel, die Sockel und Standplat- ten der Statuetten und Gruppen, aber auch die ietzt mit hellen Farben gemalten Ornamente und Kartuschen verwandelten sich zu solchen natura- listisch-bizarren Gebilden. in der Plastik domi- nierten die galanten Szenen, die Schäfer und Komödianten, das Gärtnervalk, die Bauern und immer wieder die „Kindln", einzeln und in Grup- pen, als Amoretten und Allegorien auf die Jah- reszeiten, die Sinne, die Künste und Wissen- schaften. Unter den geschidcten Händen der Wiener Modelleure, die alle von Rafael Donners Kunst beeinflußt waren, entstanden jene For- men, die die sanften, mitunter kecken, selten drastischen Ausdruckswerte bevorzugten. Die Porzellane dieser kaiserlichen Epoche der Wie- ner Manufaktur, die von 1745 bis 1770 währte, haben alle Eigenschaften, die dem „so zärtlich als edlen Felde des feinen Porzellans" zukom- men. Sie sind der lebendigste Spiegel der There- sianischen Zeit, in der iene milde Atmosphäre 7