Heinrich Tahedl 1 iaanivsche Impression, n, ms, „Alles fließt" soll Heraklit gesagt haben, und in diesem Fließen ist das Leben, in dieser sich ständigen Wandlung, im Weiter- und Fortschreiten von einer Möglichkeit zur anderen, von einer Form- findung zur nächsten ist das Lebendigsein des schöpferischen Menschen. Was gestern Feuer war und brannte, ist heute Wasser und löscht und morgen feste Erde, aus der das Leben keimt. Form als fester, starrer Umriß ist immer etwas Vorläufiges, ein Zwischenglied auf der Suche nach dem letzten Endgültigen. Das ist es auch, was Heinrich Tahedl, Mitglied der Wiener Secession und nun seit Jahren im niederösterreichischen Weinviertel ansässig, bewegt und was uns bestimmt, sein Werk nicht allein nach seinen Lebensiahren zu messen. Hier ist nichts Erstarrtes. Ein Thema, einmal aufgegriffen, wird immer weiter auf seine Vollendung hin von neuem zu gestalten unter- nommen. Tahedl weiß, iede Arbeit ist nur ein Stein im ganzen Bau des Lebenswerkes, wie iede Stufe der Entwicklung vorn Einzeller zum Menschen nur eine Phase im Ablauf der Evolution ist. Im Dasein eines ieden Künstlers gibt es aber immer wieder Erlebnisse, die gewisse Zündungen zu einer neuen Phase, zu einer neuen Stufe seiner Verwirklichung werden. Ein solches Erlebnis war offensichtlich für Tahedl eine Spanienreise. Die rote Erde, die gewaltige menschenleere Landschaft, die Bilder des Francisco de Goya gaben Anstoß zu einer ganzen Reihe von großen Arbeiten. In den roten Bildern brennt die Sonne der spanischen Hochebene. Es ist ein rollendes, bewegtes Rot. Schwarz stehen die Dinge im roten Raum. Einer aufgesprungenen Rosenknospe gleich reiht sich Rand an Rand, Blatt an Blatt. Von der Struktur der Farbe ausgehend, malt Tahedl ein Landschaftsbild, und es ist mehr als das Bild einer Landschaft, es ist gleichsam die Summe der Landschaft. Geschautes, Gehörtes, Gefühltes und Gehorchtes geht in diese Farbkomposition ein. „Man sieht nur mit dem Herzen gut", sagt der kleine Prinz Saint Exuperys, Solche mit dem Herzen gesehene Dinge will Tahedl auf seine Leinwand bannen. Es ist nicht die Dimension des Raumes, also der Tiefe, die diese Bilder allein erschließen. Es sind vielmehr andere Dimensionen, die in den Schwingungen der Farbe ihre Präsenz haben. lst ein solches Werk abstrakt zu nennen? Kaum. Es birgt mehr an Realitäten als manches bis in iedes Hälm- chen ausgemalte Bild. Wer ein Herz hat, der sieht es. Eine mehr geistige, meditative Seite des mensch- lichen Seins wird von Tahedls Collagen und den letzten Bildern, mit Kunstharzlack gemalt, ange- sprochen. lmmer wieder von geometrischen Ver- spannungen, etwa dem Kreis, dem Quadrat, dem Dreieck - uralten Symbalfarmen -, ausgehend und oft auch vorgegebene Elemente, wie die Wieder- gabe einer Goya-Graphik, die Farbfotografie eines Sternenbildes, Leonardos Proportionsstudie des Menschen, einbauend, werden Beziehungen hergestellt, die den Betrachter gleichsam in dieses Ordnungschema miteinbeziehen und ihm seinen Mit-Spielraum anweisen. Es ist ein kosmischer Raum, in den von allen Seiten gleich einzusteigen ist, daher finden wir auch in einer Folge kreis- förmige Zentren. Diese Kreise beeindrucken besonders durch ihre ausdrucksstarke Farbigkeit. Es ist gewissermaßen die Manifestation eines Läute- rungsprozesses, ein Streben aus den dunklen Ecken zum lichten Kerne. Ein in den Kosmos deponierter Optimismus bricht hier immer wieder durch. Alois Vogel