Ganz anders verlief die Entwicklung in Mün- chen. Seit 1806 Hauptstadt nicht mehr des Kur- türstentums Bayern, sondern des aus der Erb- masse des Reichsdeputatianshauptschlusses und der Napoleonischen Kriege wohlangereicherten Königreiches Bayern, zog München den Nutzen aus der zentralistischen Staatsorganisation des spätautklörerischen Grafen Montgelas (Erster Minister des Königs Maximilian I. Joseph bis 1817) und aus dem Kunstsinn des (in seinen er- sten Regierungsiahren) liberalen Romantikers Ludwig l. Münchner Bauhistariker weisen darauf hin, wie deutlich die Münchner Altstadt bereits vor Jahr- hunderten in vier verschiedene Viertel unterteilt war: im Nordosten der Hof und die Regierung, im Nordwesten Adel und Patriziertum (auch wenn man in München den Wiener Stadtpalais der großen Familien vergleichbare Anlagen ver- geblich suchen wird), in den beiden südlichen Vierteln Bürgertum, Handwerk und Kleinhandel l. lnteressanterweise lebt diese Einteilung unter- schwellig bis heute fort; beispielsweise hat sich das patrizische Viertel mit dem Promenadeplatz als Mittelpunkt sehr konsequent in das örtliche 3 ßESTAND BLOCK 15 44 Zentrum der Großbanken und Konzernnieder- lassungen gewandelt, haben die Firmen die feu- dale Architekturtradition offensichtlich bewußt übernommen oder im Falle von Bombenschüden restauriert. Analoges ließe sich auch von den übrigen Altstadtvierteln sagen. Doch wirkt die Vierteleinteilung noch über das alte Weichbild Münchens hinaus, und zwar so, daß die jeweils angrenzenden Gebiete der Stadterweiterungen des 19. Jahrhunderts deutlich von den entspre- chenden Nutzungen der Altstadtviertel beein- flußt werden. Man könnte also zumindest der Tendenz nach von einer „sektoralen Ausstrah- lung" der Altstadtviertel auf die angrenzenden Quartiere sprechen, die von den Münchner Stadt- planern „lnnenstadtrandgebiete" genannt wer- den. Seit in Münchens Altstadt wie in anderen Städten der Druck zur Citybildung immer stärker wurde, zeichneten sich auch in den ieweils ent- sprechenden lnnenstadtrandgebieten gleichlau- fende Umschichtungen ab, allerdings von vorn- herein mit einer großen städtebaulichen Hypo- thek belastet: Während drastische Nutzungs- änderungen in der Altstadt oft auf denkmal- schützerische Einsprüche und den Widerstand zu 6 Recht lokalstolzer Bürger stießen (iede i Altstadt hat ia repräsentative Aufgabe: wirkt als ldentifikationsanreiz - „Wahrze funktion" - für die Bewohner aller Stud konnte indessen die gleiche Entwicklung i heutigen lnnenstadtrandgebieten lange ohne nennenswerten öffentlichen Wider verlaufen, wobei einige Faktoren zusai trafen; Erstens waren zumindest Teile der lnnei randgebiete nicht so stark von Luftangriffe stört worden, so daß geschlossene Baube: gemischter Nutzungen (allgemeine Wohng und Gewerbegebiete) aus der Gründerzeit kommen sind, Baubestände also, die schc kulturpsychologischen Gründen in der I lichkeit nicht als erhaltenswert galten. Zweitens war weiten Teilen der Öffentl gerade wegen ihrer Vorurteile und weg: oft unansehnlichen Zustandes der Bauter bewußt, welche Spekulationshöhen diesr trumsnahen Standorte im Grundstückmar reits erreicht hatten, welchen Investition also das Kapital - vornehmlich das übel nale Großkapital - auf diese Gebiete ai Eurwußr ßtocx 15