sowie Charles Ricketts (1866-1931) und Charles Shannon (1865-1937). Morris hatte 1891 in London-Hammersmith die Kelmscott-Press gegründet und damit das Zen- trum für seine neue Kunst geschaffen. Lucien Pissarro folgte 1894 mit seiner Eragny-Press in Epping-Essex und C. R. Ashbee 1898 mit der Essex-House-Press in Upton. Es ist nicht weiter erstaunlich, daß oll diese - von Anfang an internationalen! - Bestrebungen nach Organen suchten, die Möglichkeiten boten, regelmäßig an einen großen Leserkreis heran- treten zu können. In England waren die wich- tigsten dieser Zeitungsneugründungen: Hobby Horse (1884), The Dial (1889), The Studio (1893), The Savay (1896) (u. a. Beardsley, Crane, Voysey, Toorop, Khnopff); in Frankreich: La Revue Blan- che (1891), Art et Decoration und L'Art decoratif (1897); in Belgien: Van Nu En Straks (1893). An deutschen Zeitschriften sind zu nennen: Pan (1895 von O. J. Bierbaum u. a. gegründet), Insel (1899; Bierbaum, A. W. Heymel und R. A. Schrö- der), Jugend (1896; G. Hirth) und Simplicissimus (1896; A. Langen und Th. Th. Heine). Und in Wien erschienen Kunst und Kunsthandwerk und Ver Sacrum (1898; das Organ der Wiener Seces- sion, deren erster Präsident G. Klimt war). Die meisten dieser Zeitschriften konnten sich nur kurze Zeit halten, andere (z. B. „Jugend" und der Münchner „Simpl") hingegen paßten sich den jeweiligen Zeitströmungen mehr oder weni- ger an und hielten sich über Jahrzehnte. Als gutes Beispiel für die teilweise bis ins Abstruse gesteigerte Exklusivität einiger iener Künstler- kreise mögen hier Stefan Georges „Blätter für die Kunst" (1892) stehen, die - außer dem Mei- ster - nur ganz wenige Erwählte zu Gesicht be- kommen durften. Melchior Lechter illustrierte, F. Gundolf rührte die (wissenschaftlich gedeckte) Werbetrommel. Der anhaltende Erfolg, den der Jugendstil in der Malerei, der Graphik, dem Kunsthandwerk und Kunstgewerbe hat, ließ und laßt die Ger- manisten nicht ruhen. Unter Bezeichnungen wie der „Große Jugendstil" und ähnlichen Verball- hornungen wurde fast das gesamte literarische Schaffen iener Zeit eingruppiert. Eifriges Durch- forsten brachte gänzlich vergessene Poeten und Tagesliteraten zum Vorschein; vornehmlich die Trivialliteratur bot reiche Fangerträge. Ließ sich schon trotz aller Bemühungen (man wollte kei- nesfalls hinter den Bilanzen der Kunsthistoriker zurückstehen) wenig literarischer Jugendstil tin- den, so entdeckte man doch immerhin den Ju- gendstil in der Literatur. Keine Haarspalterei sollte betrieben werden; Vergleiche an Sprach- stil, Grammatik, Interpunktion, Themen-, Bilder- und Motivwahl lieferten und liefern immer neue Beweise. Und so konnte dem literarischen Im- pressionismus rund dem Frühexpressionismus ein Großteil an Boden abgewonnen werden. Hier seien nun einige Beispiele angeführt (in subiektiver Auswahl; eine vollständige Liste wä- re ebenso ermüdend wie umfangreich): „Der neue Idealismus drückt die neuen Menschen aus. Sie sind Nerven; das andere ist abgestor- ben, welk und dürr. Sie erleben nur mehr mit den Nerven, sie reagieren nur mehr von den Nerven aus... es ist ein geflügeltes, erdenbe- freites Steigen und Schweben in azurne Wollust, wenn die entzügelten Nerven träumen"? So treffend charakterisierte Hermann Bohr be- reits 1891 die kommende Epoche in seiner „Uber- windung des Naturalismus". Und in Richard Beer-Hofmanns „Der Tod Georgs" (1900) heißt es: „Wenn sie ihm eine Frucht bot, stieg ihr schlan- ker Arm aus einem Kelch zurückfallender brei- ter Spitzen; ihre schmalen, weißen Finger, die 58 aus ihrer Hand, wie zu einer Dolde sich ver- ästelnd, wuchsen, spreizten sich um die Frucht, die sie nicht umspannten. Ein nicht mehr ganz bewußtes Erinnern an vieles war dann in dieser Gebärde"." Das wohl bekannteste und vielleicht auch ein- drucksvollste Beispiel bietet Thomas Mann in seiner Novelle „Tristan" (1902). „Erinnern Sie sich des Gartens, mein Herr, des alten, verwucherten Gartens hinter dem grauen Patrizierhause? Das grüne Moos sproß in den Fugen der verwitterten Mauern, die seine ver- träumte Wildnis umschlossen. Erinnern Sie sich auch des Springbrunnens in seiner Mitte? Lila- farbene Lilien neigten sich über sein morsches Rund, und sein weißer Strahl plauderte geheim- nisvoll auf das zerklüftete Gestein hinab. Der Sommertag neigte sich. Sieben Jungfrauen saßen im Kreis um den Brun- nen; in das Haar der Siebenten aber, der Ersten, der Einen, schien die sinkende Sonne heimlich ein schimmerndes Abzeichen der Oberhoheit zu weben. Ihre Augen waren wie ängstliche Träume, und dennoch lächelten ihre klaren Lippen... Sie sangen. Sie hielten ihre schmalen Gesichter zur Höhe des Springstrahles emporgewandt, dorthin, wo er in müder und edler Rundung sich zum Falle neigte, und ihre leisen, hellen Stimmen umschwebten seinen schlanken Tanz. Vielleicht hielten sie ihre zarten Hände um ihre Knie ge- faltet, indes sie sangen . . Ja" Die perfekte Beschreibung eines Jugenstilbildes! Und zudem fühlte sich auch noch ein anderer Schriftsteller äußerst betroffen: Arthur Holitscher. Er, der bis zum „Tristan" mit Mann bekannt war, glaubte sich um ein Motiv bestohlen (aus seiner Erzählung „Die Fremden im Musee Wiertz") und fühlte sich außerdem noch in der Person des Herrn Spinell unangenehm karikiert. Neuerdings wird die Meinung vertreten, Thomas Mann habe Peter Altenberg, den Spitzenvertreter der Wie- ner Impressionismus-Literaten, in der Figur des Detlev Spinell porträtiert". Eine sehr schöne und sicherlich auch interessante Arbeit wäre es, einmal die europäische Jugend- stil-Buchillustration zusammenzustellen. Hier sei der Versuch einer vorläufigen Auswahl unter- nommen. Heinrich Vogeler und Emil Rudolf Weiss waren beide Maler und Graphiker. Sie illustrierten viele Jugendstil-Publikationen (Pan, Jugend, In- sel, Neue Rundschau und Bücher der Verlage S. Fischer und Eugen Diederich). Den Buch- schmuck für seinen einzigen Gedichtband „Dir" (1899) gestaltete Vogeler selbst. Von Weiss er- schienen „Die blassen Cantilenen" (1896) und die Erzählung „Elisabeth Eleanor" (1896). Carl Otto Czeschka entwarf den Buchschmuck für die Nacherzählung des Nibelungenliedes von Franz Keim. Das unerhört kostbar gestaltete Bändchen erschien kurz nach der Jahrhundert- wende im Wiener Verlag Gerlach und Wiedling, der durch seine herrlich illustrierten Märchen- und Jugendbücher bekannt wurde. Neben Czesch- ka sorgten noch Berthold Löffler, lgnatius Tasch- ner, Otto Tauschek, Franz Wacik und Moritz Jung für den Buchschmudr. Auch der 1899 gegründete „Wiener Verlag" (be- sonders mit seinen Sonderreihen „Bibliothek mo- derner deutscher Autoren" und „Bibliothek be- rühmter Autoren") und der Verlag der Wiener Graphischen Werkstätte bemühten, sich um ex- quisite Umschlagszeichnungen und Buchschmuck (z. 8.: Felix Dörmanns „Der Herr von Abadessa", illustriert von Emil Orlik; Hermann Bahrs „Der Franzl", illustriert van Orlik und Alfred Raller). Rudolf Löw illustrierte Carl Spittelers „lmago" (1907), Marcus Behmer Ernst Hardts „Tantris der Narr" (1920) und Heinrich Vogeler Hofmanns- thals „Der Kaiser und die Hexe" (1900 Oscar Wildes „Märchen"; Emil Rudolf besorgte den Buchschmuck für Bethges „l sische Flöte" (1910), Tiemann für Rilkes „Sti Buch" (1905) und Ehmke für Boccaccios Leben Dantes" (1909). Peter Behrens erl durch seine richtungweisenden Schriftty) im Auftrage der Gebrüder Klingspor r Übergang vorn freien Linienspiel zur fe Form. Eine Sensation waren kurz zuvc Schrifttypen Otto Eckmanns gewesen (BIN für Klingspor). Besonders berühmt - nebe nen Drucktypen und dem „Eckmann-Sch - wurde seine Titelseite für „Die Wach: der bekannten 7. Auch die „Handschrifter fan Georges erregten großes Aufsehen. D4 fluß des genialen Beordsley (1872-1898) neben Vogeler - auch auf Thomas Tl Heine spürbar, dessen Arbeiten plakativ-I turistisch-zeitkritisches Engagement zeigen. Thomas Theodor Heine, der wie alle ar vorwiegend in den einschlägigen Zeitsc veröffentlichte, illustrierte unter anderem „Münchner Scenen" (1900) von Frank Wec Eckmann Wilhelm Hegelers „Sonnige (1898); Behrens Otto Julius Bierbaums bunte Vogel" (1899), Lechter Maurice N lincks „Der Schatz der Armen" und die ' Georges „Das Jahr der Seele", „Teppic Lebens" und „Maximin"; Emil Rudolf Weis: den Buchschmuck für Rilkes „Geschichtei lieben Gott" (1900), Bierbaums „Gugeline" und Alfred Walters Heymels „Die Fischer" Vogeler für Ricarda Huchs „Vita somnium l (1903), Bierbaums „Neubestellter lrrgarte Liebe" (1906) und Gerhard Hauptmanns arme Heinrich"; Johann V. Cissarz Tsche Dramen (1902), van de Velde Nietzsches Homo" (1903), John Jack Vriesländer Tsche Werke (1901), W. Müller-Schoenefeld Bi „Das Liebesleben in der Natur" (1903); hard Pankok illustrierte den Katalog der I Weltausstellung 1900 und Ludwig Sütterl Anthologie „Graßstadt-Lyrik" (1900). Äuße tirisch behandelte Bierbaum diesen biblio Ästhetizismus in seinem „Prinz Kuckuck" (191 Ohne Antwort blieb bislang die Frage, ' der ornamental-florale und auch der sa funktionelle Jugendstil seit den frühen für Jahren wieder so unermüdlich blühen. mehr als zehn Jahre währte um die Jahrhi. wende eine Erscheinung, die dann enz als das Musterbeispiel für Kitsch abgesti worden zu sein schien, und nun ist sie ir Renaissance nicht nur für Wissenschaftler essant, sondern wird auch wieder von I Werbung und Industrie okkupiert. Und weltanschaulich finden sich - nicht etwa ge oder mühsam konstruierte - Parallelen. Bl kinder und Hippies mit ihrem Wunsch: nach friedlichem und freiem Zusammenlel: innern an die Sonnenwanderer eines Fidl schließlich auch an die Anfänge von Verb gen wie dem Wandervogel. Wieder nimrr zwar all die Ungerechtigkeit und das Sct che der Umwelt wahr, aber wieder feh aktive Engagement. So dominiert weiterhin eines iener Ursy des Jugendstils: der Springbrunnen. Nu kurze Zeit bleibt dem Wassertropfen wi seines herrlichen Bogens innerhalb der Fc Er erreicht den Kulminationspunkt, wird bricht seinen Flug ab und fällt zurück ins E Aber iahraus-iahrein - einmal ist das lnl größer, dann wieder geringer - erfrei Springstrahl den Zuschauenden: Kleinkind Greise. Ähnliches mag sich beim Jugendstil und a Betrachter begeben.