E?" im Herbert Pasiecznyk Maler mit Mahler Jeder Mensch trägt Konflikte mit sich und seiner Umwelt auf seine ihm eigene Art aus: Herbert Pasiecznyk malt Bilder. Indem er malt, klärt er seine persönlichen Konflikte (oder versucht zumindest eine Lösung dafür zu finden). Jedes Bild stellt einen neuen Anlauf, einen neuerlichen Versuch dar, eines Problems Herr zu werden, es in den Griff zu bekommen. Mehrere Anläufe machen einen Zyklus aus. (Pasiecznyk arbeitet vielfach zyklisch oder geht zumindest an ein Problemffhema mehrmals von verschiedenen SeitenlAspekten heran.) Gleichzeitig mit der Arbeit an einem Bild - während der sich das Bild ständig verändert - unterliegt auch das dem Bild zugrunde liegende Problem einer ständigen Veränderung, das heißt, es stellt sich ein- und dasselbe Problem für den Maler von Sekunde zu Sekunde aus ständig anderer, sich ständig verändernder Sicht. Meistens arbeitet Pasiecznyk bei Musik, meistens bei Musik von Gustav Mahler; die Musik scheint Pasiecznyk Unterstützung und Hilfe bei der Arbeit zu sein. Angste und Beklemmungen des Malers werden an dessen Bilder weitergegeben. Herbert Pasiecznyks antiseptische und keimfreie Bildwelt besteht aus VersatzstückeniGegenständen, die in einen meist kahlen Raum gestellt werden. Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Auswahl dieser VersatzstückelGegenstände, denn dadurch ist bereits zu einem wesentlichen Teil die Aussage eines Bildes festgelegt. Für den Betrachter sollen diese Gegenstände Fetisch- bzw. Symbalcharakter be- sitzen, ohne iedoch dabei Assoziationen zu wecken. Ein Schuhspanner zum Beispiel ruft beim Betrachter kaum irgendwelche Assoziationen oder Gefühle hervor; es handelt sich um einen „neutralen Gegenstand"; trotzdem oder gerade deshalb steht der Schuhspanner als symbolische Darstellungl Abbildung einer Person, eines bestimmten Menschen. Die Einflüsse des Surrealismus, z. B. eines de Chirico in dessen frühen Jahren oder von Konrad Klapheck, auf Herbert Pasiecznyk treten dabei deutlich zutage. Der Reiz und die Spannung der Pasiecznvkschen Bilder liegen in dem Kontrast, der sich ergibt durch die Wechselwirkung zwischen Flächen einerseits und verschiedenartigen Strukturen andererseits. Dadurch, daß Pasiecznyk nach Fertigstellung der Vorzeichnung - der meistens ein Raster zugrunde liegt - nichts mehr an der Komposition eines Bildes verändert, wirken seine Bilder derart beklemmend und statisch: keine Bewegung, kein Laut, sondern ein schweigender klinischer Raum, in dem sich ein Operationstisch, eine Nähmaschine und ein Regen- schirm zufällig treffen. „lch schiebe die Prothese des Kopfes, die Puppe vor, ich schiebe sie vor mich." Der Mensch wird zur Puppe, der Kopf wird zum Träger der Perücke. Die Puppe ist die Prothese des Menschen. Pasiecznyk schiebt in allen seinen Bildern etwas vor: Er gibt einem Gegenstand die Funktion eines anderen Gegenstandes und setzt diesen Gegenstand in einen Raum: Aufgabe eines Betrachters ist es nun, die abstrahierten SvmbolefGegenständefVersatzstücke zu „identifizieren" und sie in seine eigene Sprache zu „übersetzen"; nur so kann er Pasiecznyks Bilder verstehen. Manfred Chobot