I Aktuelles Kunstgeschehen I Österreich Wien Galerie Schottenring Hannes Haslecker. Ludwig Merwart Österreichs bildende Kunst wird im allgemeinen zu eng und einseitig gesehen. Ein Fixieren auf wenige Gruppen, populäre Namen und Stilrichtungen erweist sich dabei ebenso als Fehler wie ein falsches strukturelles Einengen, das schon längst nicht mehr den Gegebenheiten entspricht und die insgesamt feststellbare Dynamik der künstlerischen Gesamtentwicklung leugnet. Die beiden Künstler, die von der Galerie Schottenring der Ersten österreichischen Spar-Casse zum Auftakt der Saison 74l75 vorgestellt wurden, vertreten weder die modische noch die sonderlich gefragte Seite der Plastik und Malerei in unserem Land. Beide gelten auch bis zu einem gewissen Grad als Außenseiter. Sie zählen zur Generation über Fünfzig und können auf eine durch Haltung sich auszeichnende Geradlinigkeit und logische Fortentwicklung ihres Schaffens verweisen, um die sie nicht wenige ihrer prominenten Alters- genossen beneiden müßten. Die künstlerischen Steigerungen 'der letzten Jahre lassen es zu, daß man das Werk beider zumindest der vergleichbaren Spitze in Österreich eingliedert. Die Basis einer sinnvollen Vergleichbarkeit der gezeigten neuen Kollektionen wird durch das beiden Künstlern gemeinsame Bemühen um formale Reduktion, Ausgewogenheit und Materialadäquanz unter- strichen. Hasleckers Steine fungieren gleichsam als Ruhepole inmitten einer hektischen Umwelt. Sie sind Aufrufe zur Stille, haptisch und ästhetisch anspruchsvoll, überlegt gegliedert und bei aller Ausgewogenheit spannungsreich akzentuiert. Abstraktion steht hier für Wesentliches und Wesenhaftes, getragen durch die sensible Balance von Ahnung und Aussprechen. Ebenso wie der Oberösterreicher ist auch der Wiener Merwart ein Künstler der Stille, Ordnung und einer deutlich hervortretenden Harmonie. Sein geometrisch bestimmter Bildkosmos ist das Resultat einer überaus konsequenten Entwicklung, die, ausgehend vom Tachismus, über ein vergleichs- weise beruhigtes lnformel zur Abstraktion im Sinne des Konstruktivismus gelangte. Merwart unterstreicht innerhalb formaler Ordnungsprinzipien seine außerordentliche malerische Sensibilität. In seinen mit Hilfe von nahezu unbeschränkt variierbaren Elementplatten gedruckten Eisen- ätzungen treffen schöpferisches Vermögen und beherrschtes Handwerk kongenial aufeinander. (2. 10.-16. n. 19741- (Abb. 1,2) Museum des 20. Jahrhunderts Franz Ringel Seit längerem geplant, wurde die umfassende und beeindruckende Persanalausstellung des 1940 geborenen Grazers nunmehr mit voller Berechtigung verwirklicht. Was der vormals den „Wirklichkeiten" angehörende Künstler zeigte, war durch die Bank qualifätsvoll ausgewählt und auch im Verhältnis von großen zu kleineren und mittleren Formaten auf echte Steigerungen im Gesamtzusammenhang der Schau bedacht. Rein künstlerisch gesehen, lößt sich den existentiellen Gleichnissen dieses hart und offen agierenden Expressionisten auch von seiten der Interpretation nichts Neues hinzufügen. Was er zeigt, ist nun einmal nur eine Seite, nur eine Variante der Aufdeckung menschlicher Zustände und Ängste. Ringel stellt den Menschen als sexuelles Monster dar, als gleichsam unschuldig Schuldigen seiner ebenso zum „Normalen" wie zur „Perversion" neigenden Begierden und körperlichen Abhängigkeiten. So extrem auch für viele die schockierende Offenheit des Künstlers sein mag, sie ist wahr und berechtigt. Die Eigenwilligkeit und Kraft der bildnerischen Umsetzung gehen mit dem Anliegen konform und sichern Ringel seinen Stellenwert. Ob Ringel aus seiner gegenwärtigen Position heraus allerdings tragfähige Aspekte einer echten Aussageerweiterung (und Weiterentwicklung) gewinnen kann, sdneint iedoch zumindest momentan fraglich. (August-September 1974) - (Abb. 3) 66 Galerie Brandstätter Wolfgang Herzig Ulbilder, Gouachen und einige Zeichnungen aus den Jahren 1972 bis 1974 präsentierte die neuerdings sehr aktive Galerie. Ihr programmatischer Schwerpunkt liegt - erfreulicherweise - bei der iungen österreichischen Kunst, wobei man gegenstondsarientierte Maler und Graphiker bevorzugt. In penibler Malweise, mit Sinn für Humor und - erträglichem - Sarkasmus entwirft Herzig Szenen des heutigen Alltags. Er holt sidi seine Anregungen aus der nächsten Umgebung, aus der Gegend des Naschmarkts, dem Espresso „Girardi" und dem Gänsehäufel. Verglichen mit dem harten Analytiker Ringel, bleiben die Ambitionen seines Kollegen freilich eher amüsante Oberflächenschilderungen. (15. 10.-11. 11. 1974) - (Abb. 4) Galerie am Graben Schmuck aus Stahl Nach Kapfenberg, Nürnberg (Albrecht-Dürer- Gesellschaft) und Linz (Neue Galerie] landete die von Peter Skubic mit beträchtlichem Einsatz organisierte Wanderausstellung nunmehr in der attraktiven Wiener Galerie am Graben. Die Schau konfrantierte mit annähernd achtzig Beispielen aus Stahl und Edelstahl, den Ergebnissen eines Sympasions, das von Böhler, VUEST-Alpine und Sdioeller-Bleckmann, den führenden österreichischen Konzernen der stahlerzeugenden und werarbeiten- den Industrie, gesponsert wurde. 17 Designer aus sechs Nationen nahmen daran teil. Einer der wichtigsten Aspekte der Veranstaltung lag in der angestrebten Strukturerweiterung und infrage- stellung des Begriffes (und der bisherigen Resultate) „Schmuck". Die dem Experiment offenen Ergebnisse hinterließen einen befriedigenden Gesamteindruck. Sie stammten von den Holländern Emmy van Leersum und Giis Bakker, Anton Cepka (CSSR), Otto Künzli und Cornelia Rating (BRD), Helge Larsen (AUS), Elisabeth Räthlisberger (CH) und den Österreichern Brigitte Haubenhofer, Fritz Maierhofer, Gert Mosettig, Werner Schmeiser, Sepp Schmälzer, Peter Skubic, Leonhard Stramitz, Josef Symon sowie Waltrud und Arthur Viehböck. (23. 9.-12. 10. 1974) - (Abb. 5) Stadtmuseum Linz „lmage Linz" In einer begrüßenswerten und richtig durchdachten Aktion setzte sich der Kiwanis-Club der oberästerreichischen Landeshauptstadt diesmal für ein künstlerisches Anliegen ein. Der von ihm ausgeschriebene Wettbewerb „lmage Linz" hatte - bei Preisen von insgesamt 60.000 Schilling - eine Einreichung von 214 Exponaten von 111 Künstlern aus nahezu allen österreichischen Bundesländern zur Folge. Die überregionale Jury (sie traf auch die Auswahl der rund B0 Arbeiten für die Ausstellung) vergab die Preise an Franz Zadrazil (1. Preis zu 25.000 Schilling). Herbert Friedl (2. Preis zu 15.000 Schilling), Hans Werner Jascha (3. Preis zu 10.000 Schilling) und (vier gleichdotierte Preise zu (e 2500 Schilling) Wolfgang Denk, Peter Sengl, Johannes Wanke und Gerhard Weigl. In Anbetracht der engen thematischen Ausrichtung des Wettbewerbes darf das Ergebnis in seiner Spitze als überraschend gut bewertet werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Werke einiger nicht mit Preisen ausgezeichneter Künstler, unter ihnen Meina Schellander und Bertram Castell. (OktoberlNovembor 1974) - (Abb. 6-9). Peter Baum Salzburg Museumspavillon Herbert Boeckl In der vom Kulturamt der Stadt Salzburg veranstalteten Ausstellung wurde eine Auswahl von Boeckls Zeichnungen und Aquarellen gezeigt, die dann auch in Graz und Eisenstadt zu sehen sein wird. Hofrat Koschatzky hat in seiner Eröffnungs- ansprache darauf hingewiesen, daß es zwar Ablehnung aus Intoleranz und Unwissenheit woanders auch zur Genüge gäbe, „das Schlimmste aber ist die Gleichgültigkeit". Beispiel dafür möge der große Gobelin sein, den Boeckl auf Anregung Holzmeisters für das neue Salzburger Festspielhaus geschaffen hatte und der in einem dunklen kleinen Gang der Stunde seiner entsprechenden Anbringung horrt. (Abb. 10) Galerie Welz und Museum Carolino Augusteum Giacomo Manzü Nach den Präsentationen der Werke Manzüs bei Welz in den Jahren 1954,1955,1953, 1959,1960 und 1966 braucht man den „Hausitaliener der Salzburger" - so erst iüngst ein österreichisches Boulevardmagazin - hier wohl nicht mehr vorzustellen. Über Manzüs Tänzerinnen und Kardinäle, über seine Darstellungen glutvollen, sinnlichen Lebens wie über die Meditationen über das Jenseitige und die letzten Dinge des Seins, über sie mögen mißverstehende Fortschrittsfanatiker von erotischen Gefälligkeiten sprechen oder von katholischem Kitsch. Diese Vertreter eines schönheitstrunkenen Menschengeschlechts werden wohl bleibendes Zeugnis sein von einem arbeitsreichen Bildhauerleben. Ob man dies aber von Manzüs kunstgewerblichen Arbeiten - wie dem kleinen silbernen Sesselchen - auch sagen wird, bleibe dahingestellt. (Abb. 11) Galerie Pointner Franco Fonatti Die durch den Salzburger Architekten Alfred Pointner gegründete Ateliergalerie in der Nonntaler Hauptstraße 20 wird ihr Schwergewicht auf den Ausdrucksformen zeitgenössischer europäischer Architekten haben. Für den 32iährigen Architekten Franco Fonatti ist bauen heute nicht bauen mit dem Gedankengut van gestern, für ihn ist bauen heute bauen für die Zukunft. Man kann Fonattis Städteproiekte als gebaute Landschaft im wahrsten Sinne des Wortes bezeichnen. Als ge-baute Landschaft also, nidit als ver-baute. Gewiß steht Fonatti in der Tradition italienischer Architektur- visionen, auch seine Phantastik bleibt formulierbar, denkbar, klar. Für ihn sind, wie er selbst mitteilt, organische Wachstumsvorgänge, wie manche Vorgänge im Knochenbau, Ausgangspunkte grundsätzlicher Überlegungen. Kunstverein Traditionsgemäß veranstalten auch heuer die Internationale Sommerakademie für bildende Kunst und der Salzburger Kunstverein Ausstellungen von Werken iener Künstler, die 1974 zum ersten Male in Meisterklassen dieser Akademie unterrichteten. Francesco Somaini, 1926 in Lomazzo (Como) geboren, ist sich längst darüber im klaren, daß Bildhauerei und Architektur durch wechselseitige Beziehungen miteinander verbunden und nicht als einzelne „Kunstgattungen" getrennt aufzufassen sind. Somaini bewies mit den in dieser Ausstellung gezeigten Werken wie auch mit seinem 1972 erschienenen Buch „Urgenza nella citta" (Verlag Mazzotto, Mailand), daß die historische wie soziale Institution der Stadt nicht verfallen ist, daß die Stadt ein historisches Größenverhältnis bewahrt, wobei die Anteilnahme der Künstler nicht nur möglich, sondern dringend und notwendig ist. Das Interesse des 1924 in Trbovlie geborenen Malers Joie Ciuha galt sdton früh der Byzantinistik und den Kulturen des Ostens, auch buddhistischer Kunst und den indianischen Zivilisationen in Südamerika. Diese Vorliebe verbindet sich in Ciuha mit der Phantastik seiner Träume, mit Farben von großer und satter Schönheit; seine „lkonen" aus Costada und Surrealismus durchsetzen unsere Wirklichkeit mit eigenwilligen Visionen. Franz Wagner Maximilian von Mexiko Ausstellung auf Burg Hardegg - Mai bis November 1974 Johann Carl Fürst Khevenhüller-Metsch (1839-1905) hat in seinen Tagebüchern wertvolle Aufzeichnungen über seinen Dienst beim österreichischen