Ausführung dieses völlig einmaligen Gewölbes Pilgram persönlich zuzuschreiben, wie dies schon versucht wurde. . ." Es ist deshalb beinahe grotesk, wenn ein in der Planrißforschung noch kaum bekannter Rüdiger Becksmann in der sonst renommierten Kunst- chronik (u 1972, H. 6) in völliger Unkenntnis der tatsächlichen Entwicklung dieser Zusammenhän- ge über die Publikation des Verfasser (17 Die gotischen Planrisse..., a. a. O.) völlig unquali- fizierbare Behauptungen aufstellt (u „Eine be- denkliche Mißachtung wissenschaftlicher Auf- richtigkeit stellt schließlich die Behandlung der erstmals von F. W. Fischer zusammengestellten mittelrheinischen Gruppe dar. Eine beson- dere Problematik verbindet sich mit den vier Planrissen der Grabkapelle der Meisenheimer Schloßkirche... Var ihrer Identifizierung, die H. Koepf nun für sich in Anspruch nimmt, waren sie von B. Grimschitz Anton Pilgram zugewiesen worden . . ."). Rüdiger Becksmann dokumentiert seine Unerfah- renheit in der Planrißforschung durch die längst widerlegte Übernahme der Hypothese, die pfäl- zische Gruppe des Wiener Planschatzes sei erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts durch den Wiener Hofsteinmetzen Franz (II) Jäger nach Wien gebracht worden. Fischer hat die Tat- sache, daß die glanzvolle Maßwerkzeichnung der Mainzer Memorienpforte erst im 19. Jahr- hundert durch den Hofsteinmetzen Jäger in den Besitz der Wiener Akademie gelangte, zu der Hypothese ausgeweitet, daß dann auch die übrigen pfälzischen Bestände, vor allem die Mei- senheimer Gruppe, auf demselben Wege durch einen Zwischenträger nach Wien gelangt seien. Diese Hypothese ist leicht widerlegbar: 1 Auf der Rückseite des Risses Nr. 238 befindet sich eine Vorzeichnung des Chorpolygans von St. Stephan, wie der Verfasser erstmals feststel- len konnte. 2 Die lnventarnummer des Risses mit dem Maß- werk der Mainzer Memorie (Akademie 10.931) liegt völlig außerhalb des in sich völlig geschlos- senen lnventarnummernbündels (Akademie 16.816-17.094) der Wiener Planrisse, während die Meisenheimer Gruppe völlig in dieser Reihe integriert ist. 3 Die Meisenheimer Gruppe trägt den typischen Charakter eines „Lehrstückes" Wiener Prägung. Gerade bei den Wiener „Lehrstücken" ist aber wieder die Methode üblidi, daß einzelne Bau- teile aus didaktischen Gründen schraffiert wer- den. Dies konnte auch später geschehen, wenn ein Meisteranwärter ader ein Lehrmeister seine Präzisierungen auf vorhandenen Rissen eintrug. 4 Das Wasserzeichen 54 des Risses Nr. 238 gehört zu den häufigsten Wiener Wasserzeichen, die auf den Rissen vorkommen. Becksmann stockt nun auf eine falsche Hypo- these eine noch weit unrichtiger Annahme auf, wenn er schreibt: „Der Rez. (" Rezensent Becks- mann) hält es daher für wahrscheinlich, daß diese von Mißverständnissen nicht freien Zu- taten ("o gemeint ist die Schraffurl) von Franz Jäger stammen, der in diesem Falle ,verbessernd' in den Bestand eingegriffen hat." Die „Idee", daß der Sammler Jäger, der den Wert eines gotischen Planrisses sehr wohl zu schätzen wuß- te, nachträglich -nach in gotischen Originalen herumgekratzt haben soll, um diese zu „ver- bessern" (genauer gesagt: zu entwerten!), ist so absurd, daß sich iede Debatte darüber erübrigt. Übrigens ist die eindeutig geklärte Frage der Priorität bei der Zuschreibung des Meisenheimer Gewölbes ein für die Planrißforschung sekun- däres Problem. Wichtiger ist vielmehr, ob die Meisenheimer Gruppe auf den Zeidiner Pilgram zurückgehe. Die Idee dieser Komposition wäre 14 wohl eines Pilgram würdig. Fisdier hat diese Frage nicht gelöst, als er von Pilgram wieder abrückte und einen durch sonstige große Lei- stungen bis zu diesem Zeitpunkt nicht hervor- getretenen Meister Philipp, gen. Hühnermenger, ins Spiel bringen wollte. Die Problemstellung liegt hier ähnlich wie in Wimpfen, wo Bernhard Sparer das interessante Kurvaturengewölbe der Stadtkirche zwar gebaut, aber sicher nicht entworfen hat und wie in Schorndorf mit seinem höchst originellen Kurvaturengewölbe, das im Repertoire der „Uracher Meister" ebenfalls nicht unterzubringen geht. Über den Planverfasser des Meisenheimer Gewölbes können wir also nur aussagen, daß er mit Sicherheit nicht zu bestim- men geht. Sicher aber wurde das Meisenheimer Gewölbe an der Bauhütte von St. Stephan eifrig studiert, wie die vier erhaltenen Risse be-. weisen. Ähnlich verhält es sich auch mit dem Schor-ndorfer Riß und indirekt auch mit dem Wimpfener Kurvaturengewälbe, von dem zwar kein Riß in den Wiener Sammlungen existiert. Dagegen war die Verbindung eines starren Randrippensystems mit Kurvaturen, wie wir sie in Wimpfen finden, in der Zeit um 1500 in Wien ein Zentralthema der Meisterschüler und Meister- anwärter (i" vergl. Hans Koepf, Die gotischen Planrisse..., a. a. O., VI Kurvaturen und zwei- schichtige Gewölbe, S. 22 ff.). Bei den vier Blättern mit dem Gewölbe von Meisenheim handelt es sich um einen Lehrgang, bei dem ein (oder mehrere?) Meisterschüler den überaus schwierigen Versuch wagten, eines der kompliziertesten Kurvaturengewölbe mit zwei Rippenschichten, das diese(r) noch nie in natura gesehen hatten, zeichentechnisch darzustellen. Die Zeichnung auf Riß Nr. 147 scheint der erste Versuch gewesen zu sein, bei dem schwerpunkt- mäßig nur die Kurvaturen der oberen (höhe- ren) Schicht mit voller Rippenstärke, aber ohne Maßwerk, durchgezeichnet wurden. Den zwei- ten Versuch stellt Riß Nr. 253 dar, bei dem beide Hähenschichten skizzenmäßig vorgezeich- net sind und partiell sogar versucht wurde, die Rippenstärke durch drei Striche wiederzugeben. Riß Nr. 238 zeigt das vollständig durchgezeich- nete Rippensystem ahne Maßwerk, wobei aller- dings die beiden Systeme derartig unklar durch- einandergeraten sind,wie wir dies bereits bei den in verschiedenen Höhen liegenden Durchsteck- rippen bei den Orgelfußrippen sehen können. Das letzte und am weitesten perfektionierte Blatt in dieser Reihe ist der Riß Nr. 68. Zeichen- technisch ist dieser Riß insofern aufschlußreidi, als das gesamte zweischichtige System als Gan- zes in einem Arbeitsgang aufgetragen wurde, obwohl es doch sinnvoller gewesen wäre, zu- nächst die untere (tieferliegende) und erst da- nach die obere (höherliegende) Ebene aufzu- zeichnen. Die Folge der gleichzeitigen Auftra- gung war eine vollkommene Verwirrung an den Knotenpunkten, an denen sich höher- und tiefer- liegende Rippen überkreuzen. Dabei kann es vorkommen, daß einander genau entsprechende (symmetrische) Knotenpunkte durchaus verschie- denartig gezeichnet sind. So wird die Tatsache verständlich, daß eine Schichtebene durch alter- nierende Schwarz-Weiß-Schraffuren besonders hervorgehoben und gegen die andere abge- grenzt werden sollte. Der Zeichner entschied sich dabei aus sehr einleuchtenden Gründen für die unter Ebene mit den sich am Auflager überkreuzenden Kurvaturen. In der rechten Raute zwischen den durdi Kreise markierten Schluß- steinsdteiben geriet er dann aber infolge der unklaren Zeidinung der Knotenpunkte prompt in die beiden Fischblasen der oberen Ebene. So war der ganze zeichentechnisch-didaktische Ef- fekt gescheitert, weshalb die Zeichnung auch aufgegeben werden mußte. Bei der nacl chen Präzisierung wurde auch ein Schlußs eine bereits schematisch als Kreis beze Schlußsteinscheibe als DreipaB ElTtZUlFGQl sucht, was aber ziemlich kläglich gescheit Dieser Schlußstein mußte dann außerha Gewölbefeldes in vierfacher Vergrößeru neut richtig dargestellt werden. Nach der vorliegenden Analyse gibt uns dieser Riß Nr. 68 ziemlich viele Rätsel au delt es sich bei ihm um das Schlußei einer immer mehr perfektionierten Serie e desselben Schülers oder um die beste einer Aufgabe durch verschiedene Ze Wurde das relativ gutvorgezeichnete Blat von einem Lehrmeister (P1?) vorgezeichn erst später durch Schraffur und einen mit nen Dreipaß „bereichert" und damit verd Die spätere Korrektur mit dem größer g neten Schlußstein ist aber wieder fast ausgefallen und dürfte von derselben stammen, die das Grundgeriist des Blatti gezeichnet hat. Also keine SchüIer-„Strafc sondern eine Meistervorzeichnung! Zusammenfassung: Nachdem sich der Ausgangspunkt der Ko tion des Planzeichners Anton Pilgram Nr. 40, Nr. 41 und Nr. 170) als gegenstr herausgestellt hat, die Risse Nr. 40 und typische Wiener „Lehrstücke" sind, währe Nr. 170 fraglos eine Zeichnung des ' Theoretikers und Lehrmeisters P1 ist, de den in Ulm entdeckten und 1525 datiert des Wiener Orgelfußes gezeichnet hat, Hypothese von Bruno Grimschitz, daß 91 des Wiener Planschatzes auf Anton Pilgri rückgehen sollen, nicht länger aufrechtzuer Ebenso ist die Hypothese von Friedhelr helm Fischer, daß eine wichtige Gruppi zischer Risse erst durch Vermittlung des i Hofsteinmetzen Franz (ll) Jäger im 19. Jc dert nach Wien gelangt sein sollte, nacl genauen Analyse des Meisenheimer Sekti solut unhaltbar geworden. (12 Auch der : Vermerk „J'äger" auf der Rückseite des menthausrisses Nr. 15 ist kein Gegenbew gerade dieses Blatt mit dem in Wien häu Wasserzeichen 54 eine Zeichentechnik Ol die auch auf anderen Wiener Rissen vorki Immer mehr in den Vordergrund schiel dagegen die Persönlichkeit des Meisti („Schlaufenmeister" mit Rötelkorrekturen ohne Zweifel ein Gelenk zu der in Wi berg arbeitenden pfälzischen Gruppe Eine direkte Querverbindung des Meist zur Pfalz ist hingegen nicht feststellbar wenn er in Wien vielleicht die Meisen Risse durch Schüler bearbeiten ließ. Diese ster P1 ist aber ohne Zweifel der fü Architekturthearetiker Wiens in der Z4 1520. In welcher Beziehung er zu Anton F stand, ist heute noch völlig ungeklärt. ( die Aufhellung dieser Frage ist nach de liegenden neuen Erkenntnissen zu eine wichtigsten Anliegen für die künftige Far geworden. Es ist das große Verdienst von Bruno Grin den Bestand der Wiener Planrisse aus d um 1500 erstmals publiziert und beschriel haben, wobei retrospeiktiv der Name F nur den Kristallisationskern abgab. Ohne Pionierarbeit wären die vorliegenden PI rungen und Klarstellungen unmöglich ge III Unser Autor: o. Prof. Dr.-Ing. Oberbaurat a. D. Hans Kt Vorstand des Instituts für Baukunst und Bauaufnahmen der Technischen Hochschuli A-1040 Wien, Karlsplatz 13