räumlichen Lösung bei Familienhäusern verwen- dete Loos zum erstenmal bei dem Umbau des Hauses Mandl in Wien 1914; er fährt dann - immer kühner und mutiger in der Konzeption und in der Beherrschung des Raumes - mit dem Umbau des Hauses Strasser 1919 fort, weiter mit dem Haus Ruffer in Wien 1923 mit einer Tragsäule, dann mit dem Haus Tzara in Paris 1926 mit zwei Säulen und schließlich mit dem Haus Müller in Prag mit vier Säulen. Auch dieses Holzhaus ist räumlich gestaltet, al- lerdings mit Mitteln, die seiner kleinen bebauten Fläche von 70 Quadratmetern entsprechen. Das ist ungefähr die Grenze der räumlichen Lösung eines kleineren Familienhauses, van dem man sagen kann, daß es alles enthält. Kleinere Woh- nungen, z. B. Arbeiterwohnungen, gestaltete Loos gewöhnlich in offenen Terrassenblocks mit normalen Stockwerkebenen oder brachte die Wohneinheit um das Treppenhaus herum unter und gestaltet den Raum in iedem Einzelzimmer mittels Schränke und anderer eingebauten Mö- bel. Loos empfahl das Haus aus Holz wegen seines billigen Preises (Ersparnis etwa 20 Pro- zent) und hauptsächlich wegen des angenehmen Wohnens. Bei einer richtigen Konstruktion ist ein Holzhaus im Winter wärmer als ein Steinhaus, und im Sommer hat es kühlere Temperatur als die Außenluft. Dieses Haus kommt von der Konstruktion her von dem amerikanischen Haus. Das Gerüst bil- den voneinander nicht weit entfernte Balken, die entweder von beiden Seiten mit Holzbrettern beschlagen sind oder durch verputztes Sperr- holz verbunden werden; beide Systeme können auch kombiniert werden und mit entsprechender Wärmeisolation versehen seinf. Die Feuerfestig- keit ist fast dieselbe wie bei einem Steinhaus mit Holzdecken. Die Fundamente sind gemauert und die Kellerräume und Decken über dem Kel- ler aus Beton, die übrigen Decken aus Holz- balken, die Schiebefenster aus Holz, mit Rück- sicht auf kleine Räume entweder vertikal - ame- rikanisch, oder horizontal - indisch, also von zwei Typen ie nach dem Charakter des Raumes. Die innere Tür ist aus Sperrholz im französi- schen Holzfutter von einem Typus, die äußere Tür ist aus Sperrholz, teilweise verglast, von zwei Typen. Der Plan erklärt das Wohnen in diesem Haus in mehreren Ebenen. Den Eingang führt Loos durch eine Türnische in eine weißlackierte Vorhalle mit roten Matten, an die rechts eine Garderobe mit Toilette anschließt, links eine minimale läng- liche Küche amerikanischen Typs mit einem Eis- schrank, einem Wasch- und Arbeitstisch mit Auf- satz fürs Geschirr und einem elektrischen Herd. Aus der Küche führt ein Zugang in den iKeller mit einer elektrisch eingerichteten Waschküche und einem Kesselraum für Warmluftheizung; außerdem befinden sich im Souterrain ein Raum für Kohle, ein Raum für Lebensmittel und eine Kammer. Das Vorzimmer mit dem Zubehör und die Küche bilden die erste Ebene. Einige Schrägstufen führen auf das zweite Ni- veau des Wohnzimmers, das durch die erhöhte dritte Ebene des Speiseraumes erweitert wird. Die Schrägstufen, eigentlich kleine Podeste, die zum Wohnzimmer führen, verlängern den Ein- gang und verhindern den Eindruck, daß man durdw die Haustür herein- und im Passieren des Vorzimmers durch die große Falttür wieder hin- ausgeführt wird. Außerdem kontrastiert der ver- engte und erniedrigte Raum um die schrägen Stufen herum mit dem Raum des Wohnzimmers und vervielfacht ihn. Die zweite Ebene, das Wohnzimmer, mißt 35 Quadratmeter bei verhältnismäßig kleiner Höhe von 2,70 Meter, die ihm eine angenehme Ge- 32 räumigkeit desto mehr verleiht, da die Decken- balken sichtbar bleiben und mit Eichenfurnier getäfelt sind. Ähnlich sind auch die Wände des Wohnzimmers mit Eichensperrholz mit sichtba- ren Nadelknöpfen aus Messing getäfelt, und zwar direkt auf die Balken der Konstruktion. Der linke Teil des Wahnraumes in der Nähe des Treppenarmes ist mit einem kleinen Tisch mit einigen sehr kleinen, aber bequemen Sesseln des englischen Typs ausgestattet, die Loos erprobt hatte und die er immer wieder zu kopieren nicht zögerte. Loos hatte eine instinktive Aversion ge- gen Stahlstühle mit Gurten und hat nur selten selbst Stühle oder Sessel entworfen. Der rechte Teil des Wahnraumes hat einen gemauerten Kamin für die Beheizung des Hauses in der Übergangszeit; um den Kamin herum sind einige größere Sitzgelegenheiten verteilt. Die längliche Seite des Wahnraumes hat eine breite Falttür, die das Haus angenehm mit dem Garten verbin- det und den Wohnraum vergrößert. Die dritte Ebene, die „Eßebene", verbreitert das Wohnzim- mer oder wird von ihm verbreitert und kann bei ihren kleinen Dimensionen einen Rundtisch mit acht bequemen Thonet-Stühlen fassen. Über dem Vorbereitungstisch an der Eingangsseite des Hauses hat die Eßebene ein doppeltes Schiebe- fenster für Blumen. Die Höhe des Eßzimmers ist durch Einschieben von drei Stufen zwischen die EB- und Wohnebene geringer als die des Wohn- zimmers, angemessen der Fläche des Bodens. Der Sinn für Dimension war bei Loos erstaun- lich; es gibt wenige Zeitgenossen, die ihm gleich- kommen (Wright). Er diktierte mit absoluter Si- cherheit die Maße der Räume und Möbel auf Millimeter genau und unfehlbar in seinen Plä- nen, daher diese eindrucksvolle Geschlossenheit und das Gleichgewicht seiner Räume. Wenn man behauptet, daß den Houpteindruck des Werkes von Loos das edle Material ausmacht, tut man ihm Unrecht; er arbeitete ausgezeich- net genauso mit Marmor wie mit Tapete oder mit einer Strohmatte. Er liebte den Wechsel und den Kontrast selbst billigen Materials und un- gebrochene Kontrastfarben. Durch die Verbin- dung des Wohn- und Eßraumes über den Trep- penarm in die Ebene des Arbeitszimmer, die schrägen Eingangsstufen, über denen das kleine Fenster die Verbindung mit der Küche vermit- telt, erreichte Loos das räumliche Ganze, das durch seine Geräumigkeit und Geschlossenheit überrascht. Es nimmt ganze 70 Prozent der be- bauten Haustläche ein. Der ,Raumplan' bietet eine Anzahl von Ver- änderungen im Wohnen bei ungewöhnlicher Übersichtlichkeit der Wohnung und bei optischer Isolierung der einzelnen miteinander verbunde- nen Räume. Man hat eingewendet, daß Loos bei seinen Raumlösungen in Ornamente und Kün- stelei abschweife. Was mich betrifft, sehe ich in seinen Lösungen keine Ornamente. Loos brach ab und zu scheinbar gewaltsam die Wände, Pfeiler u. ä., aber immer nur aus praktischen Gründen oder optisch, um zu isolieren. Man sollte sich für alle Mal darüber im klaren sei-n: Loos war nicht gegen das Ornament im allge- meinen; er eiferte ausschließlich gegen Orna- mente an Gegenständen des täglichen Ge- brauchs; anderswo ließ er sie zu, jedenfalls so- weit sie dem klassischen Formenapparat zuge- härten. Den Eingang zu der vierten Ebene, dem Arbeits- zimmer, bilden neun Stufen mit einem Podest. Sie bilden zugleich einen Teil der Treppe zu den Schlafzimmern. Das Arbeitszimmer - die Biblio- thek - ist ein in sich geschlossener Raum, in schwarzem und rotem Lack mit silberner Tapete gedacht. Außer Schränken oder offenen Bücher- regalen enthält es einen Schreibtisch und ein Sofa. Die Fenster sind horizontal verschiebbi indisch. Auch in der Lösung kleinerer Räume Loos unübertrefflich; er sagte, daß er aus l nen Räumen große mache - und sehr oft w: es sehr einfache Mittel: Politur, Dukolark, i hauptsächlich vollkommene Proportionen. Von dem Podest vor der Bibliothek führen tere neun Treppen zu dem fünften Nivea den Schlafzimmern. Es ist zu beachten, Laos - aus psychologischen Gründen (Sicherl - nie mehr als zwölf Stufen ohne Unterbrect anardnete. Die Schlafzimmer sind eingerir für fünf bis sechs Personen; zwei haben Zug zum Balkon. Ein Schlafzimmer ist in poliei Eichenholz und mit hellblauem Anstrich; Wä und Möbel der beiden anderen sind in versr denforbigem Lack gehalten. Die Schlafzimi einrichtung besteht aus niedrigen Betten Nachttischen und eingebauten Schränken, dem Raum sein Gepräge geben. ln der let: sechsten Ebene liegt das Bad. Von ihr aus k man eventuell das siebte Niveau - die D terrasse - durch das in die Decke einschiebl Treppchen erreichen. Die Hausfassade hat einen Ziegelsockel mit gen,- horizontale Brettchen der Verschalung mit grüner Ölfarbe gestrichen, Fenster und l sterrahmen weiß. Bei der Lösung kam Loos dem Inneren nach außen ahne besondere fekte; nur die Nische mit der Eingangstür s einen bestimmten Akzent. Der Garten ist gi det durch erhöhte Beete; Blumen sollen in Rc weite wachsen. Es überrascht, wieviel das hier beschrieb Haus bei seiner bebauten Fläche und R4 durch sinnvolle Gruppierung einzelner Ebe und harmonisch dimensionierter Räume entl Das ist sicher ein besonderes Verdienst Adolf Loos. lch glaube, daß dieses letzte H auf dessen Ausführung Loos ungeduldig - a dings, wie auch bei mehreren früheren Pra ten, vergeblich - wartete, lange Zeit varbilc sein wird." Anmerkung 2 lEs handelt sich um das bekannte amerikanische System 4 „x A". Ü Unser Autor: Dr. Jitka Klingenberg-Helfert Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München Meiserstraße 10 8 München 2