I Aktuelles Kunstgeschehen I Österreich Wien Galerie Ulysses Eröffnun sausstellung Paul Jen ins Wiens wenige bemerkenswerten Galerien für moderne Kunst haben einen ernst zu nehmenden Konkurrenten hinzubekommen: John Sailer, bislang Kunstfreund und Sammler aus Passion, eröffnete im Hof der Bundestheaterkassen, Goethegasse 1, ein aus einer Garage umgebautes Ausstellungslokal mit dem gleichermaßen klang- wie anspruchsvollen Namen „Ulysses". Wie die Eröffnungsschau deutlich unterstrich, will sich Sailer nicht zuletzt um eine kunsthändlerische Renaissance der ursprünglich der Galerie St. Stephan zugehörenden Maler Mikl, Hollegha und Prachensky bemühen. Da er zugleich sein Augenmerk auch vergleichbaren jüngeren Usterreichern zuwendet (u. a. Friedrich Panzer und Gottfried Maierwöger), var allem iedoch internationale Kontakte zu führenden amerikanischen und englischen Galerien aufgenommen hat, deren Programm durchwegs den neueren Tendenzen der Abstraktion gilt, darf eine gewisse Durchschlagskraft auf dem für die reine Abstraktion besonders harten Wiener Boden erwartet werden. Nach dem qualitätsvoll gemixten Cocktail zur Lokaleröffnung präsentierte Sailer in seiner ersten One-Man-Show den Amerikaner Paul Jenkins. Dessen handwerklich brillante, malerisch weiche Aquarelle transparent ineinander- fließender Formen erwiesen sich in ihrer anspruchsvollen Dekorativität dann auch als günstiger Start zu akzeptablen Preisen. (OktoberlNovember bzw. NovemberlDezember 1974) - (Abb. 1) Secession Neue Mit lieder: Ferdinan Stransky, Daniel Eckert, Ernst Zd ra hal Mit der Aufnahme von neun durchwegs iüngeren Malern, Plastikern, Graphikern und Obiektebauern hat die Secession für Blutauffrischung und sinnvolle künstlerische Ergänzung in den eigenen Reihen gesorgt. Wenn auch noch lange nicht alles zum besten steht, um der Zukunft sorglos entgegenzusehen, sa zeichnet sich dach eine immer stärker werdende Phalanx iener ernsthaft Bemühten ab, die Österreichs traditionsreichste Künstler- vereinigung samt ihrem zentral gelegenen Ausstellungslokal nicht zum permanenten Spielball rein persönlicher Interessen und tagespolitischer Opportunitäten degradieren. Von der Wiener Presse alles eher denn optimal unterstützt (der Gegen- secession widmet man jedenfalls mehr Aufmerk- samkeit), stellten sich die neuen Mitglieder in einer bemerkenswerten Gruppenschau dem Publikum: Christa Hauer, Cornelius Kolig (mit neuen Plexiglas- Stahl-Obiekten und Skizzen), Karl Korab, Richard Kriesche, Jürgen Messensee (darunter zwei gelungene Großformate), Gerhard Moswitzer, die sehr konsequent fortschreitende Meina Schellander (Obiekte und Zeichnungen), das Ehepaar Jörg Schwarzenberger und Renate Kretschmar sowie der seit längerem in Wien lebende tschechische Plastiker Zbynek Sekal (kleinformatige Reliefs mit sensibel gesetzten Strukturen aus Holz und Metall). Professor Ferdinand Stransky zählt zu den bemerkenswertesten und konsequentesten österreichischen Vertretern eines in unsere Zeit durchaus legitim übergeleiteten Spätexpressianismus. Nicht zu Unrecht fühlt er sich selbst als Fortsetzer der Tradition eines Gerstl, Kokosrhka und Boedd, und nicht zu Unrecht wurde dem heuer Siebzig- iöhrigen eine große, umfassende Retrospektive gewährt, die die Bedeutung seines Gesamtwerkes in großen Bildern einer kraftvollen, hart kämpfenden, doch bewußt zupackenden, pastosen Malweise ebenso unterstrich wie im aufbauenden Strich seiner gut beobachteten Architekturen und Akte. Ein repräsentativer Katalog mit einem lesenswerten Text Krislian Sotriffers begleitete die auf weiten Strecken überaus qualitätsvolle, einem Bekenntnis zur reinen Malerei geltende Schau. 38 In den kleineren Secessionsräumlichkeiten begegnete man zur selben Zeit den ungestüm-expressiven, mitunter bedrohlich wirkenden Mischtechniken des iungen Daniel Edrert (Jahrgang 1961) sowie neuen Malereien und Collagen des Wieners Ernst Zdrahal im Stile eines sehr plakativen, popähnlichen Realismus. (14.-31. 10. bzw. 15.-24. 11. 1974) - (Abb. 2) Galerie Gras Adolf Frohner - „Körperrituale" Eine informative, kleinere Schau älterer Material- bilder und neuerer Malereien und Zeichnungen aus Anlaß der Präsentation des bei „Jugend und Volk" erschienenen Bildbandes „Körperrituale". Das in insgesamt drei verschiedenen Ausgaben erschienene Werk gibt in der Gegenüberstellung zeitbezogener Fotodokumentation von Alltags- phänomenen und künstlerischer Werke ein reich strukturiertes, aktuelles Anschauungsmaterial, das in seinen hochinteressanten Zusammenhängen durch kluge Texte des Kunstsoziolagen Peter Gorsen und Erfahrungen Frohners adäquat ergänzt wird. Den bebilderten (Iuvrekatalog stellte Manfred Chobot zusammen. Preis der Normalausgabe: 980 Schilling. (NovemberlDezember 1974) - (Abb. 3) Galerie Stubenbastei Heinz Stangl Stangls erotisch inspirierter, vor allem in der Zeichnung geglückt umgesetzter, feinnerviger Realismus bewahrt seine unverkennbare Poesie und Eigenart. Das ist das knapp formulierte Fazit einer Schau, die wiederholt Fortschritte einer sehr persönlich ausgeprägten Möglidikeit, Erotisches ins Bild umzusetzen, erkennen ließ. (19. 11.-7. 12. 1974) - (Abb. 4) Galerie Basilisk Doris Reitter, Rudolf Moratti Eine Doppelschau, die in geglückter Gegenüber- stellung neueste Arbeiten der iungen steirischen Malerin und des gleichfalls der Generation um dreißig angehörigen oberösterreichischen Bildhauers vereinte. Die Reduktion, der sich Doris Reitter in ihren penibel gemalten Realitätsausschnitten bedient, besitzt im malerialodäquaten Kontrast der wuchtig umgesetzten Holz-Seil-Skulpturen von Moratti nicht nur ein inhaltlich, sondern auch in seiner herben Ästhetik vergleichbares Gegenstück. (SeptemberlOktober 1974) - (Abb. 5, 6) Galerie Schottenring Robert Adrian Der seit 1959 in Österreich lebende Kanadier (Jahrgang 1935) zählt zu den wenigen in unserem Lande, die die künstlerischen Möglichkeiten der reinen Abstraktion mit äußerster Konsequenz - vergleichbar den iüngsten amerikanischen Tendenzen - wahrnimmt. Anhand großformatiger, überlegt gemalter Acryltafeln dokumentierte die Schau Arbeiten der letzten beiden Jahre. Eine Ausstellung, die dem Anliegen Adrians durch ihre großzügige, klare Höngung und neutrale Repräsentanz besonders entgeenkam. (20. 11.-21. 12. 1974) - (Abb. 7) Galerie Pabst Max Oppenheimer Ulbilder und Graphik (vorwiegend Radierungen) des dem Kreis um Schiele und Kokoschka zugehörigen österreichischen Expressionisten (geboren 1885 in Wien, gestorben 1954 in New York). Eine verdienst- volle, von einem gewissenhaft erstellten Katalog begleitete Schau im Sinne notwendigen Nachholbedarfes. (20. 9.-31. 10. 1974) - (Abb. B) Galerie Grünongergasse Walter Pichler Es ist selten, daß in Wien von einer Ausstellung „gesprochen wird". Bei der - übrigens ausverkauften - Präsentation der sechzig neuen Zeichnungen Walter Pichlers war dies der Fall. Pichlers wiederholt mit Erdforben bereicherte Zeichnungen lassen sich in ihrer inneren Logik, in ihrer Poesie und ihrem verschlüsselten Beziehungsreichtum mit kurzen Worten nicht abtun. Es sind meisterhaft formulierte Bekenntnisse einer „individuellen Mythologie", die zumeist über die ideale Balance von Aussprecher und Zurückhalten verfügen und gerade darin die intellektuelle Sensibilität ihres Urhebers adäquat widerspiegeln. (7. 11.-14. 12. 1974) - (Abb. 9) Galerie Spectrum Gottfried Helnwein Eine harte Show des einem illustrativen Journalismus nicht abgeneigten, zweifellos vor allem als Zeichner begabten Wieners. Helnweins realistische Kinderbilder und Greueltaten gehen unter die Haut, da die Effekte gut sitzen. Mit dem für beständigere Kunst essentiellen Mehr hat der ehemalige Hausner-Schüler freilich gleich vielen anderen weiter zu kämpfen. (NovemberlDezember 1974) - (Abb. 10) Peter Baum Künstlerhaus Graphik - Kleinplastik Es ist die zweite Ausstellung unter einem neuen Leiter, und zeigte die erste einen sehr hoffnungs- vollen Auftakt, so ist diese eher wieder ein Schritt zum alten Mischmasch. im Hauptsaal ist noch die erfrischende Einheit und qualitätsvolle Zusammen- stellung annähernd bewahrt. Zu erwähnen Wolfgang Haidinger und Roland Berger mit ihren Plastiken, vor allem aber Gotthard Muhrs und Sigi Schenks Graphiken, ebenso die im linken Nebensaal placierten Graphiken der E. Retter-Peters und die ausgezeichneten Blätter Bernhard Hollemanns. Wer aber kam auf die Idee, die T. Alberti de Poia in diesem Kreis zu zeigen? Wo, so fragt man sich, ist der Krenn der vergangenen Jahre? Da geht man gerne hinüber in die. . . Künstlerhausgalerie Erich Steininger zeigt Holzschnitte und Lithographien. Seine großen, kraftvollen Schwarzweißschnitte haben nichts von ihrer starken Aussage verloren. Sie sind etwas heller geworden, das Schwarz wurde etwas zurückgedrängt, das Bedrohliche wird darum aber nicht geringer. Steininger stellt auch eine große Anzahl Lithographien und dabei erstmals auch farbige aus. Auch hier sind seine Formate groß, und es scheint sich ihm ein weit rüumlicheres Sehen zu erschließen, der feine Strich kommt deutlicher als im Holz heraus. Wir glauben, in dieser Technik noch vieles van ihm erwqrten zu dürfen. (29.1l.1974-15. 1.1975)-(Abb. 11,12) Galerie in der Blutgasse Erich Buchegger Der Linzer Künstler zeigte 14 Ülbilder. Er geht von einer konstruktiven Richtung aus, auch Mondrian wird bei ihm immer zitiert. Seine Arbeiten werden, wie in dieser Ausstellung ersichtlich, langsam gegenständlicher. Waren noch vor Jahren die Farben allein flächengestaltend, so gewinnen die Bilder nun räumliche Tiefe. Es sind unbestimmte und unbestimmbare Räume, denen wir hier gegen. überstehen. Die Gegenstände sind geometrische Körper in freien, man möchte sagen schwerelosen Lagen. Eine Hinneigung zu einer surreolen Sinngebung ist aufzuspüren. Ein Titel wie „Durch- dringung" scheint uns bezeichnend. Die Farben sind durchwegs satt und ruhig. Ausgeglichene Bilder ohne Hektik, die aber nicht spannungslos und langweilig wirken. (25. 11.-14. 12. 1974) Galerie Basilisk Bilder zur neuen österreichischen Literatur Mit dieser, der 150., Ausstellung der Galerie, die auch in die Bundesländer gehen soll, wird versucht, eine nähere Beziehung der verschiedenen Künstler zueinander, aber auch zwischen den verschiedenen „Kunstkonsumenten" herzustellen.