also ein „5pinner"! Das Einzelwort tritt dann in den Zusammenhang der Redewendung. Etwa: man ist kurz angebunden! Man hält die Fäden in der Hand! Man ist in Gedanken verstrickt! Es gibt das „Gewebe der Tage", es geht ein „roter Faden" durch die Geschichte, man ist „gesell- schaftlichen Fallstricken" ausgesetzt. Und auch: sein „Schicksal hängt an einem Faden" usw. Die Redewendungen führen ins Sprachspiel der Literatur hinein. Turrini unterscheidet den „feinen Faden der Intrige" vom „groben Stoff der Auf- richtigkeit". Bei Musil spricht sie von Schönheit, er aber vom „Fettgewebe, das die Haut stützt". Die Literatur kennt das „Gewebe der Seele", das „Gewebe der Zeit", das „Gewebe der Ma- terie" (Teilhard de Chardin) und die „Fäden der Wirklichkeit". Für den Theologen sind Eros und Agape (körperliche und vergeistigte Liebe) „in- einandergewaben". Und im Neuen Testament heißt es: „ln ihm (Gott) leben, weben und sind wir", wobei „weben" (griechisch „kinein", vgl. Kinetik) als „Leben und Bewegung" erklärt wird. ln der Mythologie gibt es den Ariadnefaden, den Gordischen Knoten, das Nessusgewand, und man berichtet von Göttern, die sich an Leitern und Seilen auf die Erde heruntergelassen haben, wobei diese Vorrichtung „Fäden von Spinnen" hieß. Aber verlassen wir den van der Menschheit abgeschafften mythologischen Himmel, um ein letztes Beispiel unserer Welt und Zeit zu zitie- ren. Es ist wohl nicht zufällig, daß der ameri- konische Architekt B. Fuller seine Universalarchi- tektur auch auf der Basis und Sprache der Fi- scherei und ihrer Netze entwickelt hat, wobei er zugleich prägende Kindheitserlebnisse in seine Philosophie einbezog: „Bootsbau war die ur- sprüngliche Technik..., Fischerei die örtliche Industrie, und derartige Spannungssysterne wie Schlagnetze, Schleppnetze, Schleppsöcke . . ., das alles, zusammen mit Schlepp- und Boiengeröt, machte ihn auf die Vielfalt der Seil- und Garn- anwendung aufmerksam; er lernte auch Netze zu stricken, Seile zu verknüpfen, zu spleißen und abzubinden. Hier wurden ,Seile eingeschossen' oder deren ,Richtung' verändert, dabei geschickte Spannungstechniken angewendet, die so ur- sprünglich waren wie die einer Spinne" (zitiert bei J. Clous: Expansion der Kunst, 1970, S 25.). 3. Deutung Textile Kunst soll nun gedeutet werden, Textilien werden zu Texten. Wie lesen wir diese Texte? Der zuerst geschilderte Dreischritt soll im tol- genden die Anordnung geben. a) Erneuerte Traditionen der Teppichkunst! Zeit- los gültig bleibt es, daß das Menschsein des Menschen wesentlich darin bestimmt ist, daß der Mensch sich Räume einteilt, daß er sie gestaltet und schmückt; hier haben der Teppich und der Wandbehang ihre „menschliche Funktion" (For- mulierungen nach Dora Heinz). Der Zeitbezug ist damit erreicht, daß dem Menschen von heute eine neue Mobilität - gleichsam ein modernes Nomadentum - zugemutet ist. Verfehlte Stadt- und Wohnungsplanung zwingen den Menschen oft zum ungewollten Aufbruch; verführerische Konsumangebote (Auto, Wochenende, Urlaub) versetzen die Menschen in unruhige Massenbe- wegungen. Aber auch positiv: der Mensch soll und will die Erde, sein Haus, kennenlernen; Ernst Bloch würdigt den „Reiz der Reise" in seiner 24 Jutta Waloschek, Megaphon und sein Tod, 197 55 x 195 cm Maria Plachky, Kathedrale, ZOO x 200 crn 1971. Wall