Der Maler des Meeres 1 Unterwassersteine, Insel Santorin, Kykladen, 1974, Tusche, 36 x 48 cm 2 Leas Robinson malt an den Küsten der Meere 3 Meereswelt, Insel Santorin, Ky- kladen, 1974, Tusche, 36x48 cm 4 Schnecken ehäuse, Istrien, 1974, Ul, 70 x1 0 cm 5 Gehäuse Meeresschnecke, lnsel los, Kyklclden, 1974, U1, 100 x 115 cm einer Leos Robinson ln Santorin klettern wir über Steine, erreichen Klippen aus schwarzem Basalt, wo Leos Robinson, der Unbeirrbare, das Meer malt. Das Meer, dessen Verbündeter er geworden ist. Ganz früh begann der Knabe zu zeichnen und mit Wasserfarben zu malen. lhn fesselten nur die Fische und die Steine in den Gebirgsbächen, in den Flüssen. Er träumte vom Meer. Geboren ist er 1939 in einem Steinhaus nicht weit von Frauenstein. Später kommt er nach Steyr an die Kunstschule. Sein Lehrer ist Prof. Krepcik, dem die eigenartige Naturbeziehung des Schülers auffällt. An der Wiener Akademie für angewandte Kunst bei Prof. Bäumer malt er Meeresbilder. 1963 erhält er den Preis der Akademie für Malerei. Er schreibt 1964: Mein imaginärer Geburtsort liegt im Hafen Ertsian-Gaber des Salomon, in mir ist die Liebe ungeteilt für alle sieben Meere. Kein Einspruch, keine Ungläubigkeit von seiten seiner Freunde, niemand ist imstande gewesen, seine Wegrichtung zu stören. Hier handelt es sich um den Auftrag eines Lebens, dessen Keim sein ganzes Sein bis zur Besessenheit erfüllt. Hat er nicht den Sirenensang vernommen, als er auf Pantelleria malte, als er auf den Liparischen Inseln sich mühte, das Geheimnis der Tiefe, KAN, das Abgründige, Stets-Wechselnde zu malen? Das Meer, sanfte Schwester und dunkle Ver- schlingerin, das Wellenmeer des Odvsseus ist sein Lehrmeister geworden, und er sein Schüler. Er erlebte die Bilder von Skylla und Charybdis in der Straße von Messina im Sturm - in einem Sarazenenturm hat er seinen Unterschlupf -, und vertraut ist ihm das glühende Auge des Stromboli, des Wächters dieser Meere, wenn Robinson mit den Fischern den Sögefisch unter dem Boot dahin- ziehen sieht, den Barrakuda, sein offenes iagendes Gebiß, und die Segel der Marita. Er fährt mit den Schwammtauchern hinaus und erlebt den Zauber der Unterwasserwelt. Er malt Korallen, Schwämme, Anemonen, Medusen. Er entdeckt die Zeichnung des Sandes und das Strandgut unendlichen Lebens: Geborstene Muscheln, Fischgräten, Panzerteile von Krebsen, Seeigelschalen, Algen, den phantastischen Formenreichtum setzt er in Bilder um. Er lebt völlig anspruchslos. Gelegentlich verkauft er ein Bild an Ort und Stelle oder tauscht es gegen Früchte, Brat und Wein. Er lernt Fischernetze flicken und findet Freunde. Vor dem getürmten roten Granit van lsola Rossa auf Sardinien zeichnet er den sagenhaften Oktopus, den achtarmigen Polypen. Hat er nicht alles andere vergessen vor der Entdeckung des Meeres? Das Meer wird für ihn das irdische Paradies, die Auffindung des Heils. Er ist überzeugt, daß das Hin-Finden zur Natur dem Menschen die verlorene Hoffnung wiedergibt. Der Meltemi treibt Bimsstein über das Kratermeer van Neokamene, Schwefel aus dem Vulkan vermischt sich mit dem Blau der Fluten. Hier taucht und malt Leos Robinson. Für ihn hat der Abgrund die Gefahr der Tiefe verloren. Der schöpferische Vorgang läßt ihn einswerden mit der Natur. Er steigt in sie hinab, vom Bekannten zum Unbe- kannten, doch Existenten geht die schöpferische Expedition. Von der Küste des Hacho dringt er langsam über Tanger in südliche Richtung, nach EI Jadidda und nach Safi. Das Safi der Ra des Thor Heyerdal wird das Safi des Hammerhais für Leos Robinson. 1971 erlebt er das Ungeheuer, das fabelhafte Tier und seinen Kampf mit den Fischern. Es wird ihm Symbol für die Aggression unserer Gesellschaft. Diese Bilder und ihr lnhalt sind neu, weil sie der gewohnten Gewordenheit fremd sind, sie liegen gewissermaßen in der Zukunft, sind entsprungen aus der schöpferischen Kraft zum Unbetretenen. Robinsons Hineinhorchen an die Geheimnisse dieser magischen Welt, in der alles ohne Stillstand sich erneuert oder abstirbt, lassen ihn das Sein aus der Meerestiefe erfahren: Ob er den Seeigel malt und seine zerborstenen Stacheln oder das von der Welle zerschlagene Schneckenhaus - es ist das Universum, das er malt. E. C. Wong 37